Die Arbeit legt Frankreich, Großbritannien und die Schweiz hinsichtlich der Finanzierungsmodelle ihres Gesundheitswesens unter Berücksichtigung der Ausgabenentwicklung der letzten vierzig Jahre dar. Anschließend analysiert und bewertet sie diese im Hinblick auf Herausforderungen und Optimierungspotenziale.
Das Gesundheitssystem eines Landes ist wesentlich geprägt durch den nationalen Wohlfahrtsgedanken. Die Finanzierung stellt dabei eine charakteristische Komponente dar. Im Wesentlichen gibt es drei Finanzierungsmodelle, die sich in der Gesundheitswirtschaft durchgesetzt haben.
Dies ist zunächst das Sozialversicherungsmodell. Geprägt ist dieses von einer Pflichtversicherung, die jedem Bürger einheitlichen, kostenfreien Zugang zu medizinischen Leistungen ermöglicht. Finanziert wird es durch die Beitragseinnahmen der Versicherten, abhängig von der Höhe des Einkommens. Somit ist das Gesundheitsbudget stark konjunkturabhängig. Des Weiteren findet das steuerfinanzierte Modell Anwendung.
Dies ist durch einen nationalen Gesundheitsdienst charakterisiert, der jedem Bürger eine kostenfreie Behandlung gewährleistet. Finanziert wird dieser ausschließlich durch Steuereinnahmen und verursacht so im Vergleich mit andern Systemen geringere Gesundheitskosten. Das dritte System ist das Privatversicherungsmodell, welches einen freien Gesundheitsmarkt und kaum staatliche Eingriffe vorsieht.
Die Kosten für Behandlungen werden privat oder von freiwillig abgeschlossenen Krankenversicherungen getragen. Eine Unterstützung für Einkommensschwache gibt es dabei nicht oder nur in geringer Form. Dies führt zu der Frage, welches Modell in Theorie und Praxis für Patient und Leistungserbringer die meisten Vorteile bietet.
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Finanzstrukturen im Gesundheitssystem - Eine Einführung
2.1 Vorstellung des französischen Gesundheitssystems
2.2 Finanzierung der Gesundheitsleistungen
2.3 Ausgabenentwicklung im Zeitverlauf seit 1980
2.4 Schwächen der Finanzstruktur und Optimierungspotenziale
3 Großbritannien
3.1 Vorstellung des britischen Gesundheitssystems
3.2 Finanzierung der Gesundheitsleistungen
3.3 Ausgabenentwicklung im Zeitverlauf seit 1980
3.4 Schwächen der Finanzstruktur und Optimierungspotenziale
4 Schweiz
4.1 Vorstellung des schweizerischen Gesundheitssystems
4.2 Finanzierung der Gesundheitsleistungen
4.3 Ausgabenentwicklung im Zeitverlauf seit 1980
4.4 Schwächen der Finanzstruktur und Optimierungspotenziale
5 Vergleich der drei Finanzierungssysteme – Ein Fazit
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Gesundheitsausgaben Frankreichs von 1970-2017 (in % anteilig am BIP)
Abbildung 2: Der Geldfluss im Gesundheitssystem Großbritanniens am Beispiel Englands
Abbildung 3: Gesundheitsausgaben Großbritanniens von 1970-2017 (in % anteilig am BIP)
Abbildung 4: Bus der Leave-Kampagne vor dem Brexit-Referendum im Juli 2016
Abbildung 5: Umfrage: Welche Auswirkung wird der Brexit auf den NHS haben?
Abbildung 6: Zusammensetzung der Kopfprämien der OKP
Abbildung 7: Geldfluss im Krankenversicherungsbereich vor und nach Einführung des KVGs im Jahre 1996
Abbildung 8: Gesundheitsausgaben der Schweiz von 1970-2016 (in% anteilig am BIP)
1 Finanzstrukturen im Gesundheitssystem - Eine Einführung
Das Gesundheitssystem eines Landes ist wesentlich geprägt durch den nationalen Wohlfahrtsgedanken[1]. Die Finanzierung stellt dabei eine charakteristische Komponente dar. Im Wesentlichen gibt es drei Finanzierungsmodelle, die sich in der Gesundheitswirtschaft durchgesetzt haben.
