Hartmann von Aues Artusroman "Iwein" (um 1200) ist Gegenstand der hiesigen Analyse. Das Augenmerk der Arbeit liegt insbesondere auf dessen Doppelwegstruktur. Zudem werden die textimmanenten semantischen Spannungen zum Begriff der "aventiure" aufgedeckt und erläutert. Da soll noch einer sagen, Literatur könne die Wirklichkeit nicht ändern – wenn schon
ein einfacher Britischer Kleinkönig, der kaum mehr vollbrachte, als im frühen 6.
Jahrhundert gegen die Sachsen zu kämpfen, heute noch der wohl bekannteste und
vorbildlichste Herrscher aller Zeiten ist. Denn jedes Kind kennt die sagenumwobene
Welt des König Artus (allein durch Disneys Zeichentrickerzählung über die
Entdeckung und Erziehung des zukünftigen König Artus: Die Hexe und der
Zauberer1). Bekannt wurde Artus erst und vor allem durch Geoffrey von Mormouths2
Historia regum Britanniae 600 Jahre nach seinem Tod (um 1138). In dieser erscheint
der Kleinkönig nun plötzlich als „Figur von der epochalen Bedeutung Karls des
Großen“3. Die Krönung mit fünfzehn Jahren und ein von Feen geschmiedetes
Schwert, mit dem er Länder um die Nordsee und Gallien unterwirft, ist hier bereits
Teil der Erzählung. Verbreitet wurde sie vermutlich über mündliche Tradierungen und
vor allem Maistre Waces französischen Roman de Brut (1155), der volkssprachlichen
Adaption von Geoffreys Chronik, in dem zum ersten Mal auch die Ritter der
Tafelrunde eine Rolle spielen. Dies scheinen auch die Qellen zu sein, aus denen
dann der französische Dichter Chrestien de Troyes (um 1140 – um 1190) schöpfte
und die mittelalterlichen Artusromane kreierte, die durch Hartmann von Aue für den
deutschen Sprachraum fruchtbar gemacht wurden.5/6 Der erste dieser Art heißt – in
Hartmanns Fassung – Erec7(um 1180), dessen häufig als Nachfolger und
Gegenstück8 bezeichneter Roman Iwein9 (um 1200) Gegenstand der hiesigen
Analyse sein soll. Augenmerk möchte ich insbesondere auf dessen
Doppelwegstruktur legen, wodurch ich auch die sich daraus ergebenden
semantischen Spannungen zum Begriff der aventiure klären werde.
Inhaltsverzeichnis
I. Zur Provenienz
II. Doppelwegstruktur und aventiure
II.1 Allgemeine Erläuterung zur Doppelwegstruktur
II.2 aventiure
II. 3. Der erste Weg
II. 4. Der zweite Weg
II.5. Vorbild und Abwehr des Bestehenden
Bibliographie
I. Primärliteratur
II. Lexika
III. Sekundärliteratur
I. Zur Provenienz
Da soll noch einer sagen, Literatur könne die Wirklichkeit nicht ändern – wenn schon ein einfacher Britischer Kleinkönig, der kaum mehr vollbrachte, als im frühen 6. Jahrhundert gegen die Sachsen zu kämpfen, heute noch der wohl bekannteste und vorbildlichste Herrscher aller Zeiten ist. Denn jedes Kind kennt die sagenumwobene Welt des König Artus (allein durch Disneys Zeichentrickerzählung über die Entdeckung und Erziehung des zukünftigen König Artus: Die Hexe und der Zauberer[1]). Bekannt wurde Artus erst und vor allem durch Geoffrey von Mormouths[2] Historia regum Britanniae 600 Jahre nach seinem Tod (um 1138). In dieser erscheint der Kleinkönig nun plötzlich als „Figur von der epochalen Bedeutung Karls des Großen“[3]. Die Krönung mit fünfzehn Jahren und ein von Feen geschmiedetes Schwert, mit dem er Länder um die Nordsee und Gallien unterwirft, ist hier bereits Teil der Erzählung. Verbreitet wurde sie vermutlich über mündliche Tradierungen und vor allem Maistre Waces französischen Roman de Brut (1155), der volkssprachlichen Adaption von Geoffreys Chronik, in dem zum ersten Mal auch die Ritter der Tafelrunde eine Rolle spielen.[4] Dies scheinen auch die Qellen zu sein, aus denen dann der französische Dichter Chrestien de Troyes (um 1140 – um 1190) schöpfte und die mittelalterlichen Artusromane kreierte, die durch Hartmann von Aue für den deutschen Sprachraum fruchtbar gemacht wurden.[5] /[6] Der erste dieser Art heißt – in Hartmanns Fassung – Erec[7] (um 1180), dessen häufig als Nachfolger und Gegenstück[8] bezeichneter Roman Iwein[9] (um 1200) Gegenstand der hiesigen Analyse sein soll. Augenmerk möchte ich insbesondere auf dessen Doppelwegstruktur legen, wodurch ich auch die sich daraus ergebenden semantischen Spannungen zum Begriff der aventiure klären werde.
