Angesichts des Phänomens einer globalen Ausdehnung von Wirtschaftsprozessen und einer damit verbundenen weltweiten Verteilung von Schritten innerhalb der Herstellungskette von Produkten auf verschiedene Akteure, wird deutlich, dass die nationalen Gesetzgebungen hinsichtlich sozialer und ökologischer Aspekte keine lückenlose Abdeckung der gesamten Produktions- und Handelsprozesse gewährleisten können. Insbesondere in sog. Entwicklungsländern, also Ländern die Entwicklungsdefizite gegenüber Industriestaaten aufweisen und für die ein geringeres Niveau der Wohlfahrt sowie Mängel in Ordnung und Verfahren der Wirtschaft charakteristisch sind, existieren i.d.R. schwächer ausgeprägte Sozial- und Umweltstandards.
Im Folgenden soll zunächst anhand der Theorie des Marktes dargestellt werden, dass die selbstheilenden Kräfte des Marktprozesses im Sinne eines "Systems natürlicher Freiheit" nicht zur Vermeidung sozialer und ökologischer Missstände genügen. Da-her werden aus der wissenschaftlichen Literatur die wirtschafts- und umweltethischen Ansätze herausgearbeitet, die im Verlauf der Betrachtung als weiterführende Ergänzung der Markttheorie dienen sollen. Über die ethischen Ansätze hinaus wird zudem die Notwendigkeit sozialer und ökologischer Mindeststandards aus ökonomischer Sicht verfolgt, wobei zunächst eine bewusste Trennung zwischen sozialen und umweltorientierten Aspekten erfolgt, die in der Betrachtung des Nachhaltigkeitsprinzips zusammengeführt wird.
Inhalt
1 EINLEITUNG UND METHODISCHE VORGEHENSWEISE
2 NOTWENDIGKEIT SOZIALER UND ÖKOLOGISCHER
STANDARDS
2.1 Definitionen und Erläuterungen zum Begriff des Marktes
2.1.1 Der Begriff des Marktes
2.1.2 Der Prozess der Vermarktlichung
2.1.3 Die Annahme des homo oeconomicus
2.2 Wirtschaftsethik und Moral
2.3 Ökologische Ethik im ökonomischen Handeln
2.4 Ursachen für ökologische und soziale Missstände
2.4.1 Die Annahme der vollständigen Konkurrenz
2.4.2 Herleitung sozialer Aspekte aus dem Marktversagen
2.4.2.1 Das distributive Marktversagen
2.4.2.2 Auswirkungen des globalen Wachstums
2.4.2.3 Herleitung der Notwendigkeit von Sozialstandards im
Welthandel
2.4.3 Ursachen der Umweltproblematik
2.4.3.1 Entwicklungsbedingte Ursachen der Umweltproblematik
2.4.3.2 Sozio-ökonomische Ursachen der Umweltproblematik
2.4.3.3 Wirtschaftssystembezogene Ursachen der Umweltproblematik
2.5 Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit
2.5.1 Historische Entwicklung und Definitionen des Begriffs
2.5.2 Dimensionen der Nachhaltigkeit
3 SOZIAL- UND UMWELTSTANDARDS IM WELTHANDEL
3.1 Begriffsdefinition und Ziele von Standards
3.2 Sozialstandards auf internationaler Ebene
3.2.1 Grundlegende Arbeitsnormen der ILO
3.2.2 Sozialstandards als Teil internationaler Handelsabkommen
3.3 Internationale Umweltstandards im Welthandel
3.4 Freiwillige Mittel zur Förderung sozialer und ökologischer
Standards
3.4.1 Verhaltenskodizes
3.4.2 Managementsysteme zur Erfüllung ökologischer und sozialer
Stan dards
3.4.3 Qualitäts- und Gütesiegel
4 DER FAIRE HANDEL - VERKNÜPFUNG VON ÖKONOMIE,
ÖKO- LOGIE UND SOZIALER GERECHTIGKEIT
4.1 Einleitende Fakten zum Fairen Handel
4.1.1 Historische Entwicklung und Abgrenzung des alternativen und
Fairen Handels
4.1.2 Kriterien und Funktionsweisen des Fairen Handels
4.1.3 Absatzkanäle und Netzwerke des fairen Handels
4.1.4 Marktstellung des Fairen Handels in Deutschland
4.2 Gütesiegel für den Fairen Handel im Lebensmittelsektor
4.2.1 Das FLO-Label
4.2.1.1 Funktion der FLO in der Labelvergabe
4.2.1.2 Funktion der nationalen Siegelorganisationen in der
Labelvergabe
4.2.2 ATOs als Kennzeichen für den Fairen Handel
4.2.2.1 Die gepa
4.2.2.2 EL PUENTE
4.2.2.3 Dritte Welt Partner Ravensburg GmbH
4.2.3 Produktspezifische Fair Trade-Kennzeichnung
4.3 Fairer Handel und ökologischer Landbau
5 MARKETINGASPEKTE DES FAIREN HANDELS
5.1 Der Faire Handel als Marktnische
5.1.1 Käufertypen im Fairen Handel
5.1.2 Kaufmotive und -hemmnisse für Produkte des Fairen Handels
5.1.3 Kaufverhalten zwischen fairen und ökologischen Produkten
5.1.4 Absatzpolitische Instrumentarien im Fairen Handel
5.2 Bedeutung eines sozialen Labels
5.2.1 Erfolgsfaktoren im Labelling
5.2.2 Dominanz ökologischer Label am Markt
5.2.3 Verknüpfung ökologischer und sozialer Kriterien im Labelling
6 Umsetzung sozialer Aspekte am Beispiel des
Demeter- Verbandes
6.1 Der ökologische Landbau
6.1.1 Ökologischer Landbau weltweit
6.1.2 Ökologischer Landbau in Europa
6.1.3 Situation des ökologischen Landbaus in Deutschland
6.2 Der Demeter-Verband im ökologischen Landbau
6.2.1 Demeter Organe in Deutschland
6.2.2 Demeter International e.V
6.3 Gestaltung von Preisen innerhalb des Demeter-Verbandes
6.4 Aspekte des Fairen Handels in der internationalen Demeter-Gemeinschaft
6.4.1 Die Eigenmarke "Hand in Hand"
6.4.2 FLO- und Demeter-zertifizierte Projekte
6.4.3 Einführung eines Öko- und Soziallabels des IBD Brasilien
6.4.4 Demeter International Leitbild zur Fair Economy
6.5 Einzelhändlerumfrage zum fairen Handel und der Rolle von
Demeter
6.5.1 Aufbau und Teilnehmer der Befragung
6.5.2 Befragungsergebnisse hinsichtlich des Fairen Handels
6.5.3 Befragungsergebnisse hinsichtlich der Demeter-Marke
7 FAZIT
Literaturverzeichnis
Internetquellen
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anhang
1 EINLEITUNG UND METHODISCHE VORGEHENSWEISE
Angesichts des Phänomens einer globalen Ausdehnung von Wirtschaftsprozessen und einer damit verbundenen weltweiten Verteilung von Schritten innerhalb der Herstellungskette von Produkten auf verschiedene Akteure, wird deutlich, dass die nationalen Gesetzgebungen hinsichtlich sozialer und ökologischer Aspekte keine lückenlose Abdeckung der gesamten Produktions- und Handelsprozesse gewährleisten können. Insbesondere in sog. Entwicklungsländern, also Ländern die Entwicklungsdefizite gegenüber Industriestaaten aufweisen und für die ein geringeres Niveau der Wohlfahrt sowie Mängel in Ordnung und Verfahren der Wirtschaft charakteristisch sind, existieren i.d.R. schwächer ausgeprägte Sozial- und Umweltstandards.
Im Folgenden soll zunächst anhand der Theorie des Marktes dargestellt werden, dass die selbstheilenden Kräfte des Marktprozesses im Sinne eines "Systems natürlicher Freiheit" nicht zur Vermeidung sozialer und ökologischer Missstände genügen. Daher werden aus der wissenschaftlichen Literatur die wirtschafts- und umweltethischen Ansätze herausgearbeitet, die im Verlauf der Betrachtung als weiterführende Ergänzung der Markttheorie dienen sollen. Über die ethischen Ansätze hinaus wird zudem die Notwendigkeit sozialer und ökologischer Mindeststandards aus ökonomischer Sicht verfolgt, wobei zunächst eine bewusste Trennung zwischen sozialen und umweltorientierten Aspekten erfolgt, die in der Betrachtung des Nachhaltigkeitsprinzips zusammengeführt wird.
Aus der o.g. Notwendigkeit für soziale und ökologische Mindeststandards heraus erwächst eine Forderung nach international verbindlichen Sozial- und Umweltstandards. Eine Umsetzung der Forderung wird anhand der Handlungsmöglichkeiten und bestehenden Instrumente der ILO sowie der WTO geprüft, darüber hinaus jedoch vor allem hinsichtlich freiwilliger und selbstverpflichtender Maßnahmen von Unternehmen weiterverfolgt. Betrachtet man diesbezüglich Verhaltenskodizes und insbesondere soziale und ökologische Gütesiegel, tritt der Faire Handel als Verknüpfung ökonomischer, sozialer und zunehmend auch ökologischer Aspekte hervor. Dieser ist als alternativer und nicht gewinnorientierter Ansatz zu herkömmlichen globalen Handelsstrukturen und -prozessen zu verstehen, da er die Förderung benachteiligter Produzenten in den Entwicklungsländern durch Zahlung angemessener Preise und darüber hinaus Preisaufschläge, Garantie von Abnahmemengen und langfristigen Handelsbeziehungen etc. verfolgt. Für die Situation der Beschäftigten in den jeweiligen Betrieben betrachtet der Faire Handel gewisse soziale Mindeststandards als obligatorisch und leistet zudem, durch Zahlung von Aufschlägen, Hilfe für Entwicklungsprojekte im Umfeld der Betriebe, Beschäftigten und deren Familien. Aufbauend auf diesen Grundsätzen erfolgt eine detaillierte Betrachtung des Fairen Handels, seiner Funktionsweisen und Akteure. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung finden auch zunehmend ökologische Standards Berücksichtigung und Förderung innerhalb des Fairen Handels.
