Meine Bachelor-Arbeit im Fach Sport bezieht sich auf das Thema des DDR-Hochleistungssports als Mittel zum Zweck. In dem oben angeführten Zitat wird deutlich, dass es schon wenige Jahre nach Gründung der DDR zu einer politischen Instrumentalisierung des Sports kommen sollte. Der Sport als populärster gesellschaftlicher Bereich diente somit als Medium, um die staatlichen Ziele zu verwirklichen.
Die Leistung im Sport stand nun im Mittelpunkt, um die politischen Ideologien der DDR durchzusetzen und jeder Sportler hatte sich dem – stark an der Sowjetunion orientierten – Sportsystem anzupassen, wenn er längerfristig erfolgreich sein wollte.
Um bestmögliche Leistung zu erbringen, war das System des Hochleistungssports in der DDR auf „weitgehende relative operative Autonomie“ angelegt, welche nur annähernd erreicht werden konnte, sobald das Sportsystem dem der Gesellschaft gerecht wurde oder dieses sogar übertraf. Das Erbringen perfekter sportlicher Leistungen stellte eine weitere Möglichkeit dar, die eben erwähnte Autonomie zu erreichen. Im Dezember 1948 stellte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) eine Forderung, mit der man die sowjetische Sportwissenschaft in den darauf folgenden Jahren identifizieren sollte:
„Körperkultur und Sport in jeden Winkel des Landes zu verbreiten und das Fertigkeitsniveau in einer solchen Weise anzuheben, dass sowjetische Sportler weltweite Überlegenheit in den wesentlichen Sportarten in der unmittelbaren Zukunft erbringen“ (Riordan 1977, S. 165 in: Buss/Becker, 2001, S. 539).
Die absolute Leistungssteigerung, die sogenannte „Anthropomaximologie“, wurde als Ziel gesetzt (vgl. Krüger, in: Buss/Becker, 2001, S. 539). Wichtig war es nun, zur richtigen Zeit in Bestform zu sein und nicht nur einfach zu einem beliebigen Zeitpunkt in seiner Sportlerlaufbahn.
Walter Ulbricht und sein Nachfolger Erich Honecker sahen den Sport als ein „Instrument des Klassenkampfes“, der die Überlegenheit des gesamten sozialistischen Systems zum Ausdruck bringen sollte. Auch der langjährige Minister für Staatssicherheit in der DDR, Erich Mielke, verstand den Sport als eine „wichtige politische Waffe [...] die wir zur Stärkung unserer sozialistischen Heimat, zur Erhöhung des internationalen Ansehens des Sozialismus, zur Erhaltung des Friedens und zur Völkerverständigung einsetzen“ (Holzweißig, 1988, S. 7)
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Geschichtlicher Überblick.
3. Innerdeutsche Sportbeziehungen.
4. Aufbau des Sportsystems
4.1 Der Deutsche Sportausschuss
4.2 Das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport
4.3 Der Deutsche Turn- und Sportbund und dessen Abteilungen
4.4 Das Nationale Olympische Komitee
4.5 Die Leistungssportkommission
5. Trainer und Trainerausbildung.
6. Die Deutsche Hochschule für Körperkultur.
7. Sportanlagen und Sportmaterial
8. Kinder und Jugendliche im DDR-Spitzensport
8.1 Die „Olympiade der Kleinen“ - Spartakiaden in der DDR
8.2 Die Einheitliche Sichtung und Auswahl
8.3 Die Trainingszentren
8.4 Die Kinder- und Jugendsportschulen der DDR
9. Innen und außenpolitische Aufgaben des Sports
10. Internationale Sportbeziehungen der DDR.
10.1 Brüderliche Zusammenarbeit mit den sozialistischen Ländern
10.2 Beziehungen zu Ländern der Dritten Welt
10.3 Bilaterale Beziehungen zu kapitalistischen Ländern
11. Internationale Erfolge der DDR.
12. Die Instrumentalisierung des Sports als wichtigste Möglichkeit internationaler Anerkennung.
13. Doping – Mittel um die gesteckten Ziele zu erreichen.
14. Résumé
ANHANG
LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS
1. Einleitung
Spontan aufgenommene Wettkämpfe stören den Trainingsaufbau und verhindern die kontinuierliche Leistungssteigerung. Dabei soll man endlich mit dem Gerede von der politischen Notwendigkeit aufhören. Politisch notwendig ist es nur, dass wir Rekorde erobern und Siege erringen, um unseren Arbeiter- und Bauern-Staat würdig zu vertreten. (Heinze 1955 in: Buss/Becker, 2001, S. 535)
Meine Bachelor-Arbeit im Fach Sport bezieht sich auf das Thema des DDR-Hochleistungssports als Mittel zum Zweck. In dem oben angeführten Zitat wird deutlich, dass es schon wenige Jahre nach Gründung der DDR zu einer politischen Instrumentalisierung des Sports kommen sollte. Der Sport als populärster gesellschaftlicher Bereich diente somit als Medium, um die staatlichen Ziele zu verwirklichen.
Die Leistung im Sport stand nun im Mittelpunkt, um die politischen Ideologien der DDR durchzusetzen und jeder Sportler hatte sich dem – stark an der Sowjetunion orientierten – Sportsystem anzupassen, wenn er längerfristig erfolgreich sein wollte.
Um bestmögliche Leistung zu erbringen, war das System des Hochleistungssports in der DDR auf „weitgehende relative operative Autonomie“ angelegt, welche nur annähernd erreicht werden konnte, sobald das Sportsystem dem der Gesellschaft gerecht wurde oder dieses sogar übertraf. Das Erbringen perfekter sportlicher Leistungen stellte eine weitere Möglichkeit dar, die eben erwähnte Autonomie zu erreichen. Im Dezember 1948 stellte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) eine Forderung, mit der man die sowjetische Sportwissenschaft in den darauf folgenden Jahren identifizieren sollte:
„Körperkultur und Sport in jeden Winkel des Landes zu verbreiten und das Fertigkeitsniveau in einer solchen Weise anzuheben, dass sowjetische Sportler weltweite Überlegenheit in den wesentlichen Sportarten in der unmittelbaren Zukunft erbringen“ (Riordan 1977, S. 165 in: Buss/Becker, 2001, S. 539).