Dies ist zunächst das Sozialversicherungsmodell (Vgl. Bondolfi, 2018). Geprägt ist dieses von einer Pflichtversicherung, die jedem Bürger einheitlichen, kostenfreien Zugang zu medizinischen Leistungen ermöglicht. Finanziert wird es durch die Beitragseinnahmen der Versicherten, abhängig von der Höhe des Einkommens. Somit ist das Gesundheitsbudget stark konjunkturabhängig. Des Weiteren findet das steuerfinanzierte Modell Anwendung (Ebd.). Dies ist durch einen nationalen Gesundheitsdienst charakterisiert, der jedem Bürger eine kostenfreie Behandlung gewährleistet. Finanziert wird dieser ausschließlich durch Steuereinnahmen und verursacht so im Vergleich mit andern Systemen geringere Gesundheitskosten. Das dritte System ist das Privatversicherungsmodell (Ebd.), welches einen freien Gesundheitsmarkt und kaum staatliche Eingriffe vorsieht. Die Kosten für Behandlungen werden privat oder von freiwillig abgeschlossenen Krankenversicherungen getragen. Eine Unterstützung für Einkommensschwache gibt es dabei nicht oder nur in geringer Form. Dies führt zu der Frage, welches Modell in Theorie und Praxis für Patient und Leistungserbringer die meisten Vorteile bietet.
Im Folgenden werden Frankreich, Großbritannien und die Schweiz hinsichtlich der Finanzierungmodelle ihres Gesundheitswesens unter Berücksichtigung der Ausgabenentwicklung im Zeitverlauf seit 1980 dargelegt, bevor sie im Hinblick auf Herausforderungen und Optimierungspotenziale analysiert und bewertet werden.
2 Frankreich
2.1 Vorstellung des französischen Gesundheitssystems
Das heutige französische Gesundheitssystem unterliegt seit der Einführung des allgemeinen Systems sozialer Absicherung (Securité Sociale) im Jahr 1945 einer staatlichen Regulierung. Nach dem Prinzip der Solidarität soll so jedem Bürger unabhängig von Einkommen und Alter Versicherungsschutz gewährt werden (Vgl. Lepperhoff, 2010, S. 78). Dieses Sozialsystem impliziert eine Krankenversicherungspflicht. 99% der Bürger sind Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung Assurance Malaide (Vgl. Lepperhoff, 2010, S.122). Zusätzlich sind 80% der Franzosen Mitglied in freiwilligen Zusatzversicherungen, die sie gegen die hohen Zuzahlungen abdecken (Vgl. Ingdrid, 2002). Für die Gruppe der Geringverdiener ist seit 2000 das Abschließen der öffentlich getragenen Zusatzversicherung CMU möglich.
2.2 Finanzierung der Gesundheitsleistungen
Die Einnahmen zur Aufwendung für Gesundheitsleistungen werden hauptsächlich generiert durch die Versicherungsbeiträge der Krankenversicherung. Bis 2018 gab es eine paritätische Finanzierung, die den Arbeitgeber zu 12,5% und den Arbeitnehmer zu einer Beitragszahlung von 0,75% verpflichtet. Seit letztem Jahr ist der Arbeitnehmer von der Zahlung befreit, musste sich jedoch auf eine Erhöhung der Allgemeinen Sozialsteuer CSG von 7,2% auf 9,5% einstellen. Es wird außerdem eine Steuer zur Abtragung der Sozialversicherungsschulden in Höhe von 0,5% erhoben (Vgl. Connexion-Emploi, 2018). Zweckgebundene Steuern, wie die Tabak- und Alkoholsteuer, fallen zusätzlich auf gesundheitsschädliche Produkte an. Weitere Einnahmequellen sind die Zuzahlungen der Patienten. Im ambulanten Bereich werden lediglich 75% der Arztkosten und 70% der Arzneimittelkosten durch die staatliche Krankenversicherung übernommen (Vgl. Ingrid, 2002). Die Kosten für stationäre Aufenthalte werden zu 80% getragen. Die Differenz trägt der Patient oder im besten Fall die Zusatzversicherung.
Aufgewendet werden die Gelder vor allem durch staatliche und private Krankenhäuser. Diese entsprechen 45% des gesamten Gesundheitsbudgets. Ambulante Versorgungsleistungen wie bspw. niedergelassene Haus- und Fachärzte beanspruchen 25% der gesamten Kosten. Medikamente haben außerdem einen Anteil von ca. 20% und die übrigen Kosten sind durch sonstige Maßnahmen wie bspw. dem Krankentransport zu erklären (Vgl. Crevel und Wagner, 2003).
