Thema dieser Arbeit soll es sein, die oft proklamierte Zwangsläufigkeit von staatlichen
Verbotsstrategien im Lichte der gegenwärtigen gesellschaftlichen Parameter zu überprüfen
und ggf. nach Alternativen zu fragen. Dabei soll ein Schwerpunkt auf die Umgehensweise mit
rechtsextremen Kennzeichen und Symbolen gelegt werden, da diese neben den
Gewaltdelikten die am unmittelbarsten wahrgenommene Erscheinungsform des
Rechtsextremismus darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung: Verbote - von der Notwendigkeit zur Handlungsoption
2. Die Ikonografie des Rechtsextremismus
2.1 Der Symbolbegriff im Wandel der Zeit
2.2 Umdeutungen, Transformationen und Ersatzkennzeichen
2.3 Vorstellung ausgewählter Kennzeichen und Symbole
3. Die Bandbreite rechtsstaatlicher Interventionsmaßnahmen.
3.1 Juristische Instrumentarien
3.2 Gegenwärtige Ausweitungs- und Verschärfungsbemühungen.
4. Die Verbotsdebatte: Angemessenheit vs. Kontraproduktivität
5. Zusammenfassung
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
7. Anhang
1. Einführung: Verbote - von der Notwendigkeit zur Handlungsoption
Dass die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges in den Ergebnissen der Berliner Dreimächtekonferenz (17.07. bis 02.08.1945) – also im so genannten "Potsdamer Abkommen" – unter anderem die Auflösung der NSDAP und ihrer Organisationen und die Vorbeugung jeder nazistischen Propaganda erstmals schriftlich festhielten[1] und nachfolgend auch rigoros betrieben, mag auf den ersten Blick paradox erscheinen: Kann man die ausdrücklich angestrebte Demokratisierung eines Staates mit diktatorisch verordneter Repression beginnen?
Auf den zweiten Blick erklärt sich die durchaus angemessene und zweifelsohne unverzichtbare Handlungsweise der Alliierten aus der besonderen und sensiblen Gesamtsituation des unmittelbaren Nachkriegsdeutschlands und seiner Vorgeschichte. Vor dem Hintergrund der Gräueltaten, die die Nationalsozialisten initiiert, gefördert und damit hauptsächlich zu verantworten hatten, musste erstens ein symbolischer Schlussstrich die Diskontinuität zwischen NSDAP-Staat und dem neu zu formenden Deutschland und die Verantwortung vor den Opfern des NS-Regimes klar zum Ausdruck bringen. Zweitens bestand die tatsächliche Gefahr, dass die ehemals staatstragende Machtmaschinerie 'NSDAP' mit ihren Ausläufern in allen Bereichen der Gesellschaft und als Trägerin eindeutig antidemokratischen Gedankengutes die beginnende und noch sehr anfällige Demokratisierung hätte unterlaufen und schwächen können. Der dritte Aspekt war eher pädagogischer Couleur:
Auf dem Weg der verschiedenen Vereinigungsverbote – neben der NSDAP wurden noch mindestens 62 andere (Unter-)Gruppierungen verboten[2] – konnte den darin organisierten Deutschen ihre Mitschuld vermittelt und der nationalsozialistische Habitus in seiner organisierten und gleichgeschalteten Ausprägung sowie auch das zugehörige Gedankengut geächtet werden.
Neben diesen die damalige Verbotsstrategie begründenden Aspekten darf jedoch das handfeste, wenn auch legitime Interesse der Siegermächte nicht unterschätzt werden, im besetzten Deutschland ihre eigene Macht zu manifestieren. Bei der Bekämpfung des Nationalsozialismus war man sich immerhin einig, wenn auch, wie sich später zeigte, jede Siegermacht sehr eigene Vorstellungen von der Art der Demokratie hatte, die in Deutschland entstehen sollte.
