Auf der Suche nach einem Thema für meine zweite Staatsarbeit machte ich mir Gedanken über meinen Schulalltag. Welcher Bereich macht mir Schwierigkeiten? Wo habe ich noch keine praktikable Lösung eines Problems gefunden? Schnell kam ich zu einem Thema, das wahrscheinlich nicht nur für mich ein Sorgenkind ist, sondern auch für viele Schüler und Eltern: Hausaufgaben! Zwar machte ich mir jeden Tag bei der Unterrichtsplanung auch Gedanken zu den Hausaufgaben, jedoch wiederholten diese meistens nur die Inhalte des Unterrichts und dienten der reinen Übung. Vor allem fand ich keine Vorgehensweise, die es mir zeitlich erlaubte die Hausaufgaben zu kontrollieren, den SuS eine entsprechende Rückmeldung zu geben und die Auswertung mit in den Unterricht einfließen zu lassen. Diese Aspekte machten mich unzufrieden, denn zeitlich gesehen, ver(sch)wenden die SuS einen großen Teil ihres Nachmittags damit, Aufgaben zu lösen, die sie meist ähnlich schon im Unterricht gelöst haben und am nächsten Tag nimmt sich niemand Zeit diese Arbeit anzuerkennen und wertzuschätzen. Dies sollte sich nun also ändern!
Nachdem ich mir einen Überblick über die Literatur verschafft hatte, wurde mir schnell klar, dass das Thema Hausaufgaben sehr umfangreich ist und sich viele Schwerpunkte setzen lassen- einerseits Schwerpunkte zu verschiedenen Unterthemen (z. B. differenzierende Hausaufgaben), andererseits zu den verschiedenen Blickwinkeln der Lehrer, Eltern und Schüler. Konkreter gesagt ist die Erledigung von Hausaufgaben von drei Bedingungsbereichen beeinflusst:
• Von den Anforderungen der Schule (z. B. Umfang der Hausaufgaben, Schwierigkeitsgrad, Art, Anregungsgehalt)
• Von familiären Merkmalen ( z. B. erziehungsbezogene Einstellungen, Leistungsdruck, Sozialschichtzugehörigkeit)
• Sowie von individuellen Schülervoraussetzungen (z. B. kognitives Niveau, Schulleistungsstand, schulbezogenes Arbeitsverhalten)
Ausgehend von meiner Unterrichtspraxis schien mir das größte Defizit, dass ich den SuS bisher zu selten eine Rückmeldung zu ihren Hausaufgaben gab.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
a) Erkenntnisleitendes Interesse
b) Ziele zur Veränderung der Hausaufgabenpraxis
c) Vorgaben zu Hausaufgaben in Lehrplänen, Richtlinien und Erlassen
d) Die Rolle der verschiedenen Lehrerfunktionen im Rahmen von Hausaufgaben
2. Theoretischer Teil
a) Hausaufgaben? Ja!
b) Der erweiterte Lernbegriff unter dem Aspekt des personalen Lernens
c) Notwendigkeit von Qualitätsindikatoren für Hausaufgaben
3. Praktischer Teil
a) Die GGS Wichernschule und die speziellen Lernvoraussetzungen der Pinguinklasse
b) Ziele, Maßnahmen und ihre Indikatoren für Lehrer, Schüler und Eltern
c) Der Elternabend-Vorstellung des Hausaufgabenprojekts
d) Die Unterrichtsreihe zur Anbahnung einer neuen Hausaufgabenkultur
e) Der Hausaufgaben- Coach als methodischer Ansatz zur Optimierung der Rückmeldekultur
4. Evaluation und Reflexion
a) Vorstellung der Evaluationsinstrumente
b) Überprüfung der Zielerreichung anhand festgelegter Indikatoren
c) Reflexion der organisatorischen Ebene
d) Reflexion der methodisch- didaktischen Ebene
