Was ist die wahre Realität? Wie wird sie charakterisiert? Auf welchen Faktoren basiert sie? So individuell der Mensch ist, so verschiedenen sind seine Auffassungen von Wirklichkeit, von Realität, von der Welt. Als religiöse Formen der Weltanschauung haben die fünf großen Weltreligionen Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus hinsichtlich dieser Fragen eine besonders prominente Stellung inne. Weltweit erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit den jeweiligen, an transzendente Kräfte gebundenen Grundsätzen, wobei diese unterschiedlich stark ausgeprägt ist und vor allem die kleineren Abspaltungen der Religionen oftmals unbekannt sind.
Der Buddhismus entwickelte schon bald nach dem Tod Buddhas verschiedene Ausprägungen, die bis heute als Schulen fortbestehen. Im chinesischen Denken trat der Buddhismus vorrangig ab dem 3. Jahrhundert auf, jedoch reichen seine Wurzeln bis in die Han-Dynastie (206 v. Chr. - 220 n. Chr.) zurück. Aus der übergeordneten Weltreligion ging unter anderem die Weishi-Schule hervor. Bereits im einleitenden Zitat fin-den sich Elemente dieser Schule wieder: Es handelt es sich um den Kommentar Abhidharma-Samuccaya, die Schrift des dritten Korbes des buddhistischen Pali-Kanons angehört. Darin thematisiert der bedeutende chinesische Philosoph Asanga die höhere Lehre des Buddha und deren Verwirklichung.
Dieser Essay widmet sich dieser Schule mit der Frage „Inwieweit lassen sich idealistische und realistische Elemente in der Weishi-Schule wiederfinden und offenbaren dabei ihre Widersprüche?“, wobei eine Darstellung der Grundsätze der Weishi-Schule erfolgt, bevor vorhandene Elemente des Idealismus und Realismus innerhalb der Lehre, vor allem hinsichtlich auftretender Widersprüche, untersucht werden. Abschließend wird aus den dargelegten Erkenntnissen eine Konklusion gezogen, ob die geringe Durchsetzung bzw. Verbreitung der Schule und letztlich des Buddhismus darin eine ihrer Ursachen findet.
„ There are two kinds of bewilderment. Bewilderment with regard to the ripening of the fruit and bewilderment with regard to true reality. For someone who is bewildered with regard to the ripening of the fruit, demeritorious impulses come about. For someone who is bewildered with regard to true reality, meritorious and immovable [impulses come about].1
Doch was ist wahre Realität? Wie wird sie charakterisiert? Auf welchen Faktoren basiert sie? So individuell der Mensch ist, so verschiedenen sind seine Auffassungen von Wirklichkeit, von Realität, von der Welt. Als religiöse Formen der Weltanschauung haben die fünf großen Weltreligionen Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus hinsichtlich dieser Fragen eine besonders prominente Stellung inne. Weltweit erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit den jeweiligen, an transzendente Kräfte gebundenen Grundsätzen, wobei diese unterschiedlich stark ausgeprägt ist und vor allem die kleineren Abspaltungen der Religionen oftmals unbekannt sind. Der Buddhismus entwickelte schon bald nach dem Tod Buddhas verschiedene Ausprägungen, die bis heute als Schulen fortbestehen. Im chinesischen Denken trat der Buddhismus vorrangig ab dem 3. Jahrhundert auf, jedoch reichen seine Wurzeln bis in die Han-Dynastie (206 v. Chr. - 220 n. Chr.) zurück.2 Aus der übergeordneten Weltreligion ging unter anderem die Weishi-Schule hervor. Bereits im einleitenden Zitat finden sich Elemente dieser Schule wieder: Es handelt es sich um den Kommentar Abhidharma-Samuccaya, die Schrift des dritten Korbes des buddhistischen Pali-Kanons angehört. Darin thematisiert der bedeutende chinesische Philosoph Asanga die höhere Lehre des Buddha und deren Verwirklichung. Dieser Essay widmet sich dieser Schule mit der Frage „Inwieweit lassen sich idealistische und realistische Elemente in der Weishi-Schule wiederfinden und offenbaren dabei ihre Widersprü che? “, wobei eine Darstellung der Grundsätze der Weishi-Schule erfolgt, bevor vorhandene Elemente des Idealismus und Realismus innerhalb der Lehre, vor allem hinsichtlich auftretender Widersprüche, untersucht werden. Abschließend wird aus den dargelegten Erkenntnissen eine Konklusion gezogen, ob die geringe Durchsetzung bzw. Verbreitung der Schule und letztlich des Buddhismus darin eine ihrer Ursachen findet.
