In der Pädagogik gilt Janusz Korczak als ein Revolutionär im Bezug auf die Rechte von
Kindern. Der frühere Pädagoge und Kinderarzt krempelte die Vorstellungen von Erziehung
des 19. Jahrhunderts um, indem er den Rechten und Gefühlen der Kinder eine höhere
Bedeutung zusprach. Dass Kinder den gleichen Wert bzw. die gleichen Rechte wie
Erwachsene haben sollten, war bis dahin neu. Der Leiter eines Waisenhauses richtete sein
Leben vollkommen nach den und für die Kinder aus. Das Hinterfragen des eigenen Handels
und die ständige Reflexion sind grundlegend für die Pädagogik Janusz Korczaks. In den
letzten Jahren hat die Inklusionsdebatte zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dabei steht
im Fokus, wie man allen Menschen das annähernd gleiche Recht auf Teilnahme ermöglichen
kann. Teil dieser Debatte ist auch die Erziehung von Kindern mit Behinderung und ihre
damit einhergehenden Chancen auf selbstbestimmtes Leben. In dieser Hausarbeit werden
zuerst die Ursprünge der Pädagogik Korczaks zeitlich eingeordnet und anschließend ihre
verschiedenen Grundsätze und Dimensionen differenziert und verdeutlicht, wie penibel,
nach Korczaks Verständnis, in allen alltäglichen Situationen auf die Umsetzung dieser
pädagogischen Haltung geachtet werden sollte. Anschließend werden diese Dimensionen
auf ihre Allgemeingültigkeit hinsichtlich der Inklusionsdebatte überprüft. Dabei wird
zwischen der Inklusion im allgemeinen gesellschaftlichen Rahmen und der Inklusion
innerhalb von Institutionen unterschieden. Bei der gesellschaftlichen Inklusion werden
alltägliche Situationen des öffentlichen Lebens, sowie allgemeine Verhaltensmuster und
Denkweisen unter den herausgearbeiteten Aspekten von Korczaks Vorstellungen von
Erziehung und Pädagogik reflektiert und ihre Umsetzbarkeit bewertet. Bei institutioneller
Inklusion steht die Anwendbarkeit von Korczaks Dimensionen innerhalb von pädagogischen
Einrichtungen im Fokus. Dabei werden sowohl Möglichkeiten wie man die pädagogische
Arbeit durch an Korczaks Dimensionen orientierten Arbeits- und Denkweisen bereichern
kann festgestellt, als auch die Grenzen bzw. Konflikte der Theorie und der Anwendung in
der Praxis dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Korczaks Pädagogik
1.1 Zeitgeschichtliche Einordnung
1.2 Dimensionen
2 Konsequenzen für die Inklusionsdebatte
2.1 Institutionelle Inklusion
2.2 Gesellschaftliche Inklusion
3 Fazit und Ausblick
4 Literaturverzeichnis
Einleitung
In der Pädagogik gilt Janusz Korczak als ein Revolutionär im Bezug auf die Rechte von Kindern. Der frühere Pädagoge und Kinderarzt krempelte die Vorstellungen von Erziehung des 19. Jahrhunderts um, indem er den Rechten und Gefühlen der Kinder eine höhere Bedeutung zusprach. Dass Kinder den gleichen Wert bzw. die gleichen Rechte wie Erwachsene haben sollten, war bis dahin neu. Der Leiter eines Waisenhauses richtete sein Leben vollkommen nach den und für die Kinder aus. Das Hinterfragen des eigenen Handels und die ständige Reflexion sind grundlegend für die Pädagogik Janusz Korczaks. In den letzten Jahren hat die Inklusionsdebatte zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dabei steht im Fokus, wie man allen Menschen das annähernd gleiche Recht auf Teilnahme ermöglichen kann. Teil dieser Debatte ist auch die Erziehung von Kindern mit Behinderung und ihre damit einhergehenden Chancen auf selbstbestimmtes Leben. In dieser Hausarbeit werden zuerst die Ursprünge der Pädagogik Korczaks zeitlich eingeordnet und anschließend ihre verschiedenen Grundsätze und Dimensionen differenziert und verdeutlicht, wie penibel, nach Korczaks Verständnis, in allen alltäglichen Situationen auf die Umsetzung dieser pädagogischen Haltung geachtet werden sollte. Anschließend werden diese Dimensionen auf ihre Allgemeingültigkeit hinsichtlich der Inklusionsdebatte überprüft. Dabei wird zwischen der Inklusion im allgemeinen gesellschaftlichen Rahmen und der Inklusion innerhalb von Institutionen unterschieden. Bei der gesellschaftlichen Inklusion werden alltägliche Situationen des öffentlichen Lebens, sowie allgemeine Verhaltensmuster und Denkweisen unter den herausgearbeiteten Aspekten von Korczaks Vorstellungen von Erziehung und Pädagogik reflektiert und ihre Umsetzbarkeit bewertet. Bei institutioneller Inklusion steht die Anwendbarkeit von Korczaks Dimensionen innerhalb von pädagogischen Einrichtungen im Fokus. Dabei werden sowohl Möglichkeiten wie man die pädagogische Arbeit durch an Korczaks Dimensionen orientierten Arbeits- und Denkweisen bereichern kann festgestellt, als auch die Grenzen bzw. Konflikte der Theorie und der Anwendung in der Praxis dargestellt.
