[...] Ziel dieser Arbeit ist es, nach einer Darstellung der biographischen Hintergründe des Lockeschen Schaffens sowie der Kapitel 10 und 11 des zweiten Treatise und der Aufnahme des Treatise in Theorie und Praxis, zu erkennen, auf welchen Grundlagen Locke aufbaute und welchen Zweck er mit dem Werk verfolgte, sowie ob es in der Folgezeit im Sinne Lockes verstanden wurde. Nach einem Überblick über das Leben undWerk John Lockes sowie dessen Begegnungen mit den Menschen, die beides entscheidend prägen sollten, wenden wir uns Lockes Hauptwerk, den "Two Treatises of Government", und hierbei insbesondere den zu behandelnden Kapiteln 10 und 11,zu. Im Anschluß betrachten wir zum einen den Kontext, indem der Text entstand, zum anderen aber auch, welche Auswirkungen er haben sollte und wie er aufgenommen wurde.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
2 Begegnungen und das Werk John Lockes
I. Ausbildung
II. Wilkins
III. Boyle
IV. Descartes
V. Sydenham, Newton und Huygens
VI. Thomas
VII. Shaftesbury
VIII. König James II. und Wilhelm von Oranien
IX. Sir Francis and Lady Masham, née Damaris Cudworth
3 Two Treatises of Government
I. Die beiden Treatises
II. Kapitel 10 des Zweiten Treatise - Die Gesellschaft und ihre Staatsformen Der Naturzustand
III. Kapitel 11 des Zweiten Treatise - Das Ausmaß der gesetzgebenden Gewalt
1. Der Zweck der Gesetzgebung und die Bindungswirkung der Gesetze
2. Das Willkürverbot
3. Das Gebot der Rechtssicherheit
4. Der Schutz des Eigentums
5. Keine Änderung der Staatsform durch den Gesetzgeber
6. Zusammenfassung
IV. Aufstand und Regizid - Das Widerstandsrecht nach Locke
4 Der Kontext der Enstehung des Werkes
I. Der Entstehungszeitraum des Textes
II. Die Entstehung der beiden Treatises historischen Kontext
1. Filmer
2. Locke und Hobbes
3. Lockes Treatises und die Glorreiche Revolution 1688
4. Lockes verschwiegene Urheberschaft an den Treatises
5. Verschiedene Versionen der Treatises
6. Zwei Texte
7. Fragestellungen
III. Die Two Treatises im Kontext des Lockeschen Gesamtwerks
5 Government nach den Treatises: Die Aufnahme des Werkes Lockes in Verfassungstheorie und –praxis
I. Die Vereinigten Staaten von Amerika
II. Lateinamerika
III. Andere Staaten, insbesondere Frankreich
Über den Autor
Vorwort
Freiheit muss immer wieder neu verteidigt werden. Dies gilt heute im Verhältnis zu Diktaturen in Nordkorea, China, Zimbabwe oder Weißrußland, wie für den Widerstand gegen autoritäre islamistische Regimes, ebenso wie es für den Widerstand gegen Nationalsozialismus und Kommunismus galt. Die Liste lässt sich lange fortsetzen, doch haben autoritäre Systeme im 20. Jahrhundert eine neue Qualität erreicht, die mit der gleichzeitigen Demokratisierung großer Teile der Welt kontrastiert. Diese Demokratisierung ist es aber, die es einem großen Teil der Menschheit überhaupt erst erlaubt, den Wert der Freiheit zu schätzen. Denen die bereits in Freiheit leben wächst daher die Verantwortung zu, denen, die noch nach der Realisierung ihrer gottgegebenen Freiheit streben, nach Kräften zu helfen.
Der erste Entwurf dieser Arbeit entstand vor mehreren Jahren im Rahmen eines gemeinsamen Seminars der Universitäten Gießen und Luzern. Mein Dank gilt daher den Organisatoren und Teilnehmern des Seminars sowie Herrn Prof. Dr. Marauhn für die Anregung zur Beschäftigung mit diesem Thema.
