Ziel dieser Arbeit ist es, sowohl die medizinischen Möglichkeiten für ungewollt kinderlose Paare in der täglichen Praxis aufzeigen, als auch die damit verbundenen Konflikte anhand individueller Glücksvorstellungen des Kinderwunsches aufzudecken.
Als wesentliche Voraussetzung um die Fortpflanzungsmedizin sachgerecht darstellen zu können, beschäftige ich mich daher vorerst mit der Begriffsbestimmung der Reproduktionsmedizin, ihrer Entwicklung und den medizinischen Verfahrenstechniken.
Darauf folgend erläutere ich die aktuelle Situation in Deutschland und deren Rechtslage und vergleiche diese, mit den Grundlagen des vereinigten Königreiches Großbritannien. Diese beiden Kapitel zeigen die großen Unterschiede zweier europäischer Länder in ihrer Einstellung zum Eingriff der Fortpflanzungsmedizin in das menschliche Leben und sind Grundsteine für den darauf folgenden Erfahrungsbericht eines mit der In-vitro-Fertilisation behandelten Paares und der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik. Zum Abschluss meiner Arbeit soll das Interview mit einem Reproduktionsmediziner die Chancen und Risiken dieser Entwicklungen widerspiegeln.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Reproduktionsmedizin
2.1. Entwicklungen der Reproduktionsmedizin
2.2. Wege zum Wunschkind
2.2.1. Über die Hormonspritze zur Insemination
2.2.2. In-vitro-Fertilisation (IVF)
2.2.3. Intratubarer Gametentransfer
2.2.4. Indikationen für Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
2.2.5. Die Eizell-Spende
2.2.6. Leihmutterschaft
2.2.7. Präimplantationsdiagnostik (PID)
2.2.8. Fetozid
3. Reproduktionsmedizin in Deutschland
3.1 Die Rechtslage in Deutschland zur Reproduktionsmedizin
3.1.1 Das Embryonenschutzgesetz
3.1.2. Präimplantationsdiagnostik
3.1.3. Richtlinien zur Durchführung assistierter Reproduktion
3.2. IVF- Register
3.3 Kostenregelungen in Deutschland
4. Reproduktionsmedizin in Großbritannien
4.1. Die Rechtslage in Großbritannien zur Reproduktionsmedizin
4.1.1. Prohibitions in connection with embryos and gametes
4.2 Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEAuthority)
4.2.1. Mitglieder der HFEAuthority
4.2.2 Aufgaben der HFEAthority
4.2.3. Vergabe von Lizenzen
4.2.4. Vergabe von Forschungslizenzen
4.3. Präimplantationsdiagnostik (PID)
4.4. Kostenregelungen in Großbritannien
5. Rechtliche Normen der Reproduktionsmedizin Deutschlands und Großbritanniens in der Übersicht
6. Der weite Weg zur Entstehen ganz „normalen“ Lebens
7. Recht auf ein gesundes Kind?
8. Interview mit Dr. P.
9. Schlusswort
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Vor nicht all zu langer Zeit fuhren Frauen bei Nacht und Nebel über die Grenze, um im Ausland abtreiben zu lassen. Heute nehmen Paare diese Reise auf sich, um nicht etwa ein Kind abzutreiben, sondern um schwanger zu werden.
Das Kinderkriegen ist zum Problem geworden. Rund jedes siebte Paar in Deutschland wartet mehr als ein bis zwei Jahre vergeblich auf Nachwuchs. Jährlich nehmen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums über 200.000 Paare Fortpflanzungs-medizinischen Rat in Anspruch, so dass bereits jedes 80. deutsche Kind durch die Möglichkeiten der Reproduktionstechniken gezeugt worden ist.[1]
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich ungewollte Kinderlosigkeit zu einem Volksleiden entwickelt. Jahr für Jahr steigt die Zahl der Fruchtbarkeitspraxen, die sich dem Ziel verschreiben, den ungewollt Kinderlosen doch noch zu guter Hoffnung zu verhelfen. Das liegt vor allem daran, dass die Gebärwilligen immer älter werden und damit immer häufiger unfruchtbar sind. Die Zahl der Frauen, die erst nach dem 30. Lebensjahr Kinder wollen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
Die strengen deutschen Regelungen zur künstlichen Befruchtung haben allerdings einen europaweiten „Fruchtbarkeitstourismus“ ausgelöst, der sich zusätzlich zur hohen finanzielle Eigenbeteiligung, von dem verzweifelten Wunsch ungewollt Kinderloser nach Nachwuchs nährt. Dies hat wohl auch zur Folge, dass immer noch rund 1,5 Millionen[2] Paare in Deutschland ungewollt kinderlos bleiben.
