Die vorliegende Arbeit ist eine kritische Würdigung der 2006 veröffentlichten Studie "Explaining the Severity of Civil Wars" von Bethany Lacina. Das Augenmerk liegt hierbei auf der methodologischen Güte.
Zu diesem Zweck orientiert sich das Papier in seinem Aufbau an der meist genutzten Strukturierung von quantitativen Fachzeitschriftartikeln. Insgesamt setzt sie sieben Themenschwerpunkte, wobei die jeweils zugrundeliegenden Konzepte immer eingangs kurz erklärt und in den Gesamtkontext des Forschungsprozesses eingeordnet werden. Im ersten Abschnitt findet eine nähere Betrachtung der Forschungsfrage statt, im zweiten folgt die Analyse der Hypothesen. Der dritte Abschnitt thematisiert die Operationalisierung der Variablen, der vierte die verwendete Analysemethode. Der fünfte Abschnitt widmet sich der Regressionsanalyse. Im sechsten Abschnitt wendet sich das Papier dem Robustheits-Check zu, bevor im siebten die Zusammenfassung der Ergebnisse begutachtet wird. Die kritische Würdigung der Studie schließt mit persönlichen Überlegungen zur verwendeten Analysemethode und zur allgemeinen Bedeutung von Methoden.
Einführung
Die vorliegende Arbeit ist eine kritische Würdigung der 2006 veröffentlichten Studie „Explaining the Severity of Civil Wars“ von Bethany Lacina. Das Augenmerk liegt hierbei auf der methodologischen Güte.
Zu diesem Zweck orientiert sich das Papier in seinem Aufbau an der meist genutzten Strukturierung von quantitativen Fachzeitschriftartikeln. Insgesamt setzt sie sieben Themenschwerpunkte, wobei diejeweils zugrundeliegenden Konzepte immer eingangs kurz erklärt und in den Gesamtkontext des Forschungsprozesses eingeordnet werden.
Im ersten Abschnitt findet eine nähere Betrachtung der Forschungsfrage statt, im zweiten folgt die Analyse der Hypothesen. Der dritte Abschnitt thematisiert die Operationalisierung der Variablen, der vierte die verwendete Analysemethode. Der fünfte Abschnitt widmet sich der Regressionsanalyse. Im sechsten Abschnitt wendet sich das Papier dem Robustheits-Check zu, bevor im siebten die Zusammenfassung der Ergebnisse begutachtet wird. Die kritische Würdigung der Studie schließt mit persönlichen Überlegungen zur verwendeten Analysemethode und zur allgemeinen Bedeutung von Methoden.
Die Forschungsfrage
Zu Beginn eines Forschungsprojekts gilt es, einen Forschungsgegenstand zu wählen. Diese Entscheidung bildet die Grundlage, um eine Problem- beziehungsweise Fragestellung zu formulieren, sie also zu identifizieren und zu konkretisieren. Ein Forschungsproblem beziehungsweise eine Forschungsfrage richtet sich hierbei nach dem jeweils aktuellen Forschungsstand zu einem Untersuchungsgegenstand aus. Sie ergibt sich demnach nicht nur daraus, sondern ist gleichsam darin eingebettet (vgl. Dreier 1997: 343ff). Ferner wird in der politikwissenschaftlichen Methodenliteratur zwischen x- und y-zen- trierten Fragestellungen differenziert, x-zentrierte Forschungsfragen fragen nach der spezifischen Auswirkung einer erklärenden Variable auf das zu erklärende Phänomen, Y-zentrierte Forschungsfragen hingegen nach Ursachen für das zu erklärende Phänomen (vgl. Ganghof2016: 2ff).
Lacina bewegt sich im Rahmen der Friedens- und Konfliktforschung. Konkret forscht sie zu Bürgerkriegen und widmet sich hierbei der Frage, „wieso einige Bürgerkriege so viel tödlicher sind als andere“ (Lacina 2006: 276). Diese grenzt sie von der Frage nach der Eintrittswahrscheinlichkeit von Bürgerkriegen ab (vgl. ebd.: 276f.). Vielmehr will sie die Varianz der Konfliktintensität von Bürgerkriegen Vorhersagen. Ihre Forschungsfrage ist demnach y-zentriert.