e) Reflexion der inhaltlichen Ebene
5. Fazit
a) Konsequenzen aus der Evaluation und Optimierungsmöglichkeiten
b) Meine Rolle als Lehrer- Beobachter und Berater
c) Ausblick und Perspektiven für die Weiterarbeit
d) Schlusswort
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
1. Einleitung
a) Erkenntnisleitendes Interesse
Auf der Suche nach einem Thema für meine zweite Staatsarbeit machte ich mir Gedanken über meinen Schulalltag. Welcher Bereich macht mir Schwierigkeiten? Wo habe ich noch keine praktikable Lösung eines Problems gefunden? Schnell kam ich zu einem Thema, das wahrscheinlich nicht nur für mich ein Sorgenkind ist, sondern auch für viele Schüler und Eltern: Hausaufgaben! Zwar machte ich mir jeden Tag bei der Unterrichtsplanung auch Gedanken zu den Hausaufgaben, jedoch wiederholten diese meistens nur die Inhalte des Unterrichts und dienten der reinen Übung. Vor allem fand ich keine Vorgehensweise, die es mir zeitlich erlaubte die Hausaufgaben zu kontrollieren, den SuS eine entsprechende Rückmeldung zu geben und die Auswertung mit in den Unterricht einfließen zu lassen. Diese Aspekte machten mich unzufrieden, denn zeitlich gesehen, ver(sch)wenden die SuS einen großen Teil ihres Nachmittags damit, Aufgaben zu lösen, die sie meist ähnlich schon im Unterricht gelöst haben und am nächsten Tag nimmt sich niemand Zeit diese Arbeit anzuerkennen und wertzuschätzen. Dies sollte sich nun also ändern!
Nachdem ich mir einen Überblick über die Literatur verschafft hatte, wurde mir schnell klar, dass das Thema Hausaufgaben sehr umfangreich ist und sich viele Schwerpunkte setzen lassen- einerseits Schwerpunkte zu verschiedenen Unterthemen (z.B. differenzierende Hausaufgaben), andererseits zu den verschiedenen Blickwinkeln der Lehrer, Eltern und Schüler. Konkreter gesagt ist die Erledigung von Hausaufgaben von drei Bedingungsbereichen beeinflusst:[1]
- Von den Anforderungen der Schule (z.B. Umfang der Hausaufgaben, Schwierigkeitsgrad, Art, Anregungsgehalt)
- Von familiären Merkmalen ( z.B. erziehungsbezogene Einstellungen, Leistungsdruck, Sozialschichtzugehörigkeit)
- Sowie von individuellen Schülervoraussetzungen (z.B. kognitives Niveau, Schulleistungsstand, schulbezogenes Arbeitsverhalten)
Ausgehend von meiner Unterrichtspraxis schien mir das größte Defizit, dass ich den SuS bisher zu selten eine Rückmeldung zu ihren Hausaufgaben gab. Diese beinhaltet sowohl die Kenntnisnahme, die Überprüfung, als auch die Auswertung. Ich suchte demnach eine methodische Vorgehensweise zur Arbeitserleichterung, die sowohl schülerorientiert als auch ökonomisch einsetzbar ist. Dabei ging es mir vorrangig nicht um eine reine Überprüfung der Hausaufgaben mit der Rückmeldung ‚richtig’ oder ‚falsch’ sondern darum, dass die SuS über die Hausaufgaben ins Gespräch kommen, eigene Gedanken, Fragen und Wege äußern, sich und ihr Lernen vertieft in den Blick nehmen und lernen es realistisch einzuschätzen. Von diesem Schwerpunkt ‚Rückmeldung’ ausgehend möchte ich versuchen auch den oben genannten Bedingungsbereichen gerecht zu werden und einen Weg zu finden, der es ermöglicht die Hausaufgabenkultur allgemein zu verbessern.
