In dieser Arbeit setze ich mich gezielt mit dem Thema der Bewegung und Stille in der Grundschule auseinander und beziehe mich dabei unter anderem auf die Förderung der beiden Bereiche. Das Thema entstand aus der Überlegung heraus, das von mir gewählte Schwerpunktfach Sport während meiner universitären Ausbildung in die Arbeit einfließen zu lassen. Da im Sport stets die Bewegung eine Rolle spielt, war für mich die Grundlage meiner Arbeit geschaffen. Um mich über das Thema der Bewegung näher zu informieren und einen Überblick über dies zu bekommen, studierte ich zahlreiche Literaturquellen. Dabei fiel mir ein Zitat von E.-M. BAUER auf, indem es hieß, dass Bewegung still werden lässt, gleichzeitig aber auch Stille bewegen kann (Vgl. Kapitel 7.). Der Zusammenhang dieser beiden Bereiche weckte mein Interesse, und so entschied ich mich, dass auch der Aspekt der Stille Grundlage meiner Arbeit werden sollte. Da meiner Meinung nach sowohl die Stille als auch die Bewegung nur selten in der Grundschule ihre Anwendung finden, war dies Anlass für mich, Möglichkeiten der schulischen Förderung der beiden Bereiche in die Arbeit einzubeziehen. Aus diesen Überlegungen ergab sich der Titel meiner Arbeit: „Förderung von Stille und Bewegung in der Grundschule.“ Nachdem ich zu Beginn einige zentrale Quellen für die vorliegende Arbeit vorgestellt habe, finde ich den Einstieg in die Arbeit über den Wandel kindlicher Lebensbedingungen. Dieses Kapitel meiner Arbeit liegt in der Tatsache begründet, dass in der Grundschule das Abschalten von Lärm und das Vorfinden von ruhigen, in sich gekehrten Kindern unmöglich erscheint. Aufgrund von Bewegungsmangels erscheint es ebenso unmöglich, dass die Kinder keine körperlichen, psychischen, kognitiven, sozialen und weitere Defizite aufweisen. Da die Gründe für diese Missstände besonders in der sich rasch verändernden Kindheit liegen, werde ich diese im 2. Kapitel der Arbeit näher erörtern.
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II Literaturstudie
1. Quellenlage
1.1 Vorstellung der zentralen Quellen für die vorliegende Arbeit
2. Veränderte Kindheit
2.1 Veränderte Familienstrukturen und Erziehungsnormen
2.2 Veränderte räumliche Lebensbedingungen
2.3 Veränderte zeitliche Lebensbedingungen
2.4 Verändertes Konsumverhalten
2.5 Mediatisierung
2.6 Weitere Veränderungen
2.7 Zusammenfassung
3. Folgen für die Grundschule
4. Aspekte der Bewegung
4.1 Bedeutung von Bewegung
4.2 Erwartete Bewegungsentwicklung bis zum Grundschuleintritt im Vergleich zum realen Bewegungskönnen
4.2.1 Erwartete Bewegungsentwicklung bis zum Grundschuleintritt
4.2.2 Reales Bewegungskönnen bis zum Grundschuleintritt
4.3 Funktionen von Bewegung
4.3.1 Koordination
4.3.1.1 Bedeutung von Koordination
4.3.1.2 Koordinationsschwäche
4.3.1.3 Ursachen von Koordinationsschwächen
4.3.2 Ausdauer
4.3.2.1 Bedeutung von Ausdauer
4.3.2.2 Ausdauerschwäche
4.3.2.3 Ursachen von Ausdauerschwächen
4.3.3 Haltung
4.3.3.1 Bedeutung von Haltung
4.3.3.2 Haltungsschwäche
4.3.3.3 Ursachen von Haltungsschwächen
4.3.4 Wahrnehmung
4.3.4.1 Bedeutung von Wahrnehmung
4.3.4.2 Wahrnehmungsmängel und ihre Ursachen
4.3.5 Soziales Lernen
4.3.6 Gesundheit und Wohlbefinden
4.4 Bewegungsförderung
4.4.1 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewegungsförderung
4.4.2 Bewegter Unterricht
4.4.3 Bewegte Pause
4.4.4 Bewegtes Schulleben
4.4.5 Bewegungsspiele
4.4.5.1 Bewegungsspiele zur Förderung der Koordination
4.4.5.2 Bewegungsspiele zur Förderung der Ausdauer
4.4.5.3 Bewegungsspiele zur Förderung der Haltung
4.4.5.4 Bewegungsspiele zur Förderung der Wahrnehmung
4.4.5.5 Bewegungsspiele zur Förderung des sozialen Miteinan-ders
4.5 Zusammenfassung
5. Aspekte der Stille
5.1 Bedeutung von Stille
5.2 Voraussetzungen für Stilleübungen
5.2.1 Voraussetzungen bei der Lehrperson
5.2.2 Voraussetzungen beim Schüler
5.2.3 Räumliche Voraussetzungen
5.3 Die Sinnessysteme
5.4 Sinnesübungen
5.4.1 Visuelle Sinnesübungen
5.4.2 Auditive Sinnesübungen
5.4.3 Taktile Sinnesübungen
5.4.4 Olfaktorische Sinnesübungen
5.4.5 Gustatorische Sinnesübungen
5.4.6 Kinästhetische Sinnesübungen
5.4.7 Vestibuläre Sinnesübungen
5.5 Zusammenfassung
6. Aspekte der Entspannung
6.1 Bedeutung von Entspannung
6.2 Entspannung in der Grundschule
6.3 Voraussetzungen für Entspannungsübungen
6.4 Entspannungsformen
6.4.1 Atmung
6.4.1.1 Yoga
6.4.2 Autogenes Training
6.4.2.1 Bedeutung des Autogenen Trainings
6.4.2.2 Durchführung des Autogenen Trainings
6.4.2.3 Ziele des Autogenen Trainings
6.4.2.4 Fantasiereisen
6.4.2.4.1 Bedeutung von Fantasiereisen
6.4.2.4.2 Durchführung von Fantasiereisen
6.4.2.4.3 Ziele von Fantasiereisen
6.4.3 Progressive Muskelrelaxation
6.4.3.1 Bedeutung der progressiven Muskelrelaxation
6.4.3.2 Durchführung der progressiven Muskelrelaxation
6.4.3.3 Ziele der progressiven Muskelrelaxation
6.4.4 Eutonie
6.4.4.1 Bedeutung von Eutonie
6.4.4.2 Durchführung von Eutonie-Übungen
6.4.4.3 Ziele von Eutonie-Übungen
6.4.5 Meditation
6.4.5.1 Bedeutung von Meditation
6.4.5.2 Meditationsformen
6.4.5.2.1 Bildmeditation
6.4.5.2.2 Objektmeditation
6.4.5.2.3 Musikmeditation
6.4.5.2.4 Textmeditation
6.4.5.2.5 Meditatives Malen
6.4.5.2.6 Meditatives Tanzen
6.4.5.2.7 Mandalas
6.4.5.3 Ziele von Meditation
6.5.Zusammenfassung
7.Zusammenhang von Stille und Bewegung
7.1 Konzeption der Stille nach Montessori
7.2 Konzeption der Stille nach Kühnberger
III Resümee
IV Literaturverzeichnis
V Abbildungsverzeichnis
I Einleitung
In dieser Arbeit setze ich mich gezielt mit dem Thema der Bewegung und Stille in der Grundschule auseinander und beziehe mich dabei unter anderem auf die Förderung der beiden Bereiche.
Das Thema entstand aus der Überlegung heraus, das von mir gewählte Schwerpunktfach Sport während meiner universitären Ausbildung in die Arbeit einfließen zu lassen. Da im Sport stets die Bewegung eine Rolle spielt, war für mich die Grundlage meiner Arbeit geschaffen. Um mich über das Thema der Bewegung näher zu informieren und einen Überblick über dies zu bekommen, studierte ich zahlreiche Literaturquellen. Dabei fiel mir ein Zitat von E.-M. BAUER auf, indem es hieß, dass Bewegung still werden lässt, gleichzeitig aber auch Stille bewegen kann (Vgl. Kapitel 7.). Der Zusammenhang dieser beiden Bereiche weckte mein Interesse, und so entschied ich mich, dass auch der Aspekt der Stille Grundlage meiner Arbeit werden sollte. Da meiner Meinung nach sowohl die Stille als auch die Bewegung nur selten in der Grundschule ihre Anwendung finden, war dies Anlass für mich, Möglichkeiten der schulischen Förderung der beiden Bereiche in die Arbeit einzubeziehen.
Aus diesen Überlegungen ergab sich der Titel meiner Arbeit: „Förderung von Stille und Bewegung in der Grundschule.“
Nachdem ich zu Beginn einige zentrale Quellen für die vorliegende Arbeit vorgestellt habe, finde ich den Einstieg in die Arbeit über den Wandel kindlicher Lebensbedingungen. Dieses Kapitel meiner Arbeit liegt in der Tatsache begründet, dass in der Grundschule das Abschalten von Lärm und das Vorfinden von ruhigen, in sich gekehrten Kindern unmöglich erscheint. Aufgrund von Bewegungsmangels erscheint es ebenso unmöglich, dass die Kinder keine körperlichen, psychischen, kognitiven, sozialen und weitere Defizite aufweisen. Da die Gründe für diese Missstände besonders in der sich rasch verändernden Kindheit liegen, werde ich diese im 2. Kapitel der Arbeit näher erörtern.
In diesem Kapitel wird deutlich, dass Kindern heutzutage aufgrund von familiären, räumlichen, zeitlichen medialen und weiteren Veränderungen nur noch wenige Bewegungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu einem Bewegungsmangel führen. Dieser Mangel an Bewegung kann sich auf verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel auf die Koordination, die Ausdauer, die Haltung, die Wahrnehmung, das Sozialverhalten sowie allgemein auf die Gesundheit auswirken. Die Defizite haben auch Einfluss auf den Bereich der Grundschule. Sie muss sich mit den veränderten Lebensbedingungen und den daraus resultierenden Problemen der Kinder auseinandesetzen und ihnen entgegenwirken, um ihre Aufgabe einer ganzheitlichen Förderung gerecht zu werden. Die Folgen für die Grundschule werden im 3. Kapitel der Arbeit aufgeführt.
Aufgrund des entstandenen Bewegungsmangels wird die Notwendigkeit von Bewegung für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung deutlich, weshalb ich mich im 4. Kapitel dieser Arbeit ausführlich mit dem Thema der Bewegung beschäftigen werde. Dabei werde ich mich mit der Frage auseinandersetzen, in wie weit Grundschulkinder im Hinblick auf die Motorik entwickelt sein müssten und mit dem tatsächlichen Bewegungskönnen der Kinder vergleichen. Des weiteren werde ich auf die wesentlichsten Funktionen von Bewegung eingehen, indem ich einige Bereiche aufzeigen werde, in denen Defizite aufgrund von Bewegungsmangel entstehen können und somit die Wichtigkeit einer Bewegungsförderung darstellen, um die entstandenen Defizite zu beseitigen oder ihre Entstehung gänzlich vorzubeugen. Im Anschluss daran, werde ich zu jedem aufgeführten Defizitbereich einige Übungsbeispiele nennen.
