Bewegt sich die EU doch durch eine pandemiebedingte, gemeinsame Verschulung weiter in Richtung Vereinigte Staaten von Europa? Wie ist die aktuelle Lage und wie stark sind die EU-Staaten derzeit vereinigt? Was sagen der EU-Vertrag (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) bezüglich eines vereinten Europas? Was sagt das deutsche Grundgesetz (GG) bezüglich eines vereinten Europas? Was spricht für und gegen die Vereinigten Staaten von Europa – Pro und Contra.
Heute ist die EU ein Staatenverbund aus 27 europäischen Staaten, die souverän agieren. Ihr Zielkatalog umfasst primär die Wahrung der Stabilität und der kollektiven Sicherheit in Europa sowie der Grundsätze der UN-Charta und des Völkerrechts (Art. 2, 3 EUV). In Anbetracht dieser Werte hat die EU charakteristisch stets neben der wirtschaftlichen Integration das Ziel verfolgt, einerseits sich geografisch zu erweitern, andererseits parallel zu politischen Entwicklungen sich dementsprechend rechtlich-institutionell zu vertiefen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Was ist „die EU“?
3 Was sind „die Vereinigten Staaten von Europa“?
4 Aktuelle Lage der EU – „souverän“ oder „vereint“?
5 Wie stehen der EUV und AEUV zu einem vereinten Europa?
6 Wie steht das GG der BRD zu einem vereinten Europa?
7 Was sind die Vorteile der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa?
8 Was sind die Nachteile der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa
9 Fazit
10 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Bei dem Scheidungsdrama zwischen der EU und den Briten schauen alle EU-Bürger schon seit 2016 fassungslos zu. Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs ( Brexit ) erfolgte am 31. Januar 2020 endgültig. Großbritannien ist jetzt seit dem 01. Januar 2021 weder Teil des EU-Binnenmarktes noch der Zollunion. Noch weiß niemand, wie es mit der europäischen Einigung weitergehen wird. Wäre es nicht schöner, wenn nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen würde, sondern die übrigen EU-Mitgliedstaaten sich noch enger rücken würden. Manche wünschen sich sogar die Vereinigten Staaten von Europa.
Dieser Wunsch polarisierte und polarisiert die Diskussionen über die Zukunft der EU europaweit wie kaum ein anderes Thema zuvor. Zunächst ist zu konstatieren, dass das Projekt Europa ein langer Prozess und ein Weg voller Hindernisse ohne Finalität ist. Zuerst wurde 1951 die Montanunion, nämlich die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet. Als nächstes entstanden die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) durch die Römischen Verträge von 1957. Dies folgte schließlich die Gründung der Europäischen Union (EU) durch den Vertrag von Maastricht von 1992 als Dachorganisation für diese Organisationen, daher für die Europäischen Gemeinschaften (EG). Infolge der europäischen Integration entwickelte sich die EU allmählich von einer wirtschaftlichen zu einer politischen Union.
Heute ist die EU ein Staatenverbund aus 27 europäischen Staaten, die souverän agieren. Ihr Zielkatalog umfasst primär die Wahrung der Stabilität und der kollektiven Sicherheit in Europa sowie der Grundsätze der UN-Charta und des Völkerrechts (Art. 2, 3 EUV). In Anbetracht dieser Werte hat die EU charakteristisch stets neben der wirtschaftlichen Integration das Ziel verfolgt, einerseits sich geografisch zu erweitern, andererseits parallel zu politischen Entwicklungen sich dementsprechend rechtlich-institutionell zu vertiefen. Vor diesem Hintergrund werden zentral die Fragen im Folgenden analysiert und bewertet:
- ob sich die EU doch durch eine pandemiebedingte, gemeinsame Verschulung weiter in Richtung Vereinigte Staaten von Europa bewegt,
- wie die aktuelle Lage ist und wie stark die EU-Staaten derzeit vereinigt sind,
- was der EU-Vertrag (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) bezüglich eines vereinten Europas sagen,
- was das deutsche Grundgesetz (GG) bezüglich eines vereinten Europas sagt,
- was für und gegen die Vereinigten Staaten von Europa spricht – Pro und Contra.