Theorie und Hypothesenformulierung
„Eine Hypothese ist allgemein formuliert eine Annahme über den Status von Ereignissen oder über Relationen zwischen Variablen“ (Dreier 1997: 360). Eine Variable wiederum ist ein theoretisches Konstrukt, dem mehrere Merkmalsausprägungen zukommen (vgl. ebd.: 134).
Im Forschungsprozess dient die Hypothesenformulierung dazu, diejeweils vorliegende Problem- beziehungsweise Fragestellung in eine empirisch prüfbare Form zu überführen, wobei zwischen verschiedenen Hypothesentypen unterschieden wird (vgl. ebd.: 360f.). So lassen sich Hypothesen mit einer „Wenn-dann“- sowie einer „Je-desto“- Struktur übergeordnet als Kausalhypothesen beschreiben (vgl. ebd.: 364). Den verschiedenen Hypothesentypen gemein sind indes die Gütekriterien der Hypothesenformulierung, zu diesen zählen beispielsweise die Widerspruchs- und Wertfreiheit von Hypothesen (vgl. ebd.: 361).
Lacina gliedert die Hypothesen entlang der Determinantengruppen „Staatskapazität“, „Regimetyp“ sowie „ethnische und religiöse Polarisierung“. Für jede dieser Gruppen formuliert Lacina jeweils unabhängig voneinander Hypothesen (vgl. Lacina 2006: 280ff). Allen Hypothesen gemein ist die Bedingung, dass sie für Bürgerkriege gelten. Die Grundgesamtheit umfasst demnach alle Staaten, in denen Bürgerkrieg herrschte, herrscht oder herrschen wird
Die Determinantengruppe „Staatskapazität“ umfasst vier Hypothesen. Zu Beginn verweist Lacina auf die Bedeutung ökonomischer Faktoren auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgerkrieg ausbricht. Ein geringes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Proxy für staatliches Unvermögen verknüpft sie mit möglichen Faktoren, durch die Aufständische gegenüber einer Regierung gestärkt werden könnten. Daraus leitet sie die Hypothese ab, dass Staatskapazität als Erklärung für wenig ausufemde Bürgerkriege fungieren könnte, da diese „effizienter Bekämpfung von Aufständen, grundlegender institutioneller Stärke und hohen Opportunitätskosten für Widerständler“ assoziiert sei (ebd.: 280).
Die Hypothese 1A postuliert entsprechend mittels einer „Je-desto“-Struktur eine negative Wirkungsrichtung zwischen der unabhängigen Variable „Staatskapazität“ und der abhängigen Variable „Konfliktintensität“:
„Hypothese 1A: Für alle Bürgerkriege gilt: Je schwächer ein Staat ist, desto schwerere Konflikte finden dort statt“ (ebd.: 280).
Gleichsam wägt sie ab, dass Bürgerkriege in ärmlichen Gebieten weniger durch fortwährende Kampfhandlungen zwischen organisierten Konfliktparteien als vielmehr durch ein konfuses Geschehen mit entsprechenden Folgeeffekten geprägt sind (vgl. ebd.: 281). Hypothese 1B postuliert daher keinen Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variable „Staatskapazität“ und der abhängigen Variable „Konfliktintensität“:
„Hypothese 1B: Für alle Bürgerkriege gilt: Zwischen der Konfliktintensität und der Staatskapazität besteht kein Zusammenhang“ (ebd.).
Ein Nichtzusammenhang, so Lacina weiter, sei besonders schlüssig, „sofern die militärische Stärke eines Regimes und seiner Herausforderern weniger durch die inländische Wirtschaft als vielmehr durch wirtschaftliche und militärische Unterstützung von Dritten bestimmt ist“ (ebd.). An diesem Punkt setzt die nächste Hypothese an:
„Hypothese 1C: Für alle Bürgerkriege gilt: Schwerere Konflikte finden statt, wenn die Regierung und/oder Aufständische externe militärische Unterstützung erfahren“ (ebd.).