Auch wenn hauptsächlich verfassungstheoretische und historische Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, so richtet sich dieses Werk an interessierte Leser jeder Fachrichtung, ist doch die Beschäftigung mit den "Two Treatises" John Lockes ist immer mehr als nur akademischer Natur. Angesichts der Tatsache, dass auch nach dem Ende des Kalten Krieges ein Großteil der Menschheit in Unfreiheit lebt, haben die Probleme, mit denen sich Locke beschäftigen musst, nichts an ihrer Aktualität verloren. Vielmehr steht zu befürchten, dass auch zukünftige Generationen für Ihre Freiheit kämpfen müssen. Ihnen sei dieses Werk eine Handreichung zum besseren Verständnis der Person John Locke und seines Werkes und eine Ermutigung, den Kampf um die Freiheit immer wieder neu zu wagen.
Frankfurt am Main, im Oktober 2008 S.K.
Literaturverzeichnis
Bücher und Aufsätze
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Cassese, Antonio – International Law , 1. Auflage, Oxford University Press. Oxford, New York und andere Orte, 2001.
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ders. – Some Thoughts concerning Education (1693), verwendete Version: http://www.socsci.kun.nl/ped/whp/histeduc/locke/locke_dedic.html.
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Molyneux, William – The Case of Ireland Stated (1698), Nachdruck 1977.
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Tarcov, Nathan – Locke's Education for Liberty , 2. Auflage, Lexington Books, Lanham, Boulder, New York, Oxford, 1999, (1., identische, Auflage, 1984 noch bei The University of Chicago Press, Chicago), zit.: Tarcov.
Wassermann, Rudolf (Hrsg.) – Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in zwei Bänden, Band 1, Art. 1 – 37 , 2. Auflage, Luchterhand, Neuwied, 1989, zit.: AK2.
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verschiedene Autoren – Die Bibel – Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift - Gesamtausgabe, Psalmen und Neues Testament, Ökumenischer Text , herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs , der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, für die Psalmen und das Neue Testament auch im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft (Evangelisches Bibelwerk), Lizenzausgabe der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Verlag Katholisches Bibelwerk, Katholische Bibelanstalt, Stuttgart, 1980.
zitierte Locke-Korrespondenz aus der Locke-Sammlung der Bodleian Library, in chronologischer Reihenfolge
(verwendet wurden soweit nicht anders angegeben Kopien aus der Jesuiten-Bibliothek Maastricht sowie Nachweise aus Laslett)
- 17.8.1689: Molyneux an Locke
- 20.12.1689: Tyrell an Locke
- 30.8.1690: Tyrell an Locke
- 9.8.1692: Tyrell an Locke
- 14.9.1693: Bayle an Minutoli
- 29.1.1694: George Fleming to Sir D.F. (Hrsg. von der Historical Manuscript Commission, 12. Report: Fleming MSS (1890), S. 335)
- 15.3.1698: Molyneux an Locke
- 6.4.1698: Locke an Molyneux.
1 Einleitung
Stellen Sie sich vor, Sie würden in einen Land leben, welches von einem absolutistischen Monarchen beherrscht wird, der unter dem Einfluß einer feindlichen Macht steht1 und seinen Volk eine fremde Religion aufzudrängen versucht, Ihre Freunde werden politisch verfolgt, einige ins Exil gezwungen, andere hingerichtet. Sie selbst entkommen in letzter Sekunde. Zurück lassen Sie nicht nur die, die Ihnen nahe stehen, sondern auch ein Manuskript, welches in einer kleinen Kiste im Haus eine guten Freundes versteckt ist.2 Mit sich nehmen Sie die Gewissheit, dass weder Sie selbst noch die, die Ihnen (sowohl politisch wie auch menschlich) nahe stehen und deren Familien nicht vor Verfolgung und Tod sicher sind, sollte ihr Manuskript gefunden werden.3 - Der Herrscher ist Charles II.,4 das Land ist England, die eben beschriebene Perspektive ist die John Lockes und das Manuskript ist der Entwurf eines Buches, welches die Welt verändern sollte: John Lockes "Zwei Abhandlungen über die Regierung".
