Empire von Michael Hardt und Antonio Negri erschien im Jahr 2000. Seitdem ist ihr Werk in aller Munde und wohl in jeder größeren Tages- und Wochenzeitung zumindest einmal im Feuilleton rezensiert worden. Die beiden Autoren begannen mit der Arbeit Anfang der 1990er Jahre und stellten Empire kurz vor Ausbruch des Kosovokriegs Ende des letzten Jahrhunderts fertig.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Kollaps des sowjetischen kommunistischen Reiches fand eine Zäsur statt, deren Folgen eminent wichtig waren für das Entstehen einer neuen Weltordnung und nicht zuletzt für das "Empire", das Hardt und Negri beschreiben. Die alte bipolare Welt, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges formiert hatte und seit Jahrzehnten die internationale Ordnung bestimmte, war verschwunden. Die NATO gewann den Kalten Krieg und der Kapitalismus setzte sich gegen Kommunismus und Planwirtschaft endgültig durch.
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Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Charakteristika unserer Weltordnung bzw. des postmodernen Globalisierungsprozesses diskutiert, wie Hardt und Negri sie in Empire beschreiben. Erst nach der Analyse einiger wichtiger Aspekte kann im Anschluss untersucht werden, welche Folgen die Anschläge vom 11. September 2001 politisch und gesellschaftlich hatten. So soll daran anknüpfend Empire im Kontext des 11.9. gelesen bzw. umgekehrt: der 11.9. bewertet werden anhand des visionären Manifests, das uns die Autoren zu Beginn des neuen Jahrhunderts bescherten. Wir werden sehen, dass Empire Tendenzen aufzeigt, die ein politisches Erdbeben durchaus vorhersagten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die politische Weltordnung bei Hardt/Negri
2.1 Was ist das „Empire“
2.2 Nationale und supranationale Souveränität
2.3 Mikrokonflikte und Omni-Krise
2.4 Der permanente Ausnahmezustand
2.5 Expansion
2.6 Außen und Innen – Erzeugung von Alterität
2.7 Intervention
3. Die Zäsur 11. September
3.1 Der Ausnahmezustand wird fortgesetzt bis auf Weiteres
3.2 Rebellion der Moderne
3.3 Die falsche Antwort des Westens
3.4 But we are under Attack!
4. Literaturangaben
1. Einleitung
Empire von Michael Hardt und Antonio Negri erschien im Jahr 2000. Seitdem ist ihr Werk in aller Munde und wohl in jeder größeren Tages- und Wochenzeitung zumindest einmal im Feuilleton rezensiert worden. Die beiden Autoren begannen mit der Arbeit Anfang der 1990er Jahre und stellten Empire kurz vor Ausbruch des Kosovokriegs Ende des letzten Jahrhunderts fertig.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Kollaps des sowjetischen kommunistischen Reiches fand eine Zäsur statt, deren Folgen eminent wichtig waren für das Entstehen einer neuen Weltordnung und nicht zuletzt für das „Empire“, das Hardt und Negri beschreiben. Die alte bipolare Welt, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges formiert hatte und seit Jahrzehnten die internationale Ordnung bestimmte, war verschwunden. Die NATO gewann den Kalten Krieg und der Kapitalismus setzte sich gegen Kommunismus und Planwirtschaft endgültig durch.
Wie prominent die Implosion der Sowjetunion auch war, so ungleich einschneidender und prekärer schien jenes Ereignis zu sein, das sich am 11. September 2001 ereignete. Innerhalb kürzester Zeit und historisch gesehen punktuell sorgten vier entführte Passagiermaschinen in den Vereinigten Staaten dafür, dass heute „nichts mehr so ist, wie es einmal war.“Empire wäre wohl kaum von den Terroranschlägen unberührt geblieben, doch Hardt/Negri sind der historischen Zäsur vorausgeeilt.
