Was ist Gerechtigkeit? Eine Frage um einen der vielen vielschichtigen Begriffe, der nicht nur die politische Theorie, sondern das allgemeine Leben in der Gesellschaft und letztendlich auch das Individuum betrifft. Was ist gerecht? Wie und wann handelt man gerecht? Hat gerechtes Handeln überhaupt einen Nutzen und wenn ja, wie wirkt sich dieser aus? Oder ist Gerechtigkeit am Ende nur eine menschliche Erfindung, die die Unterwerfung einzelner Menschen unter eine Form von positivem Recht überhaupt erst ermöglicht? All diese Fragen, beschäftigen Theoretiker und Philosophen von der Gegenwart zurückreichend bis in die griechische Antike. Die vorliegende Arbeit soll diese zeitliche Entwicklung der verschiedenen Konzeptionen von Gerechtigkeit an zwei paradigmatischen Theorien erkennen, nachvollziehen und vergleichen, helfen und somit einige der hier voran geführten Fragen zu beantworten oder in einer neuen Perspektive erscheinen zu lassen. Die Gerechtigkeitskonzeption in Platons Politeia steht hierbei für die antike, Otfried Höffes Theorie der Gerechtigkeit für eine moderne, zeitgenössische Vorstellung. Basierend auf den beiden Hauptwerken dieser Philosophen, Platons Politeia und Höffes philosophischer Einführung Gerechtigkeit, ist es Aufgabe des Textes die Aktualität Platons anhand der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Höffes Theorie auszumachen und zu diskutieren. Vorerst soll hierzu eine Vorstellung des Gerechtigkeitsbegriffes bei Platon helfen, um anschließend dessen Umsetzung oder Abwandlung in Höffes Theorie auch nachvollziehen zu können. Ziel dieser Arbeit ist somit die Vorstellung und Untersuchung dieser zeitlich weit auseinanderliegenden Auffassungen von Gerechtigkeit auf ihre Gemeinsamkeiten, um somit Rückschlüsse auf die Wichtigkeit Platons im Zusammenhang mit der Frage nach Gerechtigkeit in der Gegenwart zu ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Gerechtigkeitskonzeption in Platons Politeia
2.1 Die vergebliche Suche nach Gerechtigkeit in Buch I
2.2 Isomorphie von Seele und Staat – Der platonische Begriff der Gerechtigkeit
3. Höffes Umsetzung der platonischen Konzeptionen unter Berücksichtigung historischer und philosophischer Entwicklungen
3.1 Platons Gerechtigkeitsbegriff im ‚aktualisierten‘ Gewand
3.2 Vorbehalte gegenüber der Gerechtigkeit?
3.2.1 Rechtspositivismus
3.2.2 Systemtheoretische Ansätze (nach Luhmann)
3.2.3 Utilitarismus
3.3 Höffes ‚drei Grundsätze‘ der ‚sozialen‘ Gerechtigkeit
4. Schlussbemerkungen
5. Literaturbericht
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Was ist Gerechtigkeit? Eine Frage um einen der vielen vielschichtigen Begriffe, der nicht nur die politische Theorie, sondern das allgemeine Leben in der Gesellschaft und letztendlich auch das Individuum betrifft. Was ist gerecht? Wie und wann handelt man gerecht? Hat gerechtes Handeln überhaupt einen Nutzen und wenn ja, wie wirkt sich dieser aus? Oder ist Gerechtigkeit am Ende nur eine menschliche Erfindung, die die Unterwerfung einzelner Menschen unter eine Form von positivem Recht überhaupt erst ermöglicht? All diese Fragen, beschäftigen Theoretiker und Philosophen von der Gegenwart zurückreichend bis in die griechische Antike.
Die vorliegende Arbeit soll diese zeitliche Entwicklung der verschiedenen Konzeptionen von Gerechtigkeit an zwei paradigmatischen Theorien erkennen, nachvollziehen und vergleichen, helfen und somit einige der hier voran geführten Fragen zu beantworten oder in einer neuen Perspektive erscheinen zu lassen. Die Gerechtigkeitskonzeption in Platons Politeia steht hierbei für die antike, Otfried Höffes Theorie der Gerechtigkeit für eine moderne, zeitgenössische Vorstellung. Basierend auf den beiden Hauptwerken dieser Philosophen, Platons Politeia und Höffes philosophischer Einführung Gerechtigkeit, ist es Aufgabe des Textes die Aktualität Platons anhand der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Höffes Theorie auszumachen und zu diskutieren. Vorerst soll hierzu eine Vorstellung des Gerechtigkeitsbegriffes bei Platon helfen, um anschließend dessen Umsetzung oder Abwandlung in Höffes Theorie auch nachvollziehen zu können.