Hypothese 1C postuliert mittels einer „Wenn-dann“-Struktur eine positive Wirkungsrichtung zwischen der unabhängigen Variable „externe militärische Unterstützung“ und der abhängigen Variable „Konfliktintensität“.
Als abschließende Variable dieser Gruppe benennt Lacina „unwegsames Gelände“. Wie sie ausführt, findet sich in der zitierten Forschung eine positive Korrelation zwischen geografischer Beschaffenheit, niedriger Bevölkerungsdichte und dem Ausbruch von zivilen Konflikten. Gleichsam verweist sie darauf, dass unwegsames Gelände verglichen mit offenen und urbanen Gebieten im Konfliktfall zu Gefechtssituationen führen dürfte, in denen kleinere Gruppen an Kombattanten aufeinandertreffen (vgl. ebd.: 281f.). Entsprechend postuliert Hypothese ID mittels einer „Je-desto“-Struktur eine negative Wirkungsrichtung zwischen der unabhängigen Variable „unwegsames Gelände“ und der abhängigen Variable „Konfliktintensität“:
„Hypothese ID: Für alle Bürgerkriege gilt: Je unwegsamer das Staatsgebiet ist, desto weniger schwere Konflikte finden statt“ (ebd.: 282).
Die Determinantengruppe „Regimetyp“ enthält eine Hypothese. Nach Lacina finden sich in der Forschungsliteratur einige Hinweise darauf, dass eine Beziehung zwischen „Regimetyp“ und „Konfliktintensität“ besteht. Für diese arbeitet sie drei mögliche Erklärungsansätze heraus. Erstens verweist sie auf Selektionseffekte, die daher rühren, dass sich Führungspersonen demokratischer Staaten gegenüber derjeweiligen Bevölkerung verantworten müssen. Entsprechend entscheiden sich demokratischen Staaten einerseits tendenziell für aussichtsreiche Konflikte und agieren andererseits in Konflikten auch mit Blick auf Kollateralschäden umsichtiger. Als zweiten Erklärungsansatz gibt Lacina eine normative Perspektive wieder. Die Regierungen demokratischer Staaten sind in ein institutionelles Geflecht eingehegt. Aufgrund dessen könnten sie angehalten sein, Kollateralschäden gering zu halten und gegenüber Aufständischen das mildeste Mittel zu wählen. Der dritte Erklärungsansatz gründet auf der Responsivität demokratischer Systeme. Interessenvermittlung, Kompromissfmdung und wechselnden Mehrheiten sind in diesen angelegt. Folglich könnten sie in besonderem Maße daraufhin ausgerichtet sein, Aufständischen zu begegnen und somit gegenüber anderen Regierungsformen einen strukturell bedingten Vorteil besitzen (vgl. ebd.: 282f.). Die verschiedenen Erklärungsansätze laufen schließlich in der nachfolgenden Hypothese zusammen:
„Hypothese 2: Für alle Bürgerkriege gilt: Wenn ein Staaten demokratisch sind, dann geht dies mit einem weniger schweren Konfliktverlauf einher.“ (ebd.: 283).
Hypothese 2 postuliert mittels „Wenn-dann“-Struktur einen negative Wirkungsrichtung zwischen der unabhängigen Variable „Demokratie“ und der abhängigen Variable „Konfliktintensität“.