2 Was ist „die EU“?
Um die komplexen Zusammenhänge der Thematik besser zu erfassen, muss man sich zunächst mit dem Charakteristikum des EU-Systems befassen. Was ist die „EU“ eigentlich? Wie sieht der Prozess der europäischen Integration in Zukunft aus?
Als Erstes ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die EU weder ein Bundesstaat wie die USA noch lediglich eine internationale Organisation, also (nur) eine Institution der besseren Zusammenarbeit von Regierungen, wie die UNO ist. Sie ist eine einzigartige politische Einheit sui generis (eigener Art). Dieses politische System beinhaltet sowohl supranationale (überstaatliche) wie ebenfalls intergouvernementale (zwischenstaatliche) Elemente. Die Mitgliedstaaten, welche die EU bilden, geben einen Teil ihrer Hoheitsrechte an die gemeinsamen Institutionen der EU ab, um so gemeinsam an Stärke und internationalem Einfluss zu gewinnen, über die keiner von ihnen allein verfügen könnte. Damit ist die Union mit eigenen Handlungskompetenzen und -ressourcen ausgestattet.1
Als Nächstes lässt sich festhalten, dass die EU ein europäisches Projekt ist.2 Es baut auf den Grundlagen der supranationalen Integration, der intergouvernementalen Kooperation und der internationalen Zusammenarbeit in einem multilateralen Weltordnungssystem auf.3 So ist die EU eine einzigartige wirtschaftliche und politische Partnerschaft zwischen 27 selbständigen demokratischen, europäischen Staaten. Sie ist eine Familie liberal-demokratischer Länder, die kollektiv durch ein rechtliches und institutionalisiertes System der Entscheidungsfindung handeln. Bei ihrem Beitritt zur EU unterzeichnen ihre Mitglieder nicht nur die Gesamtheit der EU-Verträge, Rechtsvorschriften und Normen. Sie akzeptieren auch eine Reihe gemeinsamer Werte, die auf Demokratie, Menschenrechten und Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die mit den Prinzipien der UN-Charta vereinbar sind, beruhen. Ihre Mitgliedstaaten und Institutionen betonen die Vielfalt der Union – am deutlichsten in kultureller und sprachlicher Hinsicht.4 Die zentralen Gründungsmotive für das europäische Einigungswerk waren und sind: Reaktion auf die Weltkriege und das Verlangen nach Frieden, Sicherheit gegen die aufkommende sowjetische (heute russische) Bedrohung, die politische Bereitschaft und die wirtschaftliche Entwicklung.5
Es ist zu beobachten, dass sich das politische System der EU vielmehr durch die europäische Integration entwickelt hat.6 Das EU-System basiert auf völkerrechtlichen Verträgen, und zwar derzeit primär auf zwei Grundverträgen: dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Der Vertrag von Maastricht ist der Gründungsvertrag der EU und wird als der Vertrag über die Europäische Union (EUV) bezeichnet. Den Grundpfeiler für die rechtlich-institutionelle Struktur der EU bildet der Vertrag von Lissabon von 2009. Mit diesem Reformvertrag sollte die EU deutlich demokratischer, effektiver und transparenter werden. Der Vertrag sollte der Union weitreichende eigene Handlungsbefugnisse und -ressourcen verleihen. Damit kann sie die Interessen ihrer Mitgliedstaaten in anderen internationalen Foren direkt vertreten.7 So besitzt sie jetzt eine eigene Rechtspersönlichkeit, die ihr ein Rede- und Einsichtsrecht im multilateralen UN-System ermöglicht. Der Lissabon-Vertrag ermöglicht es den EU-Staaten, endlich mit einer Stimme zu sprechen, um das internationale Gewicht der EU auf internationaler Ebene zu erhöhen.8
Letztendlich ist zu hervorheben, dass der Lissabonner Reformvertrag ursprünglich den 2004 unterzeichneten völkerrechtlichen Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) ersetzt.9 Der VVE erlangte keine Rechtskraft, da nach gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden 2005 nicht alle EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizierten. Diese gescheiterte EU-Verfassung sah vor, die rechtlich-institutionelle Struktur des politischen Systems der EU grundlegend zu reformieren.10 Somit sollte sie eigentlich den Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa eröffnen. Die Neuerungen dieses Vertrags wurden aber im Wesentlichen im Lissabon-Vertrag übernommen.11