Es bleibt die Frage, ob der 11. September 2001 unsere Welt in der Tat so verändert hat, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war. Damit wäre Empire in seiner Bedeutung und Aktualität erschüttert. Mit anderen Worten: Kann diese postmoderne Abhandlung über Weltordnung und Globalisierung überhaupt noch ernsthaft rezipiert werden, wo sich doch nach einschlägiger Meinung das Weltkoordinatensystem so fundamental verschoben hat?
Empire teilt sich in vier umfangreiche Kapitel auf: Der erste Teil widmet sich der politischen Konstitution der Gegenwart, Teil zwei analysiert die Entwicklung von der modernen zur postmodernen staatlichen Souveränität, Teil drei behandelt die ökonomische Seite der Globalisierung; das letzte Kapitel schließlich beschreibt, wie und warum das Empire einst untergehen wird bzw. welche Alternativen sich uns anbieten. Alle Abschnitte sind nicht nur eine Untersuchung der Gegenwart, sondern fußen auf Überlegungen mit geschichtlichem Hintergrund und der Entwicklung innerhalb der letzten Jahrhunderte. Zudem sind sie stets bemüht, einen Ausblick auf die Zukunft zu geben.
Der 11. September 2002 war primär eine politische und weniger eine ökonomische Zäsur. Zwar bekam die Wirtschaft das Ausmaß der Anschläge unmittelbar und massiv zu spüren. In Folge des „Terrors“ ereignete sich ein Börsencrash nicht nur in den USA, sondern weltweit; die Nationalökonomien insbesondere der westlichen Industriestaaten begaben sich allesamt auf rasante Talfahrt. Dennoch setzte der Kapitalismus als System seinen Siegeszug unbeeindruckt fort, wenngleich sein Wahrzeichen in Downtown Manhattan vernichtet wurde.
Die weit reichenden Konsequenzen fanden in erster Linie auf politischer und gesellschaftlicher Ebene statt. Bei der Untersuchung von Empire werden die letzten beiden Kapitel „Passagen der Produktion“ und „Untergang und Fall des Empire“ weitgehend ausgeblendet. Fokussiert werden Kapitel 1 und 2: Wie beschreiben die Autoren die gegenwärtige (also die vor dem 11.9.) politische und gesellschaftliche Weltordnung? Haben die Anschläge auf New York und Washington die politische Konstellation so revolutioniert, dass Empire seiner Aktualität entbehrt?[1] Inwieweit muss sich ein Zukunftsszenario verändern, wenn es die Bedeutung des „11. Septembers“ angemessen berücksichtigen will?
Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Charakteristika unserer Weltordnung bzw. des postmodernen Globalisierungsprozesses diskutiert, wie Hardt und Negri sie in Empire beschreiben. Erst nach der Analyse einiger wichtiger Aspekte kann im Anschluss untersucht werden, welche Folgen die Anschläge vom 11. September 2001 politisch und gesellschaftlich hatten. So soll daran anknüpfend Empire im Kontext des 11.9. gelesen bzw. umgekehrt: der 11.9. bewertet werden anhand des visionären Manifests, das uns die Autoren zu Beginn des neuen Jahrhunderts bescherten. Wir werden sehen, dass Empire Tendenzen aufzeigt, die ein politisches Erdbeben durchaus vorhersagten.
2. Die politische Weltordnung bei Hardt/Negri
2.1 Was ist das „Empire“?
Für die Betrachtung von Aspekten wie nationale Souveränität, Globalisierung, Fundamentalismus und anderer realpolitischer Problemfelder erscheint es sinnvoll, kurz zu umreißen, wie die Autoren die neue Weltordnung in ihrem Buch beschreiben.
Der Gegenstand ist keine Utopie, sondern Wirklichkeit: „Das Empire materialisiert sich unmittelbar vor unseren Augen.“ (Hardt/Negri S.9) Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fielen die letzten Grenzen des Kapitalismus und sein Siegeszug setzte sich, begünstigt durch neue Medien, Logistik und Technologien, weltumspannend fort. Mit dem globalen Markt entstand zudem eine globale Ordnung, die eine wiederum neue Souveränität begründete: „Die Rolle der Nationalstaaten verschwindet zusehends; deren Souveränität und Macht bündelt und vereint sich in einer Reihe nationaler und supranationaler Organismen [...], die eine einzige Herrschaftslogik eint. Diese neue globale Form der Souveränität ist es, was wir Empire nennen (Hardt/Negri S.10).“ Wie sieht diese neue Souveränität nun aus? Gibt es konkrete Beispiele für jene nationalen und suprationalen Organismen?