Die meisten betroffenen Männer und Frauen verheimlichen ihre Probleme mit dem Kinderkriegen. Unfruchtbarkeit ist bis heute in unserer Gesellschaft eine Tragödie, für viele sogar eine Schande und auf jeden Fall behaftet mit Tabus. Die Gewissheit, auf natürlichem Wege kein Kind bekommen zu können, ist für viele Menschen nicht einfach zu verkraften. Betroffene Männer und Frauen empfinden es oft als persönliches Versagen, wenn sie kein Kind auf natürlichem Wege bekommen können. Dabei könnte es heute völlig normal sein, medizinische Unterstützung, als oftmals letzte Möglichkeit, sich den Traum vom eigenen Kind zu erfüllen, in Anspruch zu nehmen.
Kritiker dieser Hilfestellung, verweisen auf weltanschauliche und religiöse Konflikte und auf die grundsätzliche Frage, wieweit die moderne Medizin in das Handwerk des Schöpfers eingreifen darf. Seit der Geburt des ersten Retortenbabys im Jahre 1978 in Großbritannien hat die Fortpflanzungsmedizin, wie kaum ein anderes Teilgebiet in der Frauenheilkunde, rasche und in ihrer Qualität kaum für möglich gehaltene Entwicklungen bei der Behandlung ungewollt kinderloser Paare erlebt. Die Grundregeln der geschlechtlichen Fortpflanzung haben ihre Ausschließlichkeit verloren: Heute braucht es für die Zeugung eines Kindes nicht unbedingt einen Mann und eine Frau. Die Natur entscheidet nicht mehr allein, ob und wann die Befruchtung klappt, und wie das Resultat aussieht. Die Medizin eröffnet somit nicht nur die Möglichkeit irgendein Kind zu bekommen, sondern ein gesundes Kind bzw. ein krankes zuselektieren.
Aber haben wir wirklich ein Recht auf Kinder? Oder sogar auf ein gesundes? Dürfen wir Embryonen aussortieren, die beschädigt, unperfekt oder aus anderen Gründen nicht passend für uns sind?
Ziel dieser Arbeit ist es, sowohl die medizinischen Möglichkeiten für ungewollt kinderlose Paare in der täglichen Praxis aufzeigen, als auch die damit verbundenen Konflikte anhand individueller Glücksvorstellungen des Kinderwunsches aufzudecken.
Als wesentliche Vorraussetzung um die Fortpflanzungsmedizin sachgerecht darstellen zu können, beschäftige ich mich daher vorerst mit der Begriffsbestimmung der Reproduktionsmedizin, ihrer Entwicklung und den medizinischen Verfahrenstechniken.
Darauf folgend erläutere ich die aktuelle Situation in Deutschland und deren Rechtslage und vergleiche diese, mit den Grundlagen des vereinigten Königreiches Großbritannien. Diese beiden Kapitel zeigen die großen Unterschiede zweier europäischer Länder in ihrer Einstellung zum Eingriff der Fortpflanzungsmedizin in das menschliche Leben und sind Grundsteine für den darauf folgenden Erfahrungsbericht eines mit der In-vitro-Fertilisation behandelten Paares und der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik.
Zum Abschluss meiner Arbeit soll das Interview mit einem Reproduktionsmediziner die Chancen und Risiken dieser Entwicklungen widerspiegeln.
2. Reproduktionsmedizin
Die Reproduktionsmedizin beschäftigt sich mit den Grundlagen der menschlichen Fortpflanzung. Dazu gehören zum einen die Erforschung und das Verständnis der hormonellen Regulation und Funktion der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane, sowie die damit verbundenen verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in Fällen ungewollter Kinderlosigkeit.[3]
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation gelten Paare dann als unfruchtbar (Sterilität), wenn sich bei regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb eines Jahres keine Schwangerschaft eingestellt hat. Infertilität wird in der Reproduktionsmedizin dagegen als Unfähigkeit bezeichnet, ein lebensfähiges Kind auszutragen. Grund für den ausbleibenden Nachwuchs sind Ursachen bei Männern und Frauen etwa zu gleichen Teilen. Häufig findet sich bei beiden Geschlechtspartnern eine verminderte Fruchtbarkeit (Fertilität).