Im zweiten Teil der Arbeit setze ich mich dann gezielt mit dem Thema der Stille auseinander, da diese im Zusammenhang mit der Bewegung steht. Bevor ich mich jedoch auf den Zusammenhang der beiden Bereiche beziehe, werde ich im 5. Kapitel zunächst auf die Bedeutung der Stille eingehen und die wichtigsten Voraussetzungen, um Stille-Übungen durchführen zu können, nennen. Da Sinnesübungen eine Vorbereitung für Stille-Übungen darstellen, werde ich mich u.a. in diesem Kapitel auch mit den Sinnessystemen auseinandersetzen und einige geeignete Übungsbeispiele zur Förderung dieser Sinnesbereiche vorstellen. Im 6. Kapitel widme ich mich dann dem Thema der Entspannung, welches ebenfalls eine wesentliche Rolle bei Stille-Übungen spielt. So werde ich zum einen die Bedeutung der Entspannung, insbesondere die Bedeutung der Entspannung für die Grundschule, und zum anderen verschiedene Möglichkeiten der Entspannung, wie die Atementspannung, das Autogene Training, die progressive Muskelrelaxation, die Eutonie sowie die Meditation aufzeigen. Dabei werde ich jeweils auf die Bedeutung sowie auf die Durchführung und auf die Ziele der verschiedenen Entspannungsformen eingehen. Zudem werde ich in diesem Kapitel einige Formen der Meditation, wie die Objekt-, die Bild-, die
Musikund die Textmeditation sowie das meditative Malen und Tanzen und die Meditation in Form von Mandalas vorstellen.
Nachdem ich die beiden Bereiche der Bewegung und der Stille erörtert und mich intensiv mit möglichen Fördermaßnahmen beschäftigt habe, werde ich dann im 7. Kapitel der Arbeit den Zusammenhang von Stille und Bewegung erklären. Dabei werde ich die pädagogischen Konzeptionen der Stille von MONTESSORI und KÜHNBER- GER zur Erläuterung heranziehen, um die Beziehung zwischen der Stille und Bewegung näher zu verdeutlichen.
Ziel dieser Arbeit soll demnach sein, die Bedeutung und Notwendigkeit der Einbeziehung von Momenten der Stille und Bewegung im Unterricht der Grundschule sowie ihre ganzheitliche Förderung zu erörtern. Dabei soll die Wichtigkeit geeigneter Fördermaßnahmen aufgezeigt werden, um den Problemen der Kinder, die aufgrund veränderter Lebensbedingungen entstanden sind, entgegenzuwirken und um ein ganzheitliches Lernen zu sichern.
II Literaturstudie
Für die vorliegende Arbeit habe ich zahlreiches Quellenmaterial herangezogen, um mir ein möglichst breites Fachwissen über das gewählte Thema anzulesen, um so einer differenzierten Darstellung der Arbeit gerecht zu werden.
Jedoch habe ich mich bei einigen Bereichen dieser Arbeit auch ganz bewusst auf einige ausgewählte Werke gestützt, da ihre Veröffentlichungen einen wichtigen Beitrag zu den in dieser Arbeit bearbeiteten Themen leisten. Die Aussagekraft dieser Werke wird auch dadurch deutlich, dass sie in vielen anderen Literaturquellen von den Autoren zur Erläuterung herangezogen werden.
Im 2. Kaptitel der Arbeit werde ich mich zunächst auf keine besonderen Werke beschränken, sondern mich auf vielfältiges, aktuelles Quellenmaterial zum Thema der veränderten Kindheit, insbesondere auf Zeitschriftenartikel, beziehen. Dies gilt auch für das 3. Kapitel dieser Arbeit, in dem ich mich mit den Folgen des kindlichen Wandels für die Grundschule auseinandersetzen werde.
Im 4. Kapitel der Arbeit berufe ich meine Aussagen dann vordergründig auf einige zentrale Autoren, was auch durch das teilweise mehrmalige Auftreten ihrer Namen im Literaturverzeichnis am Ende der Arbeit deutlich wird.
So haben insbesondere die Autoren E.J. KIPHARD, S. DORDEL sowie R. ZIMMER einen wichtigen Beitrag zu Aspekten der Bewegung geleistet.
E.J. KIPHARD hat sich dabei in seinen Werken vordergründig mit der psychomotorischen Entwicklungsförderung auseinandergesetzt. Aus diesem Grunde werde ich häufig, insbesondere in Kapiteln über die Koordination, auf seine Werke verweisen.
S. DORDEL leistete ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum Thema der Bewegung, indem er sich mit den Folgen von Bewegungsmangel, aufgrund der veränderten kindlichen Lebenssituation, beschäftigt hat. Beispiele für mögliche Folgen sind die Entstehung von Schwächen in Bereichen der Koordination, der Ausdauer, der Haltung, usw., die in dieser Arbeit u.a. beschrieben werden. Zudem weisen DORDEL´s Werke zahlreiche Fördermöglichkeiten auf, um diesen Schwächen entgegenzuwirken.
Die Werke der Sportpädagogin R. ZIMMER sind ebenfalls grundlegend und unerlässlich für diese Arbeit. Die Verweisung auf ihre Werke setzt sich die ganze Arbeit hindurch fort, denn sie hat sich nicht nur intensiv mit der Bewegungserziehung, sondern auch mit der Sinneswahrnehmung auseinandergesetzt und nennt wichtige Aspekte zur Förderung psychomotorischer Eigenschaften von Kindern.
Mit ihr habe ich bereits eine zentrale Autorin des 5. Kapitels der Arbeit über die Aspekte der Stille genannt. Eine weitere bedeutende Autorin, die sich mit dem Thema der Stille sowie mit dem Thema der Entspannung, welches die Grundlage des 6. Kapitels bildet, auseinandergesetzt hat, ist G. FAUST-SIEHL. Ihre Veröffentlichungen befassen sich hauptsächlich mit der Bedeutung von Stille, u.a. die Bedeutung der Stille in verschiedenen pädagogischen Konzeptionen sowie mit zahlreichen Möglichkeiten der Entspannung in Form von Stille-Übungen. Dabei bezieht sie sich insbesondere auf den Bereich der Grundschule. In den beiden Kapiteln der Stille und Entspannung werde ich aber auch zahlreiche Werke anderer Autoren zur Rate ziehen. Gerade über diese beiden Bereiche existiert eine Vielzahl von geeigneten Literaturquellen, die viele praktische Übungsangebote aufweisen.
Da ich im 7. Kapitel der Arbeit den Zusammenhang der Stille und Bewegung erläutern werde, und dazu beabsichtige, die beiden pädagogischen Konzeptionen der Stille, zum einen von M. MONTESSORI und zum anderen von E. KÜHNBERGER, heranzuziehen, werde ich mich auch auf geeignete Literaturquellen dieser beiden Pä- dagoginnen beziehen. Dabei bietet insbesondere M. MONTESSORI zahlreiche Werke an, in der sie sich mit dem Thema der Stille und der Förderung von stillen Momenten in der Grundschule auseinandersetzt. Die Bewegung erfährt in ihren Stille- Übungen ebenfalls eine wichtige Bedeutung und so wird in ihren Werken der Zusammenhang der Stille und Bewegung deutlich.
Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass ich mich in der vorliegenden Arbeit auf vielfältiges Quellenmaterial berufen und insbesondere differenzierte Veröffentlichungen als Grundlage meiner Erläuterungen heranziehen werde.
Da meiner Meinung nach die oben genannten Autoren unerlässlich für einige Themenbereiche der Arbeit sind, werde ich zwar vermehrt auf ihre Werke verweisen, aber auch Literaturquellen andere Autoren nicht außer Acht lassen.
2. Veränderte Kindheit
Seit Mitte der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts ist eine Entwicklung zu verzeichnen, welche tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft der Bundesrepublik hervorgerufen hat.
Da Kinder ein Teil dieser Gesellschaft sind, hat sich auch ihre Lebenswelt und somit auch die Qualität von Kindheit verändert.
Beim Thema Kindheit ist es wichtig, drei Betrachtungsweisen zu unterscheiden. Zunächst ist zu beachten, dass, wenn die Gesellschaft von Kindern spricht, diese immer die lebendigen Menschen meint, mit denen sie Erfahrungen sammelt. Dann spielen aber auch Erfahrungen aus der eigenen Kindheit eine wesentliche Rolle, welche einen großen Einfluss auf die Beurteilung der heutigen Kindheit nehmen. Zudem geht es bei dem Thema Kindheit auch immer um Vorstellungen über die Zukunft, denn Kinder sind die zukünftigen, erwachsenen Mitglieder der Gesellschaft.1
„Diese drei Ebenen gehen jeweils gleichzeitig sowohl in die Wahrnehmung konkreter Kinder, als auch in unsere Vorstellung über Kindheit ein. Oftmals verbauen sie den Blick darauf, was tatsächlich das Leben der lebendigen Kinder ausmacht.“2 Demnach ist es von großer Bedeutung, zwischen den generellen Entwicklungstendenzen von Kindheit und den konkreten, lebendigen Kindern, die wir in unserer Umwelt erleben, zu unterscheiden.
Im Folgenden werde ich nun auf die generellen Entwicklungstendenzen von Kindheit in Bezug auf die Familie, die räumlichen und zeitlichen Lebensbedingungen, das Konsumverhalten, die Medien und auf weitere Veränderungen eingehen und mich im Anschluss mit den Folgen für die Grundschule auseinandersetzen.
2.1 Veränderte Familienstrukturen und Erziehungsnormen
Im Laufe der Jahre ist es zu einer verstärkten Veränderung der Familienstruktur gekommen. So treten neben der traditionellen, bürgerlichen Familie, in der lebenslang verheiratete Ehepaare mehrere Kinder haben, vermehrt Familienformen wie die Ein- Kind-Familie oder die Ein-Eltern-Familie auf.