2.3 Ausgabenentwicklung im Zeitverlauf seit 1980
Das Gesundheitssystem Frankreichs erlebt seit 1976 zahlreiche, langfristige Krisen und verschiedenste Reformpläne. Über 26 Pläne im Sinne der Kostenbegrenzung wurden
vorgestellt, jedoch konnte bislang keiner erfolgreich umgesetzt werden (Vgl. Crevel und Wagner, 2003). Eine große Reform im französischen Gesundheitssystem, welche die Finanzstruktur bis heute prägt, ist der Plan Juppé von 1996. Das primäre Ziel dieser Reform war die Neuorganisation des Sozialversicherungssystems zur Kosteneindämmung. „Das zentrale Element der Organisationsreform bestand darin, die Rolle des Parlaments für die Sozialversicherung zu stärken“ (Lapperhoff, 2010, S.122). Auf Basis von Einnahmenprognosen werden Zielgrößen für die Ausgabenentwicklung formuliert. So entscheidet das Parlament seither über die „Aufteilung des Budgets, den Anteil der Steuerfinanzierung und die Realisierung eines ausgeglichenen Haushalts“ (Ebd.). Zudem wurde mit der Juppé Reform die Fiskalisierung der Krankenversicherung angekündigt, um ihrer anhaltend defizitären Entwicklung entgegenzusteuern. Beitragszahlungen sollten sich allmählich zu steuerähnlichen Abgaben wandeln. So wird die 1991 eingeführte CSG bis zuletzt 2018 konsequent erhöht und der Arbeitnehmerbeitrag zur KV aufgehoben. 1998 wurde zu diesem Zweck außerdem die Steuer zur Tilgung der Sozialschuld eingeführt (Vgl. Ebd.).
Abbildung 1: Gesundheitsausgaben Frankreichs von 1970-2017 (in % anteilig am BIP)
(Quelle: https://knoema.com/GFG/going-for-growth?country=1000070&variable=1000950#)
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, sind die Ausgaben Frankreichs für Gesundheit seit den 70er Jahren konsequent gestiegen. Ab 1996 ist eine Stagnation der Steigung zu erkennen, die sich durch den kurzfristig generierten Erfolg der Juppé Reform erklären lässt. Des Weiteren wurden bereits in der Vergangenheit verschiedene Maßnahmen getroffen, um Kosten einzusparen. Dazu gehört vor allem die Kürzung der Positivliste im Jahr 2003 und erneut 2011, die einen geringeren Erstattungsanteil von einer Vielzahl an Medikamenten zur Folge hatte (Vgl. Crevel und Wagner, 2003). Für die Zukunft sind weitere Kürzungen vorgesehen. Konkret werden ab 2020 die Beteiligungen an homöopathischen Medikamenten abgelehnt. Auch der Preis der Medikamente unterliegt im Sinne der Kostenbegrenzung einer strengen staatlichen Kontrolle (Lapperhoff, 2010, S. 91).
Zusätzlich sollten durch verschiedene Reformansätze höhere Einnahmen generiert werden. Durch die Erhöhung der Tabaksteuer im Jahr 2003 wurden erste Schritte in Richtung Krankheitsprävention getätigt. Seit 2005 müssen sich Patienten außerdem auf einen Hausarzt festlegen, für dessen Besuch eine Praxisgebühr von einem Euro (bei Fachärzten fünf Euro) erhoben wird. So soll die Zahl der Arztbesuche verringert werden.
2.4 Schwächen der Finanzstruktur und Optimierungspotenziale
Abbildung 1 zeigt, dass die Kosten für Gesundheit nach der Durchsetzung des Plan Juppé zwar weniger stark ansteigen, jedoch in den letzten 20 Jahren trotzdem weiterhin wuchsen. Dies liegt vor allem an Problemen in der Finanzstruktur des französischen Gesundheitssystems. Demographischer Wandel in Kombination mit Fachkräftemangel führt zu ernsten Defiziten in der medizinischen Versorgung. Hohe Kosten lassen sich durch das Fehlen von Gesetzen für die fachärztliche Abrechnung erklären. Der Kostenträger ist dabei der Patient, der die Differenz von Gebührensätzen und Abrechnungssumme privat übernehmen muss. Auch die freie Facharztwahl verhilft den Patienten nicht etwa zu einem Kostenüberblick, sondern verstärkt das Finanzproblem weiterhin. Durch die Einholung von Dritt- und Viertmeinungen, werden Behandlungen mehrfach durchgeführt. 15 Milliarden Euro ließen sich an diesem Punkt einsparen (Vgl. Crevel und Wagner, 2003). Ein großes Problem sind zudem die vielen unbesetzten Krankenhausbetten, die hohe Verwaltungs- und Instandhaltungskosten verursachen. Durch die Schließung kleinerer Krankenhäuser könnten diese Kapazitäten eingespart, und Fachpersonal bedarfsorientiert verlegt werden. Eine Verschreibungsfreiheit der Ärzte und eine starke Preiskontrolle der Medikamente führen außerdem zu einem sehr hohen Verbrauch an Arzneimitteln. Durch die Einführung von Verschreibungsverordnungen könnte eine Reduktion der verschriebenen Medikamente herbeigeführt werden.
- Citation du texte
- Celina Prade (Auteur), 2021, Die Finanzierung des Gesundheitssystems in Frankreich, Großbritannien und der Schweiz. Ausgabenentwicklung im Zeitverlauf seit 1980, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176794
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