Das Ziel der Bachelorarbeit ist es, zu betrachten, welche Rolle die eigene Biografie, Sozialisierung und Umwelteinflüsse im beruflichen Kontext einer Führungskraft der sozialen Arbeit spielen und wie diese mithilfe des systemischen Coachings Professionalität erlangen kann.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird das Thema literarisch untersucht und begründet. Neben den Inhalten zu den Führungstheorien wird gezielt die Person hinter der Führungsrolle mit all ihren persönlichen Merkmalen und Erfahrungen betrachtet sowie das systemische Coaching mit seinen Inhalten und seiner Anwendbarkeit dargestellt.
Bei der Recherche zeigte sich, dass das systemische Coaching die Führungskraft dabei unterstützen kann, trotz der zunehmenden Anforderungen und den neuen Aufgaben professionell und fachlich in der Rolle zu agieren und dabei sowohl persönliche, prägende Erfahrungen – also individuelle Aspekte und Ereignisse in der Biografie und Lebensgeschichte – berücksichtigt, als auch das Gesamtsystem in Bezug auf den Führungsaspekt und ihrer Rolle ergründet. Durch das Konzept des systemischen Coachings und den Einsatz zielgerichteter Methoden kann die Führungskraft in ihrer Professionalität und ihrem Selbstmanagement gestärkt werden. Voraussetzung dafür ist die Eigenaktivität und Veränderungsbereitschaft der Führungskraft sowie die Beziehungsgestaltung zwischen Coach und Klient. Durch den Blick auf das Gesamtsystem der Führungskraft wird es möglich, neben den beruflichen Rahmenbedingungen auch soziale Beziehungen, Konflikte und persönliche Erfahrungen zu behandeln und aufzuarbeiten. Der Führungskraft kommt eine entscheidende Rolle in Bezug auf den Erfolg des Unternehmens und der Führung der Mitarbeitenden zu. Dieser Rolle kann sie aber nur gerecht werden, wenn sie lernt, eigenaktiv und selbsttätig Herausforderungen zu bewältigen und eigene Ressourcen gezielt einzusetzen. Der Aspekt der professionellen Führung und Selbstführung wird zunehmend bedeutsamer in der sozialen Arbeit. Daher ist das systemische Coaching eine Möglichkeit, um den komplexen Anforderungen und stetigen Veränderungen gewachsen zu sein und die Führungskräfte in ihrer Funktion zu unterstützen.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Einleitung
1. Der Aspekt Führung und die Führungskraft
1.1 Führungstheorien
1.2 Führungsstil und -verhalten
1.3 Gesellschaftlicher Wandel und Einflussfaktoren
1.4 Kernaufgaben einer Führungskraft
1.5 Rolle und Haltung der Führungskraft
1.6 Biografiearbeit und persönliche Einflussfaktoren
1.7 Selbstmanagement und Selbstführung
1.8 Professionalität
1.9 Führungskräfte in der sozialen Arbeit
2. Systemisches Coaching
2.1 Coaching und Systemisches Coaching
2.2 Konstruktivismus
2.3 Haltung und Menschenbild
2.4 Coachingprozess und Setting
2.5 Methoden und Interventionstechniken
2.6 Beziehungsgestaltung Coach und Klient
2.7 Ziele und Intentionen des systemischen Coachings
2.8 Systemisches Coaching in der sozialen Arbeit
3. Stärkung der Professionalität von Führungskräften durch systemisches Coaching
3.1 Methoden und Interventionstechniken
3.1.1 Bedeutung von allgemeinen Werkzeugen im systemischen Coaching
3.1.2 Systemische Fragetechniken
3.1.3 Lösungsorientiertes Arbeiten
3.1.4 Das innere Führungsteam
3.2 Professionelles Standing und Selbstbild
3.3 Selbstwirksamkeit
3.4 Rollenidentifikation
3.5 Möglichkeiten und Grenzen des systemischen Coachings für Führungskräfte
3.5.1 Die Methode „Funktionspendel“
Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Das Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, zu betrachten, welche Rolle die eigene Biografie, Sozialisierung und Umwelteinflüsse im beruflichen Kontext einer Führungskraft der sozialen Arbeit spielen und wie diese mithilfe des systemischen Coachings Professionalität erlangen kann. Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird das Thema literarisch untersucht und begründet. Neben den Inhalten zu den Führungstheorien wird gezielt die Person hinter der Führungsrolle mit all ihren persönlichen Merkmalen und Erfahrungen betrachtet sowie das systemische Coaching mit seinen Inhalten und seiner Anwendbarkeit dargestellt. Bei der Recherche zeigte sich, dass das systemische Coaching die Führungskraft dabei unterstützen kann, trotz der zunehmenden Anforderungen und den neuen Aufgaben professionell und fachlich in der Rolle zu agieren und dabei sowohl persönliche, prägende Erfahrungen – also individuelle Aspekte und Ereignisse in der Biografie und Lebensgeschichte –berücksichtigt, als auch das Gesamtsystem in Bezug auf den Führungsaspekt und ihrer Rolle ergründet. Durch das Konzept des systemischen Coachings und den Einsatz zielgerichteter Methoden kann die Führungskraft in ihrer Professionalität und ihrem Selbstmanagement gestärkt werden. Voraussetzung dafür ist die Eigenaktivität und Veränderungsbereitschaft der Führungskraft sowie die Beziehungsgestaltung zwischen Coach und Klient. Durch den Blick auf das Gesamtsystem der Führungskraft wird es möglich, neben den beruflichen Rahmenbedingungen auch soziale Beziehungen, Konflikte und persönliche Erfahrungen zu behandeln und aufzuarbeiten. Der Führungskraft kommt eine entscheidende Rolle in Bezug auf den Erfolg des Unternehmens und der Führung der Mitarbeitenden zu. Dieser Rolle kann sie aber nur gerecht werden, wenn sie lernt, eigenaktiv und selbsttätig Herausforderungen zu bewältigen und eigene Ressourcen gezielt einzusetzen. Der Aspekt der professionellen Führung und Selbstführung wird zunehmend bedeutsamer in der sozialen Arbeit. Daher ist das systemische Coaching eine Möglichkeit, um den komplexen Anforderungen und stetigen Veränderungen gewachsen zu sein und die Führungskräfte in ihrer Funktion zu unterstützen.