Ein großer Teil der Arbeit John Lockes ist geprägt von seinem Widerstand gegen autoritäre Herrschaftssysteme, sei es auf der Ebene der Individuen oder im Verhältnis zur institutionalisierten Herrschaft durch Kirche oder Staat: Jeder Einzelne soll sich auf die Suche nach der Wahrheit begeben, ohne sich in Abhängigkeit von der Obrigkeit oder vorgefestigten Meinungen zu begeben. Institutionen hingegen, die in irgendeiner Form Herrschaft ausüben, müssen dazu formell und materiell5 legitimiert sein. Beide geschieht nach Ansicht Lockes zum (materiellen wie geistigen) Wohle der Einzelnen sowie der Allgemeinheit, die für Locke aufgrund des göttlichen Willens, welcher sich im Naturrecht niederschlägt, Ziel der Menschheit sind.
Das Gedankengut Lockes wurde geprägt in einem der interessantesten Zeitabschnitte der englischen Geschichte: Krone und Parlament standen ebenso im Konflikt zueinander wie Katholiken und Protestanten. Zum einzigen Mal in der britischen Geschichte wurde die Monarchie (und mit ihr die anglikanische Kirche und das House of Lords) zeitweise zugunsten des Protektorats unter Cromwell abgeschafft. Diese Jahre, waren prägend für den jungen Locke - während seine Gedanken die Zukunft weit über Englands Grenzen hinaus prägen sollten.
Ziel dieser Arbeit ist es, nach einer Darstellung der biographischen Hintergründe des Lockeschen Schaffens sowie der Kapitel 10 und 11 des zweiten Treatise und der Aufnahme des Treatise in Theorie und Praxis, zu erkennen, auf welchen Grundlagen Locke aufbaute und welchen Zweck er mit dem Werk verfolgte, sowie ob es in der Folgezeit im Sinne Lockes verstanden wurde. Nach einem Überblick über das Leben und Werk John Lockes sowie dessen Begegnungen mit den Menschen, die beides entscheidend prägen sollten, wenden wir uns Lockes Hauptwerk, den Two Treatises of Government, und hierbei insbesondere den zu behandelnden Kapiteln 10 und 11, zu. Im Anschluß betrachten wir zum einen den Kontext, in dem der Text entstand, zum anderen aber auch, welche Auswirkungen er haben sollte und wie er aufgenommen wurde.
2 Begegnungen und das Werk John Lockes
I. Ausbildung
John Locke wurde am 29. August 1632 als Sohn puritanischer Eltern in Wrington in Somerset geboren.6 Die Bekanntschaft seines strengen Vaters,7 eines Anwalts, der während des Bürgerkrieges auf der puritanischen Seite unter Alexander Popham gedient hatte, mit Popham, der später Abgeordneter wurde, verhalf dem jungen Locke zu einer exzellenten Ausbildung in Westminster und Christ Church, Oxford, die - neben der vä- terlichen Erziehung8 - sein Denken zunächst prägen sollte,9 obschon seine Unzufriedenheit mit Lehrenden und Lehrmethoden sein Interesse an der Natur des menschlichen Verstehens weckte.10 Um nach Abschluß seiner philosophischen Stuiden eine Lehrtä- tigkeit in den Fächern Griechisch und Rhetorik, die ihm in Oxford angeboten wurde, annehmen zu können, musste sich Locke für eine der Pflichtdisziplinen für Lehrende in Oxford entscheiden11 und begann daher seine medizinische Karriere. Häufig wird diese auf eine Anekdote um eine Operation Shaftesbury's reduziert, der später Lockes wichtigster Förderer werden sollte, doch wie ein Blick auf die Personen der Zeitgeschichte zeigen wird, die einen bedeutenden Einfluß auf Locke hatten, wird deutlich, dass die naturwissenschaftliche Denkweise des medizinischen Fachs Lockes Horizont für eine Vielzahl neuer Einflüsse zu öffnen vermochte. Locke mag keine bahnbrechenden Leistungen auf dem Gebiet der medizinischen Forschung erbracht haben, dennoch sollten seine medizinischen Studien als eine der Grundlagen für sein späteres Lernen und Denken nicht unterbewertet werden, welches Grundlage für die Treatises wurde.