Anhand der Geburtenrate, die in den vergangenen 25 Jahren einen Rückgang von fast 50% aufweist, ist festzustellen, dass die Ein-Kind-Familie im Laufe der Zeit immer beliebter geworden ist. Danach haben im Durchschnitt 53% aller Haushalte mit Kindern nur ein Kind und Geschwistererfahrungen werden nur in Form von Stiefgeschwistern gemacht. Häufig entfallen daher auch Erfahrungen mit gegengeschlechtlichen und/oder älteren sowie jüngeren Geschwistern. Gründe liegen in der erhöhten Erwerbstätigkeit der Mütter. So gehen ungefähr 50% der Mütter von Schulanfängern einer geregelten Arbeit nach. ( Vgl. im Osten 1989 rund ca. 90% ).3 Dies hat zur Folge, dass viele Kinder bereits vor wie auch nach dem Schulunterricht vermehrt nicht im Elternhaus betreut werden, sondern ihre Aufsicht auf Betreuungspersonen übertragen wird. So ist es nicht selten, dass Kinder sich sogar mehrmals täglich immer wieder auf wechselnde Bezugspersonen einstellen müssen. So sind es nach dem regulären Schulunterricht die Mitarbeiter der „Verlässlichen Grundschule“, am Nachmittag die Mutter der Freundin oder des Freundes und danach übernimmt vielleicht die Oma die Betreuung des Kindes.
Auch die Ein-Eltern-Familie, die durch alleinerziehende Mütter oder Väter gekennzeichnet ist, ist in der heutigen Zeit nicht mehr selten. Im Gegenteil! Ungefähr 1,3 Millionen Kinder leben in der Bundesrepublik mit einem alleinerziehenden Elternteil zusammen. Laut Statistiken scheitert heutzutage jede dritte Ehe und wird geschieden. Aufgrund einer Neu-Heirat der geschiedenen Elternteile leben viele Kinder mit Stiefmüttern bzw. -vätern, aber auch mit Stiefgeschwistern zusammen.
Ein Wandel hat sich jedoch nicht nur in der Familienstruktur, sondern auch in dem Familienleben vollzogen.
Traditionelle Erziehungsstile und -normen werden immer mehr zugunsten der Entwicklung von Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Kompetenz umstrukturiert, wenn nicht sogar aufgegeben.
Während in den früheren Zeiten der Vater als Familienoberhaupt galt und eine starke Autorität besaß, erfolgt heute zunehmend eine Einbeziehung der Kinder in das Familienleben, indem sie an Entscheidungen, welche die Familie betreffen, teilhaben dürfen. Die Familientradition ist demnach nicht mehr das Wichtigste. Im Vordergrund steht nun die Intensivierung des Eltern-Kind-Verhältnisses, indem Eltern sich bemü- hen, ihren Kindern ein großes Maß an emotionaler Zuwendung entgegenzubringen. Aus einem früheren Befehlshaushalt, in dem Unterordnung und Gehorsam das Familienleben bestimmten, ist im Laufe der Jahre ein Verhandlungshaushalt geworden, in dem jedes Familienmitglied mitbestimmen darf. Maria FÖLLING-ALBERS schreibt in ihrem Artikel „Kindheit heute“:
„Obwohl auch in der modernen Familie ein Gefälle zwischen Eltern und Kindern erhalten bleibt, kann sie weder zwischen den Partnern noch zwischen Eltern und Kindern nach dem einfachen Muster von Überordnung und Unterordnung, Befehl und Gehorsam funktionieren. Denn wenn die Eltern die Sinnerfüllung in der emotionalen Gemeinsamkeit mit ihren Kindern sehen, so kommen diese, insofern sie Zuwendung verweigern oder sich einfach für emotional unbefriedigt erklären können, in eine starke Position. Die Machtbalance hat sich zu ihren Gunsten verschoben. Familiä- re Planungen, Regelungen und Entscheidungen werden daher zum Gegenstand des Aushandelns zwischen Erwachsenen und Kindern, wobei beide sich als selbstständige Partner gegenübertreten.“4
Ergänzend ist die Aussage von W. SCHMIDT zu zitieren: „Äußere Kontrollen gehen über in Selbstkontrolle, der Gebrauch vernünftigen Aushandelns löst Gehorsam und Disziplin ab.“5
Die Ausführungen zeigen, dass der BegriffFamilieviel weitläufiger zu betrachten ist, als es in früheren Jahren der Fall war. Es ist anzumerken, dass jedes Kind diesen Begriff anders definiert. Bereits in jungen Jahren machen Kinder unterschiedliche Erfahrungen mit der Familie. Sie lernen, dass Beziehungen zum einen sicher, aber auch unsicher sein können, dass sie Angst, aber auch Freude machen können, dass eine Trennung schmerzhaft, aber auch erleichternd sein kann.
Aber trotz dieses Wandels sind die Erziehungserwartungen der Eltern nicht zurückgegangen. Die Erwartungen, welche Eltern an ihre Kinder stellen, sind zwar nicht mehr sozialer und gehorsamer Art, sondern beziehen sich heutzutage auf den Lernerfolg in der Schule.
2.2 Veränderte räumliche Lebensbedingungen
Auch im Bereich der räumlichen Lebensbedingungen gab es seit 1960 tiefgreifende Veränderungen. Besonders zwischen 1960 und 1980 sind vermehrt Funktionsentmischungen der Räume zu beobachten. Besonders stark ist eine Monofunktionalität in den neuen Wohnsiedlungen wie Hochhäusersiedlungen, Reihenund Einfamilien- häuser zu erkennen. Dies hat zur Folge, dass die Kinder kaum noch freie Flächen zum Spielen vorfinden und nur wenige Anregungen zum Spielen vorhanden sind.
Demnach wachsen Kinder in der heutigen Zeit in einer zunehmend verstädterten Umwelt auf. Dichte Besiedlung, ein gut ausgebautes Verkehrsnetz und reger Verkehr bieten den Kindern nur eingeschränkt Möglichkeiten geeignete Spielräume zu finden. Zwar ist eine ausreichende Anzahl an öffentlichen Spielplätzen vorhanden, empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass diese nur ungern von Kindern genutzt werden, da sie dort nur vorgefertigte Spielmöglichkeiten vorfinden und es nur wenig selbst zu entdecken gibt, so dass schnell Langeweile aufkommt.
Aufgrund dieser Tatsache bestehen für die Kinder nur wenige Möglichkeiten, bestimmte Sinneserfahrungen zu machen. Diese beschränken sich im Wesentlichen nur auf die beiden körperfernen Sinne, die des Hörens und des Sehens.Die anderen Sinne, wie das Schmecken, das Riechen, das Fühlen und der Bewegungsund Gleichgewichtssinn werden nur selten in Anspruch genommen. E. JÜRGENS bemerkt:
„Der Verlust der Straße hat eine Abschiebung der Kinder in besondere Kindergettos nach sich gezogen: z.B. den Spielplätzen, die bestenfalls als Kleinkinderund Müttertreffpunkte interessant sind, aber von Kindern kaum genutzt werden, weil ihnen gerade das fehlt, was Kinder interessiert: das Leben!“6
Die Kinder werden mehr und mehr aus dem öffentlichen Raum verdrängt, was zur Folge hat, dass sie seltener draußen als vielmehr drinnen spielen.
2.3 Veränderte zeitliche Lebensbedingungen
Die heutige Kindheit verläuft zunehmend geplant und strukturiert. Während der Tagesablauf zu früheren Zeiten durch Sonnenaufund Sonnenuntergang und den Jahreszeitenwechsel bestimmt wurde, wäre in der heutigen Zeit ein Leben ohne Uhren und Kalender gar nicht mehr vorstellbar.
Bei den meisten Erwachsenen wird fast jeder Tag durch feste Arbeitszeiten, Öffnungszeiten, Termine, usw. beeinflusst. So ist es nicht verwunderlich, dass schon der Tagesablauf bei Kindern von Klein auf bereits im Vorfeld verplant ist, denn die Erwachsenen leben es ihnen vor. Untersuchungen (1994) von Büchner zeigen, dass 40% aller Kinder mindestens drei festgelegte Termine wöchentlich haben. Kinder, deren Eltern berufstätig sind, nehmen sogar noch mehr Termine wahr. Seien es die
Mitgliedschaft in einem Verein (93% aller Kinder gehören einem Verein an), Betreuungseinrichtungen oder das Verabreden mit Freunden.7 Festzuhalten ist, dass es sich immer um einen festgelegten Termin, an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit handelt. Hinzu kommen die morgendlichen Termine. Die Schule hat festgelegte Anfangsund Endzeiten sowie festgelegte Stundenpläne oder auch zeitlich vorbestimmte Pausen, nach denen sich die Kinder richten müssen.
Allgemein ist demnach festzustellen, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder in der heutigen Zeit ihren Tagesablauf im Vorfeld planen und es Zeitvorgaben gibt, die eingehalten werden müssen. So lernen schon Kinder in jungen Jahren, dass Zeit ein knappes Gut ist und intensiv und produktiv genutzt werden muss. Sie müssen im Voraus planen und ihre Termine gut koordinieren können. Ein spontanes, zufälliges Treffen auf der Straße, wie es noch in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts der Fall war, ist heutzutage kaum noch aktuell und weicht immer mehr verabredeten Spielzeiten mit meist nur einem oder zwei Spielgefährten.
Eine Ursache für diesen Missstand liegt in der räumlichen Verplanung, wodurch Kinder immer mehr und mehr verdrängt werden und kaum freie Flächen zum unbeschwerten Spielen finden und sich somit das Spielen in das Kinderzimmer verlagert. Ein weiterer Grund liegt in der größeren Entfernung, die Kinder heutzutage zu ihren Spielgefährten zurücklegen müssen und meist auf das Hinbringen und das Abholen der Eltern angewiesen sind. Man spricht daher auch von einer „verinselten Kindheit“, da die zeitlich gegliederten Aktivitäten der Kinder meist in Räumen stattfinden, die eine größere Entfernung zueinander haben und so die Kinder auf ihre mobilen Eltern angewiesen sind. N. NEUBER beschreibt die Folgen mit den Worten:
„Zwischen diesen lebensweltlichen ´Inseln` findet keine Auseinandersetzung mit der Umwelt statt; der Nahraum um die eigene Wohnwelt wird wegen der Gefahren durch den Straßenverkehr kaum noch erkundet.“8
Ergänzend ist folgende Aussage zu zitieren:
„Die Kinder nutzen die unterschiedlichsten Möglichkeiten von Angeboten oder Freundschaften an den unterschiedlichsten Orten, die sie wie ´Inseln` ansteuern, ohne dass der die Inseln umgebende Raum eine größere Bedeutung hätte als ein Zwischenraum.“9
So ist es nicht verwunderlich, dass die Kinder von heute schon unter Freizeitstress leiden.
2.4 Verändertes Konsumverhalten
In den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts bestand die Freizeit von Kindern noch aus dem gemeinsamen Spiel auf der Straße. Dies war die Folge von wenig vorhandenen Kinderzimmern, wenigem Spielzeug, einer geringen Anzahl von Bü- chern, usw., aufgrund mangelnden Vermögens.