keywords
1. Führungskraft
2. Selbstmanagement
3. Biografiearbeit
4. Professionalität
5. systemisches Coaching
Einleitung
„Nur wenige Führungskräfte sehen ein, dass sie letztlich nur eine einzige Person führen können und auch müssen. Diese Person sind sie selbst.“
(Peter F. Drucker)
Die bildungspolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre haben zu einer Veränderung des Anforderungs- und Aufgabenprofils von Leitungen und Führungskräften geführt und dieses entscheidend geprägt. Vor dem Hintergrund der Globalisierung, der Auswirkungen des demografischen Wandels und der zunehmenden Leistungs-, Gewinn-, Effizienz- und Qualitätsorientierung in allen Bereichen des Arbeitslebens erhöht sich der Druck auf den Einzelnen, auch und insbesondere auf die Führungskraft. Die Anforderungen an Führungskräfte sind hoch – und das in vielen Bereichen. Die Selbstführung gewinnt dabei mehr an Bedeutung und die Vielfalt der Anforderungen an die Rolle wächst: Immer häufiger ist die Führungskraft gefordert, sich deutlicher in ihrer Haltung mit eigenen Zielen vor anderen zu positionieren, um eigene und unternehmerische Ziele zu realisieren. Verantwortungsbereiche werden erweitert und es gilt, unter erschwerten Bedingungen Qualität zu sichern. Führungskräfte müssen komplexe Zusammenhänge verstehen, Erfolge und Gewinne erzielen sowie eigenständige Problemlösungen herbeiführen und Handlungswege umsetzen. Gleichzeitig gilt es, Neues zu initiieren, Kundenbedürfnisse zu berücksichtigen und die Mitarbeitenden sorgsam zu führen. Es erfordert eine kompetente, empathische Selbstführung, um diesen vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden und dabei das eigene Selbst nicht zu verlieren. Eine gute Selbstführung ist daher die Basis und Voraussetzung für authentisches und kompetentes Handeln im Kontext der Organisation und in konstruktiven Beziehungen zu Mitarbeitenden, Kollegen und anderen Partnern. Sie kann nur gelingen, wenn die Führungskraft Klarheit über ihre eigenen Werte und persönlichen Ziele hat. Sie muss also professionell in ihrer Rolle und Tätigkeit agieren und auftreten. All das kann gelingen, wenn sich Leitungskräfte in ihrer professionellen Rolle sicher fühlen und zur Reflexion des eigenen Handelns bereit sind. Das setzt einen achtsamen Umgang mit sich selbst sowie eine beständig praktizierte Selbstreflexion voraus. Bewährte Räume und Möglichkeiten zur Selbstreflexion bieten gerade für Führungskräfte das Coaching, sowohl im Einzelsetting, als auch im Gruppensetting.
Mithilfe der Methoden des Coachings kann dabei unterstützt werden, einen persönlichen und passenden Führungsstil zu entwickeln und sich der Rolle als Leitfigur und der Vorbildfunktion bewusst zu werden, aber auch eine selbstreflexive und forschende Haltung einzunehmen. Denn ein klares Persönlichkeitsprofil ist zugleich die Grundlage für einen authentischen Führungsstil. (vgl. Remsperger 2016: o.S.)
Im Coaching ist es möglich, sowohl offene Fragen zur Führung ebenso wie individuelle Meinungen und Befindlichkeiten zu thematisieren, zu reflektieren und zu bearbeiten. Ziel dabei ist, durch Selbstbeobachtung und Selbstreflexion der eigenen Person und Situation eine Führungskompetenz zu entwickeln, das bisherige Selbstbild herauszuarbeiten und ein Erweitertes zu entwerfen. Die Führungskraft kann sich ihren eigenen Werten und Einstellungen bewusstwerden, ein klares Bild von sich selbst bekommen, Konfliktpotenziale erkennen und für sich Belastungsgrenzen schaffen sowie einen Wertekompass entwickeln. Führungskräfte in der sozialen Arbeit können so eine Unterstützung dabei erhalten, mit der Komplexität in der sozialen Arbeit umzugehen und Kompetenzen zu erwerben, um diesen schnellen und stetigen Veränderungen und Anforderungen gerecht zu werden. Dies ist ohne systematische und ergebnisorientierte Situations- und Selbstreflexion kaum leistbar. (vgl. Weihrauch/Kugler/Mausz/Frey 2017: S. 5ff)
Die Besonderheit und Komplexität an die Position von Führungskräften in der sozialen Arbeit zeigt sich in diesem wachsenden Bedürfnis an Managementqualifikationen, einem neuem Qualitätsbewusstsein und stetig modifizierten gesetzlichen Regelungen. Die reguläre Grundausbildung bereitet nicht auf Arbeitsbereiche wie Verwaltung, strategische Planung oder Marketing vor. Coaching bietet somit ein gutes Setting, in diesen spezifischen und aktuell relevanten Themen zu emotionalen oder faktischen Hintergründen reflektiert werden sowie problem- und emotionsorientiertes Lernen möglich sind. Durch die Systembetrachtung im Coaching ist es möglich, unterschiedliche Faktoren und Ursachen von beruflichen Krisen aufzudecken und den Kontext als zentralen Faktor in die Betrachtung mit einzubeziehen. Welche Rolle dabei dieser Gesamtkontext spielt soll im Weiteren aufgegriffen werden. Führung beginnt bei der Fähigkeit, sich selbst führen zu können und hat demzufolge immer etwas mit dem eigenen Selbst, das bedeutet, den eigenen Werten, Idealen, Haltungen, Überzeugungen, Ängsten oder Wünschen, zu tun. (vgl. Schreyögg 1996: S.55ff)
Angesichts des ständigen Wandels und der Unbeständigkeit in Bezug auf die Arbeitsanforderungen und Aufgabenvielfalt müssen Führungskräfte in hohem Maße anpassungsfähig sein, um sich auf diese Auswirkungen einstellen zu können. Das Führungsbild und insbesondere die Art, wie eine Führungskraft agiert, werden durch diese Herausforderungen entscheidend beeinflusst - Arbeit wird heute nicht mehr alleine von oben geführt, sondern von innen angetrieben. Somit kann Führung nur gelingen, wenn Führungskräfte über ein gutes Reflexionsvermögen, Selbstmanagement und Wissen über ihr Führungshandeln besitzen. Hierzu bedarf es aber neben dem eigenen Aufarbeiten und Reflektieren von individuellen Erlebnissen oder auch den Anforderungen und Erwartungen an die Führungsrolle ebenso fachlicher Unterstützung von außerhalb, um zu einer gestärkten und professionellen Führungsperson zu wachsen. Aber diese beschriebene Schlüsselrolle der Führungskraft ist nicht mehr alleine nur in der Betriebswirtschaft bedeutsam für die Qualität und Effizienz der Organisation, sondern auch zunehmend mehr in der Sozialwissenschaft thematisiert. Aus diesem Grund beleuchtet die folgende Arbeit die Rolle der Führungskräfte in Bezug auf die soziale Arbeit und damit einhergehende Besonderheiten und Charakteristika näher. Führung ist eine besondere Einstellung zur eigenen Person, zum Ich, zum Beruf und zur Rolle gegenüber allen anderen Personen im Unternehmen. Führung und Persönlichkeit sind eng miteinander verbunden.