Ein gemeinsames Kennzeichen aller Reproduktionstechniken ist, dass sie mit Eingriffen in den weiblichen Körper verbunden sind. Unterscheiden wird hierbei dennoch zwischen Methoden der assistierten Befruchtung im Körper der Frau (intrakorporal) und denen, der außerhalb des weiblichen Körpers stattfinden (extrakororal). Die einzelnen Methoden werden im Folgendem, nach einer kurzen geschichtlichen Einleitung, vorgestellt.
2.1. Entwicklungen der Reproduktionsmedizin
Der Mensch hat schon sehr früh versucht, durch allerlei Zaubertränke, Beschwörungen und Rituale, in die natürlichen Fortpflanzungsvorgänge zur Liebes- und Fruchtbarkeitssteigerung einzugreifen. Denn schon früher lastete ein großer Druck auf Frauen und Männern einen Nachkömmling zu zeugen. Im antiken Griechenland zum Beispiel war ausbleibender Nachwuchs ein gesetzlicher Scheidungsgrund.
Bis vor 30 Jahren hatten kinderlose Paare keine andere Chance, als sich mit ihrem Schicksal abzufinden. Der liebe Gott, so hieß es auch, habe es nicht gewollt.
Die erste Befruchtung einer menschlichen Eizelle in einer Petrischale gelang 1968 in Großbritannien. Zehn Jahre später, am 25. Juli 1978, kam schließlich Louise Joy Brown in Oldham bei Manchester zur Welt.[4] Sie war der erste in-vitro gezeugte Mensch. Browns Geburt gab Millionen unfruchtbaren Paaren Hoffnung auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches und gleichzeitig Kirchenvertretern und Ethikern Anlass zur Kritik.
Das erste deutsche Retortenbaby Oliver W. erblickte am 16. April 1982 in der Uniklinik Erlangen die Welt. Von da an stieg die Zahl der Versuche an Frauen zur technischen Erzeugung von Embryonen in den USA, Europa, Australien und der ehemaligen Sowjetunion rasch an. Die medizinischen Fortschritte sind seitdem rasant. 1984 wurde in Australien das erste Kind geboren, das nach einer In-vitro-Fertilisation (IVF) als Embryo eine Zeit lang tiefgefroren war. Kurz darauf brachte Kim Cotton als erste Leihmutter ein Kind zur Welt, das sie auf Bestellung und Bezahlung hin geboren hat. Dieser Baby-Deal ließ weltweit die Wellen der Empörung hoch schlagen. Was damals als Wieder der Natur galt, ist mittlerweile medizinischer Alltag.
Der erste Bericht über die klinische Anwendung von Präimplantationsdiagnostik (PID) zur Überprüfung auf schwere Krankheiten, erschien 1990 in Großbritannien.
Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion bei der ein einzelnes Spermium in eine Eizelle injiziert wird, kurz ICSI, löste 1992 den zweiten Boom der künstlichen Befruchtung aus. Nun konnte man auch dem Großteil der unfruchtbaren Männer zu Vaterschaft verhelfen.
Kaum eine andere medizinische Technik fand so schnell den Weg in die Arztpraxis. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 150.000 nach In-vitro-Fertilisation geborene Kinder, die inzwischen mit Hilfe der gut 120 Fertilitätskliniken und – praxen geboren wurden. Weltweit wird die Zahl der Geburten, die durch künstliche Befruchtung zustande kamen, auf über 3,5 Millionen geschätzt und jedes Jahr werden es im Schnitt 200.000 mehr.[5]
2.2. Wege zum Wunschkind
Bleibt der Kinderwunsch eines Paares ohne Erfolg, stehen der assistierten Fortpflanzungshilfe, je nach Ursache der Unfruchtbarkeit, verschiedene moderne Verfahren zur Verfügung, um betroffenen Paaren ihren Wunsch vom eigenen Kind zu erfüllen. Die in der Praxis wohl am häufigsten durchgeführten, sollen zunächst vorgestellt werden.