Der Vergleich zu heute jedoch zeigt ein völlig anderes Bild. Aufgrund dichter Bebauung, dichterem Verkehr sowie monofunktionalen Spielplätzen ist das Spielen eintönig und auf der Straße zu gefährlich geworden und verlagert sich mehr und mehr in Freizeiteinrichtungen sowie in das Kinderzimmer. Diese Entwicklung führt zwangsläufig dazu, dass Kinder entsprechende Spielanregungen in ihrem Kinderzimmer benötigen, um sich beschäftigen zu können. Aufgrund stetig steigenden, materiellen Reichtum seit der Nachkriegszeit bekamen die Kinder im Laufe der Jahre zunehmend mehr Taschengeld und gelten heute als kaufkräftige Konsumenten.
Die Folge ist, dass es ein großes Angebot an Spielzeug gibt. Das Spielzeug von heute jedoch lädt nicht, wie es beispielsweise in den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Fall war, zum Selbstaufbauen und Reparieren ein, sondern zum Bedienen und Anwenden.
Als Folge, aufgrund vorgefertigter Spiele, die weniger zum Selbstentdecken einladen, wird die Kreativität der Kinder weniger gefördert und durch stundenlanges vor dem Computeroder Fernsehersitzen die Bewegung stark eingeschränkt.
Allgemein ist demnach festzustellen, dass die heutige Kindheit nicht wie um 1960 von Mangel an Spielzeug geprägt ist. Im Gegenteil! Der Massenkonsum bestimmt heute das Bild des Kinderzimmers. Ungefähr 80% der Kinder besitzen heute einen Kassettenrekorder und sind im Umgang mit Computern, Videorekordern und Fernsehern vertraut.10 All diese Dinge gehören wie selbstverständlich zur heutigen Kinderwelt dazu.
Erschreckend zu beobachten ist, dass neu gekauftes Spielzeug schnell seinen Reiz verliert und schon bald wieder etwas Neues und Besseres von den Kinder gekauft wird. Problematisch an diesem Massenkonsum ist die Tatsache, dass die Hersteller die Kinder als gewinnbringende Kaufkraft entdeckt haben und bereit sind, stets neue, bessere Modelle auf den Markt zu bringen und so der Massenkonsum ins Unendliche steigt.
In den letzten Jahren hat sich das Interesse der Kinder vermehrt auf Computersowie Videospiele wie auch auf Science-Fictionund Fantasiefiguren verstärkt. Als Beispiel wären die Fantasiefiguren bzw. -sammelkarten von „Pocémon“ zu nennen. Die Pocémonsammelkarten haben einen so hohen Spielwert bei den Kindern bekommen, dass dadurch ein großer Konsumzwang entstanden ist und es für die Kinder ein Muss ist, diese Karten zu besitzen, um keine Außenseiterrolle einzunehmen.
Ein weiteres Beispiel wären Science-Fiction-Figuren wie beispielsweise die „Masters of the Univers“. Diese Figuren haben jedoch nicht nur negative Folgen in Bezug auf den Konsumzwang oder der Rollenverteilung, die genau festgelegt ist und somit den Kindern wenige Möglichkeiten gibt, ihre Fantasie auszuleben. Die Kinder haben anhand dieser Figuren die Möglichkeit, ihre Aggressionen spielerisch abzubauen, da einige Figuren die vorgegebene Charaktereigenschaft böse und andere Figuren die Eigenschaft lieb zugeteilt bekommen.11
Festzuhalten ist, dass Spielzeug heutzutage kaum noch zum selbstständigen Aufbauen und Experimentieren einlädt und durch vorbestimmte Anwendungsmöglichkeiten wichtige Erfahrungen der Kinder ausbleiben.
2.5 Mediatisierung
Das Weltbild von Kindern wird heute weitgehend von Massenmedien mitbestimmt. Heutige Kinder sind demnach Medienkinder. Untersuchungen von BAUER, HURRELMANN, SCHNOOR und ZIMMERMANN zeigen, dass 1987 bereits 33% der Grundschüler ein eigenes Fernsehgerät besaßen und bei 52% der Kinder war ein Videorekorder in der Familie vorhanden.12
Massenmedien haben im Laufe der Jahre einen immer größeren Platz im Leben der Kinder eingenommen. Der Fernseher und der Computer beispielsweise rücken an die Stelle von Spielgefährten, lassen keine Langeweile aufkommen und sind ein angenehmer Zeitvertreib für viele Kinder.
Seit den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts spielt das Fernsehen eine besondere Rolle in der Freizeitgestaltung der Kinder. Der Computer erfüllt diese Aufgabe seit den achtziger Jahren.
Eine negative Folge jedoch ist, dass es zu einem Realitätsverlust bei den Kindern kommt, denn sie erleben die Wirklichkeit nur auf indirekte Weise. Die Kinder erleben die Bilder im Fernsehen nicht mit allen Sinnen. Sie sehen zwar die Bilder und hören Stimmen und Geräusche, jedoch bleibt ihnen die Erfahrung der körpernahen Sinne, wie das Schmecken, das Riechen und das Fühlen sowie der vestibuläre und der kinästhetische Sinn verwährt. Folgendes Zitat verdeutlicht dies:
„Das Wasser, das im Fernsehen fließt, ist nicht nass. Die Blume, die im Fernsehen gezeigt wird, duftet nicht. Das Blut, das hier umfangreich spritzt, geht nicht wirklich unter die Haut. Das Bild von Wirklichkeit, das durch Fernsehen vermittelt wird, blendet Sinnesorgane aus, die auch den Menschen zum Menschen machen.“13
Mit anderen Worten bergen der Fernseher oder der Computer die Gefahr, den Bezug zur Realität zu verlieren, da direkte Erfahrungen mit der Umwelt ausbleiben:
„Diese Second-Hand-Wirklichkeit birgt die große Gefahr in sich, den Sinn und die Bedeutung für eine eigentätige Aneignung der ursprünglichen Wirklichkeit zu verlieren, der Ausbildung einer dauerhaften Konsumhaltung Vorschub zu leisten und eine ausschließlich ikonische Rezeption zu begünstigen.“14
Je realitätsnäher der Film ist, desto größere Schwierigkeiten bereitet es den Kindern zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden. Wahr ist dann nur noch, was im Fernsehen gezeigt wird.
„Die Wirklichkeit verschwindet im Bewusstsein nicht, sondern eine andere Art von Wirklichkeit bildet sich in den Köpfen aus, nämlich die, die über das veröffentlichte Medium Fernsehen verbreitet wird. Eine Wirklichkeit, die kaum noch betroffen macht.“15
Eine weitere negative Folge des Computers oder des Fernsehers besteht in der Tatsache, dass diese Massenmedien einen „Einwegkommunikator“ darstellen. Der Fernseher oder auch der Computer spricht zwar zu den Kindern und sie können darauf reagieren, aber umgekehrt ist dies nicht möglich. Beispielsweise reagieren die Bilder beim Fernsehen auf einen Widerspruch des Kindes nicht und es reagiert mit dem Umschalten des Programms. Dadurch ist jedoch das Verständnisproblem nicht gelöst. Der Fernseher und auch der Computer können demnach keinen Kommunikationspartner ersetzen und wirken sich nicht förderlich auf das Sprach-, das Schreibund das Leseverhalten von Kindern aus.16
Aber Massenmedien haben nicht nur negative Konsequenzen. Sie bedeuten auch Informationsverbreitung und somit Wissenszuwachs. Durch das Fernsehen oder den Computer bekommen die Kinder zumindest einfaches Faktenwissen, das eigentlich durch das Lesen von geeigneter Literatur noch vertieft werden müsste, denn nur dann ist auch ein Hintergrundwissen garantiert.
Zusammenfassend ist anzumerken, dass, auch wenn Fernseher und Computer von Kindern primär als Zeitvertreib und nicht als Informationsquelle genutzt werden, die Auseinandersetzung mit diesen Massenmedien immer noch die Aneignung von Lebenswirklichkeit bedeutet und heute aus vielen Haushalten nicht mehr wegzudenken ist.
2.6 Weitere Veränderungen
In den vorhergehenden Kapiteln habe ich die wichtigsten Veränderungen im Leben der Kinder seit Mitte des letzten Jahrhunderts ausführlich erläutert. Nun möchte ich des weiteren, jedoch in einem weniger umfangreichen Maße, auf einige andere Ver- änderungen eingehen, welche die heutige Kindheit ebenfalls beeinflussen.
Die Kinder von heute wachsen in einer multikulturellen Gesellschaft auf. Bereits im Kindergarten sowie in der Schule sammeln sie Erfahrungen mit Kindern unterschiedlichster Sprachen und Kulturen. Jedoch müssen sich die heutigen Kinder nicht nur mit verschiedenen Wertvorstellungen, Lebensgewohnheiten und Sozialsystemen auseinandersetzen, sondern auch mit verschiedenen Lebensbedingungen. Während die einen Kinder wohlhabende Eltern haben und in einem eigenen Haus leben, wohnen andere Kinder nur in einer kleinen Mietwohnung oder Flüchtlingskinder sogar in einem Asylheim. Und während die einen Kinder Eltern haben, die beide berufstätig sind und somit ihr Leben von Konsum geprägt ist, haben andere Kinder Eltern, die im schlimmsten Fall beide arbeitslos sind und die Familie am Rande der Existenz leben muss.
Es wird deutlich, dass Kinder von heute bereits in frühen Jahren die soziale Ungleichheit, welche es zwischen ihnen und anderen Kindern gibt, erfahren und sich mit ihr auseinandersetzen müssen. So unterscheiden sich Kinder arbeitsloser Eltern häufig von Kindern arbeitender Eltern in Bezug auf Wohnung, Wohnumfeld, Klei- dung, Spielzeug, usw.. Sie können sich zum Beispiel keine teure Markenkleidung kaufen und tragen meist die Kleidung älterer Geschwister weiter. Zudem können sie sich auch keine teuren Spielsachen leisten und nicht mit den neuesten Trends gehen. Die Folge ist, dass diese Kinder meist eine Außenseiterrolle einnehmen und lieber mit Kindern spielen, welche ebenfalls sozial benachteiligt sind.
Eine weitere gravierende Veränderung in der Kindheit besteht in der bereits erwähnten, zunehmenden Verstädterung und die somit hervorgerufene Zunahme der Industrie und des Straßenverkehrs. Denn durch den Ausbau der Infrastruktur und der Industrie ist sowohl der Lärmpegel als auch die Umweltverschmutzung in den letzten fünfzig Jahren drastisch gestiegen.
Die Folge vermehrter psychischer und physischer Belastungen ist die stetig steigende Anzahl kranker Kinder, die häufig unter Asthma, Allergien sowie Kopfoder Bauchschmerzen leiden.
