Führte die Konstituierung der USPD zum Bruch des Burgfriedens während des 1.Weltkrieges im Deutschen Reich? Unter dieser Leitfrage wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen einerseits die Konstituierung der USPD als eines der entscheidenen innenpolitischen Ereignisse während des 1. Weltkrieges darzustellen und andererseits natürlich eine Antwort auf obige Frage zu formulieren.
Die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Arbeit liegen somit auf dem angespannten Verhältnis innerhalb der SPD und den daraus resultierten "Flügelkrieg" in der Partei.
Diese Arbeit ist daher nicht nur für Interessierte im Bezug auf die innenpolitische Lage während des 1.Weltkrieges sondern ebenso für Leute mit großen Sympathien für Parteigeschichte als sehr lesenswert zu empfehlen.
„Sie [die USPD] steht in grundsätzlicher Opposition zum herrschenden Regierungssystem, zur Kriegspolitik der Reichsregierung und zu der vom Parteivorstand im Regierungsfahrwasser geführten Politik der nominellen Partei [SPD]“ (Zeile 6 ff.) , so lautet die grundsätzliche Positionierung der neugegründeten „Unabhängigen sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (USPD), deren Gründung sich auf dem „Gothaer Gründungsparteitag“ vom 06.-08.April 1917 herauskristallisierte und die sich letztendlich vom 09.-12. April 1917 konstituierte. Daraus leiten sich automatisch verschiedene Fragen ab, die es im Folgenden zu beantworten gilt. Findet somit durch diese „grundsätzliche[…] Opposition“ ein Bruch mit der von Regierung und Parteien geführten Burgfriedenspolitik statt oder gab es schon in den ersten Jahren des 1.Weltkrieges klare Anzeichen für eine Verweigerung dieser Politik? Mit Hilfe der vorliegenden Quelle, die als „Grundlinien der USPD“ während der Gründungsparteitage entstanden ist, soll der Versuch unternommen werden, in differenzierter Weise eine Antwort auf diese Fragen zu finden.
Bei den Grundlinien der USPD handelt es sich um ein Dokument, das im Zuge der Gründung der USPD entstanden ist (s.o.) und in gedruckter Form in „Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellungen“ Band 8, einer Quellenedition, die von Rüdiger vom Bruch und Björn Hofmeister herausgegeben wurde, erschienen ist. Band 8 „Kaiserreich und Erster Weltkrieg 1871-1918“ ist dabei Teil einer 12 Bände umfassenden Quellensammlung, die wiederum von Rainer A. Müller herausgegeben wurde. Das Dokument entstammt ursprünglich dem Deutschen Geschichtskalender, Hg. von Friedrich Purlitz 33.Jg. Bd. 1,2. Leipzig: Meiner, 1917. S.782, wo die Akte in altdeutscher Schrift abgedruckt ist. Ausgewählt wurde sie aufgrund der besonderen innenpolitischen Brisanz, die mit der Abspaltung der USPD einhergeht. Es handelt sich des Weiteren um die Quellengattung Tradition, da die Initiatoren der Parteineubildung bewusst die Beweggründe und Aufgaben der neuen Parteien aufzeigen wollen. Außerdem findet man an keiner Stelle Auslassungen, wodurch eine vollständige und unbearbeitete Übernahme belegt wird. Der Umfang des Dokuments beschränkt sich auf weniger als 200 Wörter und umfasst eine knappe Buchdruckseite. Aus inhaltlicher Sicht lassen sich verschiedene Absichten und betroffene Bereiche herausstellen. Zum einen möchte man mit Hilfe der Grundlinien verdeutlichen, welche Beweggründe es für die Abspaltung von der Gesamtpartei SPD gegeben hat und welche Aufgaben der USPD von Belang sind. Zum anderen werden klare Bestimmungen zur Organisation aber auch zur jetzigen Position gegenüber der Mehrheitspartei formuliert. Im ersten Teil des Textes ist dem Parteivorstand besonders daran gelegen, den oppositionellen Charakter gegenüber der Regierung und deren geführter Politik aber auch gegenüber der sich „im Regierungsfahrwasser“ (Zeile 9 ff.) befindlichen sozialdemokratischen Partei herauszustellen. Hier zeigt sich, dass sich die Politik der USPD „scharf scheid[en] [soll] von der Politik der Regierungssozialisten, die ihren Frieden mit den bürgerlichen Parteien gemacht haben“[1], dass heißt man bekennt sich klar gegen die seit Kriegsbeginn eingeschlagene Burgfriedenspolitik. Diese Politik bedeutet, das „sich die politischen und wirtschaftlichen Kräftegruppen […] zur Einhaltung eines innenpolitischen ‚Waffenstillstandes‘ für die Dauer des Krieges verpflichteten. Im Zeichen des Burgfriedens verstand sich die Parteimehrheit als eine Art Stütze der Reichsregierung unter dem Kanzler Bethmann Hollweg.“[2] Im Zusammenhang damit verurteilt man auch die „gemäßigten Kriegsziele“ der Regierung, die auch von einem Großteil des Parteivorstandes der SPD getragen worden sind.