Eng in Verbindung mit dem Verbot der NS-Vereinigungen wurde auch das zweite im Potsdamer Abkommen fixierte Ziel verfolgt: das Verhindern und Vorbeugen militaristischer und nationalsozialistischer Betätigung und Propaganda. Im Artikel IV des 8. Kontrollratsgesetzes Ausschaltung und Verbot der militärischen Ausbildung vom 30.11.1945 wird dies erstmals formuliert: "Das Tragen seitens deutscher Staatsangehöriger von Militär- oder Nazi-Uniformen, Abzeichen, Fahnen, Bannern oder anderen Symbolen oder von militärischen oder zivilen Orden und Ehrenzeichen sowie der Gebrauch charakteristischer Nazi- oder militärischer Gruß- und Begrüßungsformen sind verboten. Alle anderen symbolischen Gesten, die den Nazigeist zum Ausdruck bringen, sind verboten. Die Verleihung oder Annahme von zivilen oder militärischen Orden, Auszeichnungen oder Ehrenzeichen ist verboten."[3]
Juristisch haben wir es in der Bundesrepublik seitdem mit einer Kontinuität zu tun – wenn auch nicht unbedingt in der Gültigkeit bestimmter Gesetze, so doch zumindest im 'Geiste' des Gesetzgebers. Was sich allerdings grundlegend geändert hat, sind die gesellschaftlichen und politischen Umgebungsvariablen. Nach wie vor – und wie es scheint in zunehmendem Maße – stellt der deutsche Rechtsextremismus eine nicht zu übersehende Realität dar, mit der sich die demokratische Gesellschaft konfrontiert sieht. Im Sinne der eigenen Stabilität und der Verantwortung vor der Welt ist sie verpflichtet, nach angemessenen Antworten auf die einhergehenden Provokationen und Gefahren zu suchen. Dabei ruhen immer wieder viele Hoffnungen und Erwartungen auf repressiven staatlichen Maßnahmen. Sowohl das Verbot von rechtsextremistischen Vereinigungen und Parteien, als auch die strafrechtliche Sanktionierung des Gebrauchs rechtsextremer und nationalsozialistischer Propagandamaterialien, Symbole und Kennzeichen sind als staatliche Handlungs optionen immer wieder im Gespräch. Jedoch: Was unmittelbar nach 1945 wegen der in Deutschland noch nicht etablierten (und vom Gros der Bevölkerung sehr misstrauisch beäugten) Demokratie eine Frage der Notwendigkeit war, wird heute zur Frage der Streitbarkeit einer bereits tradierten, von der Mehrheit getragenen und starken Demokratie.
Thema dieser Arbeit soll es sein, die oft proklamierte Zwangsläufigkeit von staatlichen Verbotsstrategien im Lichte der gegenwärtigen gesellschaftlichen Parameter zu überprüfen und ggf. nach Alternativen zu fragen. Dabei soll ein Schwerpunkt auf die Umgehensweise mit rechtsextremen Kennzeichen und Symbolen gelegt werden, da diese neben den Gewaltdelikten die am unmittelbarsten wahrgenommene Erscheinungsform des Rechtsextremismus darstellen.
2. Die Ikonografie des Rechtsextremismus
2.1 Der Symbolbegriff im Wandel der Zeit
Symbole sind wesentlicher Bestandteil der menschlichen Kommunikation, mehr noch: Sie ersetzen – je nach Bekanntheits- und Abstraktionsgrad – sogar konventionelle Argumentationstechniken. Die Wirkungsweise und -Fähigkeit eines Symbols ist jedoch sehr stark abhängig von den bewussten und unbewussten Interpretationsabsprachen seiner Rezipienten. Sie steht und fällt a) mit dem Grad der Verbreitung und Kenntnis des konkreten Symbols bei Zielgruppe und Umfeld sowie b) mit der Beschaffenheit des allgemeinen Symbolbegriffs und – bei metaphysischer Lesart – mit dem Glauben an seine Wirkung.