Ziel dieser Arbeit ist somit die Vorstellung und Untersuchung dieser zeitlich weit auseinanderliegenden Auffassungen von Gerechtigkeit auf ihre Gemeinsamkeiten, um somit Rückschlüsse auf die Wichtigkeit Platons im Zusammenhang mit der Frage nach Gerechtigkeit in der Gegenwart zu ermöglichen.
2. Die Gerechtigkeitskonzeption in Platons Politeia
Um die Entwicklung der von Platon in der Politeia vorgeschlagenen Gerechtigkeitsvorstellung besser verstehen zu können, sollen zunächst einige Anmerkungen zum allgemeinen Aufbau des Werkes vorangetragen werden.
Höffe selbst, hält eine Gliederung der eigentlich zehn Bücher der Politeia, in fünf oder auch vier Teile für relativ offensichtlich.[1] Entgegen der in der Literatur gängigen fünfteiligen Gliederung, schlägt er unter der Bedingung, die „konstruktive Polisgenese als eine Einheit anzusehen[2] “, die Gliederung in vier Teile vor. Nimmt man dies zur Kenntnis, so kann man diese nach Höffe wie folgt betrachten:
„(1‘) Buch I – II 367 enthält den zweiteiligen, kritischen Vorspann mit Buch I als dem ersten und Buch II bis 367 als dem zweiten Teil;
(2‘) Buch II 367 – VII bildet den positiven Hauptteil, die zur gerechten Polis führende konstruktive Polisgenese, die ihrerseits in zwei Teile zerfällt, in den kürzeren, prinzipientheoretisch nicht hinreichend genauen und den längeren, genaueren Weg;
(3‘) Buch VIII – IX stellt das „negative Gegenstück“ dar; es befaßt sich mit den ungerechten Verfassungen und den ihnen entsprechenden Menschen;
(4‘) Buch X ist ein „Ausklang“ mit den genannten Themen.[3] (Höffe, 2005)
Hintergrund dieser systematischen Einteilung ist zum einen der Umstand, dass die ursprünglich zehnteilige Gliederung der Politeia nicht von Platon selbst, sondern vom Herausgeber, Thrasyllos, stammt; zum anderen dient sie schlicht der Ordnung und der im Bezug auf die Gerechtigkeit kontextualen Rezeption. Höffe streitet eine gewisse Eigenständigkeit des ersten Buches nicht ab[4] - auf die Gründe soll hier lediglich verwiesen werden - kategorisiert es jedoch aufgrund des übergeordneten Zusammenhangs, der Frage nach der Gerechtigkeit, in die gleiche, erste Kategorie ein.
Für die nachfolgende Untersuchung ist somit laut der höffe’schen Einteilung nur der erste Abschnitt der Gliederung von Relevanz, so ist es derjenige in dem Platon im ersten Buch in den Dialogen Sokrates mit Kephalos, Polemarchos sowie Thrasymachos und im zweiten Buch in der bereits erwähnten ‚konstruktiven‘ Polisgenese, nicht nur die Frage nach der Gerechtigkeit stellt, sondern man auch eine ideelle Form der Einstellung von eudaimonia in Staat und Seele (Individuum) als Folge der Gerechtigkeit erkennen kann.
2.1 Die vergebliche Suche nach Gerechtigkeit in Buch I
Es ist größtenteils unstrittig, dass die Dialoge des ersten Buches der Politeia der Vorbereitung auf die weiterführende Frage nach der Bestimmung der Gerechtigkeit und somit vor allem der folgenden Argumentation Platons dienen. Höffe, sowie auch Schütrumpf charakterisieren das erste Buch als „Prooemium.“[5] Nur wie äußert sich dies? Zunächst durch den negativen Ausgang der geführten Dialoge Sokrates mit Kephalos, Polemarchos und Thrasymachos. Desweiteren vor allem auch durch dessen Eingeständnis zum Ende des ersten Buches, sich den qualitativen Aspekten der Gerechtigkeit, ohne der vorherigen Bestimmung ihres eigentlichen genuinen Wesens, zugewandt zu haben. Die Erkenntnis, die Sokrates daraus folgert ist die, dass er nichts weiß,[6] was letztendlich in das zweite Buch der Politeia überführt und somit auch die Aporie zu Ende von Buch I verdeutlicht.