Die folgende Arbeit setzt sowohl die Führungskraft mit ihren persönlichen Themen, als auch die institutionellen Anforderungen und theoretischen Hintergründe in den Mittelpunkt. Zu Beginn werden zunächst der Führungsgrundlagen beispielhaft anhand von Theorien und Stilen aber auch die Führungskraft mit allen Aufgaben, Kompetenzen und persönlichen Prägungen und Erlebnissen thematisiert. Weiterhin wird die Methode und Anwendung des Coachings erörtert. Hierfür werden neben dem Ansatz des systemischen Coachings auch eine Auswahl dessen Methoden, Intentionen sowie Besonderheiten charakterisiert. Abschließend wird geschaut, inwiefern die Methoden des Coachings praktisch angewandt werden können, um die Führungskraft zu stärken und zu begleiten.
1. Der Aspekt Führung und die Führungskraft
Zu Beginn werden allgemeine Grundlagen in Bezug auf den Aspekt der Führung sowie gezielt zur Führungskraft erläutert. Allgemein wird unter Führung ein Prozess verstanden, welcher die Beeinflussung oder Steuerung von Mitarbeitenden durch die Führungskraft intendiert. Führung findet im Kontext einer Gruppe statt und beinhaltet die Zielerreichung, wobei die Ziele von Führenden und Geführten gleichermaßen bedeutsam sind. (vgl. Blessin / Wick 2014: S.28ff)
Führung bedeutet, sich und andere zu organisieren und ist eine zielgerichtete Einflussnahme, welche sich sowohl strukturell, als auch personell vollzieht. Die strukturelle Führung zeigt sich hier in den Regeln und Normen des Unternehmens, der Unternehmenskultur sowie den Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen, unter denen personale Führung stattfindet. Die personale Führung steht für die Interaktionen mit den Mitarbeitenden und eine Führung durch soziale Beziehung. Der Aspekt der Beziehungsebene steht hier im Fokus. (vgl. Berger 2018 : S.77ff)
Funktionen von Führung sind, sowohl Sicherheit und Orientierung zu vermitteln als auch die Koordination und Zielerreichung zu bezwecken. Dies wird durch die wechselseitig aktivierende, ergebnis- und zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in bzw. mit einer strukturierten Arbeitsstation möglich. In welcher Form die Einflussnahme auf die Mitarbeitende wirkt, ist offen und kann in Bezug auf das Denken, Fühlen oder die Arbeitsprozesse eine Rolle spielen.
Führung und deren Entwicklung sind nie abgeschlossen, sondern müssen stetig neu erbracht werden. Führung soll nicht dem Selbstzweck oder der Selbstverwirklichung dienen, sondern dem Organisationserhalt. (vgl. Bartscher / Nissen 2017: S.108)
Als Führungskräfte werden Vorgesetzte, Partner in sozialen Interaktionsbeziehungen sowie Mitgestalter von Arbeitsstrukturen und der Unternehmenskultur definiert. Sie sind demnach Personen, die aufgrund der Unternehmensentscheidung und ihres Verantwortungsbereichs das Recht darauf haben, Mitarbeitende Weisungen zu geben. Ihr Führungsverhalten hat Auswirkungen auf den Erfolg von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. (vgl. Lieber 2017: S. 24f)
Gezielt auf den Bereich der sozialen Arbeit geschaut, umfasst die Rolle und Definition einer Führungskraft noch einmal besondere Anforderungen. Hier wird häufig zwischen Leitung und Führung unterschieden. Leitung meint hier Anweisungen geben sowie allgemein für die Aufsichts- und Kontrollpflicht zuständig zu sein.
Führung hingegen wird umfassender und größer gesehen und umfasst sowohl personale Tätigkeiten, wie fördern, motivieren, informieren, kommunizieren und anerkennen als auch instrumentelle Aufgaben, wie Zielsetzung, Organisation, Planung, Marketing, Entscheidung, Finanzierung, Kontrolle. (vgl. Klug / Kratzmann 2018: S. 85f)
Beispielsweise sind insbesondere im Elementarbereich Führungskräfte speziell für Faktoren zur erfolgreichen Leistungserbringung, wie Betriebsführung, Personal, Klienten oder die Betriebsmittel, also Ausstattung und Ressourcen, zuständig. Die Zielerreichung zeigt sich hier in den einzelnen Prozessen des Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrags. Die Führungskraft trägt Verantwortung für Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb der Einrichtung und erledigt pädagogische Aufgaben, wie den Einsatz der Mitarbeitenden oder die Erarbeitung, Umsetzung und Evaluation des pädagogischen Konzeptes. Auch die Steuerung praktischer Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kitaalltag und Verwaltungsaufgaben, wie Zusammenarbeit mit dem Träger, Personalverwaltung, Ausstattung und effiziente Verwendung der finanziellen Ressourcen werden als Aufgaben in der Leitungs- und Führungsarbeit verstanden. (vgl. Riecke-Baulecke 2018: S.5f)
Das Beispiel des Elementarbereichs zeigt warum es gerade in der sozialen Arbeit aufgrund des so breiten Aufgaben- und Tätigkeitsfeldes bedeutsam ist, die innere Haltung mit Blick auf den Aspekt Führung und in Bezug auf die eigene Person reflektieren zu müssen. Jede Führungskraft hat ein inneres Bild von sich als Leitungsfigur sowie eigene Leitbilder des Leitens und Führens.
Das Führungs- und Leitungshandeln wird von subjektiven Theorien und mentalen Modellen zu bestimmten Themenfeldern bestimmt und beeinflusst dadurch das Handeln der Führungskräfte. Eine Führungskraft übernimmt Verantwortlichkeiten, Koordination und Steuerung von Veränderungsprozessen. Sie analysiert gruppendynamische Prozesse und baut Netzwerke auf. Die Führungskraft muss in ihrer Tätigkeit stets die Balance zwischen dem Kernziel der Organisation und den Bedarfen der Zielgruppe und den Mitarbeitenden halten. Führung bedeutet auch, die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden mithilfe von Kommunikation und Interaktion zu gestalten und durch einen gemeinsamen Abstimmungsprozess den Rahmen für Richtlinien in Bezug auf die gemeinsame Team- und Arbeitskultur zu entwerfen. Somit ist eine Kommunikationskultur als Bestandteil der Unternehmenskultur zu leben, in der Wertschätzung, Empathie, Kongruenz und Nondirektivität Basis der gemeinsamen Arbeit sind. (vgl. Brodowski 2018: S. 40ff)
Leiten gelingt somit durch Führen. Denn durch sie wird Begeisterung, Mitgefühl, Achtsamkeit, Mitgestaltung und Partizipation in der Führungsarbeit möglich. (vgl. Rabenstein 2014: S. 325)
Führen wird demnach als ziel- und ergebnisorientierte, aktivierende und wechselseitige soziale Beeinflussung zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in und mit einer strukturierten Arbeitssituation verstanden, welche zum Handeln animiert. Eine Führungskraft bedarf sozialer, methodischer, strategischer und fachlicher Kompetenz. (vgl. Dieckbreder / Koschmider / Sauer 2014: S. 122f)
In diesem Kapitel wird genauer analysiert, welche Eigenschaften, Haltungen, Stile und Rollenbilder eine Führungskraft innehat – und welchen äußeren Einflüssen sie unterliegen. Zunächst aber folgt ein Blick auf die diversen Strömungen in der Führungstheorie.