1 Korczaks Pädagogik
Der Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak setzte sich sehr für Kinder und ihre Rechte ein und dafür, dass diese von Erwachsenen geachtet werden. Das Kind als das zu sehen und zu verstehen was es ist und als dieses auch im Ganzen ernst zu nehmen, zeichnet ihn und seine Vorstellung von Pädagogik aus. Diese stützt sich sehr auf die ständige Reflexion der eigenen Arbeit bzw. des eigenen Umgangs mit Kindern und der stetigen Weiterentwicklung. Ausschlaggebend für seinen Lebensweg hin zur pädagogischen Arbeit war möglicherweise auch seine Erfahrungen in seiner eigenen Kindheit.
1.1 Zeitgeschichtliche Einordnung
Janusz Korczak wurde im Juli des Jahres 1878 oder 1879 geboren. Durch die nahezu vollständige Vernichtung des polnischen Judentums durch die Nazis wurden auch zahlreiche Dokumente, wie auch die Geburtsurkunde von Korczak, zerstört oder gar nicht erst ausgestellt. Daher ist auch das genaue Geburtsjahr von Korczak nicht bekannt(vgl. Beiner 2010, 15). In seiner Kindheit erfährt Korczak die Ungleichstellung von Juden und Katholiken immer wieder am eigenen Leib(vgl. Beiner 2005, 301f.). Dies ist vermutlich auch grundlegend für seine später folgenden Bemühungen die Integration jüdischer Bürger in die polnische Kultur zu fördern(vgl. Beiner 2010, 15). Während Korczaks Schulzeit war es üblich, dass LehrerInnen zur Rute griffen oder generell Gewalt als vermeintlich pädagogisches Mittel einsetzen(vgl. Beiner 2005, 319). Allgemein berichtet Korczak von einer Schule die er als sehr negativ und trostlos wahrgenommen hat(vgl. Beiner & Ungermann 2000, 153). All diese prägenden Erfahrungen in seiner Kindheit haben ihn wahrscheinlich dahingehend beeinflusst, dass er sich später sogar in Zeiten des ersten Weltkrieges für die Kinderrechte, das Judentum und die Demokratie einsetze. Er schrieb davon, die kapitalistische Gesellschaftsordnung abschaffen zu wollen(vgl. Beiner & Ungermann 2000, 106)und entwickelte ein auch für Jugendliche verständliches Programm zur Aufklärung über politische Ereignisse in denen er unter anderem den ersten Weltkrieg und den Aufbau der Demokratie thematisierte(vgl. Beiner 2010, 106f.).