2.2.1. Über die Hormonspritze zur Insemination
Es gibt viele Gründe, die dazu führen, dass die ersehnte Schwangerschaft nicht eintritt. Deshalb ist eine gynäkologische Untersuchung zur Ursache wichtig. Bei Frauen gilt es zunächst herauszufinden, ob eine Störung der Fortpflanzungsorgane oder ob hormonelle Ursachen die Fruchtbarkeit behindern. Da die weiblichen körperlichen Probleme in vielen Fällen mit einer Fehlbildung der Eierstöcke bzw. des Eileiters zusammenhängen[6], wird im Normalfall zunächst eine medikamentöse Hormonbehandlung eingeleitet. Dabei werden der Frau über mehrere Wochen täglich Hormone gespritzt, die die Funktion der Eierstöcke steuern soll. Als erhebliche Nebenwirkungen können dabei allerdings Hitzewallungen, Schweiß-ausbrüche, Schwindelgefühle, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Depressionen auftreten.
Wenn die Hormonbehandlung alleine keinen Erfolg hat, kommt für die viele Patienten eine Insemination in Frage.[7] Das Prinzip der Insemination besteht in dem künstlichen Einbringen des männlichen Samens in den Genitaltrakt der Frau. Voraussetzung dafür sind ein oder zwei funktionstüchtige Eileiter. Die zuvor gewonnenen und nachträglich aus dem Ejakulat aufbereiteten Spermien werden in die Gebärmutterhöhle eingespült um Einschränkungen der Spermiogram-Qualität, sowie bei Bereichen des Gebärmutterhalses, entgegenzuwirken. Diese Methode wird auch als „die Minimalfom der assistierten Reproduktion“[8] verstanden, da die Befruchtung innerhalb des weiblichen Körpers stattfindet.
Heutzutage unterscheidet man verschiedene Formen dieser Therapie. Wird bei der Insemination der Samen des eigenen Partners übertragen, spricht man von einer homologen Insemination, bei der Verwendung von Spendensamen von einer heterologen Insemination. Die Erfolgsrate dieser Methode liegt bei etwa 10 Prozent je Zyklus, mit Medikamenten höher.[9]
2.2.2. In-vitro-Fertilisation (IVF)
Wenn Liebe nach Zeitplan oder gar Insemination zum Zeitpunkt des Eisprungs nicht fruchtet, wird der Beginn einer In-vitro-Fertilisation von Ärzten heute schon recht bald angeregt. Sie kann außerdem Frauen, die über keinen funktionstüchtigen Eileiter verfügen, sowie Männern, deren Samenqualität nicht mehr zur ganz natürlichen Eizellenbefruchtung taugt, zu einem gemeinsamen Kind verhelfen.
Abbildung aus uhreberrechtlichen Gründen für die Publikation entfernt
Das Prinzip der In-vitro-Fertilisation besteht darin, dass die weibliche Eizelle mit den männlichen Samenzellen außerhalb des Körpers in einem Nährmedium zusammengebracht und nach erfolgter Befruchtung in die Gebärmutter zurückgeführt wird. Der eigentliche Vorgang der Befruchtung, nämlich das Eindringen einer Samenzelle in die Eizelle, wird hierbei in keinster Weise medizinisch noch technisch unterstützt.
Um eine IVF-Behandlung durchzuführen, muss die Frau zunächst ebenfalls hormonell stimuliert werden. Damit möglichst viele Eizellen reifen, wird noch stärker stimuliert als bei der herkömmlichen Hormonbehandlung, denn die Anzahl der befruchtungs-fähigen Eizellen spielt bei der IVF eine nicht unerhebliche Rolle. Der tatsächliche Eisprung wird medikamentös mittels einer Injektion ausgelöst. Etwa 36 Stunden später findet die Eizellentnahme innerhalb eines kleinen operativen Eingriffs (Follikelpunktion) statt. Zeitlich parallel zum Punktionstermin erfolgt auch die Spermaspende und die daran anschließende Samenaufbereitung. Diese präparierte Samen-„Elite“ wird etwa sechs Stunden nach der Punktion den gewonnenen Eizellen zugeführt, indem mindestens 100.000 bewegliche Spermien auf jeweils eine einzige Eizelle pipetiert werden. Ei und Samenzellen werden nun für 2-5 Tage im Brutschrank zur Befruchtung belassen. Nach einer Auswahl geeigneter Embryonen, spritzt der Arzt diese mit einem Katheter in die Gebärmutter. Am dreizehnten Tag nach dem Embryonentransfer ist ein erstmals verlässlicher Schwangerschaftstest durchführbar. Da nur rund 30% aller Fälle durch dieses Verfahren schwanger werden, haben Patienten die Möglichkeit bereits befruchtete Eizellen im Vorkernstadium zu kryokonservieren[10] und aufzubewahren, um erneute Stimulations- und Punktionsprozeduren zu vermeiden.