Was das politische Symbol von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es sowohl mit der Intention, als auch mit der Fähigkeit ausgestattet ist, die mit ihm konfrontierten Menschen in affektiver Weise politisch zu polarisieren. Somit eignet es sich hervorragend dazu, Interessengemeinschaften und Gruppen nach innen wirkend zu integrieren und nach außen hin abzugrenzen. So gesehen ist ein symbolbehafteter Habitus keine rechtsextremistische Singularität, sondern seiner stabilisierenden Wirkung wegen bei Vereinigungen und Gesellschaften aller Art eher die Norm. Alexander Gauland argumentiert sogar, dass die Schwäche der liberal-demokratischen Gesellschaft Deutschlands darin besteht, eben gerade keine optisch-ästhetischen Symbole zu haben, "unter denen man sich versammeln, Identität und Heimatgefühl entwickeln kann." Sie setze "allein auf den zu erziehenden, aufzuklärenden Menschen, was immer eine bloße Fiktion war, da nur wenige, jedenfalls zu wenige, ihr Lebensgefühl aus dem Kopf beziehen." Identität bedürfe der Anschaulichkeit, der Symbole und der »Ästhetisierung des Politischen«. Vormoderne Gesellschaften stellten deshalb "eine Symbolwelt zur Verfügung, die Gefühle und Vorurteile anspricht und einfriedet." Die Abgrenzung von allem Fremden sei Teil "des menschlichen Bedürfnisses besonders jener, die im täglichen Rattenrennen nicht vorne liegen."[4]
Festzuhalten bleibt: Um ihrer selbst Willen haben Symbole nichts Anstößiges an sich, sondern sind in erster Linie wertneutral und zum jeweiligen Zeitpunkt Ausdruck sozialer Bedürfnisse. Aus dieser Perspektive ist die Sanktionierung des Gebrauches von bestimmten Kennzeichen zweifelhaft. Vielmehr sind es die ihnen zugedachten Interpretationen, Gebrauchskontexte und -Intentionen, die einer genaueren gesamtgesellschaftlichen Betrachtung bedürfen.
Symbole sind nicht statisch. Sie artikulieren sich nicht nur einmal, sondern sind einerseits den sich auf natürlichem Wege verändernden Assoziationen und Konnotationen der jeweiligen Zeit, andererseits der künstlich erzeugten und zielgerichteten Umdeutung unterworfen. In diesem Sinne besteht auch der Symbolkanon der Rechten Szene zu großen Teilen aus Bezügen auf verschiedenste historische Zeitepochen und enthält Neuauflagen, Neu- bzw. Umdeutungen und Mythologisierungen älterer Symbole, die teilweise vormals in ganz anderen Sinnzusammenhängen gestanden haben. Die im rechtsextremen Kontext benutzte Ikonografie bezieht ihre Motive in erster Linie aus dem Nationalsozialismus des Dritten Reiches und dem preußischen Militarismus. Mindestens ebenso beliebt sind aber auch ariosophisch-esoterische und neuheidnische Elemente, die ihre Wurzeln bereits im völkisch- okkultistischen Milieu (besonders der Städte Wien und München) der Jahrhundertwende haben[5]: Runen, Sinnzeichen und andere Topoi aus der Mythologie der Wikingerzeit.
Andererseits werden auch neuere Motive aus dem Kontext international arbeitender rassistischer und faschistischer Vereinigungen (z.B. dem Ku-Klux-Klan), der englischen Skinheadbewegung der 60er Jahre und der Heavy-Metal-Szene bereitwillig übernommen und weiterentwickelt. Diese Auswahl mag vorerst die Frage nach der Beliebigkeit aufwerfen, ist aber bei genauerem Hinsehen durchaus folgerichtig. Was sämtlich zitierte Themenbereiche miteinander verbindet ist das Ideologem der natürlichen Ungleichheit von Menschen (- gruppen), gemessen an deren ethnischer Herkunft, kulturellen oder sexuellen Präferenzen, körperlicher Beschaffenheit, Religionszugehörigkeit, politischer Einstellung und Sozialstatus.[6]
Die mit dieser Grundaussage ausgestatteten Sinnbilder basieren jedoch keineswegs auf allgemein gültigen Interpretationsabsprachen. Vielmehr wird deutlich, dass die Mehrzahl der so verwendeten Symbole gesamtgesellschaftlich kaum oder nur teilweise richtig zugeordnet bzw. verstanden und interpretiert wird. Häufig werden sie erst in Kombination miteinander oder mit bestimmten Verhaltens- und Auftretensmerkmalen mit dem Rechtsextremismus in Verbindung gebracht. Selbst szeneintern ist die Kenntnis und das Verständnis bestimmter Motive nicht unbedingt vorauszusetzen. Mit dem Grad der breiten und einheitlichen Interpretierbarkeit ändern sich jedoch Wirkungsbereich und -spektrum der einzelnen Sinnbilder. Was der Einzelne oder die Gruppe von den Symbolen erwartet oder ihnen abverlangt, ist abhängig vom allgemein und individuell praktizierten Symbolbegriff. So ist es an dieser Stelle angebracht, den Symbolbegriff der Rechtsextremen genauer zu kennzeichnen.
