Seneca ist in erster Linie als popularphilosophischer Schriftsteller bekannt, der sich vor allem bei den jungen Leuten seiner Zeit großer Beliebtheit erfreute. In seinem Gesamtwerk ist das ständige Bemühen um eine moralische Festigung seiner Leser erkennbar. Gerade eine moralische Absicht vorfolgt der Autor der Apocolocyntosis, der Satire auf den verstorbenen Claudius, nicht. Berechtigt ist daher die oft gestellte Frage, ob Seneca, der auch die würdevolle offizielle Leichenrede auf Claudius komponiert hat, wirklich der Autor der anonym veröffentlichten Spottschrift ist. Literarisches Können beweist der Verfasser dieses Pamphlet – und man kann wohl davon ausgehen, dass es tatsächlich Seneca ist – jedenfalls, indem er in seiner Apocolocyntosis verschiedene Textgattungen parodiert, wie etwa die Panegyrik in den laudes
Neronis (Kap. 4), die rhetorisch ausgefeilte Rede (Kap. 10–11) und die Nänie, das Klagelied auf einen Verstorbenen (Kap. 12), die im Folgenden genauer untersucht werden soll. In all der umfangreichen Forschungsliteratur, die in den vergangenen Jahrzehnten zu Seneca und besonders zur Apocolocyntosis entstanden ist,3 scheint gerade dieses Kapitel beinahe vollkommen übersehen worden zu sein: Die in Anapäste gefasste Klage der Trauergemeinde um den verstorbenen Kaiser. Der letzte, der sich ausführlicher diesem Thema zuwandte, war offenbar der berühmte Altphilologe Otto WEINREICH im Jahre 1923.
Im Folgenden soll nach der Anführung allgemeiner Merkmale der Gattung der Nänie im Wesentlichen eine Einzelinterpretation der Klage um Claudius versucht werden. Dabei werden natürlich Senecas Verse, deren Spott und Ironie unverkennbar ist und herausgearbeitet werden soll, im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Daran schließt sich ein Vergleich der Nänie mit der ebenfalls von Seneca verfassten und durch Tacitus überlieferten Leichenrede an.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Allgemeiner Teil
- 1.1 Zielsetzung und Vorgehen der Arbeit
- 1.2 Allgemeines zur Nänie
- 1.3 Inhaltliche Eingliederung der Nänie auf Claudius in den Kontext
- 1.4 Darstellung der Leichenfeier bei anderen antiken Autoren
- 2 Einzelinterpretation der Klage um Claudius
- 2.1 Die Nänie auf Claudius
- 2.1.1 Formale und inhaltliche Gliederung der Nänie
- 2.1.2 Versmaß: Anapäste
- 2.1.3 Detailinterpretation des Textes
- 2.1.3.1 Aufforderung zur Klage
- 2.1.3.2 Lob der körperlichen und geistigen Eigenschaften
- 2.1.3.3 Lob der Kriegstaten des Claudius
- 2.1.3.4 Lob der Rechtssprechung des Claudius
- 2.1.3.5 Die Freunde des Claudius
- 2.1.4 Allgemeine Tendenzen und Komisches in der Nänie
- 2.1.5 Elemente der Umgestaltung in der Nänie
- 2.2 Vergleich mit der laudatio funebris auf Claudius bei Tacitus
- 3 Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Nänie auf Claudius in Senecas Apocolocyntosis. Ziel ist es, diese Klage um den verstorbenen Kaiser im Kontext der Satire und im Vergleich zu anderen antiken Leichenreden zu analysieren. Dabei werden insbesondere die formalen und inhaltlichen Besonderheiten der Nänie sowie Senecas satirische Intentionen in den Vordergrund gerückt.
- Die Gattung der Nänie in der römischen Literatur
- Die satirische Darstellung von Claudius in der Apocolocyntosis
- Die rhetorischen Mittel der Nänie und ihre Wirkung
- Der Vergleich mit der laudatio funebris auf Claudius bei Tacitus
- Die Rolle der Nänie im Gesamtkontext der Apocolocyntosis
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit behandelt die allgemeine Zielsetzung und das Vorgehen sowie die literarische Gattung der Nänie. Hier werden wichtige Aspekte wie die Form, Funktion und historische Entwicklung der Nänie erörtert. Darüber hinaus wird die Einordnung der Nänie auf Claudius in den Kontext der Apocolocyntosis beleuchtet und ein Vergleich mit der Darstellung der Leichenfeier bei anderen antiken Autoren vorgenommen.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der Einzelinterpretation der Nänie auf Claudius. Dabei werden die formale und inhaltliche Gliederung des Textes, das Versmaß sowie die einzelnen Abschnitte des Klageliedes genauer betrachtet. Der Fokus liegt dabei auf Senecas satirischem Stil und der Kritik an Claudius, die er in der Nänie verpackt.
Schlüsselwörter
Seneca, Apocolocyntosis, Nänie, Claudius, Leichenrede, Laudatio funebris, Satire, Ironie, Rhetorik, Antike, römische Literatur
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- Stefanie Wind (Author), 2008, Seneca, "Apocolocyntosis" - Einzelinterpretation der Nänie auf Claudius (Kapitel 12), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116833