2.7 Zusammenfassung
Anhand der obigen Ausführungen ist festzustellen, dass sich die Lebenssituation der Kinder im Laufe der letzten fünfzig Jahre drastisch verändert hat. Diese Veränderungen weisen sowohl positive als auch negative Merkmale auf, wobei die negativen Merkmale deutlich überwiegen.
Ein positives Merkmal der heutigen Lebenssituation der Kinder besteht darin, dass sie eine „geschützte Kindheit“17 darstellt. Eine Vielzahl heutiger Kinder wachsen im materiellen Wohlstand, in sozialer Sicherheit und in einem gut ausgeprägten Gesundheitsnetz auf. All dies ermöglicht ihnen ein Heranwachsen in Sicherheit. Zudem bietet ein gut ausgebautes und strukturiertes Bildungssystem den Kindern die Möglichkeit, ihre Zukunft nach ihren Wünschen und Neigungen zu gestalten.18
Die „bedrohte Kindheit“19 stellt eine negative Folge der veränderten Kindheit dar.
Ein hohes Verkehrsaufkommen birgt für heutige Kinder große Gefahren. Zudem sind aufgrund des regen Verkehrs und vermehrter Industrie erhebliche Umweltbelastungen entstanden, die sich auf die Gesundheit der Kinder auswirken.
Weitere negative Merkmale veränderter Kindheit bestehen zum einen in dem Fernseh- und Videoverhalten der Kinder, wodurch ihnen direkte Umwelterfahrungen verwährt bleiben und zum anderen in vorgefertigten Spielsachen, wodurch ihre Kreativität kaum in Anspruch genommen wird. So erleben die Kinder von heute sowohl eine „passive“ als auch eine „entsinnlichte Kindheit“20.
Eine genaue Festlegung des kindlichen Tagesablaufes stellt ebenfalls ein negatives Merkmal dar und führt zu einer „geplant-strukturierten Kindheit“.21
Kinder von heute erleben auch sehr stark eine „verinselte Kindheit“22, denn die Freizeitaktivitäten der Kinder verteilen sich auf viele, weit voneinander entfernte Orte, zu denen sie nur mit Hilfe der Eltern gelangen können. So haben die Kinder von heute kaum die Möglichkeiten sich mit der Umwelt zwischen diesen Orten auseinanderzusetzen.
Anhand der Ausführungen ist festzuhalten, dass die Veränderungen der kindlichen Lebenssituation seit ca. 1960 gravierend sind und auch die Grundschule von diesen Veränderungen nicht verschont geblieben ist. Aus diesem Grund werde ich mich im Folgenden näher mit den Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Grundschule auseinandersetzen.
3. Folgen für die Grundschule
Immer häufiger stellen Lehrer, Eltern und Erzieher fest, dass heutige Kinder im Vergleich zu früheren Schülergenerationen gravierende Veränderungen in ihrem Verhalten aufweisen. So berichten sie von zunehmender Bewegungsunruhe, mangelnder Konzentrationsfähigkeit und fehlendem Aufmerksamkeitsvermögen.
Auch Grundschullehrer bzw. -lehrerinnen erleben ihre Schüler heutzutage anders als frühere Schülergenerationen.
So gaben 87% der Lehrer und Lehrerinnen an, dass ihre Schüler ein wesentlich geringeres Konzentrationsvermögen aufweisen und 84% der Lehrer und Lehrerinnen bemerkten, dass ihre Schüler zu größerer Unruhe neigen. Immerhin zwei Drittel glauben, dass Kinder von heute eher Ich-bezogen sind und im Gegensatz zu früher weniger Rücksicht auf ihre Mitmenschen nehmen.23 Keine Veränderungen im Vergleich zu früher traten in Bezug zur Selbstständigkeit und zur Lernmotivation auf. Im Gegensatz hierzu ist die Leistungsorientierung, vor allem von Seiten der Eltern, deut-lich angestiegen, so dass Kinder von heute unter einem großen Leistungsdruck stehen.
Das größte Problem jedoch besteht in der zunehmenden Entwicklungsschere innerhalb der Schülergruppe. Zwar sind die Schülerzahlen einer Klasse in den letzten zwanzig Jahren von 30-40 auf 20-25 gesenkt worden, jedoch weisen heutige Schüler größere Unterschiede in der interkulturellen Entwicklung sowie im Hinblick auf die soziale und emotionale Persönlichkeitsentwicklung auf. 95,9% aller Lehrer und Lehrerinnen sind der Meinung, dass heutzutage die einzelnen Kinder stärker denn je in- dividuelle Beachtung verlangen und individuelle Zuwendung benötigen.24
Deutlich wird diese Tatsache an folgender Antwort, die eine Grundschullehrerin auf die Frage gegeben hat, woran man heutzutage einen Grundschullehrer bzw. eine Grundschullehrerin erkennt:
„An den Fußspuren von Kindern, die einem auf den Zehen stehen und möglichst nah ran wollen. Das ist etwas, was ich früher in der Grundschule nicht so gespürt habe wie jetzt: Dass die Kinder einfach auf einen zukommen, einen umarmen, eigentlich ständig Körperkontakt haben wollen. Ich hatte zuerst ziemliche Schwierigkeiten, weil ich einfach nicht gewohnt bin, dass Kinder einen auch auffressen wollen. Aber das ist kein Problem des Lehrers, sondern ein Zeichen dafür, dass die Kinder das heute einfach brauchen.“25
Die Lehrer bzw. Lehrerinnen sind demnach gefordert, auf die veränderten lebensweltlichen Bedingungen einzugehen und zu reagieren, indem sie die kindliche Lebenswelt kennenlernen, ernstnehmen und aufgreifen, die Selbständigkeit sowie die Kreativität und die Fantasie der Kinder fördern, ihnen körperlich-sinnliche Spielund Erfahrungsmöglichkeiten an die Hand geben und ihnen Raum zum sich Bewe-gen geben.26
Sowohl diese als auch weitere Aufgaben der Grundschule sind in den Richtlinien aus dem Jahr 1999 festgelegt. Darin heißt es, dass die Grundschule, wie in den Richtlinien von 1921 bzw. 1985 bereits festgelegt, grundlegende Fertigkeiten und Kenntnisse, in Hinblick auf das individuelle Leistungsvermögen und die Erfahrung der Kinder, vermitteln soll und sie an das systematische Lernen heranführen soll, um damit die Grundlagen für die weiterführende Schule zu schaffen.
Des Weiteren besteht die Aufgabe der Grundschule darin, die Lernfreude sowie die Leistungsbereitschaft der Kinder zu erhalten und zu fördern sowie die Persönlichkeitsentwicklung und das Sozialverhalten zu schulen. Zudem soll die Schule den Kindern dabei helfen, verlässliche Orientierungen aufzubauen, da in der heutigen Zeit zahlreiche, verschiedene Eindrücke auf die Kinder einwirken, welche sie verarbeiten müssen. Die Tatsache, dass die Medien einen großen Raum in der kindlichen Lebenswelt eingenommen haben und dadurch nur selten unmittelbare Erfahrungen mit der Umwelt gemacht werden, trägt dazu bei, dass die Schule den Kindern viele Möglichkeiten zur Eigentätigkeit an die Hand geben muss, um ihre Kreativität, Fantasie sowie die zwischenmenschliche Beziehung zu fördern. Zudem sollten die Kinder im Umgang mit Medien geschult werden, so dass sie diese sinnvoll nutzen lernen und nicht nur als angenehmen Zeitvertreib ansehen. Eine weitere Aufgabe der Grundschule besteht in der sozialen Integration ausländischer Kinder, wodurch es den Schülern ermöglicht wird, interkulturelle Erfahrungen zu sammeln.27
Anhand dieser Ausführungen ist anzumerken, dass die Grundschule immer ein Lebens-, Lernund Erfahrungsraum für ihre Schüler zugleich ist und kindliches Lernen noch weitgehend ein Lernen mit dem ganzen Körper und mit allen Sinnen ist.28
Ein Mittel zum Lernen mit allen Sinnen und zum Lernen mit dem ganzen Körper ist in der Bewegung zu finden. Daher werde ich mich nun im folgenden Kapitel mit dem Begriff und der Bedeutung der Bewegung beschäftigen.
4. Bewegung
Kinder sind ständig in Bewegung. Bereits im Säuglingsalter machen sie erste Erfahrungen. Zunächst reagieren sie mit ungesteuerten Bewegungen auf Reize der Außenwelt, wobei die weitere Entwicklung zu einer bewussten Bewegungssteuerung von Händen, Augen und Beinen führt. Jedes Geräusch, jeder neue Gegenstand, jede Bewegung anderer Personen lösen beim Kind Bewegungen aus, indem es auf das Geräusch, den Gegenstand, usw. zum Beispiel mit Hinschauen, Hinkrabbeln, Greifen, usw. reagiert.
Auch mit dem Älterwerden der Kinder und dem Erreichen einer größeren Bewegungssicherheit nimmt ihr Bewegungsdrang nicht ab und hält auch im Grundschulalter weiter an. So ist zu beobachten, dass Kinder sich selbst beim Schreiben, Malen, Zuhören, Lesen, usw. bewegen, indem sie zum Beispiel ihre Sitzposition verändern, sich beim Malen hinstellen, zum Mülleimer gehen, ihren Stift anspitzen, wieder zurück zu ihrem Platz kehren, usw.. Kinder sind immer in Bewegung, sei es in der Wohnung, im Klassenzimmer oder auch beim Spielen draußen. E.J. KIPHARD schreibt:
„Die Umwelt ist der natürliche Lehrmeister des Kindes. Jeder Hügel fordert zum Ersteigen, jeder Baum zum Klettern auf. Jede Mauer reizt zum Darüberbalancieren, jeder Graben zum Darüberspringen. Jede Stange lockt zum Turnen, jedes Fahrzeug zum Ziehen, Schieben und Fahren.“29
Kinder möchten die Dinge, die sie wahrnehmen können, mit allen Sinnen erleben, sich damit auseinandersetzen und auch experimentieren. Dadurch erhalten sie die Möglichkeit, die Folgen ihrer Handlungen unmittelbar zu erfahren und lernen, dass diese sowohl positive als auch negative Konsequenzen nach sich ziehen können.