Die absolute Leistungssteigerung, die sogenannte „Anthropomaximologie“, wurde als Ziel gesetzt (vgl. Krüger, in: Buss/Becker, 2001, S. 539). Wichtig war es nun, zur richtigen Zeit in Bestform zu sein und nicht nur einfach zu einem beliebigen Zeitpunkt in seiner Sportlerlaufbahn.
Walter Ulbricht und sein Nachfolger Erich Honecker sahen den Sport als ein „Instrument des Klassenkampfes“, der die Überlegenheit des gesamten sozialistischen Systems zum Ausdruck bringen sollte. Auch der langjährige Minister für Staatssicherheit in der DDR, Erich Mielke, verstand den Sport als eine „wichtige politische Waffe [...] die wir zur Stärkung unserer sozialistischen Heimat, zur Erhöhung des internationalen Ansehens des Sozialismus, zur Erhaltung des Friedens und zur Völkerverständigung einsetzen“ (Holzweißig, 1988, S. 7). Sportliche Erfolge der DDR wurden fortan als ein Beleg der Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus gewertet. Hierzu ein Zitat von Erich Honecker:
Von der Qualität der Sportverbände und Sportklubs, der Kinder- und Jugendsportschulen sowie aller Trainingszentren hängt entscheidend ab, wie wir weiterhin mit unseren internationalen Erfolgen auch auf dem Gebiet des Sports die Überlegenheit des Sozialismus auf deutschem Boden dokumentieren. (ebd. S. 13).
Der hohe politisch-ideologische Stellenwert des Sports erklärt die tiefe Verstrickung von SED-Funktionären in den Sport und von Sportlern in politische Angelegenheiten. Die Staatsführung konnte mit Hilfe der allgegenwärtigen Staatssicherheit den Sport und nahezu alle anderen Lebensbereiche der DDR-Bevölkerung kontrollieren. Auf der Ebene des Sports war für diese Aufgaben das sogenannte Staatssekretariat für Körperkultur und Sport zuständig. Der Sport sollte von nun an als politisches Instrument fungieren, um staatliche Ziele und internationale Anerkennung zu erreichen. „Sport ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“, wie es schon Erich Honecker im Jahre 1948 erklärte (vgl. Pabst, 1980, S. 35).
2. Geschichtlicher Überblick
Um den Aufbau und die Funktionsweise des DDR-Sportsystems besser zu verstehen, müssen zunächst einige geschichtliche Fakten etwas näher betrachtet werden.
Aufgrund der Spaltung der deutschen Nation entwickelten sich nach 1945 zwei in Ideologie, Staatsform und Wirtschaftsordnung völlig verschiedene Staaten: Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf der einen und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) auf der anderen Seite. Die gesellschaftlichen wie auch die politischen Vorstellungen beider Staaten entwickelten sich immer mehr in unterschiedliche Richtungen. Die BRD und die DDR wurden zu regelrechten Rivalen, die ständig unter einem wettbewerbsmäßigen Vergleichszwang standen. Die Politik hatte die Nation gespalten und so erging es auch dem deutschen Sport. Je größer die politische Kluft der beiden deutschen Staaten wurde, um so weiter entfernten sich die ideellen und strukturellen Vorstellungen der beiden deutschen Sportsysteme voneinander (vgl. Pabst, 1980, S. 32 ff.).
Am 17. Dezember 1945 kam es zur Direktive Nr. 23, welches die wichtigste Bestimmung für den Aufbau des Sports darstellte. Der Kontrollrat der Alliierten beschloss die restlose Auflösung von sämtlichen sportlichen Organisationen, die vor der Kapitulation bestanden hatten. Dies galt als Maßnahme um zu verhindern, dass Gruppierungen aus der Naziherrschaft weiterhin existierten. Da die Direktive Nr. 23 für beide Teile Deutschlands galt, hätte sie laut Pabst (1980, S. 51) die Ausgangsbasis für eine einheitliche Neuentwicklung des deutschen Sports sein können. Jedoch aufgrund der vagen Bestimmungen und der weit gefassten Formulierung in Zukunft nur noch „nicht-militärische Sportorganisationen lokalen Charakters“ zu gestatten, konnten die Sowjets den kommunalen Sport in der SBZ aufbauen, legitimieren und schließlich auch durchsetzen (ebd. S. 51).
Die Entwicklung des Sportsystems der DDR war in vielerlei Hinsicht durch den Stalinismus geprägt und so sollten die kommunalen Sportorganisationen nach sowjetischem Vorbild die traditionellen Werte der kommunistischen Arbeitersportvereine bewahren. Am Aufbau dieser Vereine waren vor allem bürgerliche und sozialdemokratische Funktionäre beteiligt.
Am 7. März 1946 wurde die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und kurze Zeit später auch der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) zum Hauptträger des Sports in der SBZ ernannt. Allerdings wurde aufgrund von ineffizienten Entwicklungen am 1. Oktober 1948 der Deutsche Sportausschuss (DSA) in Ost-Berlin gegründet, mit dem Ziel, eine einheitliche Sportbewegung aufzubauen sowie den internationalen und gesamtdeutschen Sportverkehr zu koordinieren. Mit der Gründung der DDR im Jahre 1949 wuchs die Konkurrenzbeziehung der beiden Staaten erneut und wurde zu einem großen Teil im Sport ausgetragen. Mit der Gründung des „Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport“ am 24. Juli 1952 übernahmen staatliche Organe die Führung und Kontrolle des Sports, wodurch dessen Bindung des Sports an die Politik verstärkt wurde und der DSA somit im Bereich des Sports entmachtet wurde und er sich auf seine Aufgaben der „allgemeinen Agitation und Propaganda“ beschränkte (vgl. Spitzler/Teichler/Reinartz, 1998, S. 20).
Um den DDR-Sport weiterhin auf SED-Kurs zu halten, wurde am 22. Oktober 1950 in Leipzig die „Deutsche Hochschule für Körperkultur“ (DHfK) als zentrale Lehr- und Forschungsstätte des Sports in der DDR gegründet, welche der weiteren Zentralisierung und Intensivierung der sportlichen Förderung und Entwicklung diente.