1.1 Führungstheorien
In Bezug auf Führung können verschiedene klassische und neue Theorien differenziert werden. Als etablierte Theorien gelten die Eigenschafts-, Verhaltens-, sowie die Kontingenztheorie, auch Situationstheorie genannt - in den vergangenen Jahren sind die Theorien der charismatischen Führung sowie der konstruktivistische Ansatz hinzugekommen. (vgl. Lieber 2017: S. 64)
Führungstheorien unterscheiden sich demnach in ihren Ansätzen: Es gibt personalistische Führungsansätze, die die Persönlichkeitsdisposition der Führungskraft im Zentrum sehen, aber auch verhaltensorientierte Führungsansätze, bei denen Muster von Verhaltensweisen im Führungsstil vordergründig sind. Die Kontingenzansätze der Führung hingegen verfolgen den situativen Führungsstil. Zudem gibt es noch die Rollentheorie, die sich durch die Rollenerwartungen an die Führungskraft und deren Verhalten kennzeichnet, und die symbolische Führung durch die systemtheoretische Führungstheorie, diese weisen darauf hin, dass Mitarbeiterführung auch durch Symbole und Symbolisierung wirken kann. Es kommt nicht allein darauf an, was im Führungsprozess geschieht, sondern auch darauf, wer dies wie tut. (vgl. Blessin / Wick 2014: S.42ff)
Im Weiteren werden die Merkmale der einzelnen Theorien kurz dargestellt und erläutert. Hier werden besonders Ansätze fokussiert und detaillierter erläutert, die die Person in den Blick nehmen, da diese Grundideen bedeutsam für die zu untersuchende Fragestellung sind.
Die Verhaltenstheorie sieht die Aufgaben- und Zielerfüllung oder Mitarbeiter- und Bedürfnisorientierung im Blick. Die Kontingenztheorie verfolgt den Ansatz, dass die Anpassung der Verhaltensweisen der Führungskraft an die jeweiligen Situationen und Anforderungen bedeutsam für eine erfolgreiche Führung sind. (vgl. Brodowski 2018:S. 46f)
Die Eigenschaftstheorien guter Führung benennen ein hohes Energieniveau und eine große Stresstoleranz. Führungserfolg ist demnach von den Persönlichkeitseigenschaften der Führungskraft abhängig. Mitarbeitermerkmale oder die jeweilige Arbeitssituation sind nicht relevant für den Führungs- und Unternehmenserfolg. Demnach sind biografische Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Integrität, Verträglichkeit oder Dominanz, aufgabenbezogene Merkmale wie Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, Gewissenhaftigkeit oder Frustrationstoleranz sowie kognitive Fähigkeiten wie Intelligenz und schulische Leistungen der Führungskraft zentrale Erfolgsmerkmale und Grundlage der Eigenschaftstheorie. Die Führungskraft verfügt über Selbstvertrauen und Selbstbestimmung, emotionale Reife und Stabilität sowie über Integrität, Erfolgs- und Machtstreben, um gemeinsame Bedürfnisse befriedigen zu können und sichert dadurch den Unternehmenserfolg. (vgl. ebd. S. 45f)
Personalistische Führungsansätze sind aus der Eigenschaftstheorie entstanden. Sie verfolgen den Gedanken, dass Eigenschaften der Führungskraft, die Erfolg versprechen – zum Beispiel Offenheit, emotionale Stabilität, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Persönlichkeitsmerkmale wie Intelligenz, Bildungsniveau, Selbstvertrauen, Charakterstärke oder Sozialkompetenz – entscheidend und beeinflussend für das Führungshandeln sind. Dabei sind die gezeigten Eigenschaften zeit- und situationsvariabel und stellen nur einen Varianzanteil von Führung dar. Es müssen stets der Gesamtkontext und das System betrachtet werden, in diesem Führung gelingen kann. Denn Eigenschaften sind unterschiedlich stabil und jede Führungskraft hat eigene typische und charakteristische Verhaltensmuster. (vgl. ebd. S.49ff)
Die konstruktivistischen Ansätze der Führungstheorien legen den Fokus auf die Rolle und Identität der Führungskraft. Jede einzelne Person wird durch die Gesellschaft geprägt, wodurch die Rolle der Führungskraft mit einer charakterisierten Position und damit verbundenen Erwartungen geprägt ist.
Der konstruktivistische Ansatz verfolgt den Gedanken, dass Verhalten standardisiert ist und sich durch schematische Handlungsweisen zeigt, dieser wird im zweiten Kapitel noch einmal genauer erörtert.. (vgl. Brodowski 2018: S.151ff)
Die charismatische Führung steht für den gezielten Einfluss auf die Mitarbeitende und deren Verhaltensweisen. Die Führungskraft beeinflusst Stress- und Krisensituationen, Transformationsprozesse sowie Innovationen durch unbewusste oder bewusste Emotionen. Dieser Ansatz ist geprägt von der Beziehung von Geführten und Führenden. Die Führungskraft zeigt Dominanz, Selbstvertrauen, Einflussstreben und Glauben an eigene Fähigkeiten und Werte als charakteristische Merkmale und verfügt über starke kommunikative Fähigkeiten, welche auf die Mitarbeitergruppe adaptiert werden können. Die Führungskraft hat Zuversicht und Vertrauen in ihre Mitarbeitenden, spricht Emotionen dieser an und aktiviert dadurch Handlungsmotive und Leistungserwartungen. Dies führt dazu, dass die Mitarbeitenden stets abhängig von der Führungskraft und deren Anerkennung, Bestärkung und Leitung sind. (vgl. ebd. S.112f)
Die Kontingenz- bzw. Situationstheorie sieht den Unternehmens- und Führungserfolg nicht nur von der Persönlichkeit und vom individuellen Verhalten abhängig, sondern auch von der gezielten Führungssituation. Demnach ist es nicht hilfreich, einen konstanten Führungsstil für die einzelnen Situationen zu führen, sondern diesen an die Erfordernisse und Umstände anzupassen. (vgl. Bartscher / Nissen 2017: S.111f) Die Führungskraft braucht also ein Bewusstsein über ihr Führungshandeln aber auch die notwendige Varianz dieser, um ihren Anforderungen gerecht zu werden.