Aufgrund einer Ausweitung des Vertriebs von Produkten des Fairen Handels auf konventionelle Absatzkanäle und einem damit verbundenen Aufeinandertreffen mit unter herkömmlichen Bedingungen erzeugten Produkten in den Verkaufsstätten, erfolgt eine Betrachtung der Marktsituation des Fairen Handels, dessen Käufertypen und deren Kaufmotiven bzw. -hemmnissen sowie der Handlungsmöglichkeiten im Marketing. In Verbindung damit wird insbesondere die Wirkungsweise von Labels anhand der Literatur dargestellt und untersucht, warum hinsichtlich ethisch gekennzeichneter Produkte eine Dominanz ökologischer gegenüber sozialer Produktkennzeichnungen existiert bzw. welche Chancen in der Verknüpfung beider Bereiche liegen. Diese Ergebnisse sollen als Basis für die weitere Intension dieser Arbeit dienen, da über die klassischen Ansätze des Fairen Handels hinaus untersucht werden soll, ob und in welcher Weise soziale Standards und Kriterien des Fairen Handels im ökologischen Landbau dienen. Für diese Untersuchung dient der Demeter-Verband als Praxisbeispiel, an dem verschiedene Ansätze einer Umsetzung gerechter und fairer Produktions- und Handelsbedingungen geprüft werden sollen. Anhand einer eigens für diese Arbeit durchgeführten Internetbefragung für Einzelhändler des ökologischen Fachhandels soll zudem herausgearbeitet werden, ob ein soziales Engagement des Demeter-Verbandes von Händlern und Konsumenten wahrgenommen wird bzw. wie eine solche Wahrnehmung zu erreichen ist.
Abschließend muss an dieser Stelle die einschränkende Anmerkung erfolgen, dass sich diese Arbeit lediglich mit sozialen und ökologischen Standards und den damit verbundenen Produktkennzeichnungen innerhalb des Sektors für Nahrungs- und Genussmittel auseinandersetzt. Dass darüber hinaus auch ethische Ansätze in anderen Branchen existieren, kann an dieser Stelle nur erwähnt, in der Folge jedoch nicht weiter ausgearbeitet werden.
2 NOTWENDIGKEIT SOZIALER UND ÖKOLOGISCHER STANDARDS
2.1 Definitionen und Erläuterungen zum Begriff des Marktes
2.1.1 Der Begriff des Marktes
Versteht man einen Markt als Ort, an dem das Angebot an und die Nachfrage nach bestimmten Leistungen aufeinandertreffen, so impliziert dies Tauschprozesse, die in unterschiedlichen Ausprägungsformen auftreten können. PRISCHING unterscheidet dabei die Abgrenzung des Begriffes "Markt" in vier unterschiedlich weit gefasste Formen, beginnend mit dem Prozess des Tausches von Geld gegen Waren bzw. Dienstleistungen. Davon zu unterscheiden sind Tauschmechanismen allgemeiner Form, bei denen Waren und/oder Dienstleistungen untereinander getauscht werden, wobei dies auch ohne abgeschätzte Verrechnungs- oder Wertgrößen zum Vergleich der Leistungen möglich ist. Wird in diesem Zusammenhang vom Tausch von Gütern und/oder Dienstleistungen gegeneinander oder gegen Geld gesprochen, so ist dies eine vereinfachte Darstellung, da auf Märkten häufig kein Tausch in physischer Form stattfindet, sondern der Transfer von Verfügungsrechten in unterschiedlicher Form. Dies kann für die folgende Betrachtung jedoch vernachlässigt werden.
Von Märkten wird auch in Bezug auf Austauschprozesse gesprochen, die nach anderen Kriterien stattfinden, wie z.B. politische Märkte, auf denen die Maximierung der Anzahl der Wählerstimmen Ziel von Akteuren ist, die als Anbieter im politischen Prozess betrachtet werden können (vgl. Prisching 2002, S. 22 f.). Als vierte Kategorie des Tausches bzw. des Marktes kann jegliche Art der Interaktion zwischen Menschen verstanden werden. Dies bedeutet, dass Marktprozesse auch in Lebensbereichen beobachtet werden können, in denen Akteure als Inhaber von Freiheitsspielräumen versuchen, durch Austauschbeziehungen von ihnen erwünschte Zustände zu erreichen. Voraussetzung für das Verständnis der o.g. Ausprägungsformen ist, dass mindestens auf einer Seite eines Tauschprozesses mehrere Akteure vorhanden sind und agieren können, damit von einem Markt gesprochen werden kann.
Die Intension von Marktprozessen liegt in der mit ihnen verbundenen Möglichkeit der Akteure, eigene Ziele durch Spezialisierung und Tausch effektiver und effizienter zu erreichen. Bei der Zielerfüllung treten die Akteure notwendigerweise in Wettbewerb hinsichtlich der Nutzung knapper Güter zueinander. Dabei handelt es sich um Güter, die in geringeren Mengen vorhanden sind, als bei ihrer kostenlosen Verteilung unter den Akteuren insgesamt gewünscht würden. Als Austauschverhältnis für solche knappen Güter fungieren Preise (vgl. Fritsch et al. 1999, S. 7).
Durch die Nutzung des Marktmechanismus fallen Kosten an, die als Transaktionskosten bezeichnet und, nach ihrem zeitlichen Auftreten, in ex-ante- und ex-post-Transaktionskosten unterschieden werden. Diese Kosten stellen Handelshemmnisse am Markt dar und wirken der Spezialisierung der Akteure entgegen. Ihre Höhe ergibt sich aus den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und deren Durchsetzbarkeit.
2.1.2 Der Prozess der Vermarktlichung
Im Folgenden soll der Begriff des Marktes eng gefasst und im Wesentlichen als Ort für monetäre Transaktionen verstanden werden, ohne jedoch zu verdrängen, dass eine intensive Marktprägung auch Bereiche des Lebens erfassen kann, in denen Interaktion auf nichtmonetärer Ebene stattfindet und diese in die Betrachtung als Marktmodell führt. Ein solcher dynamischer Prozess der zunehmenden Substituierung von bestehenden gesellschaftlichen Regelungsmechanismen, wie sozialen Normen oder Solidarität, durch Koordinationsverfahren des Marktes kann als "Vermarktlichung" bezeichnet werden. Die Gesellschaft, die durch diesen Vorgang eine wesentliche Prägung erfährt, kann mit dem Begriff „Marktgesellschaft“ beschrieben werden (vgl. Prisching 2002, S. 15). Durch zunehmende Veränderung und Komplexität der Märkte sowie durch die mit der Größe der Märkte wachsende Anonymität zwischen den Marktteilnehmern, entsteht eine Offenheit für regulierende Maßnahmen, zumal Routinen bzw. Traditionen mehr und mehr ihre Funktion als Entscheidungskriterien verlieren. Diese Offenheit führt zu einer Substitution der Regelungen für verschiedene Lebens- und Entscheidungsbereiche durch Marktmechanismen (vgl. Streeck 1998, S. 19 ff.).
Durch die Vielfältigkeit der Möglichkeiten zur Intervention bzw. Gestaltung am Markt und dem damit verbundenen quantitativen und qualitativen Anstieg von Entscheidungen, steigt auch der Bedarf an Regulierungen. Ein beispielhafter Blick auf die moderne nahrungsmittelproduzierende Industrie zeigt die vielschichtigen Gestaltungsmöglichkeiten ebenso wie eine Vielzahl an regulierenden Maßnahmen hinsichtlich der Produktionsabläufe und der zu verwendenden Zutaten (vgl. Prisching 2002, S. 25). Fortschreitende Interaktion und Vernetzung von Akteuren, die einzeln oder in organisierter Form am Markt auftreten (dies können auch ganze Einflussgebiete sein), führen zu wechselseitigen Abhängigkeiten und bedürfen zunehmender Regulierung ebenso wie im Falle der Abhängigkeit der Individuen voneinander durch die Arbeitsteilung (vgl. Elias 1978/79, S. 317).
Nach PRISCHING verzeichnet der Einsatz von Marktmechanismen zur Koordination einen ansteigenden Aktionsradius und Intensitätszuwachs:
"Märkte schaffen Reichtum, und alle streben nach Reichtum. Offenbar gibt es kein effizienteres Mittel als Märkte. Demgemäß spricht vieles dafür, dass die Vermarktlichung voranschreiten wird (...)" (Prisching 1999, S. 37)
Der Prozess der Vermarktlichung findet demnach auf drei Ebenen statt und vollzieht sich neben seiner Ausweitung als gesamtgesellschaftliches System auch als substituierender Mechanismus von nicht-marktlichen Regelungen in verschiedenen Lebensbereichen und somit in der Erfahrungswelt der Individuen, sowie als nachhaltige Beeinflussung der Betrachtungs- und Deutungsweisen der Akteure.
2.1.3 Die Annahme des homo oeconomicus
Betrachtet man einen Markt modellhaft, so müssen alle Bewertungen die darauf stattfinden, nämlich Preise, Kosten, Zinsen etc., auf die beteiligten Wirtschaftssubjekte zurückgeführt werden, da gesamtwirtschaftliche Größen sich aus den aggregierten Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte ergeben, diese jedoch subjektiven Beurteilungen entspringen. Als zentraler Bestandteil solcher modellhafter Betrachtung dient in der klassischen Nationalökonomie die Annahme des homo oeconomicus (vgl. Faber 1999, S. 23 ff.).
Diese Annahme beschreibt ein rational-ökonomisches Individuum, dem drei Größen vollständig bekannt sind: seine eigene Präferenzordnung anhand derer er bewertet, sein verfügbares Einkommen und alle präsenten Handlungsoptionen. Da der homo oeconomicus streng rational handelt, befriedigt er seine Bedürfnisse gemäß seiner eigenen Bewertung optimal. Allerdings bedarf es einer Spezifizierung der Bewertungsmaßstäbe des homo oeconomicus, um die Ausweitung auf beliebige Werte zu reduzieren. So unterstellt man dem homo oeconomicus z.B., dass bei ihm, hinsichtlich eines oder auch mehrerer Güter, keine Sättigung eintritt, er somit immer mehr von mindestens einem Gut konsumieren will, als er in Wirklichkeit hat. Eine zweite häufig getroffene Annahme ist, dass die Bedürfnisstruktur des homo oeconomicus unabhängig ist von den Bedürfnissen anderer Individuen, so dass sein Wohlbefinden nicht vom Ergehen anderer abhängig ist. Trotz seines kalkulatorischen und opportunistischen Verhaltens zum Erreichen eines möglichst hohen Nutzenniveaus, befolgt der homo oeconomicus geltende rechtliche Regeln, so dass aus seiner Annahme sogar für die Funktionalität von Märkten und eine gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt argumentiert werden kann (vgl. Manstetten 2000, S. 122 ff.).
