Hans Küng schreibt in den 1962 erschienenen Strukturen der Kirche: „Die (traditionell verstandene) Legitimität Martins V. und aller folgenden Päpste bis auf den heutigen Tag hängt an der Legitimität des Konstanzer Konzils“. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in dessen Kontext Küng schreibt, rückt auch die Frage nach der Superiorität von Papst oder Synode wieder in den Blickpunkt aktuellen Interesses. Küngs Aussage ist auch aus heutiger Perspektive genauso aktuell wie provokativ. Denn der Blick auf die kirchlichen Strukturen nach dem Ersten Vatikanischen Konzil - verfestigtes Papstprimat, Jurisdiktionsprimat des Papstes und Unfehlbarkeitdogma - zeigt, daß Küngs Position durchaus nicht in Übereinstimmung mit der offiziellen kirchlichen Lehre war.
Um die Stellung Küngs zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Konflikte zweier gegensätzlicher Organisationsformen, zwischen denen sich die Kirche in ihrer Geschichte bewegt hatte. Auf Jesu Ausspruch „Tu es petrus“ berufen sich diejenigen, welche die
Kirchenführung in die Hand eines einzelnen vicarius iesu christi, eines Papstes, geben wollen. Verschieden akzentuierte konziliare Modelle stellen dazu den Gegenpol dar. Sie fordern, generell oder zumindest in bestimmten Situationen, ein Konzil, welches über dem Papst steht.
Konziliare Ideen werden besonders aus zwei verschiedenen Erwägungen heraus begründet: Einerseits weisen sie darauf hin, daß das Primatsprinzip nicht in der alten Kirche verwurzelt
oder geschichtlich zu erklären sei. Andererseits müsse die Kirche für Fälle, in denen das päpstliche Primat ihr schaden könne, etwa im Falle eines häretischen Papstes oder eines Schismas, Vorsorge treffen, indem dann das Konzil über dem Papst steht.
Mit der Spaltung von römischen und byzantinischen Kirchen trennten sich auch die eben angedeuteten gegensätzlichen Auffassungen innerkirchlicher Repräsentation: die Gleichberechtigung aller Bischöfe der Ostkirchen stand im Widerspruch zum katholischen Primat des Papstes. Im Dictatus Papae aus dem Jahr 1075 bezeichnet Papst Gregor VII. sein Amt schließlich als alleinige universale Instanz, der nicht nur die Bischöfe, sondern sowohl die Fürsten als auch der Kaiser unterstellt seien. Dies impliziert einen „Jurisdiktionsprimat“ des Papstes und bedeutet gleichzeitig, daß er von niemandem verurteilt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I.: Marsilius von Padua und der „,Defensor Pacis”
- a) Marsilius von Padua
- b) Der,,Defensor Pacis”
- II.: Die Konziliare Bewegung
- III.: Ergebnis
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit dem Einfluss von Marsilius von Paduas „Defensor Pacis“ auf die Konziliare Bewegung. Sie untersucht, inwieweit das Werk als ein Konzils-Traktat verstanden werden kann und welche konkreten Teile des „Defensor Pacis“ von den Konziliaristen verwendet wurden. Zudem wird die Bedeutung des Werks für die Entwicklung konziliarer Theorien beleuchtet.
- Der „Defensor Pacis“ als Konzils-Traktat
- Der Einfluss von Marsilius von Padua auf die Konziliare Bewegung
- Die Verwendung des „Defensor Pacis“ durch Konziliaristen
- Die Bedeutung des „Defensor Pacis“ für die Entwicklung konziliarer Theorien
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und beleuchtet den historischen Kontext der Konziliaren Bewegung. Das zweite Kapitel stellt Marsilius von Padua und sein Werk „Defensor Pacis“ vor. Das dritte Kapitel widmet sich der Konziliaren Bewegung im ausgehenden 14. und im 15. Jahrhundert.
Schlüsselwörter
Defensor Pacis, Marsilius von Padua, Konziliare Bewegung, Papstprimat, Konzilsmodell, Kirchenreform, Volkssouveränität, Dietrich von Niem.
- Quote paper
- Konrad Gähler (Author), 2005, Der Einfluß von Marsilius von Paduas Defensor Pacis auf die Konziliare Bewegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116789
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