Soziale Arbeit ist geprägt von den gesellschaftlichen Einflüssen und dem damit einhergehenden stetigen Wandel, wodurch auch das Führungsverhalten stets wandelbar sein muss. Nach der Betrachtung der verschiedenen Führungstheorien zeigt sich, dass der Gesamtkontext und das Variieren von Theorien besonders bedeutsam für das Führungsagieren sind. Daher folgt auf diesen Überblick über die Führungstheorien ein Blick auf die Stile und das Verhalten von Führungskräften.
1.2 Führungsstil und -verhalten
Eine Führungskraft kann durch ihren Führungsstil einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg der Einrichtung haben: Gut geführte Mitarbeitende sind zufriedener, motivierter und engagierter. Die Organisation, die Führungskraft, die Mitarbeitenden und die jeweiligen Aufgaben bedingen auch immer einen bestimmten Führungsstil.
Hierbei geht es weniger darum, die Eigenschaften einer Führungskraft in den Blick zu nehmen, sondern ihr Handeln. Grundidee ist es, dass unterschiedliche Aufgaben unterschiedliche Reaktionen seitens der Führungskraft erfordern. Gleichzeitig ist der Führungsstil abhängig von Art, Größe, Zielen und Tradition der Organisation. Der Führungsstil kann entweder an den Aufgaben oder den Mitarbeitenden orientiert werden: Die aufgabenorientierte Führungskraft strukturiert Aufgaben vor, legt Ziele fest und definiert Wege, um diese Ziele zu erreichen. Sie ist sehr sachorientiert und kontrolliert regelmäßig ihre Mitarbeitenden. Im mitarbeiterorientierten Führungsstil wiederum kommen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, ein respektvoller und wertschätzender Umgang und ein Interesse für deren private Belange zum Tragen. Allgemeiner lassen sich zwei unterschiedliche Leitungstypen klassifizieren: die Herrscherin und die Führerin.1 Macht und Stärke, Dominanz und Unterdrückung, ein Arbeitsklima, in diesem wenig Miteinander, Angst und Schrecken, Neid und Missgunst, Macht und Ohnmacht herrschen, stehen für den Führungsstil und das -verhalten der Herrscherin. Die Führerin agiert wiederum kompetent und zuverlässig, schafft eine hohe soziale Motivation und ein Miteinander im Team. Vertrauen und Zusammenhalt sind ihre Schwerpunkte. (vgl. Fischer 2006: o.S.)
Ferner können Führungsstile nach dem Sozialpsychologen Kurt Lewin noch einmal präziser differenziert werden. Seine Grundgedanken zum autoritären, zum laissez-faire und zum demokratischen, auch kooperativen, Führungsstil stellen Bratscher und Nissen in ihrem Werk vor. Unter dem autoritären Führungsstil gehen Anweisungen, Anordnungen und Entscheidungen nur vom Vorgesetzten aus.
Der laissez-faire-Stil lässt den Mitarbeitenden die Freiheit, über Aufgaben, Organisation und Informationsweitergabe mitzuentscheiden und zu wählen. Jedoch erhalten diese keinen Eingriff vom Vorgesetzten bei Unstimmigkeiten oder Konflikten. Unterweisungen und das Miteinbeziehen in Arbeitskontexte und ein Klima, in diesem offen, Meinungen und Kritik geäußert werden können, steht für den demokratischen Führungsstil. Bei diesem werden die Gruppenzugehörigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden gestärkt und die besten Motivations- und Leistungsergebnisse erzielt. Der demokratische, auch kooperative, Führungsstil genannt, fördert die Motivation der Mitarbeitenden, kann aber auch das schnelle Handeln verhindern. (vgl. Bartscher / Nissen 2017: S.116f)
Weiterhin ist es möglich diese drei Stile noch einmal präziser zu charakterisieren, denn. Fischer formulierte vier Führungsstile, die gezielt im Bereich der sozialen Arbeit zu finden sind. Diese rückt in ihren Ansätzen noch einmal gezielt das Team sowie das Führungsshandeln in den Blick. (vgl. Fischer 2006: o.S.)
Beim Laissez-faire-Stil ist die Führungskraft sehr passiv. Sie äußert weder Kritik noch Anerkennung und gibt den Mitarbeitenden wenig Rückmeldung. Ihr Verhalten wirkt gleichgültig. Es finden kaum Möglichkeiten für Entscheidungsprozesse statt, wodurch unter den Mitarbeitenden eine Atmosphäre von Rücksichtslosigkeit, Lustlosigkeit und Aggression entstehen kann. Die Arbeit hat wenig Kontinuität und wirkt bisweilen strukturlos. (vgl. ebd. o.S.)
Der autoritäre Leitungsstil kennzeichnet sich durch eine hohe Leistungs- und eine niedrige Mitarbeiterorientierung. Die Führungskraft lässt anderen wenige Entscheidungsspielräume, sie lässt wenig Arbeitsfluss zu und dirigiert ihre Mitarbeitenden. Befehle, Kritik und Anerkennung werden auf der Beziehungsebene kommuniziert und es gibt wenig Absprachen, weshalb Arbeitsaufträge oft nicht nachvollziehbar für die Mitarbeitenden sind. Es besteht das Risiko einer erhöhten Reizbarkeit im Team und einer aggressiven Stimmung. Dadurch schein unter den Mitarbeitenden wenig Eigeninitiative möglich; sie sind anweisungsorientiert und zeigen ein ambivalentes Verhalten zwischen übertriebener Unterwürfigkeit bis hin zu Rebellion. (vgl. ebd. o.S.)
Der partnerschaftliche Leitungsstil schafft viel Spielraum zur Eigeninitiative und fördert somit die Selbstständigkeit des Teams. Bei Entscheidungsprozessen wird das gesamte Team einbezogen, Kritik und Anerkennung werden auf der Sachebene ausgesprochen. Dies ermöglicht einen verständnisvollen Umgang und eine Basis, auf der mit Gefühlen kommuniziert wird, Teammitglieder sich gegenseitig unterstützen sowie freundlich und hilfsbereit miteinander agieren. Die Mitarbeitenden haben eine persönliche Ebene zur Leitung und das Team zeichnet sich durch Konfliktfähigkeit und konstruktive Zusammenarbeit aus. (vgl. ebd. o.S.)