Ich möchte in dieser Hausarbeit also eine Möglichkeit finden, durch die Hausaufgaben in integrierte (ein fester Bestandteil jeder Stunde), prozessbezogene (der Lernweg steht im Mittelpunkt nicht nur das Resultat) und kooperative (zwischen Schülern, Eltern und Lehrern) Schulaufgaben umgewandelt werden.[2]
Dabei werde ich in meiner Arbeit wie folgt vorgehen:
Aus meiner bisherigen Hausaufgabenpraxis sind für mich einige notwendige Verbesserungen ersichtlich geworden. Diese werde ich im folgenden Abschnitt zunächst als Grobziele definieren. Im darauf folgenden Kapitel wird dann die entsprechende theoretische Grundlage erarbeitet, durch die dann die Grobziele verfeinert und genauer definiert werden können. Im praktischen Teil werde ich auf Basis der Lernvoraussetzungen und der Theorie die genauen Ziele, Maßnahmen und auch Indikatoren zur späteren Überprüfung definieren. Anschließend werde ich die praktischen Maßnahmen im Einzelnen vorstellen. Die Zielerreichung wird im Kapitel ‚Evaluation’ überprüft mit Hilfe der vorher festgelegten Indikatoren und standardisierten Evaluationsinstrumente. Im abschließenden Kapitel werde ich Konsequenzen aus der Evaluation ziehen und eventuelle Optimierungsmöglichkeiten anmerken. Zudem werde ich meine Rolle als Lehrer reflektieren und einen Ausblick bzw. Perspektiven für die Weiterarbeit geben.
b) Ziele zur Veränderung der Hausaufgabenpraxis
Zunächst möchte ich folgende Grobziele für die beteiligten Gruppierungen formulieren:
1. Der Lehrer:
a. lernt die Hausaufgaben in den Unterricht zu integrieren.
b. lernt eine ökonomische Vorgehensweise für den Umgang mit Hausaufgaben (im Speziellen die Rückmeldung & Auswertung) im Unterricht kennen und nutzt diese.
c. nutzt die Hausaufgaben, um den Lernstand der Schüler besser einzuschätzen (Hausaufgaben als Diagnoseinstrument) und seinen folgenden Unterricht darauf abzustimmen.
2. Die Schüler:
a. lernen ihre Hausaufgaben sinnvoll und selbstständig zu organisieren.
b. bekommen Rückmeldungen zu ihrer geleisteten Arbeit.
c. kommen über ihre Hausaufgaben ins Gespräch und stellen Fragen dazu.
d. lernen ihre geleistete Arbeit realistisch einzuschätzen.
3. Die Eltern:
a. werden in das Thema Hausaufgaben mit einbezogen.
b. lernen ihre Kinder besser bei den Hausaufgaben zu unterstützen.
c) Vorgaben zu Hausaufgaben in Lehrplänen, Richtlinien und Erlassen
Das Thema Hausaufgaben findet sich natürlich auch in den Erlassen des Kultusministeriums und in den ‚Lehrplänen und Richtlinien zur Erprobung’ wieder. Festgehalten sind dort der Sinn und Zweck von Hausaufgaben, die Grundsätze von Hausaufgaben, der Umfang (in der 3.+4. Klasse nicht länger als 60 Minuten) und weitere Hinweise. Auch einige meiner genannten Ziele lassen sich durch diese Erlässe und Richtlinien begründen:
„Alle Hausaufgaben müssen aus dem Unterricht erwachsen und wieder zu ihm zurückführen.“[3] (Ziel 1a) Zudem sollen Hausaufgaben „regelmäßig überprüft und für die weitere Arbeit im Unterricht ausgewertet werden“[4] (Ziel 1b, 2b, 2c). Die Lehrpläne zur Erprobung sagen dazu: „Das Lernen wird durch regelmäßige Hausaufgaben unterstützt, die von den Lehrkräften überprüft werden.“[5] (Ziel 1b) und „Indem bei der Arbeit an unterschiedlichen Aufgaben auch das Lernen zum Thema wird, gewinnen SuS Verständnis für ihre Lernwege. Sie lernen Erfolg versprechende Methoden anzuwenden, sie erwerben und wenden Lernstrategien problemlösend an, sie erkennen den Sinn von Umwegen und lernen aus Fehlern.“[6] (Ziel 2c) Zu meinem Ziel 2d: ‚Schüler lernen ihre geleistete Arbeit realistisch einzuschätzen’ lässt sich in den Lehrplänen folgendes finden:
„Die Fähigkeit zur positiven und realistischen Selbsteinschätzung fördern. Die Grundschule führt ihre SuS an eine realistische Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit heran. Dazu gehört es, Leistungen nicht nur zu fördern und zu überprüfen, sondern durch Ermutigung, Unterstützung und die Anerkennung von Leistungen ein positives Lern- und Leistungsklima und damit die Voraussetzungen für das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu schaffen. SuS erhalten somit Gelegenheit zu erfahren, dass Anstrengung sich lohnt und zu besseren Leistungen führt. Die Erfahrung, allein oder gemeinsam mit anderen Leistung erbringen zu können, stärkt Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Die SuS lernen zunehmend, die Erfolge ihres Lernens und ihre Leistungen richtig einzuordnen.“[7]
d) Die Rolle der verschiedenen Lehrerfunktionen im Rahmen von Hausaufgaben
Da der Lehrer eine zentrale Rolle bei der Hausaufgabenthematik einnimmt, werde ich im Folgenden näher auf die 7 Lehrerfunktionen eingehen und ihre Rolle bei den Hausaufgaben herausstellen. Danach werde ich einige Lehrerfunktionen gezielt aussuchen, die mir besonders wichtig für meine Ziele erscheinen, um diese dann in der weiteren Arbeit zu berücksichtigen.[8]
Bei dem geplanten Unterrichtsprojekt ‚Hausaufgaben’ werde ich mich bei der Planung, Umsetzung und Evaluation mit den verschiedenen Funktionen des Lehrers auseinandersetzen. Dabei wird das Unterrichten eine wichtige Funktion sein, denn ich als Lehrer soll gezielte Hausaufgaben aufgeben, diese reflektieren und auswerten und den Schülern eine Rückmeldung dazu geben. Diese Auswertung und Rückmeldung kann und wird in meinem Fall gemeinsam mit den SuS erarbeitet.
Unter dem Punkt Erziehen steht, dass der Lehrer „die Entwicklung einer mündigen und sozial verantwortlichen Persönlichkeit fördern“ soll. Ich möchte die Schüler dabei fördern, dass sie sich selbstständig mit einer Aufgabe auseinandersetzen und ihre Lernvorgänge selbstständig organisieren lernen.
Die Lehrerfunktion Leistung messen und beurteilen beinhaltet die Aussage, dass der Lehrer „Leistungsergebnisse analysieren und als Rückmeldung für die eigene Unterrichts- und Beratungstätigkeit nutzen“ soll. Grundsätzlich ist es nicht erlaubt Hausaufgaben zu zensieren, da man nicht sicher sein kann, ob die Aufgaben selbstständig vom Schüler bearbeitet wurden. Jedoch kann der Lehrer, gerade wenn er eine prozessbezogene Auswertung der Hausaufgaben vornimmt, Leistungsrückschlüsse ziehen und diese in dem folgenden Unterricht berücksichtigen. Dies werde ich versuchen, um gerade auf individuelle Probleme und Fragen eingehen zu können.
Im Bereich des Organisierens und Verwaltens soll der Lehrer „geeignete Organisationsmittel zur routinierten Handlungsentlastung ökonomisch einsetzen“. Dieser Punkt wird ein Schwerpunkt in meiner Arbeit, da ich versuchen möchte ein Organisationsmittel zur Hausaufgabenbesprechung zu finden, welches es mir erlaubt sowohl zeitökonomisch als auch medienökonomisch mit Hausaufgaben im Unterricht umzugehen.
Auch die Lehrerfunktion des Evaluierens, Innovierens und Kooperierens wird eine Rolle spielen. Ich werde sowohl die bestehende Hausaufgabenpraxis wiederholt evaluieren als auch gegebenenfalls bei Problemen innovieren. Zudem werde sowohl ich mit den Schülern, als auch die Schüler untereinander kooperieren, falls es Probleme bei den Hausaufgaben gibt (Hausaufgabenpatenschaften). Auch eine Kooperation mit den Eltern zum Thema Hausaufgaben ist wichtig und wird in meinem Projekt stattfinden. Diese Kooperation wird sowohl direkt (am Elternabend) als auch indirekt (wöchentlich über eine kurze Mitteilung) stattfinden. Es wird auch nötig sein, dass ich mich mit den anderen Lehrern der Klasse regelmäßig austausche, damit eine gemeinsame Regelung gefunden und umgesetzt werden kann.