Konkret äußert sich die Frage nach dem Wesen der Gerechtigkeit zum ersten Mal nachdem Kephalos‘ auf die Frage Sokrates, was für ihn „das höchste Gut“ wäre, das der Reichtum ihm erbracht hätte, mit einem längerem Monolog antwortet. Sokrates fasst Kephalos‘ Antwort als „das Sehen der Gerechtigkeit in Wahrheit und Rückerstattung des Empfangenen“[7] zusammen und stellt sie gleichzeitig in Frage, als er fragt ob Kephalos auch einem Wahnsinnigen seine Waffe zurückerstatten würde, insofern er sie im schuldet. Er verneint und Sokrates stellt fest, dass die „Aufrichtigkeit“ seine Schulden zurückzuerstatten als Definition für die Gerechtigkeit ungenügend ist.[8]
Nun bringt sich auch Polemarchos, der Sohn Kephalos‘, in das Gespräch ein, indem er Sokrates prompt widerspricht und an den Dichter Simonides erinnert, welcher ebenfalls die Vorstellung vertrete, „die Schuld einem jeden zurückzuerstatten ist gerecht.“[9] Polemarchos tritt nun als ‚Erbe‘ Kephalos in das Gespräch ein und Sokrates führt den Dialog fort. Im Unterschied zu seinem Vater fügt Polemarchos jedoch zu dessen Gerechtigkeitsvorstellung die Unterscheidung zwischen Freund und Feind hinzu. Sokrates fasst demnach zusammen, dass die Gerechtigkeit - in den Augen Polemarchos‘ - im Einklang mit der Vorstellung Simonides, „ den Freunden zu nützen, den Feinden zu schaden“[10] sei. Doch auch diese simple Definition hält den Prüfungen und den Fragen Sokrates nicht stand. Auschlaggebend ist hier, dass Kephalos, sowie auch Polemarchos, eine Vorstellung gerechten Handelns vertreten, die sich auf Einzelfälle bezieht und somit entweder in bestimmten Fällen nicht beizubehalten ist, oder sich gegen die höhere, universelle Einordnung, wie Sokrates sie verfolgt, verweigert. Somit ist die Aporie, in welche diese Dialoge enden, unausweichlich.[11] Schütrumpf fügt hier zusammenfassend hinzu:
„Von dem späteren Verständnis von Gerechtigkeit her, sind die von Kephalos und Polemarchos vertretenen konventionellen Vorstellungen für Platon unzulänglich, da sie Gerechtigkeit als eine Verpflichtung gegenüber anderen definieren und nicht als Wirksamkeit der eigenen Natur oder Fähigkeiten, wie Platon sie deutet (IV 443c ff.). Sie enthalten die Forderung, nach ein paar Regeln zu handeln, aber ignorieren jegliche ethische Dimension, die durch die Qualität der Seele des Handelnden determiniert ist.“[12] (Schütrumpf, 2005)
Ein noch radikalerer Standpunkt in der Frage nach Gerechtigkeit wird von dem Sophisten Thrasymachos vertreten; im gleichnamigen Dialog vertritt er die Ansicht, der ungerecht handelnde sei gegenüber dem Gerechten immer im Vorteil bzw. die Gerechtigkeit wäre nichts anderes als der Vorteil des Stärkeren.[13] Sokrates kann oder will diesen Gedankengang nicht sofort nachvollziehen, infolgedessen erklärt Thrasymachos seine Ansicht am Beispiel der Staatsherrschaft:
[...]
[1] Vgl. Höffe; Platon, Politeia (2005, S.10)
[2] Vgl. ebd. (2005, S.10)
[3] Ebd. (2005, S.15f)
[4] Vgl. ebd. (2005, S.10ff)
[5] Vgl. Schütrumpf. In Höffe. Politeia (2005, S.30)
[6] Platon. Politeia (1958; I, 354b,c)
[7] Ebd. (1958; I, 331c)
[8] Ebd. (1958; I, 331d)
[9] Platon. Politeia (1958; I, 331e)
[10] Ebd. (1958; I, 332d)
[11] Vgl. Schütrumpf, Eckart. In Höffe. Politeia (2005, S.36)
[12] Ebd. (2005, S. 37) Schütrumpf verweist hier auf die besondere Betonung Annas 1981, 20f; 157ff., 160f, 167.
[13] Vgl. Platon. Politeia (1958; I, 338c)
- Arbeit zitieren
- Sascha Hosters (Autor:in), 2008, Otfried Höffes Theorie der Gerechtigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117996
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