3 Was sind „die Vereinigten Staaten von Europa“?
Verallgemeinernd versteht man unter dem Begriff „Vereinigte Staaten von Europa“ ein föderalistischer Zusammenschluss der europäischen Länder unter einem supranationalen Dach, ähnlich den Vereinigten Staaten von Amerika.12 Das würde Folgendes bedeuten: Es gäbe noch eine Machtebene über die Nationalstaaten und Deutschland wird zum Bundesstaat, so wie etwa Alaska in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Wenn es nach Martin Schulz ginge, der von 1994 bis 2017 Mitglied des EU-Parlaments und von 2012 bis 2017 dessen Präsident war, dann könnte es schon bis 2025 soweit sein.13 Dies klingt aber nur ambitioniert und naiv. Die politische Realität sieht völlig anders aus.14
Stellt man einem deutschen Staatsbürger die Frage nach seinem nationalen Zugehörigkeitsgefühl: „Fühlen Sie sich eher als Deutscher oder eher als Europäer?“ Auf die Frage wird er mit höchster Wahrscheinlichkeit antworten: „Eher als deutscher Staatsbürger.“15 Fragt man einen Angeleno, der in Kalifornien lebt: „Fühlen Sie sich primär als Bürger des US-Bundesstaates Kalifornien oder eher als Amerikaner? So wird er höchstwahrscheinlich antworten: „I am american.“ Worin begründet sich zentral das nationale Zugehörigkeitsgefühl in Europa? Was bedeuten die Vereinigten Staaten von Europa ?
Das kulturell differenzierte Identifikationsgefühl lässt sich primär historisch begründen. In diesem Kontext lässt sich feststellen, dass die Kriege und Konflikte die Gesellschaften und ihre Identifikationsgefühle stets geformt haben. Während die Bürgerkriege im Kontinentalamerika die Länder zusammen brachten, brachten die Konflikte in Europa die Staaten vielmehr auseinander.
[...]
1 Vgl. Bekmezci (2020), S. 22 f.
2 Siehe https://op.europa.eu/webpub/com/eu-and-me/en/WHAT_IS_THE_EUROPEAN_UNION.html [Zugriff am 10.01.2022].
3 Vgl. Phinnemore (2016), S. 11.
4 Vgl. Cini/Borraga (2016), S. 3.
5 Vgl. Foster (2014), S. 5 ff.
6 Vgl. Fröhlich (2014), S. 39.
7 Vgl. Ondarza (2016), S. 107.
8 Vgl. Streinz/Ohler/Herrmann (2010), S. 36 ff.
9 Vgl. Wessels (2008), S. 103.
10 Vgl. Calliess/Ruffert (2006), Art. I-11, Rn. 1 (S. 191).
11 Vgl. Oppermann (2008), S. 475.
12 Siehe https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/177332/vereinigte-staaten-von-europa [Zugriff am 11.01.2022].
13 Vgl. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-12/spd-martin-schulz-parteitag-rede-grosse-koalition [Zugriff am 11.01.2022].
14 Siehe https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/europa/konferenz-zur-zukunft-europas [Zugriff am 11.01.2022].
15 Siehe https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235690/umfrage/umfrage-zum-identitaetsgefuehl-der-deutschen/ [Zugriff am 11.01.2022].
- Citation du texte
- Ibrahim Bekmezci (Auteur), 2022, Konzepte zu "Vereinigten Staaten von Europa". Was spricht dafür und dagegen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1173987
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