1.2 Dimensionen
In den Werken und dem Wirken Janusz Korczaks werden verschiedene Grundsätze bzw. Dimensionen seiner Pädagogik deutlich. Er ist dafür bekannt, den Rechten der Kinder eine hohe Bedeutung zuzuschreiben, insbesondere dem Recht des Kindes auf Achtung. Kindern wird von klein auf, oft unbewusst, klar gemacht, dass das Große mehr Bedeutung habe als das Kleine. Ihren Willen können sie durch die Kraft- und Größenunterschiede nicht durchsetzen und lernen so, dass das Große bzw. der Größere Mensch mehr Bedeutung hat und sich das Kleine nicht mit ihm messen kann(vgl. Korczak 1998, 7). Mit dem Bedeutungsgewinn des Intellekts wurde die geringe Partizipationsmöglichkeit von Kindern noch weiter negativ verstärkt, da sie nicht gefragt werden, sondern über sie entschieden wird(vgl. Korczak 1998, 8f.). Sie besitzen kein eigenes Eigentum, sie selbst werden wie Eigentum behandelt welches zugleich Segen und Last ist(vgl. Korczak 1998, 10, 15). Korczak versucht genau dieses Denken und Handeln umzukrempeln und ist davon überzeugt, dass Kinder Achtung, Wohlwollen und Vertrauen verdienen(vgl. Korczak 1998, 20). Man durchlebt nach Korczak (1998) im Laufe seines Lebens ,,zwei Leben: das eine angesehen und geachtet, das andere nachsichtig geduldet“ (23). Kinder werden in den Augen der Gesellschaft erst noch zu richtigen Menschen und sind es noch nicht(vgl. Korczak 1998, 13, 23). Dies führt zu einem weiteren wichtigen Grundsatz bei der Pädagogik Korczaks, dem Recht des Kindes zu sein was es ist. Eltern wollen die Kinder zu etwas besserem Formen als sie selbst es sind und haben den Kampf mit sich selbst aufgegeben. Nun werden die eigenen nichterfüllten Anforderungen den Kindern auferlegt(vgl. Korczak 1998, 29). Kinder werden von uns, den bereits Zu-Menschen-gewordenen, kontrolliert und korrigiert aber uns selbst kontrollieren wir nicht. Trotz aller Mühe wird dem Kind häufig die Schuld zugesprochen, Absicht unterstellt und es wird mit dem Auferlegen einer Kollektivverantwortung bestraft(vgl. Korczak 1998, 30ff.). Korczak erwartet also von dem Erzieher1, dass er dem Kind zu dem Recht verhilft, Kind zu sein und fordert von ihm das Kind zu achten wie jeden Menschen. Nicht nur das Kind selbst, sondern auch seine noch so unsinnig scheinenden Wünsche sollten hinterfragt und geachtet werden. Grundlegend für die Korczakpädagogik ist das Verständnis für andere, also das Empathievermögen. Egal wie banal eine Sehnsucht oder eine Angst eines Kindes erscheint, ist sie dennoch existent und bereitet ihm Sorge. Wer Rücksicht zeigt und seine Mitmenschen ernst nimmt, kann Erzieher werden(vgl. Korczak 1979, 119). Fehler im pädagogischen Handeln entstehen durch den gewohnten Zwang herkömmlicher Begriffe. Das typische Verhältnis zum Kind als niederes Wesen führt zu einem geringschätzigen Umgang mit ihm und seinen Sorgen. Es hat das Recht zu verlangen, dass sein Kummer ernst genommen wird(vgl. Korczak 2018, 139f.). Wenn also der Erzieher aus seinem gewohnten Zwang herkömmlicher Begriffe ausbrechen würde, hätte er höhere Chancen das Kind und seine Sorgen richtig zu verstehen und angemessen zu reagieren. Ein Beispiel für diesen Ausbruch wäre, dass der Institutionsleiter im Waisenhaus nicht durch die räumliche Trennung separiert wird, sondern sein Zimmer bei denen der Kinder liegen würde und er so die Funktion des Erziehers einnehmen könnte(vgl. Korczak 2018, 217f.). Da Kinder den allgemeingültigen Verhaltensweisen noch nicht in Gänze verfallen sind, hinterfragen sie sie und zwingen so den Erzieher zum Hinterfragen des eigenen Handelns und dem oben genannten Ausbruch.2 Er muss also kreativ werden um Einheit zu schaffen und Lösungen zu finden, während er das Kind achtet(vgl. Korczak 2018, 221ff.). Gelingt ihm dies, gelingt ihm auch Erziehung im Sinne der Gesellschaft. Schafft es der Erzieher die Bedeutung von Liebe und Vergebung zu vermitteln, so erschafft er das utopische Ziel eines Lebens der Wahrheit und Gerechtigkeit(vgl. Korczak 1979, 138). Trotz seiner Utopie hat die Schaffung dieses Zieles ein Nutzen. Es führt dazu, dass die Menschen sich aneignen, nach bestimmten Werten zu handeln und so ein Stück zu einer funktionierenden Gesellschaft beitragen. Erziehung ist also fundamental für das Wohl einer Gruppe und für das Wohl eines Individuums(vgl. Korczak 2004, 206). Erziehung wurde immer mehr als Wissenschaft verstanden und für den Charakter einer Gesellschaft verantwortlich gemacht. ,,Wir möchten die Erziehung auf Grundsätzen aufbauen, wo der Erzieher vor den Kindern für die Gesellschaft verantwortlich ist“(Korczak 2004, 207). Hier wird deutlich, weshalb Korczak der Überzeugung ist, dass Gesellschaft durch Erziehung vorangetrieben wird und mit welchen Grundsätzen er selbst dazu beitragen möchte.