Man kann sagen, dass der Symbolbegriff bis zur Jahrhundertwende generell und gesamtgesellschaftlich von religiösen, magischen und mystischen Lesarten geprägt war. Wo aber in anderen Kreisen der Kapitalismus den Symbolbegriff rationaler und funktioneller werden ließ, wurde er in völkischen Kreisen in seiner Übersinnlichkeit bewahrt.[7] Die theoretische Grundlage dazu lieferten Autoren wie Alfred Bäumler[8]. Spätere Ausdeutungen des Symbolbegriffes – auch aus anderen ideologischen Hintergründen heraus – wie die lebensphilosophische von Oswald Sprengler oder die gänzlich irrationale von Julius Evola lassen sich zwar klar gegeneinander abgrenzen, bleiben jedoch im Ansatz metaphysisch.[9] Noch heute werden diese Denkansätze in der rechten Szene mit Vorliebe heranzitiert, besonders von neuheidnischen Gruppierungen und Vertretern der 'Neuen Rechten'. Bei der jüngeren Generation allerdings sind die religiösen Anleihen eher verpönt und fristen ein Mauerblümchendasein. Die Publikationen von Esoterikern wie z.B. dem chilenischen Hitleranhänger Miguel Serrano[10], der den Symbolen eigene Wirkungskräfte zuschreibt, erfreuen sich in der Szene zwar erstaunlicher Verbreitung, gelten aber mehr als unterhaltsame 'Spinnereien'. Die gern benutzten Devotionalien mit aus der nordischen Mythologie entnommenen Motiven haben vorwiegend Glücksbringercharakter oder bedienen die kontemplativen und übersinnlichen Bedürfnisse[11] ihrer Nutzer auf eine sehr diffuse Art und Weise.[12]
Im Allgemeinen kommt das gegenwärtig in der deutschen Rechten praktizierte Symbolverständnis dem des Hitlerstaates recht nah: Hitler selbst und seine engen Freunde (Heß, Harrer, Eckard und Rosenberg) haben während der Entstehungsphase der NSDAP wichtige Inhalte aus der völkischen Esoterik, besonders aus der Thule-Gesellschaft, herausdestilliert und plakativ vereinfacht und formten somit das philosophische Grundgerüst und das Symbolverständnis des Dritten Reiches.[13] Alfred Rosenberg drückt diesen Symbolbegriff so aus: "Jede echte Sehnsucht schafft sich ein Symbol. Beim Anblick eines solchen Symbols werden im schlichtesten Menschen alle Ideen, Persönlichkeiten, Erlebnisse lebendig, die sich an das Zeichen anheften."[14] Damit wird klar, dass die Sinnzeichen des Hitlerstaates sehr viel pragmatischer und zielbewusster eingesetzt wurden. Dennoch übernahmen die Nazis verschiedenste Machtzeichen, Namen und rhetorische Figuren aus der völkischen Mythologie, beraubten sie jedoch ihrer esoterischen Einzigartigkeit und nutzten sie lediglich als 'identitätsstiftenden Kitt' und Suggestivmomente, die die inhaltliche Argumentation teils verstärkten, teils gänzlich ersetzten: "Die permanente charismatische Selbstdarstellung in langen Führerreden, Reichsparteitagen und Propagandasendungen bedurfte einer Symbolsprache, die die Gesten und gekonnten Stimmführungen Hitlers und das Wenige, was er wirklich zu sagen hatte mit Inhalten auflud. [...] Die Begleitmusik zu Stummfilmen mochte Modell gestanden haben..."