Innerhalb dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Faktoren der sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft die körperliche und mentale Gesundheit beeinträchtigt bzw. wie stark der Zusammenhang zwischen diesen Faktoren ist. Zunächst werden in den theoretischen Grundlagen Gesundheit und Krankheit aus verschiedenen Sichtweisen sowie die sozialen Ungleichheiten und ihre Dimensionen definiert. Im Hauptteil der Arbeit werden die gesundheitlichen Ungleichheiten verschiedener sozialer Gruppe verglichen, die Ursachen und der Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und den daraus resultierenden gesundheitlichen Unterschieden der sozialen Gruppen untersucht, sowie Möglichkeiten der Prävention und des Entgegenwirkens dieser Problematik aufgezeigt. Im Fazit werden die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt.
„Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt und verfügt über umfassende Systeme der sozialen Sicherung und der medizinischen Versorgung. Gleichzeitig sind, wie in vielen anderen Ländern, erhebliche Ungleichheiten der Lebensbedingungen und sozialen Teilhabechancen festzustellen, die in den vergangenen Jahren zum Teil noch zugenommen haben “. Wie kommt es also dazu, dass in einer Industrienation wie Deutschland, in welchem das Gesundheitssystem im internationalen Vergleich Platz 2 hinter Japan belegt, diesem Trend nicht entgegengewirkt werden kann? Die Schere zwischen Arm und Reich ist so groß wie vor 100 Jahren , es gibt immer mehr reiche und gleichzeitig auch arme Menschen in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Gesundheit und Krankheit
2.2 Soziale Ungleichheiten
3. Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die Gesundheit
3.1 Gesundheitliche Unterschiede sozialer Gruppen
3.2 Ursachen und Zusammenhänge des SES und der Gesundheit
3.3 Präventive Maßnahmen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1Anteil der Frauen und Männer, die mindestens 65 Jahre alt werden, nach Netto-Äquivalenzeinkommen
Abbildung 2Modell zur Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit nach Macken-bach (2006)
Abbildung 3 Gesund-heitsverhalten nach sozialem Status bei 18-jährigen und älteren Männern und Frauen
Abbildung 4Wechselwirkungen zwischen Armut, Gesundheit und Bildung
1. Einleitung
„Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt und verfügt über umfassende Systeme der sozialen Sicherung und der medizinischen Versorgung. Gleichzeitig sind, wie in vielen anderen Ländern, erhebliche Ungleichheiten der Lebensbedingungen und sozialen Teilhabechancen festzustellen, die in den vergangenen Jahren zum Teil noch zugenommen haben 1 “. Wie kommt es also dazu, dass in einer Industrienation wie Deutschland, in welchem das Gesundheitssystem im internationalen Vergleich Platz 2 hinter Japan belegt2 (Stand 2019), diesem Trend nicht entgegengewirkt werden kann? Die Schere zwischen Arm und Reich ist so groß wie vor 100 Jahren3 , es gibt immer mehr reiche und gleichzeitig auch arme Menschen in Deutschland. Gleichzeitig bestätigen Studien, dass die soziale Ungleichheit direkten und indirekten Einfluss auf die mentale und physische Gesundheit nimmt. Menschen, die ohnehin durch das System im Kontext von Bildungschancen, Wohnsituationen und allgemeinen Lebensstandard benachteiligt werden, werden als Konsequenz durch diese Einflussfaktoren auch im gesundheitlichen System benachteiligt. Diese Problematik stoppt nicht bei der bloßen Kategorisierung und Teilung in verschiedene Krankenversicherungen, in eine private und gesetzliche Krankenversicherung, in welchen nach Einkommen unterschiedliche medizinische Versorgungsqualitäten resultieren, sondern es bedingt auch Häufigkeit und Ausprägung psychischer Krankheiten, Gesundheitsprävention, Auftreten von Allergien und auch Ernährungsgewohnheiten. Innerhalb dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Faktoren der sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft die körperliche und mentale Gesundheit beeinträchtigt bzw. wie stark der Zusammenhang zwischen diesen Faktoren ist. Zunächst werden in den theoretischen Grundlagen Gesundheit und Krankheit aus verschiedenen Sichtweisen, sowie die sozialen Ungleichheiten und ihre Dimensionen definiert. Im Hauptteil der Arbeit werden die gesundheitlichen Ungleichheiten verschiedener sozialer Gruppe verglichen, die Ursachen und der Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit und den daraus resultierenden gesundheitlichen Unterschieden der sozialen Gruppen untersucht, sowie Möglichkeiten der Prävention und des Entgegenwirkens dieser Problematik aufgezeigt. Im Fazit werden die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Gesundheit und Krankheit