Die IVF-Therapie ist sehr zeitaufwändig und mit schmerzhaften Eingriffen verbunden. Die Gefahr eine Fehlgeburt scheint nach einer IVF-Behandlung leicht erhöht zu sein und liegt bei ca. 15 % gegenüber ca. 10 % bei spontan eingetretenen Schwangerschaften. Die Mehrlingsrate bei IVF beträgt knapp 40 Prozent, von denen 75 Prozent zu früh auf die Welt kommen.[11]
2.2.3. Intratubarer Gametentransfer
Dieses Verfahren unterscheidet sich von der In-vitro-Fertilisation dadurch, dass bei einer Bauchspiegelung Eizellen abgesaugt und direkt mit zuvor aufbereiteten Samenzellen in den Trichter des Eileiters gebracht werden. Die Befruchtung findet also im Körper der Frau statt. Es findet vor allem Anwendung bei langjähriger Sterilität der Frau oder auch bei ungeklärter Ursache männlicher Fertilitätsstörungen.
Voraussetzung hierfür ist ein durchgängiger Eileiter. Die Erfolgsquote liegt bei ca. 20 Prozent. Das Risiko einer Eileiterschwangerschaft ist bei diesem Verfahren allerdings sehr hoch, Infolgedessen und aufgrund der verbesserten Alternative ist diese Methode stark rückläufig und wird kaum noch angewendet. [12]
2.2.4. Indikationen für Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
Bleibt auch nach IVF-Versuchen die Befruchtung einer Eizelle weiterhin aus oder liegt beim Mann eine schwere Zeugungseinschränkung durch eine schlechte Spermienqualität oder sogar Unfruchtbarkeit vor, wird die Durchführung einer Mikroinjektion eines Spermiums in die Eizelle empfohlen. Die Vorbehandlung der Frau, einschließlich der Follikelpunktion und die Spermienaufbereitung verlaufen wie bei der IV-Behandlung. Im Gegensatz dazu wird bei der ICSI jedoch das aufbereitete Sperma nicht einfach zur Eizelle hinzugefügt, in der Hoffnung, dass es einem Spermium gelingen wird in die Eizelle einzudringen. Bei der ICSI wird ein einzelnes ausgesuchtes Spermium mit einer sehr feinen Pipette aufgenommen und direkt in den Zellkörper der Eizelle injiziert. Das Kultivieren der befruchteten Eizelle zu Embryonen und das Einsetzen in die Gebärmutterhöhle entspricht wieder dem konventionellen IVF-Verfahren. Die Einführung der ICSI führt bisher zu anhaltenden kontroversen Diskussionen dahingehend, ob durch die Injizierung des Spermiums und damit dem Wegfall der natürlichen Auslese, die Rate an genetischen Auffälligkeiten bei den so gezeugten Kindern erhöht wurde. Dies konnte aber bisher in keiner, medizinischen Untersuchungen weltweit belegt werden.[13]
Durchschnittlich 28 Prozent der Paare, die ICSI anwenden, bekommen ihr Wunschkind. Ist die Frau noch unter 36 Jahre, beträgt diese Quote sogar 36 Prozent.[14] Weil ICSI deshalb die erfolgversprechendste reproduktionsmedizinische Maßnahme ist, entscheiden sich die meisten Paare für diese Technik. Von den extrakorporalen Reproduktionstechniken erfolgt in 60 Prozent der Durchführungen die ICSI und zu 40 Prozent die In-vitro-Befruchtung.
2.2.5. Die Eizell-Spende
Frauen, die aufgrund ihres Alters oder einer Hormonstörung keine fruchtbaren Eizellen haben, sollen mit Hilfe dieser Methode ihren Kinderwunsch erfüllen. Bei der Eizellspende werden die Eierstöcke eine Spenderin medikamentös stimuliert um mehrere Eizellen (Follikel) reifen zu lassen, diese werden anschließend, meist unter Narkose punktiert. Die so erhaltenen Eizellen werden mit dem Samen durch In-vitro-Fertilisation oder mit dem ICSI-Verfahren befruchtet und der Empfängerin transferiert oder für einen späteren Transfer kryokonserviert (eingefroren).