[3] Diese implizieren eine Eroberungspolitik zur Verbesserung des Schutzes des deutschen Reiches. Somit wird die Problematik aufgegriffen, dass sich die Unterstützer der USPD in keinerlei Weise mit der geführten Politik der Partei arrangieren können und sich zu diesem Schritt-der Gründung einer eigenständigen Partei-gezwungen sehen. Dieser Eindruck wird in besonderem Maße durch die Formulierungen im ersten Teil verstärkt, wo es heißt, dass man eine Politik im „Interesse der Arbeiterklasse“ (Zeile 2) führen will. Ziel ist es somit zu verdeutlichen, dass der „organisatorische Zusammenschluss der Opposition […] also politisch und ideologisch den Fortbestand der alten, der wahren Sozialdemokratie sichern“[4] solle. Im Mittelteil des Textes wird im speziellem auf die Frage der Organisation der neuen Partei eingegangen. Besonders prägnant erscheint dabei die Tatsache, dass die Namensgebung gegenüber den organisatorischen Belangen eindeutig im Vordergrund steht und der Name „Unabhängige sozialdemokratische Partei Deutschlands“ dabei nur die logische Konsequenz aus den oben in den Mittelpunkt gerückten Schwerpunkten „unabhängig“ und „oppositionell“ ist. Als zumindest teilweise unschlüssig wirkt der Beschluss, dass sich die Partei an den Statuten der sozialdemokratischen Partei Deutschlands orientiert, wobei man zunächst die völlige Unabhängigkeit von dieser herausgestellt hat. Begründet wird dies auch damit, dass ein Großteil der Genossen noch im Heeresdienst steht und man sich die gewonnenen Erfahrungen aus dem Krieg zum Nutzen machen sollte (vgl. Zeile 13 ff.). Vielleicht wollte man sich zu diesem Zeitpunkt auch noch eine Hintertür offen halten, um doch noch eine mögliche Aussöhnung mit der Mehrheitspartei anstreben zu können. Doch dieser Gedanke soll erst im weiteren Verlauf nochmals aufgegriffen werden. Im letzten Abschnitt werden auf zwei verschiedenen Wegen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit verarbeitet, deren genauerer Erklärung es bedarf, um die gewählten Formulierungen nachvollziehen zu können. Auf der einen Seite findet man eine hohe Wertsetzung auf den demokratischen Charakter der Partei, dessen Eindruck die Metapher „in demokratischen Geiste“ (Zeile 21) im Sinne von Gerechtigkeit nochmals verstärkt. Dabei liegt die Betonung auch darauf, dass „allen wichtigen Entscheidungen eine demokratische Grundlage“ (Zeile 22 ff.) gegeben werden müsse. Hier schlagen sich gerade die schlechten Erfahrungen aus dem sogenannten „Vorwärts-Raub“ nieder, bei dem der Parteivorstand gegen den Willen der eher oppositionell eingestellten Redaktion der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts“, Herman Müller, einen bekennenden Verfechter der Interessen der Mehrheitssozialisten, als Aufsichtsperson eingesetzt hat.[5] Auf der anderen Seite heißt es im letzten Abschnitt, dass sich die Opposition aufgrund ihrer „gewaltsamen Entrechtung“ (Zeile 24) durch den Vorstand und den nicht legalen Ausschluss aus der Fraktion zusammenschließt. Dabei beruft man sich auf die Tatsache, dass im März 1916 eine Minderheit um den Parteivorsitzenden Hugo Haase entgegen dem Fraktionszwang gegen die Zustimmung zum Notetat plädierte und diesen 20 Mitgliedern daraufhin wegen „Disziplin- und Treuebruchs“ die Fraktionszugehörigkeit abgesprochen wurde.[6] In einem Atemzug damit ist zu erwähnen, dass bereits im Dezember 1915 Karl Liebknecht und Otto Rühle wegen der Ablehnung der neuerlichen Kriegskredite am 02.12.1914 und 20.03.1915 aus der Fraktion hinausgedrängt wurden und letztendlich ihren Rücktritt erklärten.[7] Hierbei ist deutlich zu erkennen, dass es eben schon bei der Abstimmung über neuerliche Kriegskredite am 02.12.1914 zu einem Bruch der Burgfriedenspolitik gekommen ist. Denn so äußerte sich Karl Liebknecht in seinem Begründungsschreiben für die Ablehnung im Reichstag, dass der Krieg einen imperialistischen Charakter habe und von kapitalistischen Plänen im Sinne von Annexionsabsichten geführt wird.[8] Alles in allem wirkt die Bildung der USPD als letzte Möglichkeit, ihren oppositionellen Ansichten Ausdruck verleihen zu können. Somit kann man die Argumentation, dass man eine Abspaltung in diesem Rahmen nicht gewollt hat, diese aber letzten Endes unausweichlich geworden ist, durchaus nachvollziehen und als schlüssig bezeichnen.
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[1] Hg. von Emil Eichhorn: Protokoll über die Verhandlungen des Gründungs-Parteitages der U.S.P.D. vom 6. Bis 8. April 1917 in Gotha, in: Protokolle der Parteitage der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Band 1 1917-1919, Glashütten im Taunus 1975, S.8
[2] Susanne Miller, Heinrich Potthoff: Kleine Geschichte der SPD, Bonn 1988, S.76
[3] Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht: Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/1918, 3.Auflage Düsseldorf 1967, S.145
[4] Susanne Miller: Burgfrieden und Klassenkampf: Die deutsche Sozialdemokratie im 1.Weltkrieg, Düsseldorf 1974, S.159
[5] Georg Fülberth, Jürgen Harrer: Die deutsche Sozialdemokratie 1890-1933, Darmstadt [u.a.] 1974, S.119
[6] Miller, Potthoff: Kleine Geschichte der SPD, S.77
[7] Miller: Burgfrieden und Klassenkampf S.88 ff. , S.103 , S.124
[8] Gottfried Schramm: 1914:Sozialdemokratie am Scheideweg, in: Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990 hg. Von Carola Stern, Heinrich A. Winkler, Frankfurt am Main1994, S.89
- Citation du texte
- Marius Hummitzsch (Auteur), 2008, Grundlinien der USPD, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117471
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