Nehmen alle Individuen einer Gesellschaft ihre eigenen Interessen wahr, orientiert an der Annahme des homo oeconomicus im Sinne von souveränen Nachfragern und omnipotenten Anbietern, und handeln gemäß der geltenden Rechtsordnung mit dem Ziel der Maximierung des eigenen Nutzens, so führen wirtschaftliche Vorgänge zu einem ökonomisch und gesellschaftlich wünschenswerten Resultat. Durch die strenge Orientierung an der Maximierung des eigenen Nutzens und unter der Annahme, dass es sich bei einem Tauschprozess um einen freiwilligen Akt handelt, wird ein Individuum nur dann tauschen, wenn es sich durch diesen Vorgang zumindest nicht verschlechtert. Liegt dieses Kalkül bei beiden Tauschpartnern vor, so findet ein Tausch nur dann statt, wenn beide subjektiv keine Verschlechterung erfahren.
Eine Verallgemeinerung dieser Annahme und eine Anwendung auf alle wirtschaftlichen Vorgänge bedeutet, dass die independenten ökonomischen Handlungen der Akteure, die lediglich zur Maximierung des eigenen Nutzens durchgeführt werden und im Rahmen der geltenden Rechtsordnung stattfinden, gleichzeitig zu einem gesamtwirtschaftlich bestmöglichen Zustand führen. Obwohl die Individuen dabei eigennützig handeln, werden sie wie von einer "unsichtbaren Hand" dazu geführt, den gesellschaftlichen Wohlstand zu erhöhen (vgl. Faber 1999, S. 23 ff.).
Nach SMITH ist die Wirtschaft nicht eine Ansammlung einzelner Tauschvorgänge, sondern ein beständiges und geordnetes System, dessen Funktionalität am besten gewährleistet ist, wenn es ohne Interventionen stattfindet. Dieses "System der natürlichen Freiheit" beruht darauf, dass einzelnen Akteuren in ihren wirtschaftlichen Handlungen vollkommene Freiheit zu lassen ist, solange dies im Rahmen der geltenden Gesetze geschieht, um eine eigennützige Interessenverfolgung der Wirtschaftssubjekte zu gewährleisten und somit letztlich einen optimalen Zustand der Gesamtwirtschaft zu erreichen (vgl. Smith 1978, S. 371). In diesem Fall bedeutet optimaler Zustand, dass es einem Individuum nicht möglich ist, den eigenen Zustand zu verbessern, ohne dass mindestens ein Individuum benachteiligt wird bzw. sich in seinem Zustand verschlechtert. Ein solcher Zustand wird als Pareto-Optimum bezeichnet.
Zusammengefasst ergeben sich daraus die beiden Hauptsätze der Wohlfahrtstheorie, wobei der erste dieser beiden Hauptsätze besagt, dass jedes Gleichgewicht in einer Marktwirtschaft, in der die Bedingungen vollkommener Konkurrenz herrschen, ein pareto-optimaler/ bzw. -effizienter Zustand ist. Demnach führen die independenten, eigennützigen Handlungen der Akteure zu einem gesellschaftlichen Optimalzustand, wenn es Märkte für alle Güter mit vielen Marktteilnehmern sind, die vollkommen über ihre Handlungsoptionen informiert sind, gibt. Der zweite Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt daneben, dass jedes Pareto-Optimum als Gleichgewicht in einer Marktwirtschaft darstellbar ist. Die im ersten Hauptsatz genannten Bedingungen der vollständigen Konkurrenz sind in der Realität hingegen nicht oder nur selten annähernd vorzufinden. Ein Fehlen nur einer der Bedingungen führt jedoch bereits dazu, dass die aggregierten Handlungen der homines oeconomici nicht in einem Optimum für die Gesamtwirtschaft resultieren (vgl. Faber 1999, S. 23 ff.). Zudem impliziert diese Theorie noch immer den Ansatz des modellhaften homo oeconomicus, der streng rational-ökonomisch die Maximierung des eigenen Nutzens verfolgt.
2.2 Wirtschaftsethik und Moral
Die in 2.1.3 vorgestellten Annahmen über den homo oeconomicus implizieren eine strikte ökonomische Rationalität, also eine regulative Vorstellung, wie in vernünftiger Weise gehandelt werden soll. Von entscheidender Bedeutung sind dabei die Annahmen gegebener und stabiler Präferenzen sowie der Nutzenmaximierung als Verhaltensregel. Da die o.g. Grundsätze der Fair Trade-Thematik allerdings nicht mit einer solchen "Idealtheorie rationalen Handelns in einer Welt knapper Ressourcen" oder kurz: einer normativen Ökonomik" (Ulrich 2002, S. 2) zu begründen sind, bedarf es einer Erweiterung des Menschenbildes um ethische Gesichtspunkte.
Die bisherige Betrachtung der Marktprozesse konzentrierte sich auf wechselseitige Vorteilstauschvorgänge unter strenger Einhaltung ökonomischer Rationalität, die sich über die Grenzen des Marktes hinaus auf jede Art der zwischenmenschlichen Interaktion verallgemeinern ließ. Die Moral der Wirtschaftssubjekte wird in diesem Fall im Sinne einer funktionalistischen Wirtschaftsethik auf die Effizienz und Funktionalität des marktwirtschaftlichen Systems begrenzt.
Einen erweiterten Ansatz bietet die korrektive Wirtschaftsethik im Sinne einer Eingrenzung von Ökonomieversagen. Dabei wird unterstellt, dass innerhalb zu definierender normativer Grenzen das Prinzip des Marktes vom Tausch zwischen eigennützig handelnden Akteuren zum wechselseitigen Vorteil auch ethisch funktioniere (vgl. Ulrich 2002, S. 7).
Weiter geht die integrative Wirtschaftsethik, die eine ethische Vernunft als Grundlage für eine sozialökonomische Rationalität betrachtet, die auch mehr wohlverstandene ökonomische Einsicht impliziert. Diese Form der sozialökonomischen Rationalität ist, wie in Abbildung 1 dargestellt, zweidimensional zu verstehen, da sie über den rationalen Umgang mit knappen Gütern bzw. Ressourcen hinaus auch - und vor allem - die Bewältigung von Wert- und Interessenkonflikten innerhalb einer Gesellschaft einbezieht. Dies beinhaltet insbesondere die Berücksichtigung der gerechten Zuweisung von, durch den Prozess der Rationalisierung entstehenden, Kosten und Nutzen. Dieser integrative Zweig der Wirtschaftsethik zeigt die Existenz sozialer Interdependenzen der Menschen, aus denen Probleme der Koordination und Konfliktlösung entstehen. Demnach bewerten Individuen auch die Handlungen und Konsumaktivitäten anderen Individuen nach dem Gesichtspunkt, ob ihnen Nutzen oder Schaden daraus erwachsen kann und ob darüber hinaus gesellschaftliche Wertvorstellungen eingehalten werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das zweidimensionale Konzept sozialökonomischer Rationalität (oder ökonomischer Vernunft)
Quelle: Ulrich 2002, S. 8
Die Möglichkeit der Koordination der zwischenmenschlichen Handlungsverflechtungen besteht in drei Arten, nämlich in der Koordination durch Normen, durch den Markt oder durch die Moral.
Während Normen als allgemein anerkannte und verbindliche Verhaltensmaßstäbe, zu erwartende Zustände oder geforderte Vorgänge bzw. Unterlassungen anzusehen sind, die durch ihre Standardisierung für Koordinationssicherheit sorgen, regeln Märkte die Handlungen zwischen Akteuren durch den Tausch von wertentsprechenden Gütern oder Dienstleistungen. Aufwandsentschädigung erfolgt dabei durch die Zahlung eines Marktpreises, der als Maß für die Zahlungsbereitschaft der Marktakteure bzw. für ihre Einschätzung des Nutzens eines Gutes oder einer Dienstleistung. Moral im eigentlichen Sinne grenzt sich von den beiden o.g. Koordinationsmechanismen ab und lässt sich in zwei Typen unterscheiden. Zum einen lässt sich Moral aus dem Altruismus eines Individuums ableiten, wenn dieses das Wohl anderer Individuen in seiner Präferenzordnung berücksichtigt und, sei es durch Mitleid oder Empathie, daher den Egoismus bezwingt. Dem entgegen steht der Fall, dass ein Individuum einem anderen gewisse Leistungen zukommen lässt, um diese in der Folge durch Dritte wieder entgolten zu bekommen. Im Falle der Entgeltung durch Dritte auf Grund der erbrachten Vorleistung, verbessert sich das Individuum in seinem Zustand. Bleibt die Entgeltung aus, verschlechtert es sich. Diese Form der Moral beruht darauf, dass sich das Individuum in andere hineinversetzen kann und sein Vertrauen darauf setzt, dass sein jeweiliger Gegenüber in einer Dilemma-Situation kooperiert (vgl. Weise 1999, S. 77 f.).
Durch moralisches Verhalten anderer erfährt ein Individuum demnach einen Nutzenzuwachs, die Sicherung der eigenen Souveränität und die Verhinderung externer Kosten. Unmoralisches Verhalten hingegen bewirkt das Gegenteil und wird daher vom Mensch als schlecht aufgefasst. In diesem Zusammenhang lassen sich die moralischen Verhaltensweisen als Tugenden bezeichnen; Rücksichtnahme, Aufrichtigkeit, Zuvorkommendheit, Treue etc. erwünscht sich ein Individuum von anderen, sieht sich dadurch aber gleichermaßen zu diesem Verhalten verpflichtet, da es für seinen Gegenüber selbst einen "anderen" darstellt. Ein Verhalten im Einklang mit moralischen Normen lässt sich zudem durch zu erwartende Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen diese erklären. Diese Sanktionen können die formale Beschaffenheit einer vollziehenden Instanz besitzen, in informaler Weise durch gesellschaftliche Ächtung oder Ablehnung oder durch das Gewissen des Handelnden als interne Sanktionen auftreten (vgl. Lenz 1991, S. 24 f).