Mit anderen Worten bedeutet dies: je häufiger Kinder die Erfahrung machen, dass ihre Aktivitäten Veränderungen sowohl negativer als auch positiver Art zur Folge haben können, desto mehr wird das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt, und sie entwickeln ein gesundes Selbstbild.30
Eine große Rolle bei der Selbstfindung spielt dabei die kindliche Umwelt. Kinder können sich nur frei bewegen, wenn ihre Umwelt dies auch zulässt. Eine Bewegungseinschränkung, aufgrund von räumlichen Engpässen, zu hohen Gefahren, oder auch aufgrund einer vorwiegend medialen Lebensweise der Kinder, führt bei Kin- dern zu einem Aggressionsstau, der zur Folge hat, dass der Aufbau eines positiven Selbst-bildes eingeschränkt, wenn nicht sogar verhindert wird:
„Die genetisch bedingte ´Energie`, die das Kind ständig zur Bewegung veranlasst, reagiert nun [...] außerordentlich umweltabhängig. Ist die Umwelt auf die Bewegung des Kindes eingestellt, d.h. kann das Kind seine ´Energie` uneingeschränkt verwenden, tritt diese Abhängigkeit weniger in Erscheinung.“ 31 aber:
„Eine Behinderung in der Abreaktion des Bewegungsdranges infolge von Umwelteinflüssen wie Verboten, Ängsten der Eltern und räumlichen Unzulänglichkeiten führt zu einem Aggressionsstau, der sich gegen das Kind wendet und seine Ich-Bildung verhindert. Die vorhandene ´Energie` kommt nicht zur Geltung und kann nicht die für die Bewegungsentwicklung notwendigen Impulse geben. Bei lang anhaltender Unterdrückung des Bewegungsbedürfnisses des Kindes ´erlischt` schließlich die ´Energie`, und das Kind erscheint in seiner Umwelt als bewegungsängstlich, ungeschickt, träge, unbeweglich und bewegungsvermeidend.“32
Bewegung ist demnach für die kindliche Entwicklung unverzichtbar und ein grundlegendes Mittel zum Lernen mit allen Sinnen, zum Sammeln unterschiedlicher Erfahrungen und Eindrücke, zur Interaktion sowie ein Mittel zum sozialen und kommunikativen Lernen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bewegung „für den ganzheitlichen Entwicklungsprozess des Kindes, für seine individuelle, harmonische Persönlichkeitserfahrung, eine ganz fundamentale Bedeutung“33 hat.
4.1 Bedeutung von Bewegung
In der Biologie wird die Bewegung als eine „passive oder aktive Ortsoder Lagever- änderung eines Organismus oder von Teilen eines Organismus“34 definiert.
Dabei versteht man unter einer passiven Bewegung alle Ortsveränderungen von Organismen, die ohne Eigenleistung unter Ausnutzung von Umweltenergie erfolgen.
Die aktive Bewegung umfasst Lagebzw. Ortsveränderungen, bei denen der Organismus die benötigte Energie selbst aufbringt. Die Fähigkeit zur aktiven Bewegung dient oft als Kriterium, um Leben von unbelebter Natur zu unterscheiden.35
Da nur die aktive Bewegung für diese Arbeit relevant erscheint, werde ich mich im Folgenden näher mit ihr auseinandersetzen.
Wie die Definition besagt, handelt es sich bei der aktiven Bewegung um die Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Dabei spielen Erfahrung, Bewegungsgefühl, aber auch Bewegungserleben eine wesentliche Rolle. CHRISTIAN fasst diese Tatsache folgendermaßen zusammen:
„In der natürlichen Erfahrung erscheint die Bewegung nicht als neutrale Sache, sondern als Tätigkeit, die etwas soll, etwas zeigt und zu etwas führt. Insofern ist Bewegung weniger Gegenstand als vielmehr Mittelund Voraussetzung gegenständlicher Erfahrung. Der Gegenstand erscheint durch Bewegung und erfährt durch Bewegung seine Gestalt.“36
Spricht man von Bewegung, so spielt auch die Wahrnehmung eine bedeutende Rolle. Denn das Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Bewegung folgt einer Wechselbeziehung zwischen Organismus und Umwelt. Dieses Phänomen ist insbesondere bei Kindern zu beobachten. Kinder nehmen ihre Umwelt ganzheitlich wahr, das heißt, sie ordnen sich und ihren Körper auf die Gegenstände, die sie umgeben, zu und bauen so eine Beziehung zu ihnen auf. Anders ausgedrückt versuchen die Kinder durch Bewegung von der Umwelt Besitz zu ergreifen.
„Kinder erfahren ihre Welt auf unmittelbar körperlich-sinnliche Weise. Dabei messen sie dem Alltag Selbstverständlichen eine eigene Bedeutung bei: eine Straßenabgrenzung wird zum Hangeln, eine Bordsteinkante zum Balancieren benutzt. Auf diese Weise nehmen Kinder die Gegenstände ihrer Umwelt aus dem gewohnten und geplanten Gebrauchszusammenhang heraus und machen sie so zu ihrer eigenen Welt.“37
Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Erwachsenen den Kindern auch die Chance geben, ihre Umwelt selbstständig zu entdecken und sich zunutze zu machen und nicht durch Verbote, Raumnot, Ängste, usw. verhindern, dass sich die Kinder ihre eigene Welt aufbauen können.
Zusammenfassend sind folgende Thesen zu nennen, die ZIMMER und CIRCUS 1992 aufstellten und die durch zahlreiche Beobachtungen und Untersuchungen bestä- tigt werden konnten:
1. Kinder passen sich ihrer Umwelt in der Bewegung an.
2. Kinder machen sich ihre Umwelt passend.
3. Kinder können sich ihre Umwelt nur passend machen, wenn Erwachsene dies nicht verbieten oder bestrafen.38
Im folgenden Teil der Arbeit werde ich mich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit ein Grundschulkind im Hinblick auf motorische Bewegungen entwickelt sein muss. Dabei werde ich die einzelnen Entwicklungsphasen mit Beginn der mütterlichen Schwangerschaft näher erläutern. Anschließend beschäftige ich mich mit der Frage, inwieweit die Entwicklung heutiger Grundschüler in Bezug auf die Motorik mit den für die Gesellschaft gültigen Entwicklungsnormen übereinstimmt.
4.2 Erwartete Bewegungsentwicklung bis zum Grundschulalter im Vergleich zum realen Bewegungskönnen
4.2.1 Erwartete Bewegungsentwicklung bis zum Grundschulalter
Die motorische Entwicklung eines Kindes beginnt noch während der Schwangerschaft im Bauch der Mutter. Bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche sind Bewegungen des Embryos mit Hilfe eines Ultraschalls zu erkennen. Im fünften Schwangerschaftsmonat kann dann auch die Mutter die Bewegungen des ungeborenen Kindes verspüren. Zwei Monate später, also im siebten Schwangerschaftsmonat sind alle Organe, das zentrale Nervensystem sowie der Bewegungsapparat des Kindes soweit entwickelt, dass es nun außerhalb des mütterlichen Körpers überlebensfähig wäre. Das Kind hat die sinnlichen Fähigkeiten des Riechens, des Hörens und des Sehens erlangt.
Besonders im letzten Schwangerschaftsmonat sind die Bewegungen des Kindes stark eingeschränkt, da es nun so groß ist, so dass es sehr eng in der Gebährmutter wird.
Diese beschriebene Entwicklungsphase wird auch als „pränatale“ Phase bezeichnet. Mit der Geburt des Kindes beginnt dann die sog. „postnatale“ Phase der Entwicklung. Das Neugeborene ist in der motorischen Bewegung noch recht unentwickelt. Es zeichnen sich ungerichtete Massenbewegungen sowie langsame Wischbewegungen in Form von Streck-, Beugeund Spreizbewegungen der Arme und Beine ab.39 Mit anderen Worten bedeutet dies, dass sich das Kind zwar bewegen kann, diese Bewegungen aber sehr unkoordiniert sind, wie zum Beispiel das Strampeln, das wilde
Händezappeln, usw.. Mit diesen Bewegungen erhält der Säugling Rückmeldung über den Zustand und die Bewegungsmöglichkeiten der Gliedmaßen und der Muskulatur. Und auch wenn die Bewegungen nicht präzise ausgeführt werden, stehen diese Bewegungen mit der Umwelt in Verbindung. Mit der Auseinandersetzung von Bewe- gung und Umwelt sammelt der Säugling erste Erfahrungen und entwickelt allmählich erste koordinative Bewegungen.
Ein Großteil der Bewegung besteht aus angeborenen Reflexen, wie zum Beispiel das Niesen, das Gähnen, das Blinzeln, usw., welche ebenfalls eine wichtige Grundlage für die weitere motorische Entwicklung des Kindes darstellen.
SCHEID und PROHL schreiben:
„Die Aneignung willkürlicher Bewegungen ist von der Hemmung primitiver Reflexe durch Stellund Gleichgewichtsreaktionen abhängig. Zu den primitiven Reflexen zählen u.a. Schreit-, Steigund Kriechreflexe, die etwa ab dem 5. Lebensmonat nicht mehr auslösbar sind und keinen zeitlichen Zusammenhang mit den späteren selbstständigen Bewegungen haben. Mit der Reifung hö- herer Hirnanteile werden dies Reflexe von Stellreaktionen und etwa ab Mitte des ersten Lebensjahres von Gleichgewichtsreaktionen überlagert. Sie bewirken die Kopfkontrolle im Raum, die Ausrichtung des Kopfes in Bezug auf den Rumpf und die Gliedmaßen. Erst die Stellreaktionen ermöglichen die Aufrichtung, Haltungsbewahrung und Fortbewegung. Balancereaktionen als automatische Gegenund Ausgleichsbewegungen auf Lageveränderungen des Körpers kommen hinzu.“40
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich das Kind im Säuglingsalter erste grundlegende Bewegungsmuster aneignet. So erlernt es beispielsweise das Greifen, das Sitzen und Möglichkeiten der Fortbewegung wie das Krabbeln oder Rollen.
Im Kleinkindalter und somit vom ersten bis zum dritten Lebensjahr geht es dann um die Aneignung vielfältiger Bewegungsformen, wie das Gehen, Laufen, Hüpfen und Springen, das Klettern, Ziehen und Schieben, das Hängen und Schwingen sowie das Tragen, Werfen und Fangen.
Anschließend an die Phase des Kleinkindalters folgt die Phase des frühen Kindesalters. Diese Phase erstreckt sich über den Zeitraum vom dritten bis zum sechsten bzw. siebten Lebensjahr. Im Kleinkindalter werden die vielfältigen Bewegungsformen, welche sich das Kind in seinen ersten drei Lebensjahren angeeignet hat, durch Wiederholung und Übung vervollkommt und erste Bewegungskombinationen wie zum Beispiel das Hochwerfen und Wiederauffangen erlernt.
Das mittlere Kindesalter umfasst die Lebensjahre sieben bis neun bzw. zehn. Diese Phase ist von schnellen Fortschritten in der motorischen Lernfähigkeit geprägt. Die Kinder besitzen die Fähigkeit, neue Bewegungsabläufe schnell aufzunehmen und zu erlernen. Wie schnell ein Kind motorische Bewegungen erlernt, hängt stark von der individuellen Förderung des Kindes ab. Materielle sowie soziale Bedingungen, welche das Kind in dieser Entwicklungsphase vorfindet, spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle.