Ich als Lehrer soll „SuS sowie die Erziehungsberechtigten adressaten- und situationsgerecht beraten“. In Bezug auf die Hausaufgaben muss ich immer wieder überlegen, wie ich meine SuS möglichst individuell, gerade bei Problemen mit den Hausaufgaben, beraten kann. Im Zusammenspiel mit der Lehrerfunktion des Innovierens werde ich eine Methode einführen, bei der sich die SuS auch gegenseitig bei ihren Hausaufgaben beraten können. Zudem werde ich auch die Eltern beraten, ihnen Hinweise geben zur Organisation der Hausaufgaben und im ständigen individuellen Austausch mit ihnen stehen.
Der Bereich des Diagnostizierens und Förderns sagt, dass der Lehrer „den jeweiligen Lernstand und Lernfortschritte sowie individuelle Lernprobleme und Leistungsmängel von SuS erkennen und daraus Konsequenzen für die individuelle Förderung ziehen“ soll. Dieser Punkt korreliert in Bezug auf die Hausaufgaben mit dem Bereich ‚Leistung messen und beurteilen’. Mir wird es möglich sein die Hausaufgabe als Diagnoseinstrument einzusetzen, allerdings nur, wenn ich die Hausaufgaben nicht unter dem Aspekt ‚richtig oder falsch’ sehe, sondern eine prozessbezogene Auswertung vornehme.
In meiner Arbeit möchte ich Schwerpunkte setzen auf
- das ‚Unterrichten’ in Bezug auf eine Rückmeldekultur in der Hausaufgabenpraxis,
- das ‚Organisieren’, indem ich ein zeitökonomisches Organisationsmittel zur Rückmeldung einsetze,
- und das ‚Beraten’- wobei ich zum einen die Schüler beraten möchte, auch hinsichtlich einer selbstständigen Beratung untereinander, und zum anderen die Eltern, um eine Hausaufgabenkultur auf allen Ebenen anzubahnen.
2. Theoretischer Teil
Über das Thema Hausaufgaben wird aktuell viel in den Medien berichtet und heftigst darüber diskutiert. Meist überwiegen dabei Vorurteile und negative Aspekte. Da ich in meinem ersten Abschnitt den Schwerpunkt schon auf die Veränderung der Hausaufgabenkultur gesetzt habe und gezeigt habe, dass sowohl die Erlasse des Kultusministeriums als auch die ‚Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung’ Hausaufgaben als einen Teil von Unterricht ansehen, werde ich im folgenden theoretischen Teil weniger auf die negativen Aspekte von Hausaufgaben eingehen. Stattdessen werde ich sowohl auf der Basis von Fachliteratur, als auch auf der Basis des aktuellen Lernbegriffes deutlich machen, warum Hausaufgaben wichtig sind und welchen Sinn sie haben. Im Anschluss daran werde ich anhand von Qualitätsindikatoren für Hausaufgaben einzelne Aspekte aufgreifen und näher beleuchten, die mir besonders wichtig im Hinblick auf meine Ziele erscheinen.
a) Hausaufgaben? Ja!
Die Argumente, die für Hausaufgaben sprechen, sind stets die gleichen und können nicht unbeachtet bleiben. Zum einen schaffen Hausaufgaben eine zusätzliche Lern- und Übungszeit neben der ‚Übung im Unterricht’, denn sie wiederholen diese in der Hausaufgabe. Diese Aufteilung der Übung ist lernpsychologisch betrachtet erfolgreicher, als das komprimierte Lernen.[9] Zudem schafft diese Verlegung der Übungszeit in den Nachmittagsbereich der Schule einen beträchtlichen Zeitgewinn. Aber auch pädagogische Argumente sprechen für die Hausaufgaben. Sie „erziehen zu Sorgfalt und Ausdauer und fördern […] die Selbstständigkeit und den Aufbau von Arbeitstechniken und Lernstrategien.“[10] Allgemein konnte in einigen Untersuchungen festgestellt werden (hier widersprechen sich allerdings die Untersuchungen zum Teil erheblich), dass die Leistungsentwicklung umso positiver verläuft, desto häufiger und regelmäßiger Hausaufgaben erteilt wurden.[11] Dazu muss allerdings ergänzt werden, dass es einige Anforderungen an eine Hausaufgabe gibt, die diese zu einer sinnvollen und leistungssteigernden Hausaufgabe machen. Diese Qualitätsindikatoren für eine Hausaufgabe werde ich im Abschnitt c) erläutern.
