Die moderne Forensik überführt Verbrecher, identifiziert Opfer und entlastet Unschuldige mit Hilfe hochentwickelter wissenschaftlicher Verfahren. Aus den Gerichtssälen der Welt sind ihre Beweise ebenso wenig wegzudenken wie aus Krimiserien wie dem Tatort. Doch wo liegen ihre Ursprünge?
Wie passen die Traditionelle Chinesische Medizin, die moderne Kriminologie und Forensik inhaltlich und historisch zusammen und was haben Erzählungen über Mord und Tod im alten China damit zu tun? Der Zusammenhang ist schnell hergestellt: zur Zeit der Kaiserreiche betrachtete man verbrecherische Handlungen als eine Art von Krankheit, sodass insbesondere die Chinesische Medizin eine sehr enge Beziehung und Bindung zur Kriminologie entwickelte und sich beides ineinander verwob. Doch wer war für die Aufklärung von Morden zuständig, wie gingen die damaligen „Ermittler“ vor und welche Methoden erwiesen sich als effektiv?
Tauchen Sie ein in elf gründlich recherchierte Geschichten, deren historische und inhaltliche Grundlage Darstellungen aus alten chinesischen Originalquellen sowie eine eigens vom Autor in das alte China adaptierte Erzählung aus dem einstigen Königreich Bayern sind! Die mysteriösen Begebenheiten, rätselhaften und meist grausamen Todes- und Kriminalfälle von der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) bis hin zur Tang-Dynastie (618 bis 906) geben spannende Einblicke in die chinesische Geschichte und die Geburtsstunde der Forensik. Eine Sammlung, die nicht nur für ein kriminalistisch interessiertes Publikum informative und fesselnde Unterhaltung verspricht!
Inhalt
1 Forensik und „das alte China der Kaiserreiche“
2 „Wenn das Recht ungerecht ist“
3 Die „Fünf Strafen“
4 „Yànshi“ – die Autopsie
5 Der „Fliegenfall“
6 Der „Hühnerbrustfall“
7 Der „Fall der Lady von Dai“
8 Der „Matruschkafall des Richters Di“
9 Der „Mordfall in anderen Umständen“
10 Der „Fall des ersten Serienmörders“
11 Der „Fall der mörderischen Kaiserin“
12 Der „Fall einer zerrissenen Liebe“
13 Der „Schweinefall des Richters Di“
14 Ausgewählte Bibliographie
15 Danksagungen
16 Über den Autor
Vorwort
Ein kleines Taschenbuch über Mord und Tod im alten China zur Zeit der Kaiserreiche, die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), die moderne Kriminologie und die Forensik – wie passt das inhaltlich und historisch eigentlich zusammen? Kann das eigentlich überhaupt zusammenpassen oder ist lediglich mein Wunsch auch der Vater meines Gedankens? Auf diese fast schon wissenschaftliche Fragestellung möchte ich in meinem Taschenbuch eine informative, dabei ebenso unterhaltsame und in jedem Fall spannende Antwort geben. Historische und inhaltliche Grundlage meiner Erzählungen sind elf sehr alten chinesischen Originalquellen entnommene Darstellungen und Kurzgeschichten sowie eine von mir aus dem einstigen Königreich Bayern in das alte China der Kaiserreiche adaptierte Erzählung. Seit über zweieinhalb Jahrzehnten erfüllt mich die berufliche Begeisterung und Faszination für die Traditionelle Chinesische Medizin und ihre Geschichte. In meiner Freizeit fasziniert mich darüber hinaus, durch ihre sehr große mediale Aufmerksamkeit und allgegenwärtige Fernsehpräsenz hochgradig infiziert, die moderne Kriminalistik und Forensik. Daraus entstand die Idee für diese spannende Sammlung von mysteriösen Begebenheiten, sehr rätselhaften und meist äußerst grausamen Todes- und Kriminalfällen im alten China der kaiserlichen Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220) und der Tang-Dynastie (618 bis 906). Daher bereitete mir auch die nicht immer ganz einfache Recherche und Aufarbeitung der historischen Fakten und das Schreiben der Geschichten eine außerordentliche Freude, zugleich ist es mir ein großes Vergnügen, einem kriminalistisch interessierten Publikum dieses Taschenbuch mit seinen, wie ich meine, sehr unterhaltsamen und gleichsam dabei hochspannenden Einblicken in die chinesische Geschichte und die historische Entwicklung der Forensik zu präsentieren. Viel Spaß beim Lesen! Thomas Höfer Grabelsdorf in Kärnten / Österreich, im August 2021