Hier wurden zahlreiche Spitzensportler, Sportfunktionäre, Trainer und Sportmediziner ausgebildet. Von nun an rückte die Übernahme der sowjetischen Vorstellungen immer weiter in den Vordergrund und es wurde nach dem Prinzip: „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“ unterrichtet (Müller 1950 in: Buss/Becker, 2001, S. 537).
Spätestens seit 1951 wurde der gesamte, zentralistisch gesteuerte Sport in der DDR auf höchste Leistungsentwicklung ausgerichtet. Dies geschah u. a. durch folgende gesamtstaatliche Funktionen:
- die Unterstützung der ideologischen Zielsetzung,
- die Gestaltung einer „sozialistischen Gesellschaft“,
- die politische Stabilisierung nach innen,
- die Gewinnung von Anerkennung nach außen.
Um diese Funktionen umsetzen zu können, wurden Umstrukturierungen und Maßnahmen des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport und einiger staatlicher Ministerien initiiert, die durch den 1957 gegründeten „Deutschen Turn- und Sportbund“ (DTSB) umgesetzt werden sollten.
Um auch in sportwissenschaftlicher Hinsicht an vorderster Position zu rangieren, wurde im März 1952 der Wissenschaftliche Rat des DSA gebildet, der als wichtiges Gremium in Beratungs- und Koordinierungsfragen diente (vgl. Pabst, 1980, S. 134).
Im Laufe der Jahre folgten immer wieder neue Beschlüsse und auch Neugründungen von Institutionen, um den Sport der politischen Linie anzupassen und ihn noch besser koordinieren zu können.
3. Innerdeutsche Beziehungen
Seitdem nun der Sport in der DDR stärker ideologisch reflektiert wurde, rückte der Aspekt der sportlichen Leistung im umfassenden Sinne in den Vordergrund. Höchstleistungen auf diesem Gebiet waren von besonderer Bedeutung für das Verhältnis des DDR-Sports zum staatlichen Gesamtsystem und wurden ein wichtiger Faktor im innerdeutschen und internationalen Spannungsfeld des Sports. Für die DDR gab es nur eine Möglichkeit die Überlegenheit des sozialistischen Systems zu beweisen, es mussten Höchstleistungen auf allen Gebieten der Gesellschaft und des Sports erbracht werden, um den „Klassenfeind“ besiegen zu können. Auf dem Gedanken „den Sozialismus in ganz Deutschland zu verbreiten“ basierten fast alle wichtigen Beschlüsse und Entscheidungen der SED und der DDR-Sportführung. Das erklärte Ziel der DDR-Staatsführung war „durch sportliche Leistungen die Aufnahme [...] in die internationalen Sportgremien zu erreichen“ (Pabst, 1980, S. 132).
Um die DDR bei internationalen Wettkämpfen würdig vertreten zu können, erklärte der DSA im Jahre 1950, dass der Leistungssteigerung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. Somit begann im Jahre 1954 die systematische Förderung des DDR-Leistungssports.
Bedingt durch die zahlreichen Diskrepanzen gab es zwischen den beiden deutschen Staaten fast keine Kontakte mehr, Kirche und Sport waren die einzigen Ausnahmen. Zwischen 1950 und 1955 wurden die Sportsysteme beider Teile Deutschlands in die internationale Sportwelt integriert, wobei der Sport der BRD die Integration früher und schneller erreichte als der Sport der DDR, weil die ganz und gar westlich gesinnten internationalen Fachverbände den westdeutschen Sport bevorzugten. Somit wurden die innerdeutschen Sportbeziehungen auch im internationalen Bereich ein politisch relevanter Faktor. Mit der Wiederaufnahme Deutschlands in den olympischen Sportbereich kam es durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) 1951 zur Anerkennung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der BRD. Folglich schloss sich die Aufnahme eines NOK-Ost automatisch aus, da Deutschland international als Einheit angesehen wurde. Die westdeutschen Fachverbände konnten sich nun als Vertreter ganz Deutschlands aufspielen und so Sitz und Stimme in den internationalen Verbänden für sich allein beanspruchen. Erst durch erneute Bemühungen der DDR um ein eigenständiges NOK in den folgenden Jahren kam es 1955 zur provisorischen und 1965 schließlich zur völligen Anerkennung des NOK-Ost durch das IOC. Dieser Schritt verdeutlicht den politischen Kurs der SED, dem Ziel des eigenständigen Auftritts bei internationalen Wettbewerben näher zu kommen (vgl. Wonneberger u. a., 1967, S. 91ff).
Aufgrund der gegensätzlichen Auffassung vom Verhältnis des Sports zur Politik kam es auf internationaler und auf nationaler Ebene zu Konfrontationen zwischen dem Sportsystem der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Die BRD wollte Sport ohne Politik, die DDR mochte ohne Politik keinen Sport. „Die DDR stellte den Sport völlig in den Dienst ihrer Politik“, so Pabst (1980, S. 110). Die unterschiedlichen Ideologieauffassungen ließen die beiden deutschen Staaten nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, denn die DDR sah die BRD als unmittelbaren politischen Gegner an, mit dem es keine gemeinsamen Interessen in Bezug auf den unvereinbaren Gegensatz zwischen Sozialismus und Kapitalismus gab. Um im Bereich des Sports nun aber die Überlegenheit des sozialistischen Systems zum Ausdruck zu bringen, versuchte die DDR ihre politischen Ideologien zu transferieren, was jedoch nicht von großem Erfolg war. Die innerdeutschen Beziehungen dienten als Mittel der Anerkennungs- und Abgrenzungspolitik. Da beide deutsche Staaten sich als einzig rechtmäßigen deutschen Staat betrachteten, beharrten sie auf dem Grundsatz der gegenseitigen Nichtanerkennung. Vorteil für die BRD war die Bestätigung und die Förderung des Alleinvertreteranspruchs durch die Westmächte (vgl. Pabst, 1980, S. 109). Westdeutsche Funktionäre versuchten mit allen Mitteln, die um Gleichberechtigung und Anerkennung ringenden DDR-Sportverbände aus internationalen Fachverbänden fernzuhalten. Alleinvertreteranspruch stand gegen Anerkennungswillen und der deutsch-deutsche Zweikampf benutzte den Sport auf nationaler und auf internationaler Ebene als Medium der ideologischen Auseinandersetzung. Die BRD wie auch die DDR sahen in der Existenz des jeweiligen anderen eine Herausforderung, die sich auf den Bereich des Sports übertrug. Der Sport diente ihnen als ein politisches Kampfinstrument, um den jeweiligen anderen zu übertreffen, da die innerdeutschen Sportbeziehungen laut Pabst (1980, S. 41) die einzige Sphäre waren, in der man direkt in Konkurrenz treten konnte.