2 Konsequenzen für die Inklusionsdebatte
Der Begriff der Inklusion entwickelt sich nach Capovilla (2021) immer mehr zu einer ,,moralische[n] Hülse, die argumentativ über alles Mögliche und Beliebige gestülpt werden kann“ (45). Um die Konsequenzen Korczaks Pädagogik für die Inklusionsdebatte herausarbeiten zu können, muss an dieser Stelle der Kern der Inklusionsdebatte deutlich gemacht werden. Da der Inklusionsbegriff jedoch seit seiner Einführung zu Beginn der 2000er Jahre im pädagogischen Diskurs viele Ausdehnungen und Verschiebungen in andere Bereiche erfahren hat, ist es nahezu unmöglich einen zentralen Kern auszumachen und zu definieren(vgl. Geldner 2020, 31). Im Grundlegenden steht der Begriff für eine homogene Gesellschaft, in der jeder das gleiche Recht auf Teilhabe hat. Die Tatsache, dass es für viele Menschen mehr oder weniger große Barrieren gibt, von diesem Gebrauch zu machen, ist fundamental für die Inklusionsdebatte. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf der pädagogischen Inklusion und der Integration von Menschen mit Behinderung unter den Aspekten der Pädagogik von Janusz Korczak.
2.1 Institutionelle Inklusion
Die oben herausgearbeiteten Dimensionen der Korczakpädagogik werden im Folgenden auf ihre Allgemeingültigkeit hin überprüft. Dabei liegt der Fokus auf der Umsetzbarkeit dieser Grundsätze innerhalb von Institutionen. Selbstverständlich ist es das Ziel aller pädagogischen Einrichtungen die Kinderrechte zu achten. Schwierig dabei ist, dass Kinder auch hier lernen, dass das Große bedeutsamer als das Kleine ist, da sich viele Kinder wegen verschiedener Beeinträchtigungen körperlich nicht währen können und oftmals auch nicht klar ausdrücken können. Es gibt zwar viele Fördermöglichkeiten und Methoden, aber eine vollständige Teilhabe kann manchmal nicht gewährleistet werden. Die Partizipation ist außerdem dadurch eingeschränkt, dass häufig über Kinder entschieden wird. Kommunikation ist also elementar um Teilhabe weitgehend zu ermöglichen(vgl. Klein 2018, 108). Auch das Recht des Kindes zu sein was es ist wird unter anderem durch häufige Unterstellung von Absicht oder Falschbeschuldigungen beschränkt. Da Erwachsene sich häufig bereits damit abgefunden haben, sich nicht mehr bessern zu können, kritisieren sie oft Verhaltensweisen der Kinder, die sie selbst noch an den Tag legen. Vieles wird abgewertet oder bestraft, obwohl es noch nicht vernünftig beigebracht bzw. gelernt wurde. Manchmal führt dies zu Überforderung beim Kind. Es ist also notwendig ein Empathievermögen zu besitzen, um ein Verständnis für Kinder und ihr Handeln zu entwickeln. Häufig werden ihre Bedürfnisse oder Bedenken leichtfertig mit einem ,,Stell dich nicht so an“ abgetan, obwohl es ihnen ernste Anliegen sind. Auch sind viele Erwachsene nicht dazu bereit, sich beispielsweise nach einer Fehlinterpretation einer Situation vom Gegenteil überzeugen zu lassen und schimpfen möglicherweise für etwas, das nicht geschehen ist. Um so etwas zu vermeiden, empfiehlt sich der Ausbruch aus dem gewohnten Zwang herkömmlicher Begriffe. Es ist oft sinnvoll in verschiedenen Situationen anders zu handeln als es die automatisierten Abläufe vorgeben. Kreativität kann hierfür sehr nützlich sein, z.B. wenn der Inhalt eines offensichtlich störenden Zwischenrufes ausführlich thematisiert wird. Durch solche neuen Handlungsweisen werden pädagogische Kompetenzen erweitert. So kann der Pädagoge auch seiner Verantwortung, der Gestaltung einer ganzmachenden Pädagogik, gerecht werden. Widerworte ernst nehmen und gegebenenfalls auch Fehler zugeben kann die pädagogische Arbeit sehr bereichern und ist förderlich um die Einhaltung der Rechte der Kinder zu gewährleisten(vgl. Klein 2018, 30).
[...]
1 Hier stellt sich die Frage, wen der Begriff des Erziehers überhaupt einschließt (vgl. Korczak 1979, 118f).
2 Interessant ist hier Korczaks Aussage über ehrenamtliche Mitarbeiter (vgl. Korczak 2018, 219).
- Citar trabajo
- Finn Salamon (Autor), 2021, Konsequenzen der Pädagogik von Janusz Korczak für die Inklusionsdebatte, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169826
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