II. Wilkins
In Oxford wurde Locke von der Royal Society um John Wilkins beeinflußt, die sich im Gegensatz zu den traditionellen aristotelischen und scholastischen Traditionen Oxfords der experimentellen Philosophie verschreiben hatte und die Natur und nicht Bücher antiker Autoren zum Studiengegenstand machte und damit wesentlich zu unserem heutigen Verständnis von wissenschaftlicher Forschung beitrug.12 Hieraus dürfte wohl auch Lockes bereits erwähnte Aufforderung zum eigenständigen Suche nach Wahrheit unabhängig vorgefertigten Meinungen13 erwachsen sein.
III. Boyle
Später wurde Robert Boyle Lockes Mentor, der nicht nur gemeinsam mit Robert Hooke wesentliche naturwissenschafltiche Erfindungen der Zeit machte und das Boylesche Gesetz der Physik14 formulierte, sondern auch einer der einflußreichsten Philosophen seiner Zeit war. Für Boyle war alles reduzierbar auf Materie, welche sich in Bewegung befindet. Von Boyle lernte Locke mehr über die Corpuscularthese (Atomismus)15 und Boyles Buch The Origin of Forms and Qualities lieferte die Grundlage für Lockes weitere Arbeiten zu primary und secondary qualities.
IV. Descartes
Erst nach Boyle las Locke Descartes, der ihm eine Alternative zum vergleichsweise sterilen Denken bot, mit welchem er in Oxford konfrontiert war. Aufgrund der Andersartigkeit von Descartes Ideen übten diese zunächst sicherlich eine gewissen Anziehungskraft auf Locke aus und Descartes Gedankengut taucht entsprechend wieder in Lockes "An Essay concerning Human Understanding" auf. Die Kritik, die Locke den rationalistischen Elementen in der Phiolosophie Descartes entegegen brachte, hat jedoch ihre Wurzeln in Oxford und der grundlegenden Perspektive
Der Einfluß Wilkins während Lockes philosophischer Studien in Oxford öffnete also den Weg für Lockes späteres Interesse an Descartes, während seine medizinischnaturwis-senschaftliche Ausbildung ihn für die Denkweise Boyles vorbereitete. Boyles prägendere Rolle veschaffte Locke den Blickwinkel, mit dem er Descartes las und gab ihm ein Fundament vor, auf dem er mit dem Gedankengut Descartes aufbauen konnte.
V. Sydenham, Newton und Huygens
Nichts desto trotz blieb Locke dieser Grundlage auch später treu und interessierte sich für die Arbeiten der beudeutensten Naturwissenschaftler seiner Zeit. Mit Sydenham, einem der bedeutensten britischen Medizinier des 17. Jahrhunderts, hatte Locke gemeinsam geforscht und Newtons "Principia Mathematica Philosophiae Naturalis" las Locke im Exil in Holland, wobei er Huygens zu Rate zog, um Newtons Thesen zu überprüfen. Nach Lockes Rückehr aus dem Exil 1688 lernte er Newton persönlich kennen und freundete sich mit diesem an. Lockes eigene naturwissenschaftliche Arbeit war hingegen von seiner eher informellen16 medizinischen Tätigkeit geprägt, doch war es diese, die zu einer der wichtigsten Begegnungen in Lockes Leben führen sollte.