Als Problem der Moral kann die Rechtfertigung der Beachtung des Wohls anderer angesehen werden. Eine Ursache für moralisches Handeln liegt in der Hoffnung, dass eigenes moralisches Verhalten im Zeitverlauf und im Durchschnitt durch ebensolches Verhalten anderer entlohnt wird. Demgegenüber liegt die zweite Ursache in den Präferenzen begründet, wenn ein Individuum für moralische Handlungen durch eigene positive Emotionen entlohnt wird. Präferenzen können entweder intern sein, wie z.B. die neurophysiologischen Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf oder Sicherheit, oder internalisiert, wenn sie durch persönliche Entwicklung, Erfahrungen und soziale Interaktionen geprägt sind. Somit unterstellen Präferenzen eine notwendige Ordnung und Planbarkeit der Emotionen und sorgen sowohl bewusst als auch unbewusst für eine Kontrolle der eigenen Nutzenausprägungen durch das Individuum selbst.
Nach LENZ befolgen Menschen moralische Normen auch, wenn die externe Struktur der Anreize nicht ausreichend anmutet, um die Motivation für moralisches Verhalten darzustellen (vgl. Lenz 1991, S. 25). Dies war bereits von SMITH angedeutet worden:
"Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis zu machen (...)" (Smith 1985, S.1)
Somit wird deutlich, dass es Mechanismen außerhalb der ökonomischen Rationalität gibt, die eine zwischenmenschliche Interaktion nachhaltig beeinflussen können und damit auch die Handlungen von Individuen im Marktprozess mit Emotionen, Mitleid und Gerechtigkeitsempfindungen, also mit Moral prägen. Dies soll nicht als Herleitung für die oben vorgestellte und in der Folge untersuchte Thematik des Fairen Handels genügen, jedoch einen Ansatzpunkt für die Entwicklung sozialer Gerechtigkeit im Marktprozess geben.
2.3 Ökologische Ethik im ökonomischen Handeln
Zielte die bisherige Betrachtung vor allem auf die Erläuterung moralischer bzw. ethischer Mechanismen im zwischenmenschlichen Bereich, auch hinsichtlich ökonomischer Aktivitäten, so soll in der Folge der Fokus auf das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie unter ethischen Gesichtspunkten liegen. Die ökologische Ethik bzw. Umweltethik stellt dabei einen nicht unwesentlichen Bestandteil heutiger Unternehmensethik dar, insbesondere hinsichtlich ihrer potenziellen Auswirkungsmöglichkeiten hin zu umweltverträglichen wirtschaftlichen Aktivitäten.
Im Bezug auf durch ökologische Ethik geprägtes Wirtschaften beherrschen zwei vorherrschende Meinungen die öffentliche Auffassung. Zum einen wird ökologische Ethik als generell independent von den jeweils bestehenden staatlichen Normen für den Umweltschutz angesehen, d.h. nicht die reine Beachtung der geltenden Umweltschutzvorschriften wird als ethische Handlungsweise akzeptiert, sondern nur solche Handlungen, die darüber hinaus gehen. Zum anderen erscheinen ethische und wirtschaftliche Handlungen nur schwer kompatibel und sogar widersprüchlich, da die Umweltethik als eine kategorische Nebenbedingung des Wirtschaftens Auswirkungen auf die qualitative und quantitative Ausprägung der Bedarfsdeckung hat. Eine Ausweitung der Umweltethik würde somit gleichermaßen mit einer Einschränkung der bestehenden Bedarfsdeckung einhergehen (vgl. Stitzel 1991, S. 102).
Betrachtet man bezüglich der Ökonomie die ökologische Ethik als vernunftgemäßen Gedankengang über zulässiges Wirken in solchen Fällen, in denen Schädigungen an Ökosystemen, teilweise auch unbeabsichtigt, als Folgen wirtschaftlicher Handlungen auftreten oder aufzutreten drohen, so scheint fraglich, ob ein durch ökologische Ethik beeinflusstes Handeln mit dem Verständnis der Ökonomie und der tatsächlichen Situation in vielen Volkswirtschaften vereinbar ist. Dieses Hinterfragen scheint angebracht, da die Resultate der Reflexion unweigerlich verhaltensleitend wirken sollten, um eine Schädigung der (potenziell) betroffenen Ökosysteme zu vermeiden bzw. einen erwünschten Zustand zu erreichen oder zu erhalten.
Im Wesentlichen können die Ansätze der ökologischen Ethik in vier Klassifikationen kategorisiert werden, wobei den Elementen der Natur Werte zugeschrieben werden, die vom Menschen interdependent sind:
- Anthropozentrische Umweltethik betrachtet den Menschen als höchste Ausprägungsform der Natur. Der Wert der Umwelt beruht im Nutzen, den der Mensch aus ihr zieht (vgl. Teutsch 1985, S. 8 ff.).
- Pathozentrische Umweltethik definiert den Selbstwert eines Lebewesens durch das Vorliegen von Leidensfähigkeit und fordert den Schutz allen leidensfähigen Lebens um seiner selbst Willen (vgl. Teutsch 1985, S. 83 ff.).
- Biozentrische Umweltethik gesteht allen Lebewesen einen Eigenwert zu, so dass eine Beanspruchung durch den Menschen nicht ohne weiteres möglich ist. Alles, was ein Streben nach Entfaltung zeigt, verdient demnach Respekt und Schutz (vgl. Teutsch 1985, S. 17 f.).
- Holistische Umweltethik nimmt keine abstrakte Aufgliederung der Eigenwerte verschiedener Naturelemente vor. Über die individuellen Lebewesen hinaus gelten bei diesem Ansatz auch Ökosysteme, als Gesamtheit der Lebewesen und Beziehung zwischen diesen, als schützens- und erhaltenswert (vgl. Teutsch 1985, S. 46 f.).
Legt man zugrunde, dass es sich bei ökonomischen Handlungen um größtenteils anthropozentrisch geprägte Aktivitäten handelt, in deren Rahmen die Abgrenzungen zwischen ethischem und nicht-ethischem Auftreten verschwimmen, so muss differenzierend betrachtet werden, ob die Handlugen einen reinen Gegenwartsbezug haben oder auch mögliche Auswirkungen auf die Zukunft berücksichtigen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Handelnde lediglich im Sinne der eigenen Nutzensteigerung handelt oder auch das Wohl anderer bzw. welcher anderen berücksichtigt und, ob bei der jeweiligen Handlung Rücksicht auf die Natur genommen wird bzw. eine möglichst hohe Naturverträglichkeit Nebenziel der Handlung ist (vgl. Stitzel 1991, S. 105).
Eine Ausweitung der umweltethischen Sichtweise über den anthropozentrischen Ansatz hinaus ist gleichbedeutend mit dem Wandel von unpersönlicher zu mehr und mehr verantwortungsbewusster Nutzung natürlicher Ressourcen. Die Forderung eines behutsamen wirtschaftlichen Handels geht dabei einher mit Nutzenrestriktionen bzw. gänzlichem Nutzenverzicht hinsichtlich knapper Ressourcen, wodurch das Spannungsverhältnis zwischen traditioneller Ökonomie und ökologischer Ethik deutlich wird. Umweltverträgliches Verhalten erscheint aus anthropozentrischer Sicht ökonomisch irrational, da der Produktionsfaktor Umwelt weitgehend ohne einen, der realen Verknappung natürlicher Ressourcen entsprechenden Preis, oder einem verursachungsgerechten Aufkommen für entstandene Umweltschäden genutzt werden kann. Umweltethik verlangt, auch in bescheidenster anthropozentrischer Ausprägung, ein Mindestmaß an Achtung der Lebensinteressen anderer Menschen, an Eingehen auf ökologische Konstellationen und an zukunftsorientiertem Denken und Handeln, was jedoch nicht gleichermaßen stichhaltige Bedingungen für die Entscheidungen von Produzenten, Konsumenten oder Staat sind. Letztlich stellt ökologische Ethik Ansprüche, deren Erfüllung mit Mühe verbunden ist, da diese gleichbedeutend mit Verzicht auf Produktionsexpandierung zum Wohle der Umwelt und Lossagung von Sorglosigkeit ist. Sie verlangt eine Abschätzung der Reichweite heutiger Entscheidungen auf ihre Auswirkungen in der Zukunft sowie Verständnis für die Komplexität von Ökosystemen verlangt.
Wie auch hinsichtlich des in 2.2 vorgestellten Begriffs der Moral muss auch bezüglich der unterschiedlichen Ethik-Entwürfe beachtet werden, inwieweit diese in die Praxis einfließen bzw. umsetzbar sein können. Insbesondere im Bezug auf die Unternehmenstätigkeit, aber auch in Verbindung mit Konsumentenverhalten, muss gefragt werden, ob Wirtschaftsethik im Allgemeinen lediglich über eine einschränkende Rolle bei konfliktären Nebenwirkungen des Marktprozesses verfügt oder ob sie gar nur zur Rechtfertigung und langfristigen Absicherung der Unternehmenstätigkeit durch "deklaratorische Übernahme von Verpflichtungen gegenüber Natur und Gesellschaft" (Freimann 1996, S. 350) eingesetzt wird.
2.4 Ursachen für ökologische und soziale Missstände
Wurde in den vorhergehenden Abschnitten der Einfluss ethischer Gesichtspunkte auf die Entwicklung der Fair Trade-Thematik gezeigt, so soll im Folgenden die Bedeutung einer Integration ökologischer und sozialer Aspekte in den ökonomischen Prozess durch verschiedene Formen des Marktversagens begründet werden. Zwar ist die Geltung ethischer Motive der Marktakteure für die Funktionalität des Wettbewerbs als nebensächlich anzusehen, doch sollten diese für die Thematik dieser Arbeit nicht außer acht gelassen werden. Gilt es also Marktversagen zu diagnostizieren, so muss dies aus einer Abweichung von der Annahme der vollständigen Konkurrenz geschehen.