Die Eizellspende wird auch im Rahmen der Leihmutterschaft durchgeführt.
2.2.6. Leihmutterschaft
Als Leihmutter wird eine Frau bezeichnet, die für die Dauer einer Schwangerschaft ihre Gebärmutter, oder vielmehr ihre Fähigkeit, schwanger zu werden und bleiben zu können sowie ein Kind zu gebären, „leiht“, um für eine andere Frau oder ein homosexuelles Paar ein Kind zur Welt zu bringen.
Reproduktionsmedizinisch gibt es dafür zwei Formen: die volle und die partielle Leihmutterschaft. Eine volle Leihmutter empfängt das Kind des Partners einer sterilen Frau, indem die Leihmutter künstlich mit dem Sperma des Partners befruchtet wird. Somit sind genetische und austragende sowie gebärende Frau identisch, die soziale Mutter ist „lediglich" die Frau des genetischen Vaters.
Die andere Form der Leihmutterschaft ist die partielle. Der Embryo, der das genetische Potential der bestellenden Eltern hat, kann der „Tragemutter" implantiert werden. Dazu wurde zuvor die Eizelle der Frau, die nicht empfangen kann, mit dem Samen ihres Partners „im Reagenzglas“ befruchtet und anschließend in die Gebärmutter der Ersatzmutter eingepflanzt. Die genetische Mutter, die den Auftrag gegeben hat, wird später die soziale, die „Sorgemutter" sein. Die soziale Mutter und die gebärende Frau sind verschiedene Personen.[15]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Leihmutterschaft: Möglichkeiten genetischer, biologischer und sozialer Mutterschaft
2.2.7. Präimplantationsdiagnostik (PID)
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein Verfahren der Fortpflanzungsmedizin, bei dem ein im Rahmen der In-vitro-Fertilisation und des ICSI-Verfahrens entstandener Embryo vor der Implantation in die mütterliche Gebärmutter auf genetische Defekte untersucht wird. Dabei wird das Erbgut von ein bis zwei Zellen eines mehrere Tage alten Embryos, meist während des so genannten 8-Zell-Stadiums und damit ca. drei Tage nach der Befruchtung, hinsichtlich bestimmter krankheitsrelevanter Mutationen untersucht, bevor der Embryo in die Gebärmutter übertragen wird.
Aus der entnommenen Zelle kann eine Vielzahl von Informationen gewonnen werden. So können auch Chromosomenanomalien, z. B. das Down-Syndrom (Trisomie 21), sowie weitere Erbkrankheiten wie Mukoviszidose nachgewiesen werden. Eingesetzt wird die PID bei Eltern, die ein hohes Risiko haben, ein schwer krankes, möglicherweise nicht lebensfähiges Kind zu bekommen.
Auch Untersuchungen im Hinblick auf nicht krankheitsrelevante Merkmale wie beispielsweise das Geschlecht eines Embryos, das Vorhandensein einer bestimmten Behinderung oder seiner Eignung als Organ- bzw. Gewebespender für ein bereits lebendes erkranktes Geschwisterkind sind mittels PID möglich.[16]
Die dem Embryo entnommenem ein bis zwei Zellen sind zu diesem Zeitpunkt der Untersuchung totipotent, das heißt es kann davon ausgegangen werden, dass sich unter bestimmten Bedingungen aus ihnen eigenständige Embryonen entwickeln könnten.
2.2.8. Fetozid
Als Fetozid wird das Töten eines oder mehrerer Föten im Mutterleib bezeichnet.
Bei Drillings- oder höhergradigen Schwangerschaften, die oftmals als Folge einer künstlichen Befruchtung auftreten, kann ein selektiver Fetozid durchgeführt werden, um die Entwicklungsfähigkeit der verbliebenen Feten zu sichern.
Aber auch bei einer festgestellten Genmutation kommt es oftmals zu einem Abbruch der Schwangerschaft.
3. Reproduktionsmedizin in Deutschland
3.1 Die Rechtslage in Deutschland zur Reproduktionsmedizin
Die „Würde des Menschen“, so erklärt Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes, „ist unantastbar. „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt“. Dieser Artikel führt aus, dass jeder Mensch das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Doch wann ist er Mensch bzw. Person im Sinne des Grundgesetzes? Wo beginnt und wo endet das Leben eines Menschen? Ab wann und wie lange ist menschlichen Leben gleichbedeutend mit dem Leben eines Menschen? Welche Entwicklungsstadien menschlichen Lebens genießen also den Schutz der Menschenwürde und der Person, den das Grundgesetz garantiert?
