Prostitution wird seit ewigen Zeiten als das „älteste Gewerbe der Zeit“ bezeichnet. Durch
jede Form von gesellschaftlichem Zusammenlebens zog sich das Phänomen „käufliche
Liebe“. Auch im durchgeplanten System der ehemaligen DDR gab es Bedarf an
weiblichen Prostituierten. In der Nachkriegszeit nicht vordergründig moralisch
behandelt, änderten sich für sie die Umstände grundlegend mit der Einführung des
neuen Strafgesetzbuches 1968 in DDR. Fortan galten die Freudenmädchen strafrechtlich
als arbeitsscheu und gingen ihrer eigentlichen Bestimmung - arbeitstätig und Mutter zu
sein - nicht nach. Auch das Strafmaß erhöhte sich enorm, womit sich der Staat erhoffte,
Prostitution allmählich aus dem Bild der Öffentlichkeit entrücken zu können. Die
Erwartung, das Phänomen der »leichten Mädchen« würde in der DDR bald aussterben1,
wurde jedoch nicht erfüllt. Zwar reduzierte sich die Medienberichterstattung auf ein
Minimum, jedoch gingen die meisten Prostituierten ihrer Tätigkeit in einem heimlicheren
Rahmen weiterhin nach.
Mit Beginn der 70er Jahre wurden dann zunehmend junge Frauen vom „Ministerium für
Staatssicherheit“ (MfS) angeworben. Ihre Aufgabe: Intimbeziehungen zu Personen aus
dem „Nichtsozialistischen Ausland“ herzustellen und damit in Kenntnis wichtiger
Informationen und intimer Details zu gelangen.
Bis zum Ende der DDR entwickelte sich die Prostitution weiter und es etablierten sich
„Hochburgen“ wie Leipzig, Rostock oder Ost-Berlin.
Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der DDR-Prostitution und den problematischen
Umstand, dass sie in der DDR 1968 zwar strafrechtlich verboten, dennoch über die
gesamte Existenz der Deutschen Demokratischen Republik hinweg vom „Ministerium für
Sicherheit“ als Mittel der Spionage eingesetzt wurde.
Auf theoretischer Grundlage August Bebels basierend, soll auch die Stellung der
Prostitution in der sozialistischen Gesellschaft zur Antwortfindung einbezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
1.1 Problemaufriss
1.2 Zentrale Fragestellung
2. GRUNDLAGEN
2.1 Begriffsdefinition „Prostitution“
2.2 Das Frauenbild in der DDR
3. PROSTITUTION IN DER DDR
3.1 Die weibliche Prostitution im Sozialismus (August Bebel)
3.2. Die Gesetzeslage zur Prostitution in der DDR
3.2.1 Bis 1968
3.2.2 Ab 1968
3.3 Zugänge für Frauen zur Prostitution in der DDR
3.4. Das „Lustgewerbe“ in der DDR von der Nachkriegszeit bis zum Ende der ‘80er Jahre
3.4.1 Die Nachkriegszeit− Aspekt „Existenzsicherung“
3.4.2 Die 1950er − Aspekt „Arbeitsintegration“
3.4.3 Die 1960er − Aspekt „Luxus und Strafgesetz“
3.4.4 Die 1970er − Aspekt „lnformationsbeschaffung“
3.4.5 Die 1980er − Aspekt „Leipziger Messe und Rostocker Storchenbar“
4. SCHLUSSFOLGERUNG
5. ZUSAMMENFASSUNG
6. QUELLENVERZEICHNIS
1. Einleitung
1.1 Problemaufriss
Prostitution wird seit ewigen Zeiten als das „älteste Gewerbe der Zeit“ bezeichnet. Durch jede Form von gesellschaftlichem Zusammenlebens zog sich das Phänomen „käufliche Liebe“. Auch im durchgeplanten System der ehemaligen DDR gab es Bedarf an weiblichen Prostituierten. ln der Nachkriegszeit nicht vordergründig moralisch behandelt, änderten sich für sie die Umstände grundlegend mit der Einführung des neuen Strafgesetzbuches 1968 in DDR. Fortan galten die Freudenmädchen strafrechtlich als arbeitsscheu und gingen ihrer eigentlichen Bestimmung − arbeitstätig und Mutter zu sein − nicht nach. Auch das Strafmaß erhöhte sich enorm, womit sich der Staat erhoffte, Prostitution allmählich aus dem Bild der Öffentlichkeit entrücken zu können. Die Erwartung, das Phänomen der »leichten Mädchen« würde in der DDR bald aussterben1, wurde jedoch nicht erfüllt. Zwar reduzierte sich die Medienberichterstattung auf ein Minimum, jedoch gingen die meisten Prostituierten ihrer Tätigkeit in einem heimlicheren Rahmen weiterhin nach.