Im Jahre 1952 wurde der DDR ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen in Oslo (Winter) entzogen, da sie eine eigene Mannschaft gemeldet hatte, die jedoch vom norwegischen Organisationskomitee mit Hinweis auf die Zuständigkeit des bundesdeutschen NOK nicht zugelassen wurde. Die Eingliederung von ostdeutschen Sportlern in die Mannschaft wurde durch das Präsidium abgelehnt. Zu den Olympischen Spielen in Helsinki (Sommer) kam es erneut zu einer Nicht-Teilnahme der DDR, da das IOC die beiden deutschen Staaten aufforderte, ein gemeinsames Team zur Olympiade zu schicken und die DDR die Zusammenarbeit ablehnte. Unter der Bedingung, eine gesamtdeutsche Mannschaft zu den Olympischen Spielen im Jahre 1956 zu schicken, wurde im Juni 1955 das NOK der DDR provisorisch anerkannt. Auch wenn dies nicht den Vorstellungen des Selbstständigkeits-Anspruchs der DDR entsprach, war sie im Hinblick auf die weltweite Repräsentanz und die Kontaktmöglichkeiten, die Olympische Spiele mit sich bringen, dazu bereit, den Kompromiss einer gesamtdeutschen Mannschaft einzugehen. Von nun an forderte jedoch die DDR im gesamten Bereich der innerdeutschen Sportbeziehungen die volle Gleichberechtigung und Anerkennung, obwohl sie gleichzeitig weiterhin ihre Abgrenzung zur BRD demonstrierte (vgl. Pabst, 1980, S. 184; Hartmann, 1998, S. 43). Die DDR versuchte nun bei den kommenden Olympischen Spielen die meisten Teilnehmer des gesamtdeutschen Teams zu stellen, damit sie einen ihrer Athleten als „Chef de Mission“ ernennen konnten, denn würde dieser aus der Deutschen Demokratischen Republik kommen, so wäre dem „Ulbricht’schen Anerkennungswillen zum Durchbruch verholfen“ (Hartmann, 1998, S. 44).
Die Teilnahme der DDR an den Olympischen Spielen 1956 in Cortina d’Ampezzo und Melbourne wurde bereits als Erfolg gewertet und bildete die Grundlage für die Verhandlungen der beiden NOK-Führungen über die kommenden Olympischen Spiele. Was die politische Dimension dieser Olympischen Spiele betraf, war die DDR eindeutig der Gewinner: „Ihre klare taktische Marschroute in Richtung auf die politische Anerkennung hatte ihr in den Verhandlungen und im Erscheinen vor der internationalen Sportwelt Erfolg gebracht“, so Pabst (1980, S. 244). Die DDR hatte also durch ihr geschicktes Auftreten und die hohen sportlichen Leistungen den ersten Schritt in Richtung internationaler Anerkennung geschafft, ihr Selbstbewusstsein war gestärkt und sie richtete nun ihr Augenmerk auf die vollständige Anerkennung ihres NOKs durch das IOC, um bei den folgenden Olympischen Spielen als eigenständiger Staat mit eigener Mannschaft antreten zu können. Sie war von nun an nur noch bereit, dort ein gemeinsames deutsches Team zu bilden, wo es die internationalen Verbände zwingend vorschrieben. Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom ging die DDR erneut als Teil der gesamtdeutschen Mannschaft an den Start, da der Beschluss der IOC-Sitzung festgelegt hatte, dass der DDR-Sport erst seine politische Neutralität und Unabhängigkeit beweisen müsse, bevor er endgültig anerkannt werden könne (vgl. Pabst, 1980, S. 256). Auch in das außen- und deutschlandpolitische Konzept der Regierung Konrad Adenauers passte die olympische Gemeinsamkeit 1960 nicht hinein. Die Bundesregierung war ebenso wie die DDR gegen eine gesamtdeutsche Mannschaft und begründete ihre Ablehnung damit, dass die „olympische Gemeinsamkeit der Deutschen den wahren Zustand der gespaltenen deutschen Nation verschleiere“ (ebd. S. 257). Die Spaltung Deutschlands wurde somit verborgen und eine gemeinsame Mannschaft als Trugbild der Wirklichkeit nach Rom geschickt.