2.4.1 Die Annahme der vollständigen Konkurrenz
Die Annahme der vollständigen Konkurrenz dient als allgemeingültiges Modell der Ökonomie einem verstärkten Verständnis der Marktabläufe. Ihr zugrunde liegen außergewöhnliche Unterstellungen, welche die vielfältigen Einflussgrößen des realen Marktgeschehens reduzieren. So wird von einer gegebenen Menge an Ressourcen ausgegangen, ebenso wie von einer feststehenden Produktpalette und Produktionstechnik, d.h. Innovationen bzgl. der Produkte und Produktionsverfahren werden im Modell ausgeschlossen, so dass dynamische Prozesse wie Wirtschaftswachstum und Fortschritt ausgeblendet werden. Die Individuen handeln in diesem Modell als Nutzenmaximierer mit gegebenen und im Ablauf der Zeit konstanten Präferenzen, denen sie bei formaler Freiheit der Wahl bzgl. Produktion, Investition, Beruf oder Konsum nachgehen können. Bei dieser modellhaften Annahme handelt es sich zudem um einen Markt, der sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite durch eine hohe Anzahl von Akteuren mit jeweils geringem Anteil am Marktvolumen gekennzeichnet ist. Es werden homogene Güter gehandelt und es herrscht eine vollständige Markttransparenz, d.h. alle Akteure besitzen die Möglichkeit der vollständigen und kostenlosen Information über Eigenschaften und Preise der angebotenen Güter (vgl. Fritsch et al. 1999, S. 33 f.). Darüber hinaus unterstellt das Modell eine unendliche Reaktionsgeschwindigkeit und betrachtet somit lediglich Gleichgewichtszustände, wobei Anpassungsprozesse ausgeblendet werden. Für Produktionsfaktoren und Güter existieren keine Mobilitätskosten und es gilt uneingeschränkte Teilbarkeit, d.h. auch Marktzu- und Austritt sind weitgehend ohne Kosten möglich.
Schließlich trifft das Modell der vollständigen Konkurrenz die Annahme, dass alle Austauschbeziehungen freiwilliger Natur und damit von beiden Seiten gewollt sind. Technologische externe Effekte sind demnach nicht existent.
2.4.2 Herleitung sozialer Aspekte aus dem Marktversagen
Die in 2.1.3 erfolgte Betrachtung der paretianischen Wohlfahrtsökonomik sowie das im vorangegangenen Abschnitt kurz skizzierte Modell der vollständigen Konkurrenz bauen aufeinander auf. Demnach erfüllt ein Markt, in dem die Hypothesen des Modells der vollständigen Konkurrenz eintreffen, die Maßgaben der paretianischen Wohlfahrtsökonomik hinsichtlich einer bestmöglichen Allokation. Allerdings formulieren das Modell der vollständigen Konkurrenz und die paretianische Wohlfahrtökonomik realitätsferne Zustände (vgl. Fritsch et al. 1999, S. 68), so dass eine Betrachtung der Abweichungen von diesen Zuständen geboten scheint.
2.4.2.1 Das distributive Marktversagen
Nimmt man an, dass die Marktwirtschaft der geeignete Mechanismus ist, um die Heterogenität und produktive Wirksamkeit einer zeitgemäßen Gesellschaft zu entwickeln und nutzbar zu machen sowie darüber hinaus die Angebotsstruktur im Sinne der durch Bedürfnisse getriebenen Nachfrage zu berichtigen, so stellt sie hinsichtlich der Bedürfnisbefriedigung den wirksamsten Koordinationsmechanismus dar (vgl. Sturn 2002,S. 51 f.).
Ausgehend von der bereits vorgestellten Annahme, dass eine sich selbst überlassene Marktwirtschaft bzw. eine Marktwirtschaft, in der die Akteure, unter Beachtung der geltenden Gesetze, ihre eigenen ökonomischen Interessen verfolgen können, von selbst ein Pareto-Optimum erreicht, muss festgestellt werden, dass dieses gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsoptimum jedoch nicht zwingend identisch mit zumindest annähernd gleichmäßig hohen individuellen Wohlfahrts- bzw. Nutzenniveaus sein muss. In Betrachtung der Definition eines Pareto-Optimums als ein Zustand, in dem es einem Individuum nicht möglich ist seinen Zustand zu verbessern, ohne dass sich der Zustand wenigstens eines anderen Individuums dadurch verschlechtert, sind auch Verteilungssituationen pareto-optimal, in denen wenige (oder im Extremfall ein Individuum) über hohen materiellen Besitz verfügen, demgegenüber aber eine außerordentlich hohe Anzahl in dieser Hinsicht minderbemittelter Individuen steht.
SEN spricht in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit des Auftretens sog. "catastrophic moral horrors", da einzelne Gruppen, innerhalb eines ansonsten nahezu allumfassenden und gedeihenden Wohlstands, selbst die Grundbedürfnisse nicht befriedigen können (vgl. Sen 1987, S. 33 ff.). Eine pareto-effiziente und schnell gedeihende Marktwirtschaft bringt jedoch eine Dynamik mit sich, die für andauernde Umbewertung von Humankapital und somit für Schwankungen der Einkommen sowie für neue Arten gesellschaftlicher Problemstellungen sorgt. Dabei ist, selbst ausgehend von einer gerechten und die Bedürfnisse sichernden Basisverteilung, deren Erhaltung im Zeitverlauf nicht gewährleistet (vgl. Sturn 2002, S. 52).
2.4.2.2 Auswirkungen des globalen Wachstums
Im Bezug auf die internationalen und grenzübergreifenden Strukturen des Handels wird Globalisierung als dessen dynamischer Wachstumsprozess angesehen, wobei nur wenige Gütermärkte als ein Ort weltweiter Konkurrenz aufgefasst werden können. Ein Großteil der Güter und Dienstleistungen wird innerhalb existierender Wirtschaftszonen gehandelt, in denen zum Teil erhebliche Wachstumsraten auftreten. Bezeichnend für den globalen Handel ist ein starker Wettbewerb innerhalb der Marktsegmente, also eine erhöhte Konkurrenz gleichartiger Produkte (vgl. Hübner 2004, S. 16 ff.).
In diesem verdichtenden und beschleunigenden Prozess führt die Vernetzung von Individuen und Institutionen auch zu steigendem Interesse von Finanzakteuren, die Einsatzwege und finanzielle Basis der Direktinvestitionen festlegen und somit wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung einzelner Regionen haben.
HÜBNER bezeichnet die rückläufige Hoheitsgewalt der Nationalstaaten und das Missverhältnis zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnungslinien innerhalb des staatlichen Zusammenlebens als Maßgaben der Globalisierung (vgl. Hübner 2004, S. 37). In diesem Zusammenhang wird darüber hinaus von einer Kluft zwischen Armut und Reichtum gesprochen, die sich mit einer ihr eigenen Dynamik zunehmend vergrößert. Dieser Prozess einer asymmetrischen Aufteilung des Ressourcenbedarfs, des Zugangs zu Informationen und Bildung, des Kapitals und das stetige Wachstum dieser Ungleichverteilung führt zu internationalen Prozessen der Umverteilung und Konzentration geistigen und materiellen Überflusses in den Industrieländern. Inmitten eines stetig wachsenden Überflusses entwickelt sich Armut und mit ihr eine Vielzahl sozialer Missstände, die in ihren Ausprägungen von Analphabetismus über Kinderarbeit, Krankheiten und Migration bis hin zu Hungersnöten und Bürgerkriegen reichen (vgl. Chrenko et al. 2002, S. 14 f.).
Gemessen am Einkommen betrug die Kluft der reichsten zwanzig Prozent der Weltbevölkerung im Vergleich zu den ärmsten zwanzig Prozent im Jahre 1960 den 30fachen Wert. Im Jahr 1995 standen sich diese Werte bereits im Verhältnis von mehr als 80 zu 1 gegenüber, was für ein Auseinanderklaffen der Einkommens- und Vermögensverteilung spricht (vgl. UNEP: www.unep.org 2005). Dieses Phänomen bezieht sich sowohl auf das sog. "Nord-Süd-Gefälle", also die Diskrepanz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern hinsichtlich der Lebensqualität, als auch auf innergesellschaftliches Auseinandertriften. Damit verbunden ist die Beobachtung, dass 2,8 Mrd. Menschen ihre Existenz mit weniger als 2 US-Dollar am Tag gestalten müssen, was der Definition der Weltbank von Armut entspricht, und darüber hinaus 1,2 Mrd. Menschen mit weniger als 1 US-Dollar am Tag (Definition der Weltbank von extremer Armut) ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen (vgl. Chrenko et al. 2002, S. 16).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Weniger Menschen in extremer Armut - Menschen, die von weniger als 1 US-Dollar am Tag leben (in Millionen)
Quelle: nach Weltbank: www.worldbank.org 2005
Die Abbildung 2 zeigt die zahlenmäßige Entwicklung der Menschen, die in extremer Armut, also von weniger als einem US-Dollar am Tag, leben müssen (Definition der Weltbank). Im Zeitraum von 1981 bis 2001 hat sich die Zahl von 1,5 Mrd. Menschen auf 1,1 Mrd. verringert, wobei dies mit einer regionalen Verlagerung einhergeht. So zeigt sich ein überdurchschnittlicher Rückgang der in extremer Armut lebenden Bevölkerung in Ostasien und dem pazifischen Raum von 796 Mio. Menschen zu 271 Mio. (vgl. Weltbank: www.worldbank.org 2005), dem ein Wachstum der Armutszahlen in den afrikanischen Regionen südlich der Sahara gegenübersteht, ebenso wie in Lateinamerika und der Karibik sowie in Europa und Zentralasien. Basierend auf den daraus errechneten Verläufen zeigt der vierte Teil der Abbildung die, nach Schätzung der Weltbank, mögliche regional aufgegliederte Situation der extremen Armut für das Jahr 2015, deren Tendenz zwar weiterhin rückläufig ist, aber eine zunehmende Konzentration auf das südlich der Sahara liegende Afrika sowie Südasien, wenn auch hier stark rückläufig, zu haben scheint (vgl. Weltbank: www.worldbank.org 2005).
