Der Lehrplan Gemeinschaftskunde Leistungsfach mit dem Schwerpunkt Sozialkunde sieht in der Jahrgangsstufe 12 das Teilthema „Der politische Prozess im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland“ vor. Die SchülerInnen sollen hier insbesondere den politischen Willensbildungs- und institutionalisierten Entscheidungsprozess analysieren und dabei die politischen Kompetenzen der Staatsorgane beschreiben. Des Weiteren sollen die Möglichkeiten und Grenzen rechtlicher Überprüfung politischer Entscheidungen durch das BVerfG diskutiert werden. Das heutige Stundenthema wird den Forderungen des Lehrplans gerecht, indem Parteien auf der einen Seite die entscheidenden Akteure im politischen Willensbildungsprozess darstellen, auf der anderen Seite aber der freie und gleiche Willensbildungsprozess dort eine Grenze findet, wo der Bestand der FdGO gefährdet ist. Dabei stellt die Thematisierung des Parteienverbots in besonderer Weise in Verbindung zu einem weiteren Teilthema des Lehrplans dar: „Demokratisches Selbstverständnis: Entstehung – Ausprägung – Entwicklung“, im Rahmen dessen die SchülerInnen insbesondere das demokratische Selbstverständnis der Bundesrepublik erarbeiten soll. In den bisherigen Stunden der Unterrichtsreihe „Parteien“ wurden folgende Punkte thematisiert: Definition und verfassungsrechtliche Stellung der Parteien; Funktionen und Aufgaben von Parteien; Abgrenzung von Parteien zu Verbänden und Bürgerinitiativen; Parteientypologie; innerparteiliche Demokratie; Parteiensoziologie; Parteienfinanzierung und Parteienkritik. In den letzen Stunden wurden die FdGO und die Grundlagen des Parteienverbots thematisiert. Die heutige Stunde sieht sich als Fortsetzung bzw. Erweiterung der beiden letzten Stunden und soll gleichzeitig, auf Wunsch des Fachlehrers, die gesamte Unterrichtsreihe zum Thema Parteien abschließen.
1. Lernziele
Groblernziel: Die SchülerInnen[1] gewinnen Einsicht in die Problematik des Parteienverbots, indem sie sich mit der aktuellen Diskussion eines möglichen Verbots der NPD auseinandersetzen.
Fernlernziel: Die SchülerInnen sollen
1. die Grundlagen eines Parteienverbots (FdGO, Art. 21 Abs.2 GG, Prinzip der „streitbaren Demokratie“, Parteienprivileg) nennen;
2. anhand eines NPD-Flugblattes zum Thema der Stunde hinführen, die Aussagen begründet kommentieren und damit die Position herausarbeiten, in der sich die NPD zur Zeit sieht;
3. in der Frage „NPD-Verbot ja/nein?“ durch Abstimmung erste Stellung beziehen;
4. den Text bearbeiten und die entsprechenden Argumenten für bzw. wider ein Verbot der NPD herausarbeiten;
5. den Unterschied der erarbeiteten Argumente (verfassungsrechtlich relevant <> Opportunitätsprinzip) aufzeigen;
6. erkennen, dass der Verdacht einer Verfassungswidrigkeit nicht zwangsläufig zu einem Verbotsantrag führen muss;
7. die Argumente, die für bzw. gegen einen Verbotsantrag sprechen, diskutieren und bewerten;
8. in der Frage „NPD-Verbot ja/ nein?“ ein weiteres Mal, unter Abwägung der erarbeiteten Argumente, Stellung beziehen.