[15] Die übrige – also nicht von den Chefideologen des Dritten Reiches verwendete – Symbolsprache der völkischen Esoteriker fiel der Bedeutungslosigkeit anheim und wurde verschwiegen oder sogar von Hitler untersagt. Das Gros der wissenschaftlichen Literatur schätzt den Einfluss beispielsweise der Thule- Gesellschaft auf die NS-Zeit als eher gering ein.[16] Heller und Maegerle sind der Ansicht, dass genau dieses Phänomen eine Bedingung für die heutigen Mythologisierungen und die bevorzugte Nutzung eben dieser Symbole ist: "Auf Thule fällt kaum ein Schatten der großen deutschen Verbrechen."[17] Noch heute neigt die Rechte dazu, stärker auf die Kraft der Symbole als auf die der Argumente zurückzugreifen. Diese Symbollastigkeit ist zu ihrem Schwachpunkt geworden: Rassismus und Nationalismus sind ohne verstärkende und aufputschende Symbole eher nichts sagend.[18]
Die unmittelbare Nachkriegszeit war an Symbolen und Mythen arm. Erst die 'Neue Rechte' der 60er Jahre bemühte sich, sich vom Makel des ewig-gestrigen zu befreien und die Symbole im mystischen Sinne neu zum Leben zu erwecken.[19] Wilhelm Landig, Miguel Serrano und Juan Maler sind Vertreter dieser Zeit, deren okkulte und esoterische Sinngebungsversuche auch heute noch regelmäßig zitiert werden oder aber zumindest einen hohen Verbreitungsgrad besitzen.[20] Weder die alten Hitleranhänger noch die 'Neue Rechte' haben jedoch eine Sprache oder Symbolik geschaffen, die gegen die Allgewalt der Kultur- und Medienindustrie immunisieren und den Konsumgedanken ausklammern könnte: Wie in anderen Bereichen, so macht der Waren-Charakter auch vor rechtsextremen Symbolen nicht halt und das Konsumverhalten spielt in der Szene eine wichtige Rolle.[21] Die Kommerzialisierung der rechten Symbolwelt geht einher mit dem Paradoxon, das sich spätestens seit der Nutzung der neuen Medien deutlich abzeichnet: "Um vom Nationalen zu reden, bedienen sie [d.h. die Rechtsextremen, namentlich die subkulturellen Skinheads; d. Verf.] sich einer Weltsprache von Symbolen. Ihren Stolz, Deutsche zu sein, drücken sie in von der angelsächsischen Subkultur übernommenen Protestformen aus."[22] Seit dem wurden Symbole austauschbarer – der Symbolbegriff ist nach den Irrationalen Ansätzen der frühen 'Neuen Rechten' ein sehr viel funktionellerer geworden. Karlheinz Weißmann kommt als Vertreter der modernen rechten Theoretiker mit seinen Formulierungen dem obig zitierten Alfred Rosenberg ziemlich nahe und zeichnet ein anthropologisches Symbolverständnis: Symbole werden als Kurzschrift und Sinnbilder beschrieben, in bzw. hinter denen sich entscheidende weltanschauliche Überzeugungen verdichten.[23] Als solche können Symbole vielerlei Funktionen einnehmen: Neben der integrierenden Wirkung als Identitätsstifter, Erkennungszeichen, Ausdruck gemeinsamen Denkens und Handelns und der Demonstration vermeintlicher Macht etablieren sie sich auch als konspirative Kommunikationsform und aufgrund ihres gesellschaftlichen Provokationswertes als politische Kampfmittel.
Das gegenwärtig in der rechten Szene vertretene Symbolverständnis ist folglich ambivalent und nicht einheitlich. Je nach individuellen Präferenzen wird den Sinnbildern unterschiedliches abverlangt. Das Spektrum zieht sich von mystischen, esoterischen und okkulten bis hin zu rein funktionellen, kommerzorientierten Lesarten und geht dementsprechend mit Bezügen auf zeitlich verschiedene Stadien der jeweiligen Symbolgeschichte einher. Darin liegt einerseits die Schwäche, andererseits aber auch die Stärke der rechtsextremen Ikonografie: Die nicht einheitlichen Erwartungen an ein Symbol verhindern zwar, dass dessen integrative und suggestive Wirkung sich in vollem Umfange entfalten kann, vergrößern aber durch die fehlende Eingrenzung zeitgeschichtlicher Bezüge gleichzeitig den Pool, aus dem Ersatzkennzeichen bezogen werden können. So gesehen kann alles als rechtsextremes Sinnbild herhalten, was in irgendeiner Weise
a) den 'Rausch der Gleichheit' innerhalb der Gemeinschaft, b) ihre Vormachtstellung bzw. Streitbarkeit und c) die Abgrenzung zur Umwelt unterstützend bzw. glorifizierend darstellt oder in diesem Sinne gedeutet werden kann – also dem obig vorgestellten Ideologem der Ungleichheit zuarbeitet. Genau diese Grundaussagen und Intentionen sind es aber, die einen unmittelbaren Konflikt mit dem Grundgesetz und damit der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft heraufprovoziert. Letztere ist aufgebaut auf der Grundmaxime der Gleichheit aller Menschen – nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch im praktizierten Umgang miteinander. Im Klartext: Was die liberale Gesellschaft in Frage stellt und angreift sind weder Darstellungen von Nordischen Gottheiten und Runen, noch Zahlencodes, Frisuren oder Camouflage-Hosen[24], sondern einzig und allein die Gesinnung der Rechtsextremen, die in diesem Sinne erfolgende Interpretation der Kennzeichen und die daraus folgende Wirkung nach innen (Integration, Suggestion, Förderung von delinquentem und menschen- bzw. gesellschaftsfeindlichem Verhalten), wie auch nach außen (Provokation und Verängstigung). Die damit zu stellende Frage und Problemformulierung lautet: Kann staatlich verordnete Repressivität an einer oder gar mehrerer dieser Variablen eine abschwächende Wirkung erzielen oder nicht? Vor der Diskussion dieser Frage muss jedoch noch eindringlich auf ein weiteres zu beobachtendes Phänomen eingegangen und einige Beispiele untersucht werden.
2.2 Umdeutungen, Transformationen und Ersatzkennzeichen
Wie bereits beschrieben, ist die Symbollastigkeit der Rechten auch ihre Schwäche. Ohne Sinn- und Kennzeichen wäre sie ausschließlich auf verbale und weniger affektive Argumentation angewiesen – und würde sich daran schwer tun, jedenfalls aber eine weniger breite Masse erreichen und integrieren können.
[...]
[1] AB1. des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr.1, S. 14 f. zitiert in: Heinrich (2004), S. 130
[2] siehe dazu die Übersicht im Anhang S. A7
[3] vgl. Kontrollratsgesetz Nr. 8 und Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen
[4] Gauland (2000)
[5] vgl. Heller (1998), S. 18f
[6] vgl. Fahr (2000 / I), S. 12
[7] vgl. Heller (1998), S. 16
[8] vgl. ebd., S. 10
[9] vgl. ebd., S. 53f
[10] vgl. Heller (1998), S. 109f
[11] vgl. Farin (2001), S. 41: Das Erstarken religiöser Symboliken ist ein allgemein zu beobachtendes Phänomen.
[12] vgl. Fahr (2001), S. 16
[13] vgl. Heller (1998), S. 64
[14] zitiert nach Freund, René (1995): Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus Wien, S.79 in: Heller (1998), S. 69
[15] Heller (1998), S. 66, 67
[16] vgl. ebd., S. 62
[17] ebd., S. 73
[18] vgl. ebd., S. 13
[19] vgl. ebd., S. 75, 96
[20] vgl. ebd., S. 96ff
[21] vgl. ebd., S. 153f & Stuhl (2001), S. 135
[22] Heller (1998), S. 154
[23] vgl. ebd., S. 13
[24] die hier angeschnittenen rechtsextremen Kennzeichen werden in Kapitel 2.3 ausgiebiger untersucht
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