b) Der erweiterte Lernbegriff unter dem Aspekt des personalen Lernens
Zur Optimierung der Hausaufgabenkultur und zur Erreichung meiner oben genannten Ziele (siehe 1b) müssen diese in Verbindung gesehen werden mit:
- neueren Erkenntnissen über das Lernen,
- dem erweiterten Lernbegriff,
- der Kompetenzentwicklung jedes Schülers.[12]
Die traditionelle Hausaufgabenpraxis basiert meist auf einem behavioristisch orientierten Lernverständnis, in dem angenommen wird, dass durch Wiederholung die Stärke von neutralen Reiz-Reaktions-Verbindungen gefestigt wird. Von daher wird dem Üben, Auswendiglernen, Wiederholen, überhaupt rezeptiven Lernen bei diesem Lernverständnis ein hoher Stellenwert eingeräumt. Erst die Erkenntnistheorie des Konstruktivismus hat das bisherige Lernverständnis komplett umgeworfen. Der Konstruktivismus geht nicht davon aus, dass der Mensch nur durch äußere Reize gesteuert wird, sondern dass er diese Reize eigenständig verarbeitet. Denkprozesse und deren Verarbeitung stehen bei diesem Lernverständnis im Mittelpunkt- Stichwort ist das entdeckende Lernen. Dabei wird der Blick nun auch direkt auf den Lerner gerichtet. Er und sein Lernprozess sind die Hauptinteressen, er selbst ist der Akteur seines eigenaktiven Prozesses. „Zum Gelingen dieses Vorganges gehört es, das Vorwissen zu aktivieren und gewinnbringend zu nutzen. Diesen Aspekt sollten wir nutzen beim Stellen von Hausaufgaben, indem der Bezug, das Heranziehen von Gewusstem und Gekonntem gefordert oder dazu provoziert wird.“
Der erweiterte Lernbegriff umfasst folgende Bereiche:
- das fachlich- sachliche Lernen
- das soziale Lernen
- das personale Lernen
Gerade dem letzten Punkt möchte ich mich in meiner Arbeit besonders widmen, wobei folgende Unterpunkte dem personalen Lernen zugeschrieben werden:
- eigene Lernprozesse beobachten,
- Lernergebnisse bewerten,
- Lerntipps anderer nutzen,
- persönliche Lernziele aufstellen.
In einem Bericht der UNESCO- Kommission dem ‚Delors- Report’ wird die Lernfähigkeit in vier Aspekte unterteilt: Learning to know, to do, to be, to live together. Dem personalen Lernen entspricht hierbei das ‚Learning to be’. Es „meint als „Selbstkompetenz“ die Fähigkeit, die eigene Lernsituation wahrzunehmen und artikulieren, sowie die Lernprozesse selbstständig planen, durchführen und gegebenenfalls korrigieren und bewerten zu können.“[13] Diese Kompetenzen sind mir besonders wichtig, gerade in einer Hausaufgabensituation. Das selbstständige Lernen sollte hierbei gefordert werden und von den SuS kontinuierlich praktiziert und eingeübt werden. Dabei ist es für den Schüler notwendig, sich seiner Vorgehensweise bewusst zu werden, diese zu planen und im Laufe des Prozesses ständig zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Diese Kompetenz wird in der Fachliteratur Selbst- und Persönlichkeitskompetenz genannt. Es geht dabei darum, Selbstvertrauen zu entwickeln, ein realistisches Selbstbild zu entwickeln (siehe Ziele 2d) und kritikfähig zu werden. „Das bedeutet also, dass der Schüler in die Lage versetzt werden muss, über sein Lernen zu reflektieren und dieses zu bewerten. Das erfordert zunächst die Fähigkeit, eigene Lernprozesse, eigene Stärken und Schwächen, individuelle Interessen und Neigungen wahrzunehmen.“[14]
c) Notwendigkeit von Qualitätsindikatoren für Hausaufgaben
Im folgenden Abschnitt orientiere ich mich an den von H. Kleinschmidt- Bräutigam formulierten Qualitätsindikatoren für Hausaufgaben.[15] Qualitätsindikatoren sollten im Vorhinein jeder Planung formuliert werden, so dass sich später überprüfen lässt, ob die gestellten Hausaufgaben sinnvoll und von Nutzen sind. Nach der Aufzählung möchte ich auf einige Indikatoren näher eingehen, die für meine Zielsetzung von besonderer Bedeutung sind.