Der patriarchalische Führungsstil wird von Fischer ergänzt und kennzeichnet sich durch einen elterlichen Führungsstil und eine aktive Leitungskraft. Diese leitet matriarchalisch und fürsorglich, lässt aber wenig eigene Entscheidungsspielräume, wodurch das Team unselbständig wirkt. Kommunikation im Team findet auf einer familiären Ebene statt. Die Führungskraft hat die alleinige Führungsinstanz und lebt keine Partizipation in ihrem Führungsverhalten.
Sie sieht sich in der Treue- und Versorgungspflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden und lebt ein autoritäres oder autoritatives Verhalten. (vgl. ebd. o.S.)
Abschließend zeigt sich, dass neben den theoretischen Führungsgrundlagen auch das Verhalten und der Stil, wie eine Führungskraft im Alltag ihre Mitarbeitenden führt und leitet, entscheidend für den Unternehmenserfolg und die Führung der Mitarbeitenden sind. Nachdem nun Eingangs die Grundlagen in Bezug auf Führung, Führungskräfte sowie Führungstheorien und -stile thematisiert wurden, folgt nun der gezielte Blick auf den gesellschaftlichen Wandel sowie die Einflussfaktoren der Führungskräfte in der sozialen Arbeit.
1.3 Gesellschaftlicher Wandel und Einflussfaktoren
Die Führungskräfte in der sozialen Arbeit haben in den vergangenen Jahren zunehmend ein Mehr an Aufgaben und steigende Anforderungen in Bezug auf ihre Tätigkeit und Arbeitsfeld erfahren. Personalentwicklung, Qualitätsmanagement, die länderübergreifenden Bildungspläne oder veränderte Familien- und Lebensformen sind Themen, mit denen heutige Führungskräfte in der sozialen Arbeit konfrontiert werden. Die Veränderungen in unserer Gesellschaft und Erziehung haben zu gestiegenen Anforderungen und zu einer erhöhter Lösungserarbeitung geführt – Bildung und soziale Arbeit unterliegen einem Veränderungsdruck. Durch diese gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen im sozialen Bildungsbereich sind Führungskräfte zunehmend gefordert, die Qualität der eigenen Arbeit zu prüfen und sie effizienter zu gestalten. Um dies professionell und kompetent zu meistern, bedarf es der gezielten Reflexion der eigenen Person sowie der Analyse und Planung von Prozessen und dem eigenen Führungshandeln. Lösungskompetenz und Anpassungsfähigkeit sind entscheidende Elemente für die erfolgreiche Bewältigung des Wandels und eine angemessene Reaktion auf die Einflussfaktoren. Neben Weiterbildung ist auch situatives und fallbezogenes Lernen essenziell, um individuelle und systembezogene Lernprozesse zu schaffen, durch die Führungskräfte Veränderungsperspektiven, Handlungsstrategien, Reflexionsfähigkeit oder auch die Erarbeitung von Wissen entwickeln und fördern können. (vgl. Krall 2008: S.17ff)
Die Rahmenbedingungen in der sozialen Arbeit zeigen sich darin, dass effiziente Managementstrukturen entwickelt und stetig überprüft werden müssen, um dem Veränderungsdruck und den Herausforderungen gerecht zu werden.
Inklusion, flexible Öffnungszeiten, Sprachförderung und Wettbewerbsfähigkeit sind Aspekte, die die aktuelle pädagogische Arbeit prägen.
Aber auch gesellschaftliche und politische Veränderungen wie die Vielfalt der Familienformen, die Gestaltung von Elternzeit und Berufstätigkeit, zunehmende Armut von Kindern oder die wachsende multikulturelle Gesellschaft fordern die Führungskräfte. Das veränderte Bildungsverständnis, ein Rechtanspruch für Betreuung und der Zuwachs an Familienzentren sind zudem bildungspolitische und pädagogische Entwicklungen, die zu berücksichtigen sind. Zentralen Einfluss auf die Führungskräfte haben aber wohl die ökonomischen Bedingungen; hier sind Entscheidungen in Bezug auf die Finanzierung und das Personalmanagement, die Personal-Kind-Relation sowie Aspekte in der Gestaltung der frühkindlichen Bildung zu nennen. Durch die Besonderheit, dass im sozialen Bereich eher flache Hierarchien und kleinere Organisationseinheiten die Regel sind, ist besonders für Führungskräfte der Fokus auf Teamstruktur, Mitbestimmung und Qualifikation der Fachkräfte zu legen, um den prägenden und aktuellen Entwicklungen und Anforderungen kompetent zu begegnen. (vgl. Dieckbreder / Koschmider / Sauer 2014: S. 11ff )
Gesellschaftlicher Wandel heißt, Führungskräfte müssen sich diesem stets anpassen, sie sind immer wieder gefordert und stets im Wandel. Damit einhergehend sollten diese in einem stetigen Prozess der Persönlichkeitsentwicklung, sich selbst als Person fördern, neugierig und lernfähig sein, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Welche Führungskompetenzen und -aufgaben relevant sind, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, soll im weiteren Verlauf thematisiert werden.