Mit Beginn der 70er Jahre wurden dann zunehmend junge Frauen vom „Ministerium für Staatssicherheit“ (MfS) angeworben. lhre Aufgabe: lntimbeziehungen zu Personen aus dem „Nichtsozialistischen Ausland“ herzustellen und damit in Kenntnis wichtiger lnformationen und intimer Details zu gelangen.
Bis zum Ende der DDR entwickelte sich die Prostitution weiter und es etablierten sich „Hochburgen“ wie Leipzig, Rostock oder Ost−Berlin.
Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der DDR−Prostitution und den problematischen Umstand, dass sie in der DDR 1968 zwar strafrechtlich verboten, dennoch über die gesamte Existenz der Deutschen Demokratischen Republik hinweg vom „Ministerium für Sicherheit“ als Mittel der Spionage eingesetzt wurde.
Auf theoretischer Grundlage August Bebels basierend, soll auch die Stellung der Prostitution in der sozialistischen Gesellschaft zur Antwortfindung einbezogen werden.
1.2 Zentrale Fragestellung
„Die Prostitution wird also zu einer notwendigen sozialen lnstitution für die bürgerliche Gesellschaft, ebenso wie Polizei, stehendes Heer, Kirche, Unternehmerschaft.“2
Die wissenschaftliche Arbeit soll der Frage nachgehen, inwieweit die These Bebels (s.o.) den realsozialistischen Umständen in der ehemaligen DDR entsprach. War also die weibliche Prostitution unabdingbar in der Deutschen Demokratischen Republik? Wie entwickelte und gestaltete sie sich?
2. Grundlagen
2.1 Begriffsdefinition „Prostitution“
Der Ursprung des Begriffs lässt sich vom lateinischen „prostituere“ ableiten und bedeutet soviel wie „sich zu Schau stellen“ oder sich „öffentlich preisgeben“.
Als Prostituierte gelten Frauen, die ihren Körper sexuellen Handlungen mit häufig wechselnden Partnern zu deren Befriedigung gewerblich zur Verfügung stellen.
Uta Flack definiert „Prostitution“ speziell auf die DDR bezogen wie folgt: „Unter Prostitution in der DDR verstehe ich alle sexuellen Handlungen, bei denen für mindestens einen Partner ein Motivationsausschnitt im Erhalt von materiellen Vorteilen in Form von Geschenken oder Geld (gleich welcher Währung) bestand.“3
Anzumerken ist hierbei, dass sich Frauen in der DDR nicht aufgrund finanzieller Nöte prostituierten, sondern dass andere Beweggründe, wie beispielsweise Abenteuerlust und Spaß an der Sexualität relevant waren. Eine in der DDR weitverbreitete Form der Prostitution war der „Geschenke−Sex“4, der nicht mit Geld, sondern Präsenten für die Frau entlohnt wurde. Diese Frauen allerdings definierten sich selbst nicht als „Prostituierte“, dennoch wurden sie in der Fremdwahrnehmung als solche deklariert.
Die Gruppe aller Prostituierten wurde allgemein unter der Bezeichnung „Personen mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr“ (HwG) zusammengefasst und damit fälschlicherweise der Promiskuität gleichgesetzt.
2.2 Das Frauenbild in der DDR
Das Frauenbild in der DDR war gekennzeichnet durch eine Gleichstellungs− und Eingliederungspolitik. Vor allem in den ersten Jahren der DDR wurde besonderer Wert darauf gelegt, die Frau in den Erwerbssektor zu integrieren und ihr damit die Rolle der „arbeitstätigen Mutter“ zu verschaffen. Bereits seit dem 07.Oktober 1949 wurde in der Verfassung der DDR festgelegt, dass Mann und Frau rechtlich gleichzustellen sind. Später wurden Gesetze beschlossen, die die gleiche Bezahlung der Geschlechter für gleiche Arbeit beinhalteten. Getreu der marxistisch−leninistischen Lehre sollten die Frauen durch eine Arbeitstätigkeit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit (in etwa vom Mann) entgehen können. Ziel hierbei war es, die Frau als eine dem Mann ebenbürtige Person sozial, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu integrieren. Eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie seitens der Frauen galt als selbstverständlich. Um dieses Frauenbild umzusetzen, wurde vom Staat eine Vielzahl von Vergünstigungen für kinderreiche Familien eingeführt. Die staatlichen Vereinbarkeitsmaßnahmen beinhalteten außerdem die Gründung von Kinderkrippen, Kindergärten und Horten, auch um als erwünschten Nebeneffekt einen Einfluss auf die Sozialisation der Kinder zu haben.
Nicht nur, dass die Frau angeleitet wurde, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen und damit die bevölkerungspolitische Zukunft der DDR zu sichern, war die Familie in der Deutsche Demokratischen Republik auf das zweite Einkommen, dass die werktätige Mutter erwirtschaftete, angewiesen, um leben zu können. Dem sozialitischen Leitbild nach sollten sich beide Partner die Kindererziehung und den Haushalt teilen, damit die Frau vom „Joch der Hausarbeit“5 befreit würde. Jeder DDR−Bürgerin wurde ein Ausbildungsplatz, ein Studium oder eine Arbeitsstelle zugesichert, sodass die Mütter auch nach der Berufsauszeit durch das Babyjahr schnell wieder produktiv sein konnten.