Als eine der zahlreichen chinesischen Schulen, die aus dem Buddhismus hervorgingen, basiert die Weishi-Schule auf der sogenannten Mahāyāna-Lehre. Sie bezeichnet eine der Hauptrichtungen der östlichen Religionen und lässt sich mit „großer Weg“ bzw. „großes Fahrzeug“ übersetzen. Die Lehre sieht vor, das eigene Wohl dem Gemeinwohl unterzuordnen und dadurch die Erlösung aller Wesen aus jeglichem Leid herbeizuführen. Dieser Weg wird unter anderem durch Vielseitigkeit charakterisiert, wodurch einer großen Anzahl an Menschen der Weg zur Erlösung eröffnet wird.3 Aufbauend auf dem Mahāyāna-Buddhismus entwickelte sich die Vij ñā navāda - bzw. Yogācāra-Lehre, die um das 4. Jahrhundert im indischen Raum entstanden ist. Sie wird auch als Bewusstseins-Lehre bezeichnet, da sie auf der Grundannahme basiert, dass jegliche Wahrnehmung auf den Geist ( Cittam ātra ) zurückzuführen ist und Erlösung durch eine Rückwendung zu diesem reinen Geist gefunden werden kann.4
Die Weishi-Schule, auch als Faxiang-Schule bekannt, ist eine im 7. Jahrhundert entstandene, chinesische Form des Mahāyāna-Buddhismus, in der sich die Elemente der Bewusstseinslehre verwurzelt und verzweigt haben. Als Hauptvertreter sind die Halbbrüder Asanga und Vasubandhu zu nennen, deren Schriften bereits die Yogācāra-Lehre maßgeblich systematisierten und weiterentwickelten. Da diese ihren Ursprung in Indien hat, ist hinsichtlich der Entstehung der Weishi-Schule insbesondere der chinesische Gelehrte Xuanzang hervorzuheben. Er studierte an der Klosteruniversität von Nālandā in Indien und brachte in den darauffolgenden Jahren seine Studien der Yogācāra -Doktrin und mehrere dazugehörige Schriften nach China. Daraufhin verdrängte seine Lehre unter dem Namen der Faxiang-Schule die dortigen Yogācāra -Schulen.5 Grundlegend für diese Auffassung ist die Dharma-Lehre, die auf den sogenannten „Nur-Vorstellungen“ basiert. Sie sieht vor, dass jegliche Elemente der äußeren Welt auf innere Vorstellungen zurückzuführen sind, d.h. die von uns wahrgenommene Erscheinungswelt ist als Produkt des Geistes anzusehen. Dabei wird die Ansicht vertreten, dass es für die Existenz von Wahrnehmungsobjekten keinen unabhängigen empirischen Beleg gibt, sodass die Welt der Wahrnehmung lediglich auf dem Geist und unserem Bewusstsein basiere. Demnach bestünden alle Dinge ( dharmas ) der Welt aus Erkenntnisvorgängen, sodass es nicht nur keine unabhängigen Objekte der Außenwelt gibt, sondern ebenso kein unabhängig existierendes Subjekt. Die Existenz obliegt lediglich den Vorstellungen, die nach der Auffassung der Weishi-Schule im „Speicherbewusstsein“ ( ālaya-vijñān), auch Grundbewusstsein genannt, verankert sind. Dieses ist im umfangreichen System der Bewusstseinsformen als achte Form für ein- und ausgehende Bewusstseinsimpulse zuständig und stellt demnach eine Sammlung aller früheren Eindrücke dar, die als „Samen“ bzw. „Keime“ ( bīja ) bezeichnet werden.6 Diese Keime begründen nicht nur die Existenz einzelner Personen, sondern auch der gesamten Welt. Das Heranreifen dieser Samen wird als Karma bezeichnet. Dabei steigen die Samen in das Denkbewusstsein auf, woraufhin es zwischen ihnen zur Interaktion und damit zur Illusion einer Existenz vom eigenem Ich und von den Dingen kommt.7
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1 Asganga (o.J.): Abhidharmasamuccaya. URL: https://www2.hf.uio.no/polyglotta/index.php?page=fulltext&vid=82&view=fulltext - Download vom 15.12.2019, AS san mūla 55, 1 - 3. Es gibt zwei Arten von Verwirrung (im Sinne von Verblüffung). Verwirrung im Hinblick auf das Reifen der Frucht und Verwirrung im Hinblick auf wahre Realität. Jemand, der im Hinblick auf das Reifen der Frucht verblüfft ist, erfährt verwerfliche Impulse. Jemand, der im Hinblick auf wahre Realität verblüfft ist, erfährt löbliche und unerschütterliche Impulse. (Übers. von A.Schnitzler)
2 Vgl. Schmidt-Glintzer, Helwig (2005): Der Buddhismus. München: Verlag C. H. Beck, S. 82.
3 Vgl. Schumann, Hans Wolfgang (1991): Buddhismus. Stifter, Schulen und Systeme. 6. Auflage, Olten: Walter-Verlag, S. 125.
4 Vgl. ebd. S. 185.
5 Vgl. Freiberger, Oliver; Kleine, Christoph (2011): Buddhismus. Handbuch und kritische Einführung. Göttingen [u.a.]: Vandenhock & Ruprecht, S. 325f.
6 Zu den acht Bewusstseinsformen in der chinesischen Philosophie der Faxiang-Lehre gehören die fünf Sinne, wie sie allgemein bekannt sind. Hinzu kommt das „Bewusstsein“ im eigentlichen, übergreifenden Sinne als sechste Form. Die siebte Form, das Ich-hafte Unterbewusstsein bzw. Reflexionsbewusstsein ordnet die von den ersten sechs Bewusstseinsformen gesammelten Informationen. Siehe dazu: Vgl. Bauer, Wolfgang (2006): Geschichte der chinesischen Philosophie. München: Verlag C. H. Beck, S. 205.
7 Vgl. Bauer 2006, S. 205.
- Citar trabajo
- Ann-Sophie Schnitzler (Autor), 2020, Elemente des Idealismus und Realismus und deren Grenzen in der chinesischen Weishi-Schule, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169055
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