1.4 Kernaufgaben einer Führungskraft
Die zuvor beschriebenen Veränderungen der Anforderungen haben Auswirkungen auf die bisherigen, aber auch die zukünftigen geforderten Kompetenzen. Gleichzeitig haben sie zu einem Wandel der Funktion der Führungskraft geführt. Demnach haben Führungskräfte nicht mehr nur die Aufgabe zu leiten, vielmehr geht es auch um das Management im Sinne von Administration, Planung und Ressourcenzuordnung. Es bedarf situativen und adaptiven Führungskompetenzen, um den Veränderungen mit Flexibilität zu begegnen und zeitgleich Ordnung und Konsistenz im Unternehmen sicherzustellen. (vgl. Lieber 2017: S. 267f)
Führungskräfte in der sozialen Arbeit sind zentrale Schlüsselfiguren für die Qualität in der Betreuung, Bildung und Erziehung sowie dafür zuständig, den gesetzlichen Auftrag und die Einhaltung pädagogischer Standards sicherzustellen. Dadurch sind sie, je nach Situation, mit unterschiedlichen Aufgaben konfrontiert. Einerseits ist es ihre zentrale Führungssaufgabe, Menschen zu führen, auf diese Art und Weise geben sie Weisungen, moderieren Diskussionen, delegieren Aufgaben oder fördern ihr Personal andererseits müssen sie jedoch auch Prioritäten setzen und Entscheidungen treffen, die Einrichtung repräsentieren, Prozesse steuern, Ergebnisse erfassen und analysieren und sich selbst dabei nicht aus den Augen verlieren. Übergreifend sind in erster Linie Qualitätsentwicklung in Bildung, Betreuung und Erziehung auf Basis des Leitbildes und des Konzeptes, Personalführung und -entwicklung, Organisation und Verwaltung sowie Öffentlichkeitsarbeit ihre Kernaufgaben. Schließlich tragen sie auch die Verantwortung für das Erreichen definierter Ziele der Organisation und der dafür notwendigen Prozesse, müssen gleichzeitig aber auch unterschiedliche Perspektiven einnehmen können, um differenzierte und umfassende Analysen zu treffen und angemessene Konsequenzen zu finden. Um den Aufgaben gerecht zu werden und den Überblick zu behalten, brauchen Führungskraft ein hohes Maß an Selbstreflexion sowie ein gutes Selbstmanagement. Außerdem bedarf es einer Eigenaktivität und einer gelebten Autorität durch eine starke persönliche Haltung, um den Spagat zwischen Teammitglied, Vorgesetzter und Bindeglied zwischen Trägerschaft und Einrichtung zu meistern. (vgl. Riecke-Baulecke 2018: S. 16ff)
Nach dem Professor für Leitung und Management frühkindlicher Bildungseinrichtungen Michael Brodowski lassen sich zehn Verantwortungsbereiche für das Aufgabenspektrum von Führungskräften in der sozialen Arbeit benennen: Personalentwicklung, normatives und strategisches Management, teamorientiertes und operatives Management und das Management interner und externer Komplexität, dass die Aufgabenteilung und -verteilung in Hinblick auf die steigenden Anforderungen umfasst. Ebenso benennt er die Steuerung von Entwicklungs- und Lernnetzwerken durch Lernprozesse innerhalb der Kindertagesstätte, Rahmenbedingungen und Impulse für Lernräume sowie das Management von finanziellen und personellen Ressourcen als weitere Kernaufgaben. Als letzten Punkt führt er das Management von Entscheidungsprozessen und dessen Wirkung ab, das durch Fehlermanagement, Controlling und Kommunikationskultur umgesetzt wird.
Führungskräfte in der sozialen Arbeit sind im Spannungsfeld zwischen Aufgaben der Leitung und den Auflagen auf Seiten des Trägers, aber auch den steigenden Ansprüchen seitens Politik, Gesellschaft, Eltern und Kindern tätig. Es fehlt meist eine klare Aufgabenbeschreibung für die Führungsrolle. Sie brauchen daher grundlegende Fähigkeiten in der Personal-, Führungs-, Budget- und Organisationskompetenz. (vgl. Brodowski 2018: S.56ff)
Strehmel und Ulber nehmen eine weitergehende Übersicht über die Aufgaben einer Führungskraft beispielhaft für den Elementarbereich vor. Nach diesen geht es in der Führungsrolle darum, Aufgaben zu erfüllen, in diesem übernimmt die Führungskraft die pädagogische Leitung, initiiert Prozesse, stellt Angebote sicher, organisiert Abläufe, setzt Impulse aus aktuellen Fachdiskursen und neue Anforderungen um und trägt das Management und die Verantwortung der rechtlichen Vorschriften. Ein weiterer Baustein ist die Führung der Mitarbeitenden. Diese umfasst neben dem Personalmanagement auch dessen -pflege und -bestand, dessen professionelle Weiterentwicklung, Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit zu ermöglichen sowie den Blick über die personellen Ressourcen zu behalten. Die Zusammenarbeit mit Träger, anderen Kita-Leitungen, Eltern, anderen Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe und mit dem Sozialraum sowie die Vernetzung mit Fachberatungen und Unterstützungssystemen, Fach- und Hochschulen sind ebenso Kernaufgaben. Hinzukommt die Entwicklung der Organisation durch das Anpassen von Strukturen und Abläufen, das Verändern der Alltagsorganisation aber auch das Einbringen neuer Themen, konzeptionelle Überlegungen, strukturelle Veränderungen und die Umgestaltung von Regeln und Abläufen. Eine Führungskraft muss einen strategischen Rahmen haben, in diesem sie Visionen entwickelt, den Sozialraum, fachliche Anforderungen oder Rahmenbedingungen und Trends beobachtet und daraus Schlussfolgerungen für die eigene Arbeit zieht. Abschließend ist wohl ein entscheidender Faktor die Selbstführung. Diese zeigt sich in der Selbstsorge und dem Selbstmanagement, dem Ausbalancieren von Beruf und Privatleben und in der Reflexion der eigenen Arbeit. Das heißt, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement sowie die eigene Selbstsorge durch ein Krisen- und Stressmanagement sowie Selbstentwicklung der eigenen Karriere sind zentrale Elemente der Selbstführung. (vgl. Strehmel in Viernickel et. al. 2015: S. 156ff)
Die Führungskompetenz zeigt sich somit in einer Förderungsbereitschaft, der Motivations- und Kommunikationsfähigkeit, Informationskompetenz und der Fähigkeit zu Nähe und Distanz in Bezug auf ihre Mitarbeitenden.
Mithilfe eines ausgewogenen Zusammenspiels von Leistungs- und Aufgaben- sowie Partizipations- und Mitarbeiterorientierung kann die Führungskraft ihre Aufgaben bedarfs- und adressatenorientiert erfüllen. Hierdurch wird noch einmal die Komplexität der Aufgabenerfüllung einer Führungskraft deutlich. Im Weiteren wird aufgezeigt, welchen Einfluss die eigene Rolle und Haltung der Führungskraft auf ihre Professionalität und ihren Arbeitskontext haben.
1.5 Rolle und Haltung der Führungskraft
Nach der allgemeinen Übersicht der Aufgaben einer Führungskraft wird deutlich, wie bedeutsam die Person hinter der Rolle ist. Welchen Führungsstil, welche Haltung oder auch wie sie ihre Funktion und Rolle in der Position als Führungskraft sieht, hat Einfluss auf ihre gesamte Tätigkeit und Aufgabenerfüllung. Demnach soll im Folgenden gezielt geschaut werden, welche Rolle und Haltung eine Führungskraft aufzeigen muss, um professionell zu agieren. Als berufliche Haltung werden alle Handlungsorientierungen im beruflichen Kontext verstanden, somit stehen diese für das berufliche Selbstverständnis und die individuellen Wertepräferenzen. Alle Haltungen beeinflussen das Führungshandeln. Sie entstehen durch Persönlichkeitsentwicklung, berufliche Qualifizierung, Sozialisation sowie Beeinflussung durch Arbeitsanforderungen. Die unterschiedlichen Haltungstypen sind in Abhängigkeit von den jeweiligen disziplinären Wurzeln und Qualifikationswegen, dem beruflichen Bildungsweg und den jeweils dazugehörigen Anforderungen geprägt. (vgl. Strehmel 2017: S. 112ff)
Die berufliche Haltung im sozialen Bereich kann nach Strehmel in drei Formen unterteilt werden: Fürsorglichkeit, Management und Leadership. Für die Führungskraft mit der fürsorglichen Haltung sind persönliche Beziehungen und Interaktionen bedeutsam. Die Führungskraft sieht sich als Teil des Teams und verfügt über eher niedrige Kompetenz in Management und Betriebsführung.