Nach der allgemeinen Definition der WHO (World Health Organization) wird Gesundheit als „ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen4“ definiert. Gesundheit lässt sich aber nicht nur aus einer einzigen Perspektive heraus beschreiben bzw. definieren. Unterschiedliche Sichtweisen verschiedener Wissenschaften und Forschungen, setzen Gesundheit zu einem universellen Faktum zusammen, in welchem sich Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede herauskristallisieren. Aus medizinsicher Sicht hängt Gesundheit von der Voraussetzung ab, ob eine Krankheit vorliegt oder nicht. Innerhalb dieses dichotomen Modells wird aus naturwissenschaftlich-biologischer Sicht Gesundheit in Abgrenzung zur Krankheit gesehen, indem mentale, sowie physische Gesundheit als Norm- bzw. Normalitätszustand beschrieben wird und Krankheit gegensätzlich zu diesem Zustand vorliegt5 . Die medizinische Sicht sieht Gesundheit also als ein Frei sein von Krankheit an, die Perspektive der WHO ergänzt diese Sichtweise mit dem Wohlbefinden im Kontext des vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Zustands. Gesundheit lässt sich also nicht nur aus einer stereotypischen Sicht der Medizin beschreiben. Nehmen wie die Perspektive der Philosophie hinzu, lösen wir uns von der Sichtweise, Gesundheit sei bloß ein Stadium der Abwesenheit von Krankheit:
„[…] es ist durchaus denkbar, dass man (im medizinischen Sinne) krank und gleichzeitig gesund sein kann. Die vermeintliche Paradoxie dieser Aussage löst sich auf, wenn man Gesundheit als Begriff ansieht, der auf das Wohl eines Individuums gerichtet ist. Eine Krankheit zu haben ist nicht unvereinbar damit, sich wohl zu fühlen oder ein gutes Leben zu führen. Gesundheit ist traditionell in diesem umfassenden Sinne mit dem Wohl des Menschen in Verbindung gebracht worden, insbesondere außerhalb der Medizin, wo wie gesagt ein negatives Verständnis vorherrscht – also Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit6“
Das Verständnis von Gesundheit wird erweitert, auch mit einer Krankheit ist der Mensch in der Lage sich Wohl zu fühlen. Gesundheit und Krankheit schließen sich nicht zwingendermaßen aus, sondern können auch gleichermaßen in unterschiedlichen Ausprägungen vorliegen. Der Zusatz der psychologischen und sozialen Perspektive entstand aus dem biopsychosozialen Modell von George L. Engel, in dem nicht nur körperliche Aspekte wichtig für die Gesundheit sind, sondern auch psychologische Faktoren wie Emotionen und Kognitionen, sowie soziale Aspekte wie die Wirkung von sozialen Gruppen, Gesellschaften, Kulturen, aber auch Gesundheitssysteme auf das Individuum eine Rolle spielen.
Die Ansicht, Gesundheit und Krankheit schließen sich gegenseitig aus und dass beide Faktoren nur aus einer körperlichen Perspektiven zu betrachten sind, war nicht mehr zeitgemäß und bot auch keine Antwort auf neu aufkommende Fragen, sowie der Etablierung der menschlichen Erfahrung des Krank seins. Es gibt also nicht mehr nur ein gesund oder krank sein, sondern ein Kontinuum welche von der Ausprägung der beiden Faktoren abhängig ist7 .
Weitere Modelle wie das Vulnerabilitäts-Stress Modell, das Salutogenese-Modell von Antonovsky und das Wellness-Modell werden nicht weiter berücksichtigt, da dies sonst den Rahmen der Arbeit überschreiten würde. Dennoch sind diese Modelle teilweise Grundlage und Voraussetzung für die Entwicklung des neuen dynamischen Konzeptes der „positiven Gesundheit“. Innerhalb dieses Modells werden die Indikatoren der Körperfunktion, mentale Funktionen und Wahrnehmung, soziale und gesellschaftliche Teilhabe, spirituelle und existenzielle Dimension, Lebensqualität, sowie Alltagsfunktionen berücksichtigt bzw. als Puzzleteile der Definition der „positiven Gesundheit“ zusammengesetzt. Auch in diesem Fall bewegen sich die einzelnen Faktoren in einer Art Kontinuum, welche schlussendlich Aussage darüber treffen sollen, ob das Individuum näher am Zustand gesund oder krank ist.
Obwohl das dynamische Modell der „positiven Gesundheit“ mehr Faktoren berücksichtigt als die Modelle davor, ändert dies Stand 2021 nichts an der Tatsache, dass bis heute kein allgemein akzeptiertes Modell entwickelt worden ist, welches einerseits praktikabel und unkompliziert ist, gleichzeitig aber auch alle relevanten Aspekte berücksichtigt und diese zweckmäßig kombiniert und darstellt8 . Als Ergebnis lässt sich dennoch feststellen, dass Gesundheit und Krankheit wie bereits zu Anfang erwähnt, nicht nur aus einer medizinischen Perspektive zu erklären sind, sondern – für den weiteren Verlauf essenziell – auch Indikatoren wie Alltagsfunktionen, Lebensqualität, sowie soziale und gesellschaftliche Teilhabe eine wichtige Rolle spielen und letztendlich darüber entscheiden, ob sich ein Individuum als eher krank bzw. gesund ansieht bzw. fühlt. Für Betrachtungen innerhalb einer pädagogischen Perspektive sind der medizinische Ansatz und die Definition der WHO zu allgemein, weswegen es zweckmäßig ist, das dynamische Modell der „positiven Gesundheit“ bzw. ähnliche Modelle in Betracht zu ziehen, in welchen auch sozialgesellschaftliche Aspekte berücksichtigt werden.