Da wachsende Armut als zunehmende Divergenz der Verteilung angesehen wird, geht eine Definition über die Betrachtung der täglich zur Verfügung stehenden Geldmittel hinaus. Armut ist darüber hinaus ein Mangel bei der Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse des Menschen und ein Defizit gesellschaftlich notwendiger Lebensgegebenheiten. Sie umfasst somit mangelhafte Ernährungs- und Wohnbedingungen, eine Unterversorgung in den Bereichen Bildung und Gesundheit, ein daraus resultierendes niedrigeres Niveau der physischen und psychischen Fähigkeiten im Arbeits- und Leistungsprozess, wenig oder gar nicht ausgeprägte Möglichkeiten der Teilnahme an sozialen und politischen Prozessen sowie geringe oder fehlende Sicherheit vor wirtschaftlichen Krisen, Naturkatastrophen oder Gewalt (vgl. OECD/DAC 2001, S. 41 ff.).
Armut verstetigt sich global als dauerhafter, sich nicht selbst regulierender Krisenzustand der sozialen Situation, der mit dem Anstieg der Bevölkerungszahlen und dem raschen Wandel der ökonomischen Bedingungen wächst und durch ein hohes Maß an Armut von Kindern bzw. Jugendlichen einen eigenen Fortpflanzungsmechanismus besitzt. Von diesem Prozess betroffen sind insbesondere Arbeitslose und arbeitende Arme bzw. Lohnabhängige, deren Arbeitskraft nicht adäquat entlohnt wird, Bauern ohne eigenen Landbesitz sowie Landarbeiter und unzureichend ausgebildete Arbeitskräfte. Darüber hinaus sind allgemein Frauen und Angehörige ethnischer Minoritäten Betroffene dieses Prozesses.
Eine hohe Verschuldung und schwindende Aktionsfähigkeit der Staaten bzw. die fehlende Bereitwilligkeit der jeweils herrschenden Eliten für gesellschaftliche Reformen und distributive Umgestaltungen gilt in den meisten Entwicklungsländern als hauptsächlicher Hinderungsgrund für ein Entgegenwirken der gesellschaftlichen Spaltung (vgl. Chrenko et al. 2002, S. 19 f.). Darüber hinaus verschlechtert sich im Zeitverlauf Zugang und Nutzung natürlicher Ressourcen und damit auch die Ernährungssituation, wogegen die Umweltbelastungen ansteigen.
2.4.2.3 Herleitung der Notwendigkeit von Sozialstandards im Welthandel
Die Motive für die Einführung sozialer Mindeststandards in der Welthandelsordnung lassen sich sowohl aus handels- als auch aus entwicklungspolitischer Perspektive begründen.
Das Heckscher-Ohlin-Modell betrachtet die ungleiche Ausstattung der Staaten hinsichtlich der Produktionsfaktoren als Basis für internationalen Handel. Es geht dabei vereinfachend von zwei Ländern aus, die mit "Nord", als Sammelbegriff für die Industrieländer, und "Süd", als Gruppe der Entwicklungsländer, bezeichnet werden können. In den beiden Ländern werden unter Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zwei Güter hergestellt, wobei die Intensität der Faktoren, die in diesem Modell als national vollkommen mobil und international immobil angenommen werden, bei der Produktion der beiden Güter verschieden ist (vgl. Großmann 2002, S. 3). Darüber hinaus wird angenommen, dass im Norden der Faktor Kapital und im Süden der Faktor Arbeit ausgiebig vorhanden sind. Daraus folgt, dass der Norden das kapitalintensive Gut exportiert und das Gut, dessen Produktion einen erhöhten Einsatz des Faktors Arbeit voraussetzt, importiert. Setzen die Entwicklungsländer zur Erzielung eines komparativen Kostenvorteils bei der Herstellung des Gutes auf Kinder- oder Zwangsarbeit, so führt dies zu einer Erhöhung des Produktionsvolumens und der Exportmengen. Dies bedeutet für die Industrieländer eine Senkung des Preises für das arbeitsintensive Gut und damit Handelsgewinne, da für eine Einheit des importierten Gutes weniger vom kapitalintensiven Gut exportiert werden muss (vgl. Jens 1998, S. 200 f.).
Die Ergebnisse dieser modellhaften Darstellung divergieren in der Realität. So wird einerseits empirisch festgestellt, dass in den Jahren 1980 bis 1994 Länder mit geringer Ausprägung sozialer Standards keine überwiegenderen Anteile am Exportmarkt offenbaren konnten als Länder, in denen der Ausprägungsgrad der sozialen Standards auf einem höheren Niveau lag (vgl. OECD 1996, S. 91). Andererseits wird belegt, dass sich durch Einsatz von Kindern als Arbeitskräfte oder Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeiten die komparativen Kostenvorteile bei der Produktion arbeitsintensiver Güter erhöhen (vgl. Rodrik 1996, S. 35 ff.).
Aus dem Betrachtungswinkel der Außenhandelstheorie entstehen den Industrieländern beim Handel mit Ländern, in denen ein niedriges Niveau an sozialen Standards vorherrscht keine Nachteile, solange dieses Umgehen von Mindeststandards nicht zu Wettbewerbsvorteilen zu Ungunsten anderer Staaten führt. Eine Rahmensetzung durch allgemein anerkannte Sozialklauseln im Welthandel erfüllt demnach auch die Funktion einer Bekämpfung von Verteilungsproblemen in den Industrieländern, da durch die Preissenkung beim importierten Gut Lohnminderungen bzw. Arbeitsplatzverluste im arbeitsintensiven Produktionssektor der Industrieländer drohen. Dieses Risiko bestünde auch in dem Fall, dass niedrige soziale Standards in den Entwicklungsländern einen Anreiz zur Verlagerung der Produktionsstätten für die Unternehmen der Industrieländer darstellen könnten, wodurch die Einführung von Mindeststandards im sozialen Bereich sinnvoll erscheint (vgl. Großmann 2002, S. 6 ff.). Wirkt die Nichtbeachtung ziviler Liberalismen und politischer Rechte oder der Einsatz von Kinder- oder Zwangsarbeit hingegen abschreckend auf auswärtige Investoren, so leitet sich daraus eine Notwendigkeit sozialer Mindeststandards für die Entwicklungsländer ab.
Der entwicklungspolitische Anhaltspunkt für eine Einführung verbindlicher sozialer Mindeststandards liegt darin, dass Fortschritte im sozialen Bereich auch die ökonomische Entfaltung vorantreiben. Im Einklang mit der oben angeführten Definition von Armut als Einschränkung der Mittel, die Basis für eine akzeptable Lebensführung sind, begrenzt dieser Zustand Möglichkeiten der Entwicklung und des Wachstums durch den Ausschluss beträchtlicher Bevölkerungsgruppen vom Konsum oder ihre Nichttauglichkeit für den Prozess der Arbeit auf Grund ungenügender Befähigung oder unzureichender körperlicher Belastbarkeit (vgl. Chrenko et al. 2002, S. 32). Eine Bekämpfung der Armut muss demnach über eine Erhöhung des Einkommensniveaus hinaus auch auf einer Garantie fundamentaler sozialer Standards basieren (vgl. Großmann 2002, S. 2).
2.4.3 Ursachen der Umweltproblematik
Im Folgenden sollen die verschiedenen Gründe erläutert werden, die zu einer Überlastung der Aufnahmefähigkeit der natürlichen Umwelt, also zur Beeinträchtigung ihrer Funktion zur Selbstregulierung bzw. Selbstreinigung, ihres Fassungsvermögens als Aufnahme- und Ablagerungsmedium sowie ihrer Verdünnungskapazität führen und somit eine Entwicklung lokaler und darüber hinaus globaler ökologischer Probleme hervorbringen. Die Abbildung 3 zeigt die Aufgliederung der o.g. Ursachen der Umweltproblematik in entwicklungsbedingte, sozio-ökonomische und wirtschaftssystembezogene Ursachen. Diese sollen nachstehend erläutert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Ursachen des Umweltproblems
Quelle: Wicke 1991, S. 28
2.4.3.1 Entwicklungsbedingte Ursachen der Umweltproblematik
Eine wesentliche Komponente der entwicklungsbedingten Ursachen ist der exponentielle Verlauf des Bevölkerungswachstums. Lagen die ermittelten Zahlen für die Weltbevölkerung 1950 bei 2,519 Mrd. Menschen, so war 1975 bereits ein Anstieg auf 4,068 Mrd. und 2000 ein Anstieg auf 6,071 Mrd. zu verzeichnen (vgl. Vereinte Nationen: www.un.org 2005). Dies geht einher mit einer Verkürzung der Verdopplungszeiträume für die Anzahl der Weltbevölkerung. TISCHLER resümiert, dass die Weltbevölkerung, trotz sinkender Wachstumsgeschwindigkeit, gegen Ende des 21. Jahrhunderts die Zahl von 30 Mrd. erreichen werde und daher die Belastbarkeit der Erde in Frage gestellt werden müsse (vgl. Tischler 1994, S. 16). Zunehmende Bevölkerungszahlen, insbesondere in Entwicklungsländern, gehen einher mit der Notwendigkeit erweiterter Siedlungs- und Erholungsräume, einer Steigerung der Produktion von Nahrungsmitteln und einem erhöhten Energiebedarf. Zudem verlangen erhöhte Bevölkerungszahlen nach einem Mehrkonsum materieller Güter und einer damit verbundenen Ausweitung der industriellen Produktion sowie einer Entsorgung der ansteigenden Abfallmengen (vgl. Brohl 1993, S. 27). Die hierdurch ausgelösten Umweltschäden sind vielfältig und zeigen sich in Zersiedelung der Landschaft, Vernichtung von Ökosystemen, erhöhtem Einsatz von Düngern und Pestiziden auf bereits bestehender bzw. Erosion und Versalzung auf neu erschlossener landwirtschaftlicher Fläche, einem erhöhten Verschleiß primärer Energiequellen und negativer Beeinflussung von Wasser, Luft und Boden durch Emissionen und Abfälle.