2. Unterrichtsvoraussetzungen
Seit acht Stunden unterrichte ich den Kurs 12 LK im Fach Sozialkunde unter Anleitung des Fachlehrers. Die Lerngruppe umfasst 4 Schülerinnen und 6 Schüler. In dem Kurs herrscht ein sehr angenehmes Arbeitsklima; der Umgangston zwischen SchülerInnen und gegenüber der Lehrkraft ist sehr freundlich. Der Kurs ist mir seit längerem bekannt, da ich bereits im Rahmen von zwei Unterrichtsreihen mit den Schülern zusammengearbeitet habe. Die SchülerInnen arbeiten in der Regel gut mit und zeigen für die meisten sozialkundlichen Themen großes Interesse. Im Vergleich zu den früheren Stunden hat sich eine gewisse „Trägheit“ eingeschlichen. So haben in der Vergangenheit oftmals gezielte Impulsgebungen in Erarbeitungs-, besonders aber in Problematisierungsphasen ausgereicht, um qualifizierte Ergebnisse zu erzielen; mittlerweile muss hierfür oft aus das fragend-entwickelnde Verfahren zurückgegriffen werden. Hinsichtlich der mündlichen Mitarbeit ist anzumerken, dass sich vier Schüler sehr rege beteiligen, ihre spontanen Beiträge jedoch oft unklar sind oder das jeweilige Problem nur sehr oberflächlich erfassen. Dies erfordert des Öfteren Nachfragen oder eine Modifizierung der Beiträge von Seiten leisten qualitativ sehr gute Beiträge, müssen jedoch immer wieder zu diesen angeregt werden. Eine Schülerin beteiligt sich grundsätzlich nur nach Aufforderung und reagiert auf diese oft eingeschüchtert. Die SchülerInnen sind mit den Methoden der Karikaturinterpretation und der Thesenformulierung gut vertraut. Unsicherheiten zeigen sich noch bei dem selbständigen Schülervortrag und der zusammenhängenden, zeitökonomischen Vorstellung von Arbeitsergebnissen auf Folie oder an der Tafel. Die Kursnoten des letzten Jahreszeugnisses verteilen sich wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Damit ist das Leistungsniveau des Kurses insgesamt als zufrieden stellend zu bezeichnen.
Hinsichtlich der heutigen Lehrprobenstunde ist anzumerken, dass in den vergangenen zwei Unterrichtsstunde mehrere SchülerInnen wegen Kursarbeiten oder SV-Aktivitäten gefehlt haben; in diesen Stunden wurden die Grundlagen für die Thematisierung der Problematik eines möglichen Parteienverbots im Fall der NPD behandelt, es kann somit an bestimmten Stellen zu Unsicherheiten kommen.
3. Sachanalyse
Grundlage unserer Verfassung ist die freiheitlich demokratische Grundordnung (FdGO), die anerkennt, dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt und somit Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind.[2]
Aufgrund der Offenheit und der mannigfachen Gewährleistung von Freiheiten und Einflüssen ist de FdGO verletzlich. Die Erfahrungen der Weimarer Republik haben gezeigt, dass eine demokratische Verfassung durch radikale, verfassungsfeindliche Parteien gefährdet ist: Da die Reichsverfassung keine Mechanismen zu ihrem Schutz vorsah, ist die Republik letztendlich der stärksten dieser radikalen Parteien, der NSDAP, erlegen. Folglich sollte die freiheitliche demokratische Grundordnung der BRD dahingehend geschützt werden, dass verfassungsfeindliche Parteien frühzeitig ausgeschaltet werden können: „Das freie Spiel der politischen Kräfte in der Demokratie soll dort eine Grenze finden, wo deren Gegner mit den Mitteln der Demokratie zu beseitigen suchen.“[3] Dieser Satz beschreibt das Prinzip der „streitbaren“ oder auch „wehrhaften Demokratie“, die möglichen Verfassungsfeinden nicht „wehrlos“ ausgeliefert ist: Zum Schutz der FdGO bietet das Grundgesetz mehrere Möglichkeiten:
- Das Verbot von Parteien auf Grundlage des Art. 21 Abs. 2:
- Das Verbot von Vereinigungen auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2:
- Die Verwirklichung von Grundrechten auf Grundlage der Art. 18:
Aufgrund des Art. 21 Abs. 2 können politische Parteien, die die demokratische Ordnung aufheben und ein anderes Regierungssystem erreichten wollen, für verfassungswidrig erklärt und somit verboten werden. Die Möglichkeit des Parteienverbots birgt aber die Gefahr, das Parteiensystem der BRD zu verengen, welches im Sinne von Freiheit und Gleichheit allen politischen Strömungen eine Heimat geben sollte. Der herausragenden Bedeutung der Parteien als bestimmende Kräfte des politischen Prozesses wird aus diesem Grund mit den so genannten „Parteienprivileg“ Rechnung getragen: Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Das Urteil des BVerfG wirkt konstitutiv, d.h. erst von diesem Zeitpunkt an kann gegen die Partei vorgegangen werden. Das Verbot der Partei geht einher mit dem Verbot Ersatzorganisationen zu schaffen und hat den Mandatsverlust für alle Abgeordneten der Partei zur Folge. Das BVerfG wird aber nicht von sich aus aktiv, sondern es muss ein Antrag auf Überprüfung gestellt werden. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung bzw. Landesregierung, wenn es sich um eine auf einen lokalen Bereich beschränkte Partei handelt. Gibt es Anzeichen dafür, dass eine Partei verfassungswidrig ist, können die entsprechenden Verfassungsorgane, gemäß dem Opportunitätsprinzip nach eigenem Ermessen einen Antrag stellen, müssen dies aber nicht, wenn sie für sinnvoller und aussichtsreicher halten, eine solche Partei, politisch-argumentativ in die Schranken zu weisen. Dem Missbrauch des Parteienverbots wird durch das Parteienprivileg vorgebeugt, indem die Parteien dem Zugriff durch Legislative und Exekutive entzogen sind und es somit nicht zu einer leichtfertigen Ausschaltung „unbequemer“ Oppositionsparteien kommen kann. Die Hürden für ein Parteienverbot liegen hoch. Bisher kam es in der Geschichte der BRD erst zweimal zum Verbot einer politischen Partei: 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. In seinem KPD-Urteil verschärfte das BVerfG die Kriterien einer Verfassungswidrigkeit: Demzufolge reicht allein der Wille zur Abschaffung oder Beeinträchtigung der FdGO nicht mehr aus, eine Partei für verfassungswidrig zu erklären; vielmehr muss auch eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen. Hiermit soll verhindert werden, dass eine Partei allein deshalb verboten werden kann, weil sie eine abweichende Meinung zur Verfassung und zu den Menschrechten vertritt. Maßgeblich für die Beurteilung sind Parteiprogramm, Erklärungen und das Verhalten der Anhänger. Eine Partei muss also planvoll das Funktionieren der FdGO beeinträchtigen und im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen. Solange eine Partei verboten ist, sind ihre Mitglieder insoweit geschützt, dass sie sich mit allgemein erlaubten Mitteln für die Partei einsetzen dürfen. Auf diese Parteienprivileg können sich die Mitglieder aber nicht mehr berufen, wenn sie gegen die allgemeinen Strafgesetze verstoßen, indem sie versuchen, die politischen Ziele der Partei unter Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes zu verwirklichen.
Genau dieser Punkt setzt die aktuelle politische Diskussion über ein mögliches Verbot der NPD an. Insbesondere das Verhalten der Anhänger hat dazu geführt, dass Anfang August der bayerische Innenminister Günther Beckstein nach Rücksprache mit mehreren Länderkollegen ein NPD-Verbot verlangte. Nach Überzeugung Becksteins, spielt die NPD eine zunehmende Rolle im gewaltbereiten Rechtsextremismus in Deutschland. Die 1964 gegründete Partei hat in den letzten Jahren ihr Erscheinungsbild eines Altherrenbundes unter Vorsitz von Günter Deckert, der in erster Linie revisionistische Themen besetzte, zu einer „jungen“ Partei entwickelt, in der die aktuelle Tagespolitik in den Vordergrund gerückt ist. Maßgeblich für das veränderte Erscheinungsbild der Partei ist der Personenwechsel im Bundesvorstand: Mit knapper Mehrheit wurde im März 1996 Udo Voigt zum Bundesvorsitzenden gewählt, Deckert, der zu der zeit eine zweijährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass verbüßte, wurde mit großer Mehrheit zum stellvertretenden Vorsitzenden bestimmt: Allein hieran wird deutlich, welch Geistes Kind diese Partei ist. Der politische Kurs wird von der Ideologie der „Volksgemeinschaft“ bestimmt, in der als angebliche natürliche Ordnung Staat und Volk in einer Einheit verschmelzen und der alle anderen Interessen und Werte, auch die Bürger- und Menschenrechte, untergeordnet sind.[4]
[...]
[1] In folgenden wird die Bezeichnung SchülerInnen für Schüler und Schülerinnen gleichermaßen verwendet
[2] Vgl. BVerfG, SRP-Urteil 1952.
[3] Hesse, K.: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschlands. 1995.
[4] Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Verfassungsbericht 1996.
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