Der Mauerbau vom 13. August 1961 führte zu einer schweren Krise im innerdeutschen Sportverkehr. Auf nationaler Ebene wie in den internationalen Fachverbänden wurde er für einige Jahre fast völlig unterbrochen, nur die gesamtdeutsche Olympiamannschaft blieb bis zum Jahre 1964 bestehen, da sich das NOK vollkommen nach dem IOC richten musste, wenn es sich nicht selbst aus der olympischen Bewegung ausschließen wollte. Trotz der innerdeutschen Krise und obwohl den DDR-Sportlern nach dem Mauerbau die Einreise zu Wettkämpfen in NATO-Ländern in der Regel verweigert wurde, erlebte der Leistungssport der DDR einen erheblichen Aufschwung. In den letzten Olympischen Spielen mit gesamtdeutscher Mannschaft stellte die DDR nicht nur die meisten Teilnehmer, sondern auch den „Chef de Mission“ Manfred Ewald[1]. Somit war ein weiterer Schritt in Richtung der DDR-Zielsetzung getätigt. Als im Jahre 1966 die innerdeutschen Sportbeziehungen wieder aufgenommen wurden, zeigte sich jedoch, dass die DDR dem gesamtdeutschen Sportverkehr keine Priorität mehr einräumte. Zwischen 1957 und dem Mauerbau 1961 kam es zu 3 971 Begegnungen mit 82 361 Sportlern, die die DDR bevorzugt auf ostdeutschem Boden austragen ließ, um westlichen Einflüssen vorzubeugen und um westdeutsche Besucher politisch zu beeinflussen. Nach der Wiederaufnahme des innerdeutschen Sportverkehrs kam es ab dem Jahr 1966 bis 1969 lediglich zu 273 Begegnungen mit 4 781 Sportlern. Die Intensität blieb also weit hinter der aus der Zeit vor dem Mauerbau zurück (vgl. Holzweißig, 1988, S. 72). Rossade (1987, S. 200) ist der Meinung, dass „das Abblocken seitens der DDR insbesondere mit der Befürchtung zusammenhing, dass Sportler, Trainer und andere mit dem Sport Befasste die Reisen in den Westen zur ,Republikflucht’ nutzen könnten.“ Bei genauerer Untersuchung der sogenannten „Düsseldorfer Beschlüsse“, die als ,sportkameradschaftlicher Solidaritätsakt’[2] bezeichnet werden und eine direkte Reaktion auf den Mauerbau und die vom DDR-Sport betriebene Isolierung darstellen, bemerkt Pabst (1980, S. 299), dass drei verschiedene Dimensionen enthalten sind: eine sportliche, eine psychologische und eine politische. Obwohl der Abbruch der Sportbeziehungen zur DDR vordergründig aus sportlichen und politischen Gründen geschah, hatten die „Düsseldorfer Beschlüsse“ ebenfalls eine tiefe psychologische Ursache:
[...] Sie waren Ausdruck ohnmächtiger Hilflosigkeit und moralischer Entrüstung, die sich bei fast allen Bundesbürgern infolge des Mauerbaus einstellten. Wenn schon die Westmächte und die Bundesrepublik nichts gegen die Mauer unternehmen konnten, so sollte wenigstens der Sport die deutsche Ehre und die Aktionsfähigkeit des Westens beweisen [...] Die ,Düsseldorfer Beschlüsse’ sind ohne Zweifel auch als unbewusste Reaktion der westdeutschen Sportführung auf die ihnen von der DDR so zahlreich zugefügten Demütigungen, Verleumdungen und Enttäuschungen zu betrachten (Pabst, 1980, S. 299).
Entscheidend ist jedoch das politische Ausmaß der Beschlüsse, da der Sport der BRD mit ihnen eine Entscheidung getroffen und erkannt hatte, dass die Theorie des „unpolitischen Sports“, welche jahrelang in den Sportbeziehungen zur DDR vertreten wurde, bloß reine Illusion gewesen war. Mit dem Bau der Mauer und dem folgenden Abbruch der innerdeutschen Sportbeziehungen erkannten die bundesdeutschen Sportführer die Unhaltbarkeit ihrer Auffassung des „zweckfreien“ Sports. Ein gesamtdeutscher Sport ohne Politik war zwischen den grundverschiedenen Ideologien der beiden deutschen Staaten endgültig unmöglich geworden (ebd. S. 300).
Nach der Aufhebung der „Düsseldorfer Beschlüsse“ im Jahre 1965 durch den DSB kommt es im Jahr 1970 zur Annäherung des DSB an den DTSB, um die Sportgespräche und die innerdeutschen Beziehungen – insbesondere im Hinblick auf die Olympischen Spiele von 1972 in München – wieder aufzunehmen. Um den DTSB erneut zu Verhandlungen zu bewegen, gestattete die Bundesregierung das Abspielen der DDR-Hymne und das Hissen der DDR-Flagge bei internationalen Sportveranstaltungen in der Bundesrepublik Deutschland. Dies schien eine der wichtigsten Vorbedingungen des DSB für eine positive Reaktion seitens der DDR zu sein. Zwei Jahre zuvor war es der DDR zwar gelungen als eigene Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Mexiko (Sommer) und in Grenoble (Winter) an den Start zu gehen, jedoch nur mit der Einschränkung unter einer gemeinsamen Flagge und der „Ode an die Freude“. Deshalb wurden 1970, bei der ersten innerdeutschen Zusammenkunft seit fast einem Jahrzehnt, folgende Aspekte klargestellt und gesetzlich festgehalten: Erstens durfte die BRD künftig keinen Widerspruch einlegen, wenn Verbände des DTSB den Zusatz „DDR“ führten und bei internationalen Sportwettkämpfen mit eigener Flagge, Hymne und Emblem auftreten wollten. Zweitens sollte der IOC ab dato die jeweiligen Geltungs- und Zuständigkeitsbereiche des DSB und DTSB und deren allgemeinen Gepflogenheiten regeln. Damit wurde jegliche Einmischung in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Organisation unzulässig. Drittens wurde ab diesem Zeitpunkt jegliche Art der Abwerbung ostdeutscher Sportler geahndet (vgl. Holzweißig, 1981, S. 49).
Die Bemühungen der BRD, die innerdeutschen Sportbeziehungen zu intensivieren, wurden vom DTSB mehr oder weniger abgeblockt. Manfred Ewald, Präsident des DTSB und des NOK und Mitglied des Zentralkomitees der SED, war nicht viel daran gelegen die Abmachungen einzuhalten und erteilte Vereinen und Verbänden der BRD ständig Absagen aufgrund von Terminengpässen. Die Souveränität der DDR und ihres Sports sollte geachtet und nicht auf irgendeine Weise untergraben werden, somit wurden die sportlichen Beziehungen zur BRD nur auf einem gewissen Level gehalten. Der DTSB signalisierte zwar in dieser sogenannten „vor-olympischen Phase“, dass er den Kontakt zum DSB nicht abreißen lassen wolle, aber eine längere Denkpause anstreben würde, um die Ergebnisse der bisherigen und noch völlig offenen Regierungsverhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten abzuwarten (ebd. S. 51).