II. Doppelwegstruktur und aventiure
II.1 Allgemeine Erläuterung zur Doppelwegstruktur
Die Doppelwegstruktur der Artusromane findet ihre Prägung durch den ersten Artusroman: Erec et Enide. Allgemein gesprochen[10] handelt es sich bei der Doppelwegstruktur um die Aufteilung der (Lebens-)Geschichte eines Artusritters in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt beschreibt den Aufbruch des noch jungen und unerfahrenen Ritters vom Artushof, auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich Ruhm und Ehre zu verschaffen, wobei dies als das Erreichen von Ansehen[11] und einer erfolgreichen Hochzeit (Erlangen der Minne[12]) zu verstehen sind.[13] Diese scheint er ohne größere Umwege und rasch durch eine aventiure -Fahrt zu erreichen. Beschlossen wird der erste Handlungszyklus durch den selbstverschuldeten Sturz des Helden und den Verlust von Ehre und Ruhm, durch den sich der zweite Handlungsabschnitt ergibt: das erneute Bestehen von aventiuren zur Rehabilitierung und Erneuerung von Ruhm und Ehre. Da die erfolgreiche aventiure, das Beschreiten und Bestehen des Weges, Grundlage und Ziel der Handlung sind, soll hier zuerst ein Blick auf den allgemeinen und innertextuellen Begriff der aventiure geworfen werden, bevor der Doppelweg im Iwain ebenfalls einer genaueren Betrachtung unterzogen wird.
[...]
[1] Originaltitel: The Sword in the stone, Walt Disney/USA 1963
[2] Ein Britischer Magister aus Oxford
[3] Brunner 1993, S. 98
[4] Vgl. Mertens 1998, S. 18/19
[5] Damit gemeint ist nicht allein eine sprachliche Übertragung der Gedichtromane ins Mittelhochdeutsche, sondern zugleich ihre inhaltliche Anpassung und Änderung, bezogen auf ein neues literarisches und soziales Umfeld. Diese sind im Mittelalter deutlich positiv bewertet worden und auch heute nicht als einfache Übersetzung anzusehen, sondern als eine besondere Art der Adaption anzuerkennen – man spricht in der Forschung von adaption courtoise (vgl. dazu die Ausführungen in Mertens 1998, S. 49-54)
[6] Nicht unerwähnt sollte außerdem bleiben, dass es sich bei den Artusromanen um die Geschichten und Abenteuer einzelner Ritter der Tafelrunde handelt, wobei König Artus selbst keine primäre Rolle in diesen einnimmt, sondern durch seinen Hof und Staat die gesellschaftliche Basis und die Rahmenbedingungen der Geschichte schafft (Vgl. Mertens 1998, S. 10f.).
[7] Ursprünglich um 1170 von Chrestiens de Troyes: Erec et Enide
[8] Vgl. zu dieser Thematik die aufgeführte Sekundärliteratur
[9] Ursprünglich um 1177/81 von Chrestien de Troyes: Yvain
[10] Die folgende Definition beruht grundlegend auf den Erläuterungen zur Doppelwegstruktur von Brunner, Mertens und Ruh.
[11] Darüber, als was und durch wen das Ansehen selbst zu definieren wäre, denkt u.a. Thomas Cramer in einer Analyse über die Begriffe Sælde und Êre nach; Cramer 1973, S. 426-450
[12] Die Arten und Vorstellungen von Minne stellen sich sehr unterschiedlich dar: Während beispielsweise im altfranz. Tristanroman die absolute Minne, d.h. die wahre Liebe, nur als Ehebruchsliebe möglich erscheint, stellt der Artusroman diese im Gegensatz idealtypisch als freiwillig untertänige Liebe zu einer Ehefrau dar. Zu diesen und weiteren Minnedefinitionen in der mittelalterlichen Literatur vgl. Brunner 1993, S. 113-117
[13] Diesem Aufbruch geht ein erster Tiefpunkt voraus, der im Iwein jedoch nicht augenscheinlich zutage tritt, da die zu tilgende „Schande“ Iweins hier durch diejenige seines Verwandten Kalogrenant substituiert wird, weshalb ich diesen Punkt nur am Rande erwähne.
- Citar trabajo
- Carolina Franzen (Autor), 2008, Hartmann von Aues Iwein - "Aventiure" und Doppelwegstruktur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117655
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