1. Die Hausaufgaben werden ohne Hilfestellung bzw. eigenaktiv von den Schülerinnen und Schülern erledigt.
2. Die Schülerinnen und Schüler kennen die für die Hausaufgabe geltenden Regelungen, ihnen sind die Aufgabenformate aus dem Unterricht bekannt.
3. Die Hausaufgaben setzen durch differenzierte Aufgabenstellung am Lernstand der Lerner/innen an.
4. Die Hausaufgaben spiegeln den erweiterten Lernbegriff wieder und zielen auf Kompetenzentwicklung. Hausaufgaben ermöglichen:
a. Wahlmöglichkeiten (in Bezug auf Inhalte, Lösungswege, Präsentationsformen)
b. Selbstständigkeit (Hilfsmittel oder Lern- Tipps)
c. Lebensbezug (außerschulische Lernorte)
d. Üben und Anwenden
e. Partizipation (Schüler beteiligen)
f. Präsentation
g. Prozessorientierung (nicht nur Ergebnisse, sondern Lösungswege vorstellen und diskutieren)
h. Rückmeldung (Qualität und Prozess)
i. Selbsteinschätzung
5. Über Art, Häufigkeit und Umfang der Hausaufgabenstellung gibt es Vereinbarungen zwischen den Fachbereichen.
6. Hausaufgaben sind Bestandteil der Unterrichtsplanung.
7. Zum Einsatz von Hausaufgaben gehört die Rückmeldung an die Schülerin, den Schüler.
8. Die Eltern sind über die Ziele, Inhalte und Arbeitsformen von Hausaufgaben sowie über Beschlüsse der Schule informiert.
Hervorheben möchte ich zum einen den Punkt Prozessorientierung, da es mir, wie schon zu Beginn gesagt, nicht nur um Endergebnisse bei der Besprechung von Hausaufgaben geht, sondern um den individuellen Lernweg jedes Schülers. Hausaufgaben können wichtige Informationen über den zurückliegenden Lernprozess geben. Dieser wird allerdings meist erst in Gesprächen zwischen Lehrer und Schüler oder der Schüler untereinander erkennbar. Diese „Gespräche über Hausaufgaben gehören zu den Gesprächen über Unterricht- Fachleuten als Metaunterricht hinreichend bekannt.“[16] Diese Gespräche lassen uns auf die Lernwege der Schüler schauen und zeigen eventuelle Fehlerquellen. Fehler und Irrwege sind Fenster auf den Lernprozess und besonders wertvoll. Sie zeigen wichtige Einblicke in die Denk- und Arbeitsweisen der Schüler und sollten deswegen in solchen Gesprächen unbedingt zum Thema werden.[17] Zudem konnte in mehreren Studien festgestellt werden, dass die Leistungsentwicklung in Klassen mit einem prozessorientierten Umgang mit Hausaufgaben, deutlich positiver verlief. „Das bedeutet: Je stärker sich die Lehrkraft beim Umgang mit Hausaufgaben an den Denk- und Lösungswegen der Schülerinnen und Schüler orientierte, desto positiver fielen die [..] Leistungen ein Jahr später aus.“[18]
Zum zweiten möchte ich den Punkt Rückmeldung hervorheben. Rückmeldung bedeutet viel mehr als Kontrolle. Eine Kontrolle der Hausaufgaben zielt auf eine Kenntnisnahme und Überprüfung, wer die Hausaufgaben überhaupt gemacht hat. Dies reicht natürlich nicht aus. Es muss nach der Kontrolle eine Auswertung stattfinden, in der die Lernprozesse der Schüler im Mittelpunkt stehen und die Ergebnisse in künftige Lehr- und Lernprozesse eingehen. Resultierend aus dieser Auswertung erfolgt die Rückmeldung. Diese kann durch den Lehrer gegeben werden, aber auch durch andere Schüler. Bisher fehlt diese Rückmeldekultur in meinem Unterricht. Wie aber schon gesagt, wird eine Rückmeldung ausdrücklich in den Erlässen und Lehrplänen gefordert. Diese Forderung lässt sich durch Befunde der Pädagogischen Psychologie begründen, in denen festgestellt wurde, dass Lernfortschritte auch von Rückmeldungen abhängen. Sowohl amerikanische wie deutsche Studien bestätigen, dass sich die Kontrolle von Hausaufgaben positiv auf die Leistung der Schüler auswirkt.