2.2 Soziale Ungleichheiten
Trotz der Tatsache, dass Deutschland zu den wirtschaftlich stärksten Volksnationen der Welt gehört, entwickeln sich die Lebensverhältnisse verschiedener sozialer Gruppen weiterhin auseinander.
„Dafür sprechen unter anderem die hohe, in bestimmten Bevölkerungsgruppen und Regionen steigende Armutsbetroffenheit, die fortschreitende Vermögenskonzentration, die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, der wachsende Anteil älterer Menschen mit unzureichender Altersvorsorge sowie der nach wie vor stark ausgeprägte Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Bildungschancen9.“
Zunächst könnte man davon ausgehen, dass Industrienationen die Mittel dazu hätten, sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken. Doch das Phänomen des Anstiegs sozialer Ungleichheit lässt sich gerade in hochentwickelten Gesellschaften beobachten. Die Mittelschicht schrumpft, immer mehr Menschen gelten der Definition als arm, gleichzeitig gibt es aber auch immer mehr reiche Menschen, die Schere zwischen Arm und Reich wächst. Geflüchtete und Migrant*innen sind schwieriger in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren, Menschen mit geringen Qualifikationen finden keine Jobs und die Chancen in einem Beruf aufzusteigen, erschweren sich. Soziale Ungleichheit spiegelt sich in einer gesellschaftlichen, andauernden Ungleichheit wider, indem bestimmte Ressourcen und Lebensbedingungen besser bzw. weniger ausgeprägt sind. Lebensbedingungen setzen sich u.a. zusammen aus Lebens- und Wohnverhältnissen, Sicherheit und Gesundheit, was für die weitere Betrachtung der Arbeit noch eine übergeordnete Rolle spielen wird. Ressourcen dagegen sind zum einen das Einkommen, aber auch der Zugang zur Bildung bzw. der Bildungsgrad. Alle genannten Eigenschaften sind nicht nur vorübergehend im Ungleichgewicht, sondern es liegt eine andauernde, gesellschaftlich entstehende Ungleichheit vor10 . Lag im Jahr 2005 eine Armutsquote – hier der Anteil an Personen, die in Haushalten mit einem verfügbaren Einkommen von weniger als 60% des Medianeinkommens leben – bei 15,2% im Osten und 13,7% im Westen, stiegen diese Werte im Osten auf 16,7% und noch stärker im Westen auf bis zu 17% an. Gleichzeitig erhöhte sich die Reichtumsquote – der Anteil der Personen, die in Haushalten mit einem verfügbaren Einkommen mit mehr als 200% des Medianeinkommens leben – im Osten 4,5% im Jahr 2005 auf 4,8% 2016. Nur im Westen ist ein leichter Abstieg von 8,2% im Jahr 2005 auf 7,8% im Jahr 2016 zu beobachten11 . Während also ein leichter Anstieg der Reichtumsquote im Osten, und ein nur leichtes Absinken im Westen zu verzeichnen ist, steigt die Armutsquote - hier sehr deutlich im Westen - an. Eine andere Sicht bekommt man dagegen, wenn man das vergangene Jahrzehnt im Kontext des Einkommens näher betrachtet.
[...]
1 Lampert 2018, Online: https://www.bpb.de/apuz/270308/soziale-ungleichheit-der-gesundheitschancen-und-krankheitsrisiken [Zugriff: 31.08.2021]
2 Vgl. Maier 2020, Online: https://www.praktischarzt.de/magazin/beste-gesundheitssysteme-weltweit/ [Zugriff: 31.08.2021]
3 Vgl. Schmid 2017, Online: https://www.isw-muenchen.de/2017/12/kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland-so-gross-wie-vor-100-jahren/ [Zugriff: 06.09.2021]
4 Weltgesundheitsorganisation 2013, Online: https://www.euro.who.int/de/media-centre/sections/press-releases/2013/03/new-who-report-reveals-unequal-improvements-in-health-in-europe-and-calls-for-measurement-of-well-being-as-marker-of-progress [Zugriff: 31.08.2021]
5 Vgl. Tuppat 2021;2020, S.27-28
6 Schramme 2016, Online: https://www.philosophie.ch/beitraege/highlights/philosophische-perspektiven-zum-thema-philosophie-und-gesundheit [Zugriff: 31.08.2021]
7 Vgl. Roch; Hampel 2019, S.248-250
8 Vgl. ebd. S. 253-255
9 Lampert et al. 2019, S.155
10 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2018, Online: https://www.lpb-bw.de/soziale-ungleichheit [Zugriff: 01.09.2021]
11 Vgl. Nier 2019, Online: https://de.statista.com/infografik/19562/so-entwickeln-sich-arm-und-reich/ [Zugriff: 02.09.2021]
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2021, Der Zusammenhang zwischen sozialen Ungleichheiten und der Gesundheit. Inwieweit beeinträchtigen soziale Ungleichheiten die körperliche und mentale Gesundheit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1173845
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