Anfang des Jahres 1971 erlebte der innerdeutsche Sportverkehr einen erneuten Tiefpunkt aufgrund der Verzögerungstaktik des DTSB. Ewald hielt eine günstige Entwicklung des innerdeutschen Sportverkehrs nur unter normalen Beziehungen auf völkerrechtlicher Grundlage für möglich, so wie sie seitens der DDR-Regierung schon wiederholt empfohlen wurden. Die deutsch-deutschen Sportbeziehungen lagen erneut nahezu auf Eis und die DDR befasste sich vorrangig mit ihren Zielsetzungen für die kommenden olympischen Spiele 1972:
In der Nationenwertung der Sommerspiele in München soll die Platzierung von 1968 bestätigt und ein Platz vor Westdeutschland erreicht werden, den Platz in der Nationenwertung bei den Winterspielen in Sapporo gilt es zu verbessern (vgl. Hartmann, 1998, S. 76). Um diese gesteckten Ziele zu erreichen, ergriff die DDR umfassende Maßnahmen und entschied einige Sportarten vorrangig zu fördern, da „unter dem gegebenen Ziel die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1972 erfordert, dass alle finanziellen, personellen und materiellen Potenzen des Leistungssports mit höchstmöglichem Effekt genutzt werden“ (Hartmann, 1998, S. 76).
Die Einteilung des Leistungssports der DDR beendete abrupt hunderte Karrieren, denn nur die medaillenträchtigen olympischen Disziplinen erhielten weiterhin die finanzielle Zuwendung und somit auch die optimale Förderung unter den entsprechenden Trainingsbedingungen.
Die DDR sah ihre Chance in den Olympischen Sommerspielen auf deutschem Boden, da sie sich durch das Auftreten ihrer souveränen Olympiamannschaft einen großen politischen Erfolg versprach, welcher nach innen identitätsstiftend und nach außen zur Durchsetzung der internationalen Anerkennung genutzt werden konnte. Die DDR wollte beweisen, dass sie die „wahre Heimstatt“ der olympischen Ideale sei und richtete ihr Ziel weiterhin auf die Aufgabe „dem westlichen Imperialismus bei den Olympischen Spielen im eigenen Land eine sportliche Niederlage beizubringen.“[3] Die Sportler der DDR und die SED-Medien sollten an der olympischen Idee[4] ihrer Republik festhalten und den westdeutschen Imperialismus sowie die „aggressive und revanchistische“ West-Politik entlarven. Die Abteilung „Agitation des ZK“ entwickelte eine Presseanleitung mit Themenvorgaben, welche Hinweise zur weiteren publizistischen Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1972 in München geben sollte. Die sogenannte „massenpolitische Arbeit“ sollte sich in erster Linie mit der Propagierung der Entwicklung des Sports in der sozialistischen Gesellschaft und mit der Übereinstimmung der Sportpolitik von Partei und Regierung der DDR mit der Olympischen Idee befassen. Der Weg der DDR zu den Olympischen Spielen sollte erfolgreich enden, denn nur so konnte die staatpolitische Anerkennung endlich erreicht werden und der Sieg des Sozialismus verdeutlicht werden. Die SED-Presse versuchte nun der Bundesrepublik Deutschland einen Missbrauch der olympischen Idee anzuhängen, indem sie Artikel wie „Die Medaille, der Sieg, der Hass! Wie man in der BRD nationalistisches Gedankengut hochpeitscht“ oder „Die Ernte der Saat des Hasses“ veröffentlichten (Hartmann, 1998, S. 96). Die Medien unterlagen der staatlichen Kontrolle und die Zuschauer des DDR-Fernsehens wurden gleich zu Beginn „linientreu“ begrüßt. In einem Abschlussbericht der Abteilung ,Agitation’ heißt es: „Presse, Funk und Fernsehen der DDR haben mit gutem Erfolg die von der Partei gestellten Aufgaben gelöst“ (ebd. S. 97). Somit schien das Staatsbewusstsein gefestigt und das Bewusstsein der Bevölkerung durch gezielte Medienlenkung gebildet.
Die Sommerspiele 1972, bei denen die beiden deutschen Mannschaften zum ersten Mal vollkommen unabhängig voneinander antraten, verliefen für die aufstrebende DDR sehr erfolgreich. Ihre Teilnehmer erreichten mit 20 Goldmedaillen und jeweils 23 Silber- und Bronzemedaillen die dritte Position im Medaillenspiegel vor der BRD mit 13 Gold-, 11 Silber- und 16 Bronzemedaillen[5]. Nun hatte der DDR-Sport den westdeutschen Sport endgültig international ein- und überholt. Zwei Jahre später – am 8. Mai 1974 – ermöglichten der Vorsitzende des DSB Hans Gmelin und der DTSB-Präsident Manfred Ewald einen Neuanfang der innerdeutschen Sportbeziehungen durch den Abschluss eines gemeinsamen Sportprotokolls. Aus Angst vor ,Republikflucht’ und zu starken Kontakten unter den Sportlern verhielt sich die DDR jedoch weiterhin zurückhaltend. Die ohnehin schon schlechten sportlichen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen verschlechterten sich erneut durch die Guillaume-Affäre[6] und dessen Folgen. Der DSB schien sich selbst zur Handlungsunfähigkeit zu verurteilen, da die verbandsinternen Streitigkeiten durch den plötzlichen Rücktritt von Willy Brandt die DSB-Delegation nahezu schockierten. Um die Sportvereinbarungen weiterhin aufrecht zu erhalten, mussten beide Staaten Kompromisse eingehen. Der DTSB musste vor allem in der Berlin-Frage[7] nachgeben und stimmte zusätzlich einem bilateralen Abkommen über den Sportaustausch mit der BRD zu, was angesichts der DDR-Zielsetzungen und der intensiv betriebenen Abgrenzungspolitik nicht den Vorstellungen der SED-Politik entsprach. Deshalb beschränkte sich der Umfang des deutsch-deutschen Sportverkehrs weiterhin auf ein Minimum der Notwendigkeit. Die DDR-Führung ließ sich scheinbar nicht ohne Grund auf die Verhandlungen ein, denn der damalige IOC-Vizepräsident Willi Daume galt als wertvoller Unterstützer und Befürworter, die Olympischen Spiele 1980 in Moskau auszutragen. Dies könnte die Sowjets veranlasst haben, die DDR-Führung zum Nachgeben zu bewegen (vgl. Holzweißig, 1981, S. 59 ff.).