„Mortui vivos docent.“ „Die Toten lehren die Lebenden.“ - Sententia Medicinae Forensis - - Leitspruch der forensischen Medizin -
1 Forensik und „das alte China der Kaiserreiche“
Schon im alten China der Kaiserreiche von 221 v. Chr. bis 1912 untersuchten die kaiserlichen Beamten dreimal eingehend jeden Rechtsfall, bevor sie abschließend ihr Urteil fällten: "Die Strafe richtig bestimmen und die Gesetze im Licht zu zeigen." Doch war es ein sehr langer Weg bis zu einem Verständnis der heutigen Forensik als einem Konglomerat gerichtlicher Wissenschaften im heutigen Sinne. Die Betrachtung von verbrecherischen Handlungen als eine Art von Krankheit führte im Laufe der Jahrhunderte dazu, dass gerade die Medizin, insbesondere die Chinesische Medizin im China der Kaiserreiche, eine sehr enge Beziehung und Bindung zur Kriminologie entwickelte und sich beides ineinander verwob. Verantwortlich hierfür war die Vereinigung von unterschiedlichen Berufsbildern der Judikative, der Exekutive und der Medizin auf ein und dieselbe Person. Hier an dieser Stelle möchte ich zur thematischen Einführung für uns kriminalistisch Interessierte, die wir in der großen Mehrzahl doch sicherlich allesamt eher als Hobbydetektive und Freizeit-Forensiker und -Forensikerinnen zu bezeichnen sind, noch einige bedeutsame und weiterführende Informationen zur genauen Begriffsklärung und Differenzierung von Kriminalistik, Kriminologie und der Forensik liefern. Die Kriminalistik beschreibt die Theorie und Praxis der Verbrechensbekämpfung und deren Aufklärung mit ihren verschiedenen Instrumenten und Methoden durch die gezielte Prävention und Strafverfolgung. Die Kriminologie dagegen beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Erforschung und Analytik des Verbrechens in seiner äußeren Erscheinung und Ausprägung sowie seinen inneren Ursachen. Die moderne Forensik wiederum umfasst sämtliche Tätigkeitsbereiche, die sich mit der Spurensuche und der Spurensicherung, der Analyse, der Identifizierung, der Rekonstruktion und Aufklärung krimineller Handlungen und deren Umständen beschäftigen. Sie fungiert in den meisten Fällen als der zielführende wie entscheidende Schlüssel zur Wahrheit und erfolgreichen Aufklärung eines Verbrechens. Eine medizinische Anamnese (Befragung) und die umfassende Befunderhebung für eine genaue Diagnosestellung gleichen in vielerlei Hinsicht der Struktur und der Methodik der Ermittlungsarbeit der kriminalistischen Spurensicherung in der Kriminologie und Forensik. Die Anamnese und körperliche Untersuchung im Rahmen einer diagnostischen Befunderhebung in der Medizin entspricht demzufolge der wissenschaftlichen, methodischen und strukturierten Untersuchung von kriminellen Handlungen in der Kriminologie und der Forensik. Die Forensik umfasst die vier fundamentalen Arbeitsbereiche der Identifizierung, der Analyse, der Rekonstruktion und der Aufklärung der Tat und ihrer Umstände. Die Spurensicherung zählt traditionell zu den kriminalistischen Methoden, Techniken und Werkzeugen, mit denen nicht erst heutzutage die staatlichen Ermittlungsbehörden durch Identifikation und Sicherstellung von Spuren, die die Tat oder die Täter und Täterinnen bei Ausübung ihres Verbrechens hinterlassen haben, auf Täter und Täterinnen, deren Motive oder auf die näheren Tatumstände schließen können. Bezeichnenderweise sind viele der Protagonisten in der langen