In Deutschland werden diese Fragen zur Reproduktionsmedizin durch das Embryonenschutzgesetz (EschG) vom 13. Dezember 1990 geregelt. Dieses Gesetz soll Frau und Embryo vor dem Missbrauch der fortpflanzungsmedizinischen Techniken schützen. Genaue Ausführungsanordnungen sind durch die Richtlinien zur Durchführung assistierter Reproduktion von 2006 festgeschrieben.
Was den Beginn eines Menschenlebens betrifft, so stellt das deutsche Embryonenschutzgesetz klar, dass menschliches Leben vom Moment seiner Zeugung an den Schutz des Grundgesetzes genießt. Als Embryo gilt laut Gesetz die „befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an“. Dass heißt, dass für jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen, sich zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln, dieses Gesetz wirksam ist. Als entwicklungsfähig wird jede menschliche Eizelle nach der 24-stündigen Kernverschmelzung betrachtet, es sei denn, dass schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, dass sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickelt. Aber auch schon vor dem Status des Embryos, gibt es bestimmte Ordnungen zu dem Umgang mit den so genannten Keimbahnzellen, auch die stehen unter dem Schutz dieses Gesetzes.
Die zur Thematik wichtigsten Paragraphen werden im Folgenden näher erläutert.
3.1.1 Das Embryonenschutzgesetz
§1 Missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken
(1) „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,
2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,
3. es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen,
4. es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei Eizellen zu befruchten,
5. es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen,
6. einer Frau einen Embryo vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden, oder
7. es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen.“[17]
Im ersten Paragraphen des Embryonenschutzgesetzes, geht es um die missbräuchlichen Anwendungen von Fortpflanzungstechniken. Verboten wird hier zunächst die Übertragung einer fremden unbefruchteten Eizelle auf eine Frau. Der Gesetzgeber untersagt den medizinischen Fall, dass genetische und biologische Mutter zwei verschiedene Frauen sein dürfen. Die Leihmutterschaft wird damit verboten. Auch hier, wie in den folgenden Punkten wird immer derjenige mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft, der diese Handlung durchführt, nicht aber die Patienten. So handelt die Frau, von der die Eizelle oder das Embryo stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle oder das Embryo übertragen wird zwar rechtswidrig, sie werden aber für ihr Handeln nicht bestraft. In §9 Arztvorbehalt heißt es, nur ein Arzt darf eine künstliche Befruchtung vornehmen, dass heißt die Übertragung eines menschlichen Embryos auf eine Frau oder die Konservierung eines menschlichen Embryos sowie einer menschlichen Eizelle, in die bereits eine menschliche Samenzelle eingedrungen oder künstlich eingebracht worden ist. Der Arzt ist somit der Ausübende dieser medizinischen Handlungen und daher auch Straftäter bei unrechtgemäßer Tätigkeit.
[...]
[1] Spiewak 2005
[2] http://www.focus.de/gesundheit/baby/news/kinderlosigkeit-der-verbaute-weg-zum-wunschkind_aid_312475.html (29.06.2008)
[3] vgl. Gebhard 2005, S. 12-15
[4] Graumann 2003, S.10
[5] General-Anzeiger vom 23.Juli 2008
[6] http://www.kribbelbunt.de/de/Potsdam/Themen/Berichte/kuenstliche_Befruchtung/site__2247/ Stand: 15.08.2008
[7] hierbei handelt es sich lediglich um eine mögliche Variante, Therapieplan wird individuell für jeden Patienten entwickelt.
[8] Diedrich 2001, S.32
[9] vgl. West 2005
[10] Aufbewahren von Zellen durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff (Tieffrieren)
[11] http://www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de/kinderwunsch/kinderwunsch.htm Stand: 10.08.2008
[12] Pro Familia, 2004
[13] Diedrich 2001, S.35
[14] ICSI-Follow-up-Studie, 2005
[15] vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2005
[16] Ziegler 2004, S. 173 ff
[17] §1 Abs. 1 Embryonenschutzgesetz 1990
- Arbeit zitieren
- Martina Langen (Autor:in), 2008, Staatliche Regelungen und individuelle Glücksvorstellungen im Konflikt am Beispiel des Kinderwunsches, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117945
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