Die Olympischen Spiele des Jahres 1976 brachten der DDR einen erneuten Aufschwung. Mit sieben Gold-, fünf Silber- und sieben Bronzemedaillen[8] belegte die Deutsche Demokratische Republik den zweiten Platz direkt hinter der Sowjetunion. Zum ersten Mal hatte sie nicht nur die BRD, sondern auch die USA weit hinter sich gelassen. Der Erfolg blieb auch bei den Sommerspielen desselben Jahres in Montreal nicht aus. Auch hier erreichte die DDR eine Gesamtplatzierung direkt hinter der Sowjetunion mit insgesamt 40 Gold- und jeweils 25 Silber- und Bronzemedaillen.[9] Die DDR konnte somit ihren Triumph nicht nur über die Athleten der BRD in vollem Umfang auskosten, sondern auch über die Athleten aller kapitalistischen Länder. Hierzu ein Zitat von Wolfgang Eichel (1983, S. 204):
Bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck und Montreal errang der DDR-Sport seine bis dahin größten Erfolge und steuerte damit erheblich dazu bei, dass die Sportler der sozialistischen Länder in Montreal zum erstenmal in der Geschichte der Olympischen Spiele mehr als die Hälfte aller Medaillen gewann.
Im darauf folgenden Jahr veranstaltete die DDR ihr bis dahin größtes nationales Sportereignis, das fünfte Turn- und Sportfest in Leipzig, bei dem der Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion unterschrieben wurde. Das internationale Interesse gab der sozialistischen Körperkultur starke Impulse zur Weiterentwicklung und die Kontakte zur BRD blieben weiterhin zweitrangig. Trotz der krisenhaft zugespitzten Ost-West-Beziehung entschied die DDR, den Dialog mit der Bundesrepublik aus wirtschaftlichen Gründen aufrecht zu erhalten. Nach dem erfolgreichen Verlauf der vergangenen Olympischen Spiele sah sie sich ohnehin als moralischer Sieger in der Boykott-Frage.[10] Da die BRD ihre solidarische Haltung gegenüber den USA verstärkte und sich dem Boykott der Olympischen Spiele für das Jahr 1980 anschloss, reagierte DTSB-Präsident Ewald mit heftigen Vorwürfen gegen die BRD. Er stellte den Olympiaboykott als eine Verletzung der vereinbarten Grundsätze dar und führte ihn als Argument zur weiteren Abgrenzung der DDR an. Von nun an sah sie den innerdeutschen Sportverkehr nur noch als „lästige Pflichtübung“ an und versuchte, die innerdeutschen Sportbegegnungen für die kommenden Jahre erneut zu reduzieren. Es sollten in Zukunft nicht mehr als 70 Begegnungen pro Jahr stattfinden, von denen lediglich zwei in West-Berlin ausgetragen werden sollten. Letztendlich kam es im Jahre 1981 zu insgesamt 19 Begegnungen, die einen rein innerdeutschen Charakter trugen. Die in regelmäßigen Abständen auftretenden Tiefpunkte in den innerdeutschen Beziehungen lassen sich meist auf das Verhalten der DDR-Führung und ihre strategischen Maßnahmen zurückführen wie zum Beispiel die Beeinträchtigung des Reiseverkehrs durch Erhöhung der Mindestumtauschsätze oder das Vorgehen gegen westdeutsche Journalisten (vgl. Holzweißig, 1981, S. 66 ff).
Trotz des Teilnahmeverzichts der BRD an den Olympischen Spielen 1980 in Moskau und den daraus resultierenden Belastungen der innerdeutschen Sportbeziehungen entschied sich die DDR, den Sportverkehr zur BRD nicht völlig zum Erliegen zu bringen, da sie auch in Zukunft den Systemvergleich auf höchster Ebene aufrecht zu erhalten beabsichtigte (ebd. S. 64).
Die folgenden Olympischen Sommerspiele des Jahres 1984 in Los Angeles veranlassten die Ostblockstaaten – mit Ausnahme von Rumänien – sich zu revanchieren und nun ihrerseits einen Olympiaboykott durchzuführen. Dieser Boykott führte jedoch zu keinen nennenswerten Auswirkungen auf den innerdeutschen Sportverkehr. Stattdessen wurden Pläne für die kommenden Jahre erstellt und die Sportbegegnungen von 70 auf 90 pro Jahr erhöht, von denen jedoch bloß 21 im innerdeutschen Rahmen stattfanden. Die Vergleichskämpfe zwischen der BRD und der DDR im Jahr 1987 verliefen in einer „weitgehend gelösten Atmosphäre“, obwohl die DDR-Führung weiterhin bemüht war, ihre sportliche Überlegenheit deutschlandpolitisch zu nutzen (vgl. Holzweißig, 1988, S. 87). Erich Honeckers Besuch in der BRD sowie die Unterzeichnung des sowjetisch-amerikanischen Vertrags im Rahmen des Ost-West-Konflikts trugen maßgeblich zu einer Intensivierung der innerdeutschen Sportbeziehungen ab Ende 1987 bei und bis zum Mauerfall am 9. November 1989 gab es keinen nennenswerten Wandel in diesen Beziehungen. Am 17. November 1989 entschieden sich die Sportführer der BRD und der DDR, den innerdeutschen Sportverkehr freizugeben. Nach 28 Jahren konnten die Sportler ihre Treffen endlich selbst bestimmen und ohne jegliche Limitierung ihren Interessen nachkommen. Noch im Jahr 1989 kam es zu zahlreichen Begegnungen und im Frühjahr 1990 stieg die Zahl rasant auf 5 000 Treffen an.[11] Der deutsche Sport war nach langen Jahren der Trennung endlich wieder als Einheit zu betrachten.
Nach einem Bericht des Spiegels (Heft 4, 1988, in: Michael Krüger, 1993, S. 183–185) lassen sich die innerdeutschen Sportbeziehungen in vier verschiedene Phasen gliedern:
1. Phase: 1949 – 1961
2. Phase: 1961 – 1974
3. Phase: 1974 – 1989
4. Phase: 1989 – 1990
In der Zeit von 1949 bis zum Mauerbau 1961 gab es noch reichlich Sportkontakte zwischen Ost- und Westdeutschland. Die DDR nutzte jegliche Sporttreffen und -wettkämpfe, um politische Propaganda zu betreiben. Mit dem Bau der Mauer endete jedoch auch dieser sogenannte „gesamtdeutsche Sportverkehr“ (vgl. Krüger, 1993, S. 183).