Die folgende Übersicht zeigt die Entwicklung elementarer Bewegungen zusammenfassend auf:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Die Entwicklung elementarer Bewegungen ( nach ROTH 1972 )
Untersuchungen von SCHEID und ZIMMER zeigen den Einfluss von Umweltbedingungen auf die Bewegungsentwicklung bei Kleinkindern auf. Dabei stellten sie fest, dass Wohnbedingungen kaum Einfluss auf die motorische Entwicklung nehmen. Aussagekräftiger ist in dieser Hinsicht das Wohnumfeld. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Kleinkinder mit gut erreichbaren Spielflächen bessere Werte im Entwicklungstand aufweisen, als Kinder, denen kaum Spielflächen zur Verfügung stehen. Weiter zeigen die Untersuchungen, dass die familiäre Anregung durch sportliche Aktivitäten der Eltern und älteren Geschwister bereits im Kleinkindalter eine wesentliche Rolle spielt. Durch die Eltern oder älteren Geschwister wird das Interesse für sportliche Aktivitäten bei den Kindern geweckt, und sie gehören bereits in dieser Entwicklungsphase einem Verein an. Positiv beeinflusst wird die motorische Bewegungsentwicklung auch durch die wechselwirkenden Zusammenhänge von Erziehungsstil, kindlicher Bewegungsaktivität und motorischer Entwicklung wie die Untersuchungsergebnisse aufweisen. Ein Erziehungsstil, der den Kindern nur wenig Verbote auferlegt, der ihnen genügend Freiraum zum Entdecken, Erkunden sowie Experimentieren gibt und der somit die Kinder zum selbstständigen Erfahrungsammeln veranlasst, wirkt sich positiv auf die motorische Entwicklung aus.41
Im Gegenzug dazu untersuchten RIEDER und KEMPER den Einfluss der Umweltbedingungen auf die motorische Bewegungsentwicklung bei Kindern, die sich im mittleren und im späten Kindesalter befanden. Folgende Untersuchungsergebnisse wurden bekannt:
„Sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen gehen niedrige motorische Testleistungen einher mit wenig wohnortnahen Spielmöglichkeiten, wenig Spielund Sportgeräten, geringer Wohnungsgröße, dem Wohnen in einem Mehrfamilienhaus/Wohnblock und der Zugehörigkeit zur Unterschicht. Demgegenüber wirken gute sport-motorische Leistungen bei Jungen und Mädchen, viele Spielmöglichkeiten im Umfeld, viele Spielund Sportgeräte, eine große Wohnung, das Bewohnen eines Einfamilienhauses und die Zugehörigkeit zur Oberschicht zusammen.“42
Im Vergleich der motorischen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Umweltbedingungen zum einen im Kleinkindalter und frühen Kindesalter und zum anderen im mittleren und späten Kindesalter ist eine Veränderung zu verzeichnen. Während der Wohnungsgröße bei der kindlichen motorischen Entwicklung zwischen dem ersten und siebten Lebensjahr kaum eine Bedeutung zukommt, spielen die Wohnungsbedingungen ab dem siebten Lebensjahr, also ungefähr mit Beginn der Grundschulzeit, eine bedeutendere Rolle.
Eine Ursache besteht darin, dass mit der Einschulung hohe Anforderungen, die das Bewegungskönnen betreffen, an die Kinder gestellt werden. Sie müssen sich über die Bewegung mit ihren Klassenkameraden auseinandersetzen.
Des Weiteren wird mit dem Älterwerden der Kinder ihr Bewegungsumfang größer, da sie sich nun außerhalb des Elternhauses frei bewegen können und beim Spielen mit anderen Kinder nicht mehr beaufsichtigt und bevormundet werden und weitere Bewegungserfahrungen sammeln können. Ihr Unabhängigkeitsgefühl wird dadurch verstärkt und ihr Selbstbewusstsein gefördert.
Im folgenden Unterkapitel werde ich nun die hier vorgestellten gültigen Entwicklungsnormen der Gesellschaft mit dem realen Bewegungskönnen der Grundschulkinder vergleichen.
4.2.2 Bewegungskönnen bis zum Schuleintritt
Das, was ein Kind in der heutigen Zeit an Bewegungsfertigkeiten beherrscht, ist von lokalen Bedingungen, von Werthaltungen der Eltern sowie von ungleichen situativen Voraussetzungen abhängig.43 Es gibt zwar keine Angaben darüber, was ein Kind können muss, um sagen zu können, es weist eine normale Entwicklung auf, jedoch erwartet die heutige Gesellschaft eine bestimmte Entwicklung der Kinder in Bezug auf grobmotorische und feinmotorische Fertigkeiten, die HURLOCK in seinem Buch aufgelistet hat:
Grobmotorische Fertigkeiten:
- sich allein anziehen, allein zum WC gehen, ein Tablett tragen, rennen, hüpfen, hinkeln, springen, klettern, Treppe auf und ab gehen, aus einer Höhe von 30 cm springen, aus dem Stand 60 - 80 cm springen ( bis zum 4. Jahr )
- balancieren, Rad fahren, sich rhythmisch nach Musik bewegen, werfen und fangen, seilspringen ( bis zum 6. Jahr ).
Feinmotorische Fertigkeiten:
- sich selbst waschen, selbstständig essen, Dosen öffnen, Deckel von Gläsern oder Flaschen abschrauben, Seiten eines Buches umwenden, Turm aus Klötzen errichten, Kreis, Quadrat, Dreieck in Formbrett einfügen, kritzeln, klecksen, malen, Perlen auffädeln, Ton rollen, Nagel in weiches Holz oder Seife schlagen, Papier mit Schere schneiden ( bis zum 4. Jahr )
- nach Vorlage bauen, nach Vorlage Kreis, Quadrat, Dreieck, Parallelogramm nachzeichnen, Dreieck falten, Bild farbig malen, mit Schere umgehen, Knoten machen, mit Ton modellieren, nähen, ein erkennbares Bild von einem Menschen zeichnen ( bis zum 6. Jahr ).44
Betrachtet man die grobmotorischen Bewegungsfertigkeiten näher und vergleicht sie mit dem wirklichen Bewegungskönnen der heutigen Kinder, so ist festzustellen, dass nur das alleinige Anziehen, das alleinige zum WC gehen sowie das Treppensteigen Bewegungen sind, die Erwachsene von ihren Kindern bis zum Ende des Kleinkindalters verlangen. Das Klettern, Springen Balancieren, Seilspringen usw. sind Bewegungen, die Kinder freiwillig und ohne Anregung seitens der Eltern ausführen. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Kinder beim Eintritt in die Grundschule weder einen Ball werfen und fangen, noch balancieren können und sich nicht trauen von einer Erhöhung zu springen.
Auf das Erlernen der feinmotorischen Bewegungsfertigkeiten hingegen legen Eltern einen größeren Wert. Sie unterstützen ihre Kinder von Klein auf in der Schulung der Handbzw. Fingerfertigkeiten wie das selbstständige Essen und Trinken sowie das selbstständige Waschen und zeigen ihnen den Umgang mit Stift und Schere.
Die wichtigste feinmotorische Fertigkeit jedoch, auf die Eltern den größten Wert legen, ist das richtige Sprechenlernen, um Schwierigkeiten rechtzeitig erkennen und dementsprechend handeln zu können.
Wie bereits erwähnt, stellen die genannten Fertigkeiten nur Entwicklungsnormen dar, deren Nichtvorhandensein aber gleichzeitig keine mangelnde Bewegungsentwicklung bedeutet.
„Ein Kind von 6 Jahren zeigt keine Anzeichen einer abweichenden Entwicklung, wenn es bestimmte Fertigkeiten z.B. Schwimmen, Rollschuhlaufen, Skifahren oder Kunststücke an Turngeräten nicht beherrscht, obwohl andere Kinder hierzu möglicherweise schon in der Lage sind. Unterschiede zwischen Kindern, die im Bereich solcher Bewegungsfertigkeiten liegen, können also nicht im Sinne einer Abweichung gedeutet werden. Zu unterschiedliche Erfahrungen der einzelnen Kinder auf Grund unterschiedlicher situativer Bedingungen während der Vorschulzeit bewirken das Bild, dass ein Kind diese Fertigkeit beherrscht und jene nicht, während es sich bei einem anderen gerade umgekehrt verhält. Wir können ohne Schwierigkeiten erkennen, dass diese Bewegungsfertigkeiten nicht als verbindliche Erwartungen der Gesellschaft allen Kindern bis zum Schuleintritt abverlangt werden, sondern auf vereinzelte Initiativen (Schwimmen, Skilaufen) von Eltern auf die Nutzung vorhandener Räume (Rollschuhbahn, Turngeräte) zurückzuführen sind.
Diese Beispiele zeigen zwar auf, wie lernfähig im allgemeinen Kinder auch im Bereich der Bewegung sein können, geben aber keine Hinweise auf abweichende Bewegungsentwicklung.“45
Von einer nicht altergemäßen Bewegungsentwicklung kann demnach erst gesprochen werden, wenn das Bewegungsverhalten deutlich außerhalb von verbindlichen Altersnormen liegt. Ist beispielsweise ein zweijähriges Kind nicht in der Lage, sich frei im Raum fortzubewegen, so muss der Verdacht geäußert werden, dass eine Abweichung in der Bewegungsentwicklung vorliegt und entsprechende Fördermaßnahmen eingeleitet werden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Mehrheit der Kinder beim Schuleintritt nicht in der Lage ist von Erhöhungen zu springen, auf einem Bein zu hüpfen, zu balancieren, einen Ball zu fangen usw. wird die Wichtigkeit der Bewegung deutlich.
Aus diesem Grunde werde ich nun im folgenden Kapitel die wichtigsten Funktionen von Bewegung näher erläutern.
4.3 Funktionen von Bewegung
Bewegung ist ein Grundbedürfnis für jeden Menschen. Durch Bewegung haben insbesondere Kinder die Möglichkeit ihre Welt zu erschließen und zahlreiche Erfahrungen mit ihrer Umwelt zu sammeln. So lernen sie ihre Stärken und Schwächen kennen und einzuschätzen und lernen sich mit Materialien, mit dem Partner oder mit der Gruppe auseinanderzusetzen. Der Körper wird dabei als Ausdrucksmittel benötigt.
In den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts bot, wie im ersten Kapitel der Arbeit bereits erwähnt, die Umwelt der Kinder aufgrund eines geringen Verkehrsaufkommens, vielen Grünflächen, usw. noch viele Möglichkeiten Bewegungserfahrungen zu sammeln. Doch die heutigen Lebensbedingungen lassen das unbeschwerte Erschließen der Umwelt nur selten zu, und so ist es nicht verwunderlich, dass die Kinder von heute Haltungsund Koordinationsschwächen, mangelnde Fitness und Motorik, Konzentrationsund Wahrnehmungsmängel sowie eine unzureichende soziale Kompetenz aufweisen.