Geschichte der Forensik Ärzte und Ärztinnen, Apotheker und Apothekerinnen. Oder die Ermittlungsbeamten und Ermittlungsbeamtinnen haben meist einen Arzt oder eine Ärztin zur Expertise stets an ihrer Seite. Mediziner und Medizinerinnen waren und sind immer am Tatort anwesend. Dabei treten sie meist als Sachverständige, Beratende, als Ermittelnde oder lediglich als Ausstellende eines Totenscheins auf. Sie können aber auch als Täter oder Täterin und selbstverständlich auch als Opfer einer Straftat in Erscheinung treten. Hierzu sei einmal, wenn auch nur am Rande, angemerkt, dass viele Mediziner und später auch Medizinerinnen in früheren Jahrhunderten ihre medizinischen Fachkenntnisse ausschließlich auf der Grundlage von begangenen Gewaltverbrechen, insbesondere durch Tötungsdelikte, erlangten. Die für ihre zu der damaligen Zeit strengstens verbotenen anatomischen Studien erforderlichen Leichen wurden in der Regel auf illegalem Weg erworben und der Erkenntnisgewinn der anatomischen Studien und heimlichen Sektionen erfolgte nur im engsten und auserwählten Kreis einer eingeschworenen Gemeinschaft im stillen Kämmerlein und hinter vorgehaltener Hand. Eine der tragenden Säulen und Grundlage der modernen Kriminalistik ist die Spurensicherung. Als Spurensicherung (auch kurz nur „SpuSi“ abgekürzt) wird zum einen die Tätigkeit innerhalb der Forensik, kriminalistisch relevante Spuren möglichst zeitnah und unverfälscht zu suchen, zu sichern, genau zu dokumentieren und abschließend auszuwerten, bezeichnet. Dieser Teilaspekt der Spurensicherung, -dokumentation und der weiteren Interpretation wird als die Kriminaltechnik bezeichnet. Zum anderen wird damit auch der mit der Sicherung der gefundenen Spuren am Tatort beauftragte Erkennungsdienst betitelt. Die methodische Vorgehensweise der erkennungsdienstlichen Spurensicherung beinhaltet einerseits die Spurensuche, die Spurenerfassung mit Ausnummerierung, die Fertigung von Abbildern und andererseits die Auswertung und Interpretation der Spuren mit Spurenlage, Spurenbild und dem Spurenvergleich am Ende der Ermittlungen. Die forensische Spurensicherung beginnt in jedem Fall standardisiert mit der sogenannten Tatortarbeit. Sie befasst sich im weiteren Verlauf mit der objektivierbaren, zuverlässigen, validen und grundsätzlich zunächst interpretationsfreien Auswertung und systematischen Ordnung aller gefundenen Indizien, der Untersuchungsergebnisse sowie von Vergleichsspuren in der Datenbank. Erst ganz am Ende der kriminalistischen Spurensuche und ihrer Sicherstellung sowie der Ermittlungsarbeit steht die abschließende und alle verwertbaren Fakten konkludierende Zusammenführung, wissenschaftliche Auswertung, systematische Einordnung und die Interpretation der gesammelten Gegenstands- und Personenspuren zu den sichergestellten Objekten sowie Spuren am Tatort, an den Opfern und den Tatverdächtigen. Der Spurensicherung kommt folglich die elementare Aufgabe der Sicherung von Beweisen und Beweismitteln zu. Das bedeutet, dass vor Gericht relevante Indizien und Beweise einer strengen Kontrolle und Evidenz unterliegen und dementsprechend fachkundig behandelt werden müssen. Sie dient demnach zusammenfassend dem Sachbeweis für die Tat und Täterschaft. Heutzutage existieren verschiedenste Techniken innerhalb der Spurensicherung der Kriminalistik wie beispielsweise die Daktyloskopie, das Fingerabdruckverfahren mit einer elektronischen Aufnahme und graphischen Auswertung von Fingerabdrücken der Papillarleisten, die gezielte Abnahme und Sicherung von Körperzellen, über ein DNA-Profil die biometrische Identifikation des individuellen, einzigartigen „genetischen Fingerabdrucks“ sowie der biochemische Nachweis von Speichel, Schweiß, Sperma, Blut