[19] Einher geht mit der Kontrolle und Rückmeldung auch noch die Anerkennung und Würdigung der Leistung. Schüler erwarten und erhoffen sich ein Lob für die getane Arbeit und haben dieses auch verdient. Durch Nicht- Beachtung der Hausaufgaben verlieren diese ihren Sinn und Zweck. Allerdings hat eine intensive Kontrolle und Auswertung einen riesigen Nachteil, der nicht von der Hand zu weisen ist: der zeitliche Aufwand. Ich möchte versuchen im praktischen Teil eine Möglichkeit zu finden, dieses Problem zu lösen.
[...]
[1] Vgl. H.-G. Roßbach, Hausaufgaben in der Grundschule, in: Die deutsche Schule 87 Jg. 1995 Heft 1, S. 104
[2] Um die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache bemühe ich mich. Verweise jedoch darauf, dass ich bei der Verwendung der maskulinen Form auch zugleich die feminine einschließe.
[3] http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulrecht/FAQ/FAQ_Unterricht/Hausaufgaben/index.htm
[4] Ebd.
[5] Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein- Westfalen: Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2003, S. 16
[6] Ebd. S. 17
[7] Ebd. S. 19
[8] Die folgenden Zitate stammen von dem Blatt ‚Lehrerfunktionen’, welches uns im HS ausgeteilt wurde.
[9] Vgl. H. Hagstedt, Hausaufgaben sind Kindersache, in: Die Grundschulzeitschrift 179/ 2004, S. 50
[10] F. Lipowsky, Dauerbrenner Hausaufgaben, in: Pädagogik 12/ 2004, S. 40
[11] Vgl. F. Lipowsky, Dauerbrenner Hausaufgaben, in: Pädagogik 12/ 2004, S. 42
[12] Im Folgenden beziehe ich mich, wenn nicht anders vermerkt, auf: H. Kleinschmidt- Bräutigam, Neu gedacht und neu gemacht, in: Grundschulunterricht 12/ 2006, S. 3-5
[13] E. Dorn, Lernkompetenz im europäischen Kontext, in: A. Hoppe, Hrsg., Bewerten als Prozess, Dialog zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung, Braunschweig 2001, S. 13
[14] A. Thiele, Die Entdeckung der Lernerpersönlichkeit, Selbsteinschätzung im Mathematikunterricht, in: Grundschulunterricht 11/ 2002, S. 12
[15] H. Kleinschmidt- Bräutigam, Qualitätsindikatoren für Hausaufgaben, in: Grundschulunterricht 12/ 2006, S. 7,8
[16] G. Becker, B. Kohler, Hausaufgaben, Kritisch sehen und die Praxis sinnvoll gestalten, 4 Aufl. Weinheim und Basel 2002, S. 34
[17] Vgl. W. Sacher, Leistungen entwickeln, überprüfen und beurteilen, Regensburg 2001, S. 182
[18] F. Lipowsky, Dauerbrenner Hausaufgaben, in: Pädagogik 12/ 2004, S. 43
[19] Vgl. F. Lipowsky, Dauerbrenner Hausaufgaben, in: Pädagogik 12/ 2004, S. 42
- Arbeit zitieren
- Jennifer Keßel (Autor:in), 2008, Förderung der Hausaufgabenkultur in einem 3. Schuljahr, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117891
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