Die aufgezählten Mängel in der kindlichen Entwicklung haben schwerwiegende Folgen für das ganze weitere Leben der Kinder, wenn diesen Mängeln nicht entgegengewirkt wird, indem die Bewegung gezielt gefördert wird. Somit ist Bewegung für die kindliche Entwicklung unverzichtbar.
So sichert sie die Erweiterung vielfältiger senso-motorischer Erfahrungen, indem die Kinder ihren Körper erleben, verschiedene Wahrnehmungs-, Bewegungsund Spielräume entdecken, erfahren und erleben sowie Erfahrungen mit vielen unterschiedlichen Materialien und Geräten machen. Eine weitere Funktion von Bewegung besteht in der Möglichkeit des gefühlsmäßigen Erlebens, indem den Kindern viele Handlungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden, in denen sie selbstständig entdecken, erkunden und experimentieren können und so u.a. Erfolgserlebnisse sammeln können, die das kindliche Selbstbewusstsein steigern. Ebenfalls Ziel und somit eine wichtige Funktion von Bewegung ist die Förderung des Sozialverhaltens, indem die Kinder sich mit ihrer personalen Umwelt auseinandersetzen müssen. Die Kinder lernen im Umgang mit anderen Kindern hilfsbereit und rücksichtsvoll zu sein und ihre eigenen Bedürfnisse abzuwägen und entweder durchzusetzen oder zurückzustellen.
Aber auch die geistigen Prozesse der Kinder werden mit Hilfe der Bewegung gefördert, indem sie durch diese ihr Vorstellungsvermögen durch das Speichern senso-motorischer Erfahrungen ausbauen können. Zudem lernen die Kinder die ihnen gestellten Bewegungsaufgaben durch Probieren, Verändern und Verbinden selbstständig zu lösen und somit wird ihre Entscheidungsfähigkeit gestärkt.
Letztes Ziel von Bewegung besteht in der Möglichkeit ökologische Erfahrungen zu sammeln. Dabei geht es u.a. um räumliche Erfahrungen, welche die Kinder beim Erkunden von beispielsweise dem Wald oder der Wiese machen, aber auch um Erfahrungen, welche das Klima betreffen. Dadurch wird die Bewegungsaktivität der Kinder gesteigert, und sie werden für den Umgang mit der Natur sensibilisiert.
Das folgende Schaubild fasst die wichtigsten Funktionen von Bewegung zusammen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ziele der Bewegungserziehung
Bezugnehmend auf die obigen Ausführungen muss davon ausgegangen werden, dass, wenn die Bewegung vernachlässigt wird, dies zu Lasten der senso-motorischen Erfahrungen, des gefühlsmäßigen Erlebens, des Sozialverhaltens, der Selbstständigkeit,der geistigen Prozesse sowie der ökologischen Erfahrungen der Kinder geht und zu Defiziten in der kindlichen Entwicklung führt. K. BALSTER schreibt:
„Eine Vernachlässigung der Bewegungserziehung führt zu einer Unterdrückung der kindlichen Bedürfnisse und zu motorischen Defiziten und hat nachhaltige Folgen für die Entwicklung der Persönlichkeit eines Kindes! Eine eingeschränkte Bewegungserfahrung behindert körperliches Wohlbefinden und Gesundheit, soziale Integration, Selbstsicherheit, Selbstvertrauen und geistige Erkenntisgewinnung.“46
Deswegen ist es von großer Bedeutung, dem Verlust der Bewegung entgegenzuwirken und Schwächen, welche Kinder durch einen Bewegungsmangel erhalten können, durch entsprechende Fördermaßnahmen vorzubeugen.
Im Folgenden werde ich nun auf verschiedene Schwächen eingehen, die bei Kindern aufgrund von Bewegungsmangel entstehen können und anschließend geeignete Fördermaßnahmen vorstellen, mit deren Hilfe diese Schwächen beseitigt und die Bewegung gefördert werden kann.
4.3.1 Koordination
4.3.1.1 Bedeutung von Koordination
„Unter einer altersgemäßen Bewegungskoordination verstehen wir das harmonische und möglichst ökonomische Zusammenwirken von Muskeln, Nerven und Sinnen zu zielgenauen, gleichgewichtssicheren Bewegungsaktionen (Willkürmotorik) und schnellen, situationsangepassten Reaktionen (Reflexmotorik).“47
Um ein möglichst ökonomisches Zusammenwirken zu erlangen, ist ein gut dosiertes Kraftmaß, die richtige Muskelwahl sowie ein schneller Wechsel von Muskelanspannung und -entspannung notwendig. Mit anderen Worten bedeutet eine gute Koordination, eine Bewegung mit möglichst wenig Kraftaufwand und nur mit Innervation der für diese Bewegung wichtigen Muskeln auszuführen. Zudem zeichnet sich eine gute Koordination durch ein entsprechendes Bewegungstempo sowie einen entsprechenden Bewegungsumfang, eine hohe Bewegungskonstanz, eine gute Bewegungspräzision sowie durch eine elastische und fließende Bewegungsausführung aus.
„Eine Bewegung verläuft demnach um so koordinierter, je sparsamer mit der Bewegungsenergie umgegangen wird.“48
[...]
1 Vgl. Harms, G. / Pressing, C.: Lebensumwelten heutiger Kinder. In: Grundschule Jahrgang 21 (1989), Heft 5. S. 13.
2 Ebd.
3 Vgl. Fölling-Albers, M / u.a.: Schulkinder heute. Auswirkungen veränderter Kindheit auf Unterricht und Schulleben. 2. Auflage. Weinheim ; Basel 1995, S. 11.
4 Fölling-Albers, M.: Kindheit heute. In: Grundschule Jahrgang 21 (1989), Heft 5. S. 17.
5 Schmidt, W. (Hrsg.): Kindheit und Sport - gestern und heute. Hamburg: Czwalina Verlag 1996, S. 12.
6 Jürgens, E.: Der gesellschaftliche Wandel der Kindheit und Konsequenzen für die schulische Arbeit. Ein Handlungsprogramm. In: Pädagogik und Schulalltag Jahrgang 48 (1993). Heft 1. S. 69.
7 Vgl. Büchner, P.: Kindliche Lebenswelt und Sportzugang im Wandel. In: Hildebrandt, R. / Landau, G. / Schmidt, W. (Hrsg.): Kindliche Lebensund Bewegungswelt im Umbruch. Ahrensburg 1994, S. 44 .
8 Neuber, N.: Kreative Bewegungserziehung - Bewegungstheater. Aachen: Meyer und Meyer. 2000, S. 20.
9 Fölling-Albers 1989, S. 14.
10 Vgl. Schmidt 1996, S. 13.
11 Vgl. Hopf, A.: „Räum endlich Dein Zimmer auf und wirf dieses Monster weg!“ Über Kinderzimmer, SF-Spielwaren und den Umgang mit beidem. In: Fölling-Albers, M. (Hrsg.): Veränderte Kindheit - Veränderte Grundschule. Beiträge zur Reform der Grundschule. Band. 75. Arbeitskreis Grundschule e.V.. Frankfurt a. M. 1994, S. 118 ff.
12 Vgl. Bauer, W.: Junge Zukunft: Mattscheibe? In: Jahrbuch für Schulentwicklungsplanung. Band 5. Weinheim 1988, S. 251 ff.
13 Landesinstitut für Schule und Weiterbildung.: Gestaltung des Schullebens. Öffnung von Schule. Beitrag zur Qualitätsverbesserung von Schule. Kettler 1994, S. 11.
14 Jürgens 1993, S. 70.
15 Landesinstitut für Schule und Weiterbildung 1994, S. 11.
16 Vgl. Hopf, A.: Grundschularbeit heute. 2. Auflage. München: Ehrenwirth 1996, S. 38.
17 Neuber 2000, S. 19.
18 Vgl. ebd., S. 20.
19 Ebd., S. 20.
20 Neuber 2000, S.20.
21 Ebd.
22 Ebd.
23 Vgl. Fölling-Albers 1995, S. 21.
24 Vgl. Schmidt 1996, S. 18.
25 Traxler, I.: Kinder in Frauenhand. In: Erziehung und Wissenschaft Jahrgang 46 ( 1994 ). Heft 4. S. 17.
26 Vgl. Neuber 2000, S. 21.
27 Vgl. Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW 1999, S. 9 f.
28 Vgl. ebd., S. 10.
29 Scheel, D / Palm-Scheel, L. zitiert nach Kiphard, E.: Kinder brauchen Bewegung. Frankfurt/M, Berlin, Wien: Ullstein Verlag.1981, S. 9.
30 Vgl. ebd., 1981, S. 7.
31 Scheel / Palm-Scheel 1981, S. 10.
32 Ebd.
33 Balster, K.: Kinder mit mangelnden Bewegungserfahrungen. Praktische Hilfen für den Umgang mit Bewegungsmängeln und Verhaltensauffälligkeiten. Hg. v. Sportjugend im Landessportbund NRW e.V.. 4. Auflage. Duisburg: Basis Druck 1998.
34 Brockhaus: Die Enzyklopädie in 24 Bänden. 20. überarbeitete und aktualisierte Auflage. 3. Band.Leipzig ; Mannheim: Brockhaus 1996, S. 261.
35 Vgl. ebd., S. 261.
36 Christian, P.: Über die menschliche Bewegung als Einheit von Natur und Geist. Verl. n. angegeben: Schorndorf 1963, S. 19.
37 Zimmer, R. / Circus, H.: Kinder brauchen Bewegung. Brauchen Kinder Sport? 3. unveränderte Auflage. Aachen: Meyer und Meyer 1994, S. 33.
38 Zimmer / Circus 1994, S. 34.
39 Vgl. Meinel, K.: Bewegungslehre. Abriss einer Theorie der sportlichen Motorik unter pädagogischem Aspekt. Berlin: Volk und Wissen Volkseigener Verlag 1998, S. 297.
40 Scheid, V. / Prohl (Hrsg.), R.: Bewegungslehre. 6. völlig neu bearbeitete Auflage. Wiebelsheim: Limpert Verlag 2001, S. 89.
41 Vgl. Scheid / Prohl 2001, S. 93.
42 Ebd., S. 94.
43 Vgl. Scheel / Palm-Scheel 1981, S. 19.
44 Vgl. ebd. nach Hurlock, S. 20.
45 Scheel / Palm-Scheel 1981, S. 24.
46 Balster 1998, S. 9.
47 Kiphard,E.: Bewegungsund Koordinationsschwächen im Grundschulalter. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Schorndorf: Karl Hofmann Verlag 1977, S. 11.
48 Ebd., S. 11.
- Citar trabajo
- Anita Dierichs (Autor), 2003, Förderung von Stille und Bewegung in der Grundschule, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116906
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