Zusammenfassend also war das sozialistische Frauenbild in der DDR geprägt durch die soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche lntegration der Frau, um mit dem Mann auf gleicher Augenhöhe leben zu können.
3. Prostitution in der DDR
3.1 Die weibliche Prostitution im Sozialismus (August Bebel)
ln seinem Werk „Die Frau und der Sozialismus“, erstmals erschienen 1883, widmet sich August Bebel im Zwölften Kapitel der Thematik Prostitution in der sozialitischen Gesellschaft. Unter der Überschrift „Die Prostitution − eine notwendige soziale lnstitution der bürgerlichen Welt“6 beschreibt Bebel, inwieweit und worin begründet er die Prostitution als unerlässlich erachtet.
Zunächst wird beschrieben, dass das Geschlechtsleben eines Mannes in der bürgerlichen Gesellschaft zum einen aus der Ehe und zum anderen aus der Prostitution bestehe. Bekämen die Männer in der Ehe nicht ihre nötige sexuelle Befriedigung, griffen sie auf die Prostitution zurück. Für Männer würden also weitaus bessere Bedingungen herrschen, ihren Geschlechtstrieb auszuleben, als für die Frauen. Diese jedoch, so Bebel, hätten die gleichen Bedürfnisse und in manchen Lebensabschnitten sogar noch heftiger als der Mann, diesen Naturtrieb auszuleben7. Wegen der „Kraft seiner Herrschaftsstellung“8 jedoch, würde der Mann also die Frau zwingen, diesen inneren Drang zu unterdrücken. Nur so könne gewährleistet sein, dass die Frau in gesellschaftlicher Anerkennung leben könne. Auch eine Eheschließung würde also von der Keuschheit seitens der Frau abhängig gemacht werden. Jedoch gebe es viele Gründe, weshalb eine genügende Triebbefriedigung nicht möglich sei. Deshalb wäre es erforderlich, eine Genugtuung dieses lnstinktes in der „Wildnis“9 zu suchen. Er stellt damit folgende These auf:
„Die Prostitution wird also zu einer notwendigen, sozialen lnstitution für die bürgerliche Gesellschaft, ebenso wie Polizei, stehendes Heer, Kirche, Unternehmerschaft.“10
Viele Persönlichkeiten aus Religion und Medizin etwa haben sich mit dem Thema Prostitution und der Notwendigkeit für eine Gesellschaft beschäftigt. Viele von denen, die Bebel in seiner Ausarbeitung zitiert (wie z.B. Thomas Aquin), behaupten, dass die Prostitution aus der Gesellschaft nicht fortzudenken ist, würde sie verschwinden, würden ungeordnete Verhältnisse die Folge sein. Bebel jedoch stellt sich die Frage, ob die gesellschaftliche Ordnung an sich und die herrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse nicht auch die Ursache für Prostitution ist.
Besonders eindrucksvoll schildert der Leipziger Polizeiarzt Dr. Julius Kühn 1892: „Die Prostitution ist nicht bloß ein zu duldendes, sondern ein notwendiges Übel, denn sie schützt die Weiber vor Untreue und die Tugend vor Angriffen und somit vor dem Falle.“11 Worte, die laut Bebel den Egoismus der Männerwelt unverhohlen veranschaulichen.
Bebel bringt weiterhin mehrere Experten an, die sich für die gesetzliche Anerkennung der Prostitution aussprechen, um beispielsweise eine Überbevölkerung zu verhindern. lm sozialistischen Staat muss es also eine Prostitution geben, die sowohl dem Manne als auch der Frau eine Triebbefriedigung verschafft.
[...]
1 Vgl. Uta Falck: VEB Bordell. Geschichte der Prostitution in der DDR. Berlin 1998, S. 14
2 August Bebel: Die Frau und der Sozialismus. Berlin 1953, S. 234
3 Falck, a.a.O., S. 15
4 Ebd., S. 19
5 Wikipedia. Frauen− und Familienpolitik der DDR, Online im lnternetƒURL: http:ƒƒde.wikipedia.orgƒwikiƒFrauen−_und_Familienpolitik_der_DDR. Letzte Änderung: 04.Juli 2008, Zugriffsdatum: 08.August 2008
6 Bebel, a.a.O., S. 233
7 Vgl., ebd., S. 233−234
8 Ebd., S. 233
9 Ebd., S. 234
10 Ebd., S. 234
11 Ebd., S. 236
- Quote paper
- Benjamin Wellner (Author), 2008, Prostitution in der DDR - „Von der ‚Gefahr für die Volksgesundheit‘ zum Werkzeug der Stasi-Spionage“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117093
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