oder sogar ganz winzigen okkulten Blutspuren auf Oberflächen (beispielsweise mit Luminol). Insbesondere bei unklaren Auffinde- und Tatortsituationen muss sehr sorgsam und konsequent darauf geachtet werden, dass keine neuen, in eine falsche Richtung führenden oder für die Tat irrelevanten Spuren gesetzt werden. Das Ergebnis und die reine Interpretation der Spuren alleine kann nicht über Schuld oder Nichtschuld eines oder einer Verdächtigen entscheiden. Es wird nur als ein Indiz gewertet, das durch weitere Fakten und Erkenntnisse ergänzt werden muss. Viele der Verdächtigen legen allerdings ein Geständnis ab, wenn man sie mit dem Resultat und den schrecklichen Konsequenzen ihrer begangenen Tat konfrontiert. Ist das nicht der Fall, müssen die gesamten Ermittlungsergebnisse ausschließlich auf Grundlage von Indizien, gesicherten Spuren und Beweisen interpretiert werden, wobei Fehlschlüsse natürlich niemals ganz auszuschließen sind. Aus diesem Grund muss dabei immer äußerst kritisch, fortwährend reflektiert und sorgsam darauf geachtet werden, dass die mutmaßlichen Täter oder Täterinnen und weitere Tatbeteiligte möglicherweise absichtlich fingierte Spuren gelegt haben könnten, um eine falsche, von der Tat ablenkende Fährte zu legen. Um keine neuen, irreführenden Spuren am Tatort zu legen werden dafür extra Pfade angelegt und der Zutritt von Personen am Tatort zahlenmäßig eingeschränkt. Außerdem wird vor Ort genauestens protokolliert, wer welchen Raum betreten und welche Person oder Personen darüber hinaus eventuell welche Veränderungen am mutmaßlichen Tat- oder gegebenenfalls auch dem Fundort vorgenommen hat bzw. haben könnte. Die Vorgehensweise der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) als Ausgangspunkt der Forensik im alten China basiert nach dem berühmten deutschen Sinologen Manfred Porkert (1933 bis 2015) auf seinem zentralen komplementären Entsprechungssystem, dem Modell der induktiven Synthese, und der darauf gründenden Methodologie in der TCM. Im Unterschied zu einem kausal-analytischen Denken unserer westlichen, evidenzbasierten Schulmedizin und Kriminologie erfolgt der Erkenntnisgewinn der Chinesischen Medizin auf der genauen empirischen Beobachtung, den gemachten Erfahrungen und ihrer Beschreibung, der Analyse, Interpretation und Konklusion, Bewertung und Erklärung von Phänomenen und Prozessen des Lebens sowie in der Natur. Dies führte und führt zu einer allgemeinen Erkenntnis der Entsprechung von Naturgesetzen im Mikrokosmos Mensch und dem Makrokosmos seiner Umwelt hin. Das hieraus gewonnene erkenntnistheoretische Wissen bildete nicht nur die Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin mit ihrer Anatomie und Physiologie, dem strukturellen Aufbau und der Funktion der Organsysteme des Menschen, sondern auch der Pathologie, der Lehre über die äußeren und inneren pathogenetischen Ursachen, den Ausprägungen, Mustern, Symptomen und Folgen von Krankheitsprozessen im menschlichen Organismus. In gleicher Weise hielten dieses Wissen und die medizinischen Erkenntnisse dieser Zeit ebenso Einzug in die Kriminologie mit ihrer Spurensicherung wie Ermittlungsarbeit und in die Rechtsprechung im alten China. Die ermittelnden, ausschließlich männlichen Beamten, die im China der Kaiserreiche einen hohen sozialen Rang bekleideten und im Volk allgemein hochangesehen waren, vereinten die strafrechtlich relevanten Berufsgruppen des Kriminalkommissars, eines Staatsanwalts, Richters, heilkundigen Arztes für Chinesische Medizin und des Rechtsmediziners beziehungsweise eines Leichenbeschauers in einer einzigen Person. Diese Entwicklungsgeschichte der Forensik möchte ich mit den folgenden aus elf historischen chinesischen Originalquellen entnommenen Kurzgