Die B.A.-Arbeit befaßt sich nicht in erster Linie mit Gustav Heinemann während seiner Amtszeit als erster sozialdemokratischer Bundespräsident (1969-1974), sondern mit Heinemann als Antipode Konrad Adenauers in der Debatte um Wiederbewaffnung, Westbindung und Deutsche Einheit (als politisches Nahziel). Eine Diskussion, die zwischen 1949 und 1955, der Unterzeichnung des „Petersberger Abkommens“ und dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik, besonders kontrovers geführt wurde – und erst 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer, der die deutsche Teilung zum Status quo werden ließ, beendet war. Heinemanns Rolle in dieser Phase wird jedoch durchaus im Kontext seiner Gesamtbiographie betrachtet.
Heinemann, 1949/50 noch CDU-Minister im Kabinett Adenauer, war einer der wichtigsten Gegenspieler des Kanzlers während der Debatte um Wehrbeitrag und Westintegration. Während Adenauer die deutsche Teilung als (zumindest) mittelfristiges Faktum und die Westbindung als bestmöglichen Schutz der Bundesrepublik vor einer sowjetischen Aggression betrachtete, hielt Heinemann am Primat der Wiedervereinigung fest. Sein Ziel war ein blockfreies Gesamtdeutschland, dessen Sicherheit (wie die der Nachbarn) über Friedensverträge mit den Besatzungsmächten garantiert werden sollte.
Heinemann gelang es aber weder mit seiner „Notgemeinschaft“ noch mit der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP), eine Mehrheit gegen Adenauers Kurs zu mobilisieren. Obwohl zu Beginn der Kontroverse um den Wehrbeitrag eine „Ohne-mich“-Stimmung in der westdeutschen Bevölkerung weit verbreitet war, wurde Heinemanns Konzept angesichts des globalen Ost-West-Gegensatzes als unrealistisch empfunden. Die Mehrheit entschied sich für die Prioritätenreihenfolge „Freiheit-Frieden-Einheit“ und erwartete eine spätere Wiedervereinigung als Folge der sogenannten „Magnet-Theorie“.
Westintegration und "Politik der Stärke" wurden später durch den Zusammenbruch des Kommunismus (auch als Folge des Rüstungswettlaufs) durchaus bestätigt, wenngleich die – von der sozialliberalen Koalition eingeleitete – Entspannungs- und Dialogpolitik ein zumindest ebenso wichtiger Faktor war, ohne den nicht zuletzt die Zustimmung der europäischen Staaten bzw. der UdSSR zur deutschen Einheit 1990 fraglich gewesen wäre.
Und Heinemann hatte mit seiner Kritik an Adenauer nicht nur unrecht: So ist die Teilung (auch) durch die kompromißlose Westbindung zwar nicht endgültig, aber doch für vier Jahrzehnte manifestiert worden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Kritik Gustav Heinemanns an Konrad Adenauers Deutschlandpolitik
- Die Kontroverse um Wiederbewaffnung, Westbindung und Deutsche Einheit
- Gustav Heinemann: Biographisches I (1899-1950)
- Gustav Heinemanns Deutschlandkonzeption
- Gustav Heinemann: Biographisches II (1950-1976)
- Wiederbewaffnung, Westbindung und Deutsche Einheit: Die Kontroverse aus historischer Perspektive
- Fazit
- Literatur
- Reden und Aufsätze
- Monographien und Gesamtdarstellungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelor-Arbeit beschäftigt sich mit Gustav Heinemann als einem der wichtigsten Gegenspieler Konrad Adenauers in der Debatte um Wiederbewaffnung, Westbindung und Deutsche Einheit. Ziel ist es, die Deutschlandkonzeptionen beider Politiker gegenüberzustellen und die sicherheitspolitischen Positionen relevanter Parteien und gesellschaftlicher Gruppen zu beleuchten. Die Arbeit untersucht auch, warum sich die westdeutsche Bevölkerung trotz anfänglicher Skepsis für die von Adenauer propagierte Prioritäten-Reihenfolge „Freiheit-Frieden-Einheit“ entschied und nicht das von Heinemann geforderte Primat der Wiedervereinigung unterstützte.
- Die Kontroverse um Wiederbewaffnung, Westbindung und Deutsche Einheit in den Jahren 1949-1955
- Die Deutschlandkonzeptionen von Gustav Heinemann und Konrad Adenauer
- Die Rolle der Parteien und gesellschaftlichen Gruppen in der Debatte
- Die Entwicklung der westdeutschen Meinung zur Wiederbewaffnung und Westbindung
- Die Einbettung von Heinemanns Rolle in der Wiederbewaffnungsdiskussion in seine Gesamtbiographie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Gustav Heinemann als komplexe Persönlichkeit vor und erläutert den Kontext seiner Rolle als Gegenspieler Adenauers. Kapitel 2.1 beleuchtet die Kontroverse um Wiederbewaffnung, Westbindung und Deutsche Einheit, wobei Heinemanns Kritik an Adenauers Politik im Vordergrund steht. Kapitel 2.2 und 2.4 bieten einen biographischen Überblick über Heinemanns Leben und Wirken, während Kapitel 2.3 seine Deutschlandkonzeption im Detail darstellt. Schließlich wird in Kapitel 2.5 die Kontroverse um die Wiederbewaffnung aus historischer Perspektive betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der deutschen Nachkriegsgeschichte, wie Wiederbewaffnung, Westbindung, Deutsche Einheit und dem Kalten Krieg. Sie analysiert die Deutschlandkonzeptionen von Gustav Heinemann und Konrad Adenauer sowie die Rolle der Parteien und gesellschaftlichen Gruppen in der Debatte. Wichtige Begriffe sind: „Petersberger Abkommen“, NATO, WEU, Korea-Krieg, Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP), „Ernstfall Frieden“, und die Prioritäten-Reihenfolge „Freiheit-Frieden-Einheit“.
- Quote paper
- Christian Chmel (Author), 1999, Die Kritik Gustav Heinemanns an Konrad Adenauers Deutschlandpolitik 1949-1961, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116843