Eine zusätzliche Problematik des Bevölkerungswachstums ergibt sich aus Wanderbewegungen ganzer Bevölkerungsgruppen in die Ballungsgebiete, in denen die expandierende Industrie Arbeitsplätze bietet. Dieser Prozess der Verstädterung führt in den Ballungsräumen zu konzentrierter Beanspruchung von Luft, Boden und Wasser als natürlichen Rohstoffen, Wachstum der Emissionswerte und einer lokalen Schadstoffansammlung in den jeweiligen Gebieten sowie zu ungehinderter Abfall- und Abwasserentsorgung zu Lasten der Umwelt in den Armutsvierteln.
Einhergehend mit dem Anstieg der Weltbevölkerung ist ein Wachstum der Wirtschaft, da eine Mehrzahl an Gütern benötigt wird, um die zunehmenden Bedürfnisse zu befriedigen. Zudem wird für ein Wirtschaftswachstum argumentiert, dass materieller Besitz kennzeichnend für die soziale Entfaltung sei und darüber hinaus eine Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit bei dauerhafter Produktivitätssteigerung friedens- und stabilitätssichernd sei (vgl. Tischler 1994, S. 20). Sowohl im primären (Land- und Forstwirtschaft, Urproduktion und Fischerei) und sekundären (Handwerk und weiterverarbeitende Industrie) als auch im tertiären (Handel und Dienstleistungen) Bereich der Wirtschaft lassen sich Prozesse beobachten, die massiv zur Schädigung der natürlichen Umwelt beitragen. Obwohl der sekundäre Bereich, also die weiterverarbeitende Produktion in Handwerk und Industrie, den Schwerpunkt der industriellen Gesellschaft darstellt, soll an dieser Stelle, im Sinne der Fair Trade-Thematik, kurz auf die umweltschädigenden Folgen einer erhöhten Nahrungsmittelproduktion im primären Sektor eingegangen werden. Eine Betrachtung der weltweiten Produktion an Nahrungsmitteln als bedeutsamstem Sektor des primären Wirtschaftsbereichs, zeigt zwischen den Jahren 1970 und 2000 ein durchschnittliches Wachstum von 2,2 Prozent pro Jahr (vgl. Tischler 1994, S. 20).Dies ist mit vielschichtigen ökologischen Folgen verbunden . So bewirkt eine Substitution bäuerlicher Grundformen durch agrarindustrielle Erzeugung die Ausweitung der Anbauflächen für Monokulturen, die mit einer Dezimierung der Biodiversität und verstärkter Anfälligkeit verbunden ist. Darüber hinaus fördert die Ausdehnung der Anbauflächen die Bodenerosion und bedarf eines erhöhten Einsatzes an Energie und natürlich begrenzter mineralischer Dünger. Durch Einsatz von Kunstdüngern, Herbiziden und Pestiziden erhöht sich die Konzentration von Giftstoffen in der Nahrungskette parallel zu einer zunehmenden Bodenverseuchung und Verunreinigung des Trinkwassers. Auswirkungen auf das Klima hat die mit der Rinderhaltung verbundene Methangasproduktion.
Unter den in der Abbildung 3 genannten umweltungünstigen Auswirkungen des technisch-wirtschaftlichen Wandels sind Änderungen der Produktionstechnik und/oder Konsumgewohnheiten zu verstehen, wie z.B. die Nutzung aufwendiger Verpackungen oder die Substitution natürlicher Substanzen durch chemische Stoffe.
2.4.3.2 Sozio-ökonomische Ursachen der Umweltproblematik
Das augenblickliche Verständnis der Wirtschaft von der natürlichen Umwelt betrachtet diese vornehmlich als öffentliches Gut. Für solche sog. Kollektivgüter sind in der Regel eine Nichtrivalität im Konsum und die Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips charakteristisch. Ersteres bedeutet, dass der Konsum des Gutes durch ein Individuum den Konsum durch ein anderes Individuum nicht ausschließt, während das hier nicht anwendbare Ausschlussprinzip besagt, dass ein Gut privat angeboten werden kann und demnach eine verweigerte Zahlung des Kaufpreises vom Konsum ausschließt. WICKE spricht davon, dass Kollektivgüter nicht aufteilbar oder verkäuflich sind und darüber hinaus kein Individuum eine freiwillige Bereitschaft zu ihrer Erstellung aufbringt (vgl. Wicke 1991, S. 41). Im Wesentlichen können diese Charakteristika auf die Umweltmedien übertragen werden, auch wenn unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausschluss von deren Nutzung denkbar und in der Realität beobachtbar ist. Aus dem Charakter der öffentlichen Güter ergibt sich demnach, dass eine Beanspruchung der Umwelt einen hohen individuellen Nutzen für ein Individuum besitzt, da sie als öffentliches Gut ohne die Zahlung eines adäquaten Preises genutzt werden kann. Demgegenüber wird der Nutzen für die Gesellschaft, der durch eine freiwillige Regulierung der schädigenden Aktivitäten entstehen würde, als gering bewertet (vgl. Tischler 1994, S. 29). Daraus folgt, dass eine Übernutzung der natürlichen Umwelt stattfindet und deren Qualität abnimmt. Zudem fehlen die Anreize für unaufgeforderte Handlungen zur Verbesserung dieser Situation (vgl. Brohl 1993, S. 32).
Da eine Nutzung bzw. Schädigung der Umwelt in der Theorie kostenlos möglich ist, spricht man auch von externen Effekten, die im Prozess der Produktion oder des Konsums herbeigeführt werden, ohne dass die Verursacher dafür aufkommen, die Kosten werden also externalisiert. Mögliche Beispiele für externe Effekte sind vielfältig und wurden bereits in anderem Zusammenhang erwähnt, so z.B. die Verunreinigung des Trinkwassers durch den Einsatz künstlicher Dünger in der Landwirtschaft. Werden externe Effekte nicht dem Verursacher, sondern der Allgemeinheit zugerechnet, so können umweltbelastende Produkte, auf Grund der Externalisierung der Kosten für die Umweltschädigung, am Markt zu einem niedrigeren Preis angeboten werden als umweltfreundlich hergestellte Produkte. Diese Preisdifferenz führt zu einer Nachfrageerhöhung und einer damit verbundenen Produktionssteigerung der umweltschädigend hergestellten Produkte. Da externalisierte Kosten unfreiwillig vom Staat oder den Geschädigten getragen werden, ist ihre lückenlose Erfassung und verursachungsgerechte Zuordnung zu ihrer Vermeidung notwendig, was auch die Schädigung der Umwelt einbezieht. Die vielfältigen Ansätze der Theorie und Praxis zur Erfassung und Anrechnung der externen Effekte können an dieser Stelle nicht erläutert werden, vielmehr soll in den folgenden Kapiteln auf Formen der freiwilligen Regulierung eingegangen werden.
Zu den sozio-ökonomischen Ursachen der Umweltschädigung ist gemäß der Abbildung 3 auch umweltfeindliches Verhalten des Menschen zu zählen, worunter zum einen eine niedrige Priorität des Umweltschutzes gegenüber den Auswirkungen der Armut in weniger entwickelten Ländern zu verstehen ist, zum anderen die fehlende Bereitschaft zum Verzicht auf materiellen Wohlstand zugunsten eines umweltschonenden Verhaltens in den Industrieländern (vgl. Brohl 1993, S. 32).
2.4.3.3 Wirtschaftssystembezogene Ursachen der Umweltproblematik
Entgegen der bisherigen Betrachtung wird in diesem Fall die Ursache für Umweltbelastungen aus dem jeweiligen Wirtschaftssystem selbst abgeleitet, wobei zwischen marktwirtschaftlich-demokratischen und zentralverwaltungs-sozialistischen Systemen unterschieden wird.
Während die Umweltbelastungen auf Grund der Problematik öffentlicher Güter, wonach keine adäquaten Preise für die Beanspruchung der knappen Umweltgüter am Markt entstehen, als kennzeichnendes Versagensphänomen der Marktwirtschaft angesehen werden (vgl. Wicke 1991, S. 48), gilt für eine Zentralverwaltungswirtschaft, dass sie kein geeignetes Mittel zur Allokation im Umweltsektor bereitstellen kann, da z.B. die Anregungen für umweltfreundliche Aktivitäten der im System agierenden Individuen fehlen (vgl. Brohl 1993, S. 33). Umweltschädigungen treten demnach in beiden Systemen auf, so dass eine Änderung des marktwirtschaftlichen Systems hin zu einer zentralen Wirtschaftsregelung, die sich nach sozialen Zielsetzungen richtet, als Lösungsweg angegeben wird, während bezüglich einer zentralverwalteten Wirtschaft von einer Neuerung des systembezogenen Rahmens und einer Vertiefung des Gedankenguts der Marktwirtschaft, hinsichtlich einer Verbesserung der Umweltproblematik gesprochen wird (vgl. Wicke 1991, S. 53 ff.).