Der Typus Management legt großen Wert auf Strukturen und Funktionen der Einrichtung. Es gibt eine klare Aufgabentrennung zwischen Leitung und Team und sie sieht ihre Position klar als Führungskraft.
Der Typus Leadership richtet sein Handeln an pädagogischer Fachlichkeit und Teamführung aus. Die Führungskraft hat Kompetenzen in Managementaufgaben und der pädagogischen Leitung und führt daher eine struktur- und teambezogene Haltung und Führung.
Im Arbeitskontext sind ihr organisationale Strukturen und die Einbeziehung des Teams wichtig. (vgl. ebd. S. 112ff)
Neben der Haltung einer Führungskraft sind ebenso ihre Rolle, die Erwartungshaltung sowie Ausübung zentral. Die Rollentheorie sieht die Person im Zentrum der Rollenerwartung und deren Prägung durch verschiedene Systeme. Innere Erwartungen durch Kollegen, Vorgesetzte und die Organisation sowie äußere Erwartungshaltungen durch gesellschaftliche Normen, Familie und Freunde, aber auch Freizeit- und soziale Aktivitäten spielen hierbei eine entscheidende Rolle. (vgl. Blessin / Wick 2014: S.151ff)
Allgemein steht die soziale Rolle für eine Position und damit verbundene Erwartungshaltungen von außen oder durch sich selbst. Dabei ist bedeutsam, dass diese Erwartungshaltungen und Anforderungen vielschichtig sind. Bei der Übernahme einer neuen Position muss der Betroffene seine bisherigen Rollen überdenken oder neu definieren. Besonders Führungskräfte müssen sich mit fremden und eigenen Erwartungen an ihre Führungsrolle kritisch auseinandersetzen. Oftmals stehen diese im Rollenkonflikt mit sich selbst, da ihr eigenes Rollenverständnis von Führung anders als das von Außenstehenden und deren Erwartungen ist. Gerade im sozialen Bereich ist die Besonderheit, dass die Führungskräfte sowohl Bildungseinrichtung, Service-Einrichtung als auch Sozialisationsraum sind. Demnach sollten sie die Balance zwischen Anforderung, Unterstützung und Orientierung an den Adressaten meistern, transparent und klar in ihrer Rolle sein und ein angemessenes Verständnis von Fordern und Fördern leben. Ihre Führungsrolle ist also zwischen Kohäsion (Beziehungsaspekt und -gestaltung in der Arbeit) und Lokomotion (Sachaspekt, Gruppen- und Einrichtungsziele) anzusetzen. (vgl. Möller / Schlenther-Mölller 2014: S. 11ff)
Ein Rollenkonflikt kann ebenso entstehen, wenn widersprüchliche Erwartungen auf eine Person treffen. Ferner kann zwischen interrollen und intrarollen Konflikten sowie den Person-Rollen-Konflikten differenziert werden. Nimmt die Führungskraft verschiedene Rollen, beispielsweise die der Leitung, Kollegin und Vorgesetzten ein, können interrollen Konflikte aufgrund von verschiedenen Erwartungen an sie gestellt werden. Intrarollen Konflikte hingegen entstehen, wenn ein Konflikt innerhalb einer Rolle, also nur als Führungskraft oder Partnerin auftritt. Stimmen Erwartungen an eine Rolle nicht mit eigenen persönlichen Werten, Wünschen oder Fähigkeiten überein, wird vom Person-Rollen-Konflikt gesprochen. (vgl. Lieber 2017: S.73f)
Nach dem Überblick über die Rollentheorie wird nun noch einmal die gezielt die Haltung der Führungskraft sowie deren Einflüsse auf ihre Professionalität betrachtet.
Eine sichere Haltung zeigt sich in einer belastbaren Identität, die sich stetig weiterentwickelt, und in der detaillierten Auseinandersetzung mit den jeweiligen Anforderungen und Erwartungen in den verschiedenen Bereichen des Aufgabenprofils. Eine professionelle Haltung erfordert die krisenhafte Auseinandersetzung mit Werten und Zielen sowie die Übernahme von Verpflichtungen und die Bindung an Werte. Neben intensiven Explorations- und Reflexionsprozessen ist außerdem eine emotionale Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Position als Führungskraft entscheidend, um sowohl die professionellen Standards und Qualitätsansprüche als auch einrichtungsspezifische Vorstellungen und die eigene Position in Einklang zu bringen. (vgl. Strehmel / Ulber 2017: S. 107ff)
Die eigene Haltung mit den dazugehörigen persönlichen Werten und Überzeugungen steuert dabei die individuelle Wahrnehmung und den Umgang mit Situationen. Eine selbstkongruente Haltung meint demnach, den Arbeitsalltag passend zur eigenen Persönlichkeit zu gestalten. Eine professionelle Haltung wird also durch die systematische und methodisch fundierte Reflexion der eigenen (Berufs-)Biografie und Praxis möglich. (vgl. Kruse-Heine 2017: o.S.)
Demnach zeigt sich, dass die Rolle und Haltung der Führungskraft entscheidend durch ihre persönliche Entwicklung und Biografie geprägt werden. Wie genau daher Biografiearbeit und die persönlichen Einflussfaktoren die Rolle der Führungskraft in ihrer Tätigkeit beeinflussen, wird im nächsten Punkt erörtert.
1.6 Biografiearbeit und persönliche Einflussfaktoren
Die Rolle und Haltung einer Führungskraft werden entscheidend durch ihre Werte geprägt. Deshalb wird im Weiteren aufgezeigt, wie bedeutsam die Biografie für eine professionelle Führungskraft und deren Stil und Verhalten ist. Unter Biografie wird allgemein die mündliche oder schriftliche Lebensbeschreibung einer Person verstanden. Sie umfasst daher nicht nur grundlegende Daten, sondern charakterisiert sich auch durch den Umstand, dass die Bedeutung und Interpretation der einzelnen Ereignisse und dessen Entwicklung bedeutsam für die gesamte Persönlichkeit sind.
Biografien sind bedeutungsstrukturiert, das heißt, sie sind individuell geprägt und basieren auf sequenziellen Erfahrungen.
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1 Hier wird im Weiteren die weibliche Form verwendet, da diese aufgrund der Zitation der genannten Quelle basiert.
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