In der zweiten Phase begann die DDR die Abgrenzung zur BRD immer weiter zu verschärfen mit dem Ziel der völker- und staatsrechtlichen Anerkennung. Die BRD lehnte dies jedoch ab und brach im Rahmen der sogenannten „Hallstein-Doktrin“[12] jegliche diplomatischen Beziehungen zu den Staaten ab, die die DDR als Staat anerkannten. Erst durch den Beginn der „Entspannungspolitik“ unter Bundeskanzler Willi Brandt normalisierten sich 1971 die Beziehungen und die DDR wurde staatlich, aber nicht völkerrechtlich anerkannt. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München traten beide deutsche Staaten mit eigenen Mannschaften, eigener Hymne, eigener Fahne und jeweils eigenen Emblemen auf (vgl. Krüger, 1993, S. 181,183,184).
Während der dritten Phase kam es 1974 zur Unterzeichnung des „Protokolls über die Regelung der Sportbeziehungen“ zwischen dem DSB und dem DTSB. Jedoch gab es weiterhin zahlreiche Streitigkeiten zwischen den „deutsch-deutschen Sportbeziehungen“, welche sich erst nach dem Mauerfall besserten. In dieser Zeit, also von 1974–1989, erreichte die DDR durch ihre gezielte Förderung des Spitzensports nach und nach die ersehnte Anerkennung weltweit (ebd. S. 184).
Im Jahr 1990 endeten die Sportbeziehungen zwischen den beiden Staaten, da die DDR im Rahmen des „Einigungsvertrags“ in die BRD eingegliedert wurde. Dies erfolgte aber nicht ohne Probleme und Schwierigkeiten und sollte zu einem langwierigen Prozess der Anpassung werden, denn 40 Jahre SED-Diktatur lassen sich nicht von einem Tag auf den nächsten bewältigen.
4. Aufbau des Sportsystems
Der Hochleistungssport der DDR lässt sich nicht getrennt vom politischen System betrachten, da er zu jeder Zeit eine politische Funktion hatte und dementsprechend auch instrumentalisiert wurde. Die höchste Entscheidungsbefugnis besaß das Politbüro des Zentralkomitees (ZK) der SED. Der bis 1971 Vorsitzende des ZKs Walter Ulbricht, dessen politischer Einfluss in jeder Hinsicht von enormer Größe war, setzte sich sehr für die Erfolge des Spitzensports und den damit verbundenen Systemwettstreit mit der Bundesrepublik Deutschland ein.
Fortan mussten jegliche Arten von Beschlüssen dem Politbüro vorgelegt und von diesem bestätigt werden, um Gesetzeskraft zu erlangen. Um den Erfolg des DDR-Leistungssports zu gewährleisten, widmete sich das Regime zunehmend dessen Förderung und gründete sogar eine Abteilung für Sportangelegenheiten im ZK der SED, der auch die Abteilung Jugend angehörte. Dieser als Kontrollorgan[13] fungierenden Abteilung unterstand eine Fachabteilung mit Rudi Hellmann als Vorsitzenden, die 1959 aufgrund der Niederlagen bei den Welt- und Europameisterschaften gegründet wurde (vgl. Diekmann/Teichler, 1997, S. 169).
[...]
[1] Manfred Ewald war von 1961 bis 1988 Präsident des DTSB, ab 1963 Mitglied des ZK der SED und von 1973 bis 1990 Präsident des NOK der DDR; gilt als einer der einflussreichsten Sportfunktionäre der DDR
[2] Bezeichnung entnommen aus Pabst, 1980, S. 299
[3] zitiert nach W. Leonhard „Die Revolution entlässt ihre Kinder“, Leipzig 1990, S. 406 in: Hartmann, 1998, S. 91
[4] Die Olympische Idee bezeichnet die Idee des Friedens, der Freundschaft, der gegenseitigen Achtung und der Fairness, sowie der Völkerverständigung (vgl. Rossade, 1987, S. 195)
[5] siehe http://www.olympia-statistik.de/Muenchen%201972%20-%20Seite%201.htm
[6] Die Guillaume-Affäre bezeichnet den politischen Spionagefall zwischen der DDR und der BRD. Günter Guillaume, engster Mitarbeiter von Willy Brandt, wird am 25. April 1974 als DDR-Spion enttarnt. In Folge dessen tritt Willy Brandt als Kanzler zurück und übernimmt die politische Verantwortung des Falls (vgl. http://lexikon.meyers.de/meyers/Guillaume-Aff%C3%A4re).
[7] Die DDR versuchte ihr politisches Ziel, die Separierung Berlins von der BRD, mit ständiger Diskriminierung der West-Berliner Sportler und dem Boykott West-Berlins als Austragungsort innerdeutscher und internationaler Sportveranstaltungen zu erreichen.
[8] Vgl. Stiftung Deutsche Sporthilfe (Hrsg.), 1976, S. 192.
[9] Siehe Stiftung Deutsche Sporthilfe (Hrsg.), 1976, S. 264.
[10] Der Boykott der Olympischen Spiele 1980 war eine Initiative der westlichen Staaten aus Protest gegen den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan.
[11] Vgl. http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dsb/arbeitsfelder/wiss-ges/Dateien/Siegel-Endversion-Sporteinheit-19072006.pdf
[12] Auf ihren Kern reduziert, war die Hallstein-Doktrin der Anspruch der Bonner Regierung, allein für die Vertretung Deutschlands auf dem internationalen Parkett zuständig zu sein (vgl. Kilian, 2001)
[13] in der Position des ZK-Sekretärs: 1950–53 Edith Baumann, 1953–58 Walter Ulbricht, 1958–71 Erich Honecker, 1971–83 Paul Verner und 1983–89 Egon Krenz (vgl. Diekmann/Teichler, 1997, S. 171)
- Arbeit zitieren
- Lisa Marlen Häßler (Autor:in), 2008, Der Hochleistungssport in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117810
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