2.5 Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit
2.5.1 Historische Entwicklung und Definitionen des Begriffs
Die Entwicklung und Verwendung des Begriffs "Nachhaltigkeit" geht auf die Forstwirtschaft des 19. Jahrhunderts zurück und beschrieb in diesem Zusammenhang die Erhaltung des natürlichen Realkapitals als Begrenzung der Entnahme von Holz aus den Wäldern in der Menge, die im gleichen Zeitraum nachwachsen kann (vgl. Rogall 2002, S. 41). Übernutzung der natürlichen Ressourcen bzw. Schädigung der Umwelt, auch und vor allem in Verbindung mit der voranschreitenden Ungleichheit der Lebenssituationen und -chancen, stellen sich jedoch weder als ein auf den forstwirtschaftlichen Sektor, noch als national begrenztes und zu lösendes Problem dar. Ein diesbezüglich gestiegenes Interesse der Industrieländer am Thema Umweltschutz verbunden mit der Einsicht, dass ein stetiges Wachstum der Wirtschaft keine Voraussetzung für gesellschaftliche Wohlfahrt, sondern konträr eine Bedrohung für die künftige Existenz der Menschheit auf Grund der bereits beschriebenen Auswirkungen des Marktversagens darstellt (vgl. Diefenbacher 2001, S. 61), führte 1972 zur Umweltschutzkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm (vgl. Rogall 2002, S. 37). Als wesentliche Erkenntnis dieser Konferenz kann die Aussage angesehen werden, "(...) dass eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der Lebensverhältnisse für eine wachsende Weltbevölkerung nur möglich ist, wenn sie die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlage mit einschließt." (BMU 1997, S. 9). In den Folgejahren setzte sich, begleitet von einer Verschlechterung der Umweltsituation, die Dringlichkeit dieser Problematik auch zunehmend in Entwicklungsländern durch. Dies führte 1982 zur Konferenz von Nairobi und in deren Folge zur Gründung der "World Commission of Environment and Development", die, unter Vorsitz der Norwegerin Gro Harlem Brundtland, den unbedingten Zusammenhang der Problemsektoren Umwelt und Entwicklung aufzeigte (vgl. Diefenbacher 2001, S. 62). Mit dem sog. "Brundtland-Bericht" rückte die Kommission 1987 die Notwendigkeit einer globalen Auseinandersetzung mit Umwelt- und Armutsproblemen in den Fokus und setzte dies in Verbindung mit dem Begriff eines umweltfreundlichen Wachstums in der Weltwirtschaft (vgl. Luks 2002, S. 24). Dieser Bericht spricht von einer nachhaltigen bzw. dauerhaften Entwicklung als einer Entwicklung, "(...) die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können." (vgl. Hauff 1987, S. 46) und setzte damit den Rahmen für die 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene "United Nations Conference on Environment and Development" (UNCED), auf der sich Vertreter aus 178 Staaten auf die nachhaltige Entwicklung als neues gesellschaftliches Entwicklungsziel einigten und dieses in den Grundsätzen der Rio-Deklaration und des Aktionsprogramms Agenda 21 verankerten (vgl. Rogall 2002, S. 37). Während die Rio-Deklaration eine politische Verbindlichkeit der unterzeichnenden Staaten darstellt und Grundsätze für Umwelt- und Entwicklungspolitik als Rahmenbedingungen formuliert, handelt es sich bei der Agenda 21 um das Handlungsprogramm der Völkergemeinschaft für das 21. Jahrhundert, das Aktionssektoren, wie z.B. Biodiversität, Agrarwirtschaft oder Abfallentsorgung, und die verschiedenen Akteure im Prozess der nachhaltigen Entwicklung benennt, dabei aber nicht rechtlich verbindlich ist (vgl. Luks 2002, S. 25). In der Folge der "Rio-Konferenz" wurden verschiedene thematische Weltkonferenzen abgehalten, so z.B. allein sieben Klimakonferenzen, die Weltmenschenkonferenz 1993, der Weltsozialgipfel 1995 oder der Welternährungsgipfel 1996 (vgl. Rogall 2002, S. 39). Eine Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips in reale Handlungen wurde auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen "World Summit on Sustainable Development" in Südafrika im Jahr 2002 verfolgt, insbesondere hinsichtlich des Klimawandels und einer Verbesserung der Energie- und Trinkwasserversorgung für weite Teile der Weltbevölkerung (vgl. Rogall 2002, S. 39).
2.5.2 Dimensionen der Nachhaltigkeit
Ebenso wie der Begriff "sustainable development" im Deutschen verschiedenartige Übersetzungen gefunden hat, wie z.B. zukunftsfähige, dauerhafte, zukunftstaugliche oder nachhaltige Entwicklung, so zeigt sich auch der Katalog der Definitionen vielfältig ausgeprägt (vgl. Renn et al. 1999, S.20). Im Konsens sprechen die verschiedenen Ansätze jedoch von einer, in Hinsicht auf bestimmte erwünschte Zustände ausgerichteten Entwicklung. Ersichtlich ist, dass das Nachhaltigkeitskonzept keine wissenschaftlich erfassbare Gegebenheit ist, sondern vielmehr als, von Gerechtigkeitsgrundsätzen geprägte, normative Maxime, die für die Weltbevölkerung verbindlich sein soll, verstanden werden kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Ein Dreieck der Zukunftsfähigkeit
Quelle:nach Hinterberger/Welfens 1994, S. 405
Die Abbildung 4 zeigt drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, die es im Sinne einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung vorrangig zu berücksichtigen gilt. Der zentrale Gedanke der Gerechtigkeit kann dabei in intragenerative Gerechtigkeit, also Gerechtigkeit innerhalb der jetzigen Generation, im Sinne eines Entgegenwirkens gegen die Armut und den Mangel an Mitteln zur Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse sowie die Divergenz zwischen armen und reichen Ländern, und intergenerative Gerechtigkeit unterschieden werden. Als intergenerative Gerechtigkeit ist dabei zu verstehen, dass die Interessen künftiger Generationen in den Prozessen einer nachhaltigen Entwicklung vertreten sind, in Zukunft lebende Menschen demnach ebenso Anrecht auf eine intakte natürliche Umwelt und eine gerechte bzw. dem gegenwärtigen Maß entsprechende Nutzung von Ressourcen haben. Neben den ethischen Motiven für diesen Ansatz, lässt sich eine ökonomische Begründung im "Hicks'schen Einkommen" finden und auf das Prinzip der Nachhaltigkeit übertragen, wenn in die Betrachtung der staatlichen Finanzierung von gegenwärtigen Projekten einbezogen wird, dass deren Zinsen bzw. Tilgung durch künftige Generationen getragen werden müssen und dadurch deren Entwicklungspotentiale gehemmt werden (vgl. Luks 2002, S. 30).
Betrachtet man die natürliche Umwelt als Basis sowohl sozialer als auch ökonomischer Entwicklungen, so wird die Verbindung zwischen den Dimensionen der Nachhaltigkeit verdeutlicht. Sowohl für die ökonomische als auch für die soziale Entwicklung ist eine Nutzung der Natur als Aufnahmemedium und Lieferant für erneuerbare und nicht-erneuerbare Ressourcen unabdingbar. Daraus lassen sich sog. Management-Regeln für die Nachhaltigkeit ableiten, insbesondere hinsichtlich der Nutzung erneuerbarer Ressourcen in dem Umfang, in dem sie sich regenerieren, der Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen in einem Zeitrahmen, in dem ein Ersatz durch eine andere Ressource geschaffen werden kann und der Nutzung der Umwelt als Aufnahmemedium im Rahmen ihrer Belastbarkeit. Darüber hinaus sollte das Zeitmaß der menschlichen Umweltbeanspruchung das Zeitmaß natürlicher Entwicklungsvorgänge nicht übertreffen und eine Vermeidung unverantwortlicher Risiken für die menschliche Gesundheit als verbindlich angesehen werden (vgl. Diefenbacher 2001, S. 93).
Eine gerechte soziale Entwicklung setzt neben der ökologischen auch die ökonomische Dimension voraus, insbesondere hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Steigerung der Lebensgüte in allen sozialen Schichten. Allerdings kann eine nachhaltige Entwicklung lediglich durch eine Abstimmung aller drei Dimensionen aufeinander erreicht werden.
3 SOZIAL- UND UMWELTSTANDARDS IM WELTHANDEL
3.1 Begriffsdefinition und Ziele von Standards
Standards können als eine, durch allseitige Zustimmung festgelegte und eine anerkannte Körperschaft genehmigte Dokumentation von Regelungen für den allgemeinen und vielfachen Einsatz angesehen werden. Diese Richtlinien bzw. Charakteristika für Aktivitäten bzw. deren Resultate zielen darauf ab, ein Optimum an Vorschriften für einen bestimmten Handlungsbereich darzustellen.
Die Festsetzung solcher Standards dient dem Schutz der Verbraucher und der Markttransparenz sowie dem Schutz der Arbeitnehmer und der Umwelt. Eine Berücksichtigung von Umwelt- oder Arbeitnehmeraspekten in der Unternehmenspolitik ist zumeist mit Kosten verbunden, so dass die Festlegung von Standards in diesen Bereichen einen verbindlichen Charakter besitzt und die Entstehung von Wettbewerbsnachteilen durch eine sozial bzw. ökologisch verträgliche Vorgehensweise von Unternehmen verhindert. Dabei werden Standards danach unterschieden, auf welcher Ebene sie zur Anwendung kommen:
- Produktstandards beinhalten Regelungen bzgl. gewisser Produkteigenschaften wie z.B. äußere Beschaffenheit oder Inhaltsstoffe und verfolgen damit das Ziel des Schutzes der Verbraucher und der Umwelt sowie der Markttransparenz.
- Produktions- und Prozessstandards regeln die Prozesse der Produktion, die das Endprodukt beeinflussen können, aber nicht müssen. Dabei können solche Standards ganze Prozesse detailliert regeln, gewisse Produktionsprozesse vollständig in ihrer Anwendung verbieten oder ein Resultat vorschreiben, das der Prozess erbringen muss, so z.B. das Einhalten von Emissionsgrenzwerten.
- Verhaltensstandards stellen eine Reglementierung der Gestaltungsoptionen hinsichtlich unternehmensinterner Abläufe dar, sind demnach eher qualitativer Natur. Als Beispiele für Verhaltensstandards können im sozialen Bereich das Anrecht auf gemeinschaftliche Tarifverhandlungen und die Vereinigungsfreiheit angesehen werden, im Bereich der ökologischen Unternehmenspolitik das Mittel der Öko-Audits zur stetigen Steigerung der Umweltverträglichkeit von Unternehmensaktivitäten, oder im Qualitätsmanagement die ISO 9000 Standards (vgl. GTZ 2002, S. 4).
Fast man den Begriff der Sozialstandards im erweiterten Sinne auf, so können darunter sämtliche Vereinbarungen zwischen den Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie die gesetzlichen Normen verstanden werden, die die Beschäftigungssituation reformieren sollen. Dies äußert sich sowohl in Produktions- und Prozessstandards, wenn es sich um die Regelung von Prozeduren im Rahmen der Arbeitnehmerbeschäftigung handelt, so z.B. Vorschriften über Beiträge zur Sozialversicherung, tariflich festgelegte Lohnhöhe oder Arbeitssicherheit, als auch in Verhaltensstandards, die qualitative Regelungen der Beschäftigung darstellen, so z.B. Gewerkschaftsrechte. Im Fall von letzteren wird die Bezeichnung "Kernarbeitsnormen" verwendet (vgl. Deutscher Bundestag 2001, S. 65).
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- Michael Rummelsberger (Author), 2005, Fair Trade. Umsetzung und Marketingaspekte am Beispiel Demeter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117851
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