Mit dem Kollaps des Warschauer Paktes verlor auch die NATO an Bedeutung. Das nordatlantische Bündnis existiert zwar formal weiterhin: als Reaktion auf die Terroranschläge des 11.9. sah sich die Staatengemeinschaft veranlasst, den allgemeinen Bündnisfall auszurufen und den USA ihre „uneingeschränkte Solidarität“ zu versichern. Erstmals in ihre Geschichte wurde die Organisation damit aktiv. Doch steht die NATO seit dem Ende des Kommunismus keinem ernst zu nehmenden Antagonisten in Gestalt eines Staates oder militärischen Paktes mehr gegenüber (zu modernen Mikrokonflikten siehe unten). Statt dessen sind heute Wenige mit geringem Kraftaufwand in der Lage, Tausende zu töten und ganze Länder in die Krise zu stürzen. Um das Feindbild seitens der Attackierten bzw. vermeintlich Bedrohten aufrechtzuerhalten, werden die Gegner hypostasiert durch Begriffe wie das „Böse“ oder entdifferenziert, indem momentan die ganze Welt nur noch gegen den Terrorismus kämpft.
Vereinte Nationen (UN) und Europäische Union (EU) besitzen ebenfalls den Status einer supranationalen Organisation. Keines der drei Bündnisse ist aber bisher zu einer globalen oder zumindest kontinentalen Macht geworden, die über ihr Herrschaftsgebiet souverän waltet.
Wenn Hardt und Negri also von einer einzigen Herrschaftslogik sprechen, die den Globus eint, so stellt sich die Frage, welche Macht diese Rolle in Zukunft übernehmen wird bzw. ob sie sich bereits konstituiert und institutionalisiert bzw. damit begonnen hat.
2.2 Nationale und supranationale Souveränität
Vom Untergang der Nationalstaaten oder von einer Globalisierung staatlichen Rechts, einer „Verweltlichung“ der Normen und Pflichten kann gegenwärtig noch keine Rede sein. Dass Globalisierung gewiss statt gefunden hat, zeigen Ökonomie und Kommunikation. Längst sind Produktion und Reproduktion nicht mehr an Standorte gebunden oder von Grenzen abhängig. Insofern ist das Empire in der Tat dezentriert und deterritorialisiert (Hardt/Negri S.11). Andererseits gilt für jeden Bürger immer noch weitgehend die nationale Gesetzgebung. Welchen Stellenwert besitzt dann die neue Weltordnung, wenn nationalstaatliche Autorität koexistiert bzw. diese internationales Recht untergräbt? Gleiches gilt für Ethik, Glauben und Moral: In den vergangenen Jahren ist die Toleranz zwischen einzelnen Ethnien und Religionen eher gesunken. Jüngere Beispiele sind Völker- und Brudermord auf dem Balkan und in Ruanda. Mit dem 11. September wuchsen seitens des Westens Angst, Unsicherheit und leider auch Ressentiments gegen den Islam. Frei nach Huntingtons Clash of Civilisations schien nun der Kampf der Kulturen ausgebrochen.
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[1] Keineswegs sind politische Konstitution (Kapitel 1 und 2) und ökonomische (Kapitel 3) voneinander unabhängig. Doch waren die politischen und gesellschaftlichen Folgen der Anschläge weitaus gravierender. Sollte die politische Konstitution vor dem 11.9., wie Hardt/Negri sie beschreiben, obsolet sein, implizierte dies das Gleiche für Ökonomie, Gesellschaft und Zukunft des Empire.
- Citation du texte
- Magister Artium Haiko Prengel (Auteur), 2002, Ausnahmezustand: 'Empire' und der 11. September, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11810
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