VI. Thomas
Gemeinsam mit seinem Freund Dr. David Thomas betrieb Locke in Oxford ein "Labor".17 Thomas war 1666 von Anthony Ashley Cooper18 aus Wimborne St Giles in Dorset, damals Lord Ashely, Chancellor of the Exchequer, später der erste Earl of Shaftesbury,19 um einige Medikamente für sein chronisches Leberleiden20 gebeten worden, da dieser jedoch bei Shaftesburys Ankunft in Oxford abwesend war lernte Locke den Lord kennen und freundete sich mit diesem an - der Beginn einer Beziehung die 22 Jahre dauern sollte und Lockes Leben mehr veränderte als jemals zuvor.
[...]
1 Im Vertrag von Dover (1670) verpflichtete sich der englische König Charles II. gegenüber dem franzö- sischen König Louis XIV. (eigentlich seinem Hauptkonkurrenten um das Streben nach der hegemonialen Vormachtstellung bei der Kolonialisierung Afrikas und Amerikas) das anglikanische Großbritannien in den "Schoß der [natürlich katholischen] Mutterkirche" (van Zetten / den Hartog, S. 8) zurückzuführen und Frankreich beim Angriff gegen die niederländische Republik zu unterstützen. Im Gegenzug füllte Louis
XIV. die Kasse Charles II. auf, um dessen Unabhängigkeit von dem verhassten Parlament wieder herzustellen.
2 vgl. Yolton, S. 6 ff.
3 ebenda, S. 7 f.
4 Zur Herrschaft Charles II. siehe auch van Zetten / den Hartog, S. 7 ff.
5 Formell bzgl. des Zustandskommens der Staatsgewalt, materiell bzgl. der Zwecke der Ausübung derselben.
6 Die Mutter verstarb bereits während Lockes Kindheit, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie einen bleibenden Einfluß auf Locke und sein späteres Werk hatte.
7 Zur Rolle der väterlichen Erziehung hinsichtlich Lockes Some Thoughts concerning Education s. Aldrich, PROSPECTS 24 Nr.1/2 (1994), S. 61 (62).
8 Dunn, Locke, S. 1.
9 Noch um 1660 war Locke im Gegensatz zur Entstehungszeit der Treatises zwei Jahrzehnte später "an extreme authoritarian" (Cranston) und schribe beispielsweise in 1661 in Oxford, dass "by appointment of the great sovereign of heaven and earth we are born subjects to the will and pleasure of another", nämlich des weltlichen Herrschers, Kelly, S. 126.
10 Rempel, S. 1; s. auch Lockes Essay concerning Human Understanding .
11 Theologie, Medizin, Recht, Moralphilosophie.
12 Die Royal Society ist noch immer aktiv, vgl. http://www.royalsoc.ac.uk und Woolhouse, Chapter 5.
13 Siehe oben.
14 Wenn man das Volumen eines Gases verkleinert (z.B. durch einen Kolben zusammenpresst), so erhöht sich der Druck in gleichem Maße, wenn die Temperatur dabei konstant bleibt. Halbiert man das Volumen, so verdoppelt sich der Druck. Das Produkt aus Druck und Volumen ist also bei konstanter Temperatur konstant. (Auch als Boyle-Mariotte'sches Gesetz bezeichnet.)
15 Die in seiner Ideentheorie im Essay concerning Human Understanding wieder auftaucht.
16 Locke hatte zu diesem Zeitpunkt keinen akademischen Grad der Medizin und erhielt ein Bakkalaureat in Medizin sowie die Lizenz, Medizin zu praktizieren erst in der Mitte der 1670er Jahre
17 Wahrscheinlich am ehesten mit einer Apotheke vergleichbar.
18 Dryden s "Achitopel", s. vorne S. 5.
19 Im folgenden nur noch als Shaftesbury bezeichnet, da zum einen seine für unser Thema wichtigste politische Tätigkeit in die Zeit als Earl of Shaftesbury fällt und zum anderen er unter im ganz überwiegenden Teil der Literatur unter dem Namen Shaftesbury geführt wird, so dass Verwechslungen oder Unklarheiten ausgeschlossen werden.
20 Laslett, S. 25.
- Quote paper
- Rechtsanwalt Stefan Kirchner (Author), 2008, Freiheit und Revolution, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116966
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