Für die Determinantengruppe „ethnische und religiöse Polarisierung“ formuliert Lacina zwei Hypothesen. Nach Lacina beschreibt die Forschungsliteratur ethnische und religiöse Anhängerschaften im Vergleich zu politischen Ideologien als eher starr. Ethnisch motivierte Konflikte werden demgegenüber zudem teils als blutig und verrohrt charakterisiert. Lacina sieht die Möglichkeit, dass es den jeweiligen Konfliktparteien aufgrund entsprechender Dynamiken unmöglich sein könnte, die Gewalt aufzulösen - vor allem, sofern die Konfliktparteien einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ausmachen. Aller- dings verweist sie auch auf die gemischten Ergebnisse zur Beziehung zwischen kulturellen Faktoren und Konfliktausbrüchen, da sie es für unwahrscheinlich hält, dass diese Faktoren zwar die Schwere von Konflikten begünstigen, sie gleichzeitig aber nicht wahrscheinlicher machen (vgl. ebd.: 283f). Die Hypothesen 3Aund 3B postulierenje- weils mittels einer „Wenn-dann“-Struktur eine positive Wirkungsrichtung der unabhängigen Variablen „ethnische Polarisierung“ und „religiöse Polarisierung“ auf die abhängige Variable „Konfliktintensität“:
„Hypothese 3A: Für alle Bürgerkriege gilt: Wenn ein Staat ethnische polarisiert ist, dann steigt die Konfliktintensität“ (ebd.: 284).
„Hypothese 3B: Für alle Bürgerkriege gilt: Wenn ein Staat religiös polarisiert ist, dann steigt die Konfliktintensität“ (ebd.).
Forschungsdesign: Operationalisierung
Unter Operationalisierung ist die Messbarmachung theoretischer Konstrukte zu verstehen. Dies geschieht mittels der Wahl von Indikatoren für diejenigen Begriffe, über welche die Hypothesen jeweils Annahmen treffen. Die Operationalisierung resultiert in einem Messinstrument (vgl. Dreier 1997: 237). Dessen Güte lässt sich anhand bestimmter Kriterien bestimmen. Die Validität, die Gültigkeit der Messung, richtet sich danach, ob gemessen wurde, was gemessen werden sollte. Die Reliabilität, die Zuverlässigkeit der Messung, beschreibt den Grad der Messstabilität bei Wiederholungen (vgl. ebd.: 301; vgl. ebd.: 306).
Die abhängige Variable „Konfliktintensität“ bemisst Lacina anhand des natürlichen Logarithmus der Gesamttodeszahlen von Bürgerkriegsgefechten für Bürgerkriege zwischen 1946 und 2002 (vgl. Lacina 2006: 284). Todesopfer meint in diesem Zusammenhang „Kombattanten und Zivilisten, die durch Gewalthandlungen während einer militärischen Auseinandersetzung getötet wurden“ (ebd.: 277). Tote hingegen, die durch Folgeeffekte eines Krieges, Aufstandes oder durch einseitig ausgeübte Gewalt wie im Falle eines Genozids ums Leben kommen, zählen folgerichtig nicht hinzu (vgl. ebd.: 277f). Als Datenquelle ist ein Datenset von Lacina und Gleditsch aus dem Jahr 2005 angegeben (vgl. ebd.: 278). Das Logarithmieren korrigiert die stark rechtsschiefe Verteilung, die aufgrund der Homoskedastizitätsannahme problematisch wäre. Die Variable ist quantitativ stetig. Als Kontrollvariablen nutzt Lacina „Konfliktdauer“ und „Bevölkerungszahl“ logarithmiert zusätzlich zu den nachfolgenden unabhängigen Variablen (vgl.: 284) .
Entsprechend der vier Hypothesen, die Lacina für die Determinatengruppe „Staatskapazität“ formuliert, operationalisiert sie dieses theoretische Konstrukt, indem sie vier Indikatoren wählt. Die unabhängige Variable „Staatskapazität“ erfasst Lacina mittels „Wertigkeit des Militärs“ sowie „Bruttoinlandsprodukts pro Kopf“. „Wertigkeit des Militärs“ dient Lacina als Proxy für „Kapazitäten für die Aufstandsbekämpfung“ (vgl. ebd.). Definiert ist dieser Proxy „als Militärausgaben geteilt durch die Anzahl des Militärpersonals“ (ebd.: 284f.).
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- Arbeit zitieren
- Tim-Philipp Hödl (Autor:in), 2021, Die Studie "Explaining the Severity of Civil Wars" von Bethany Lacina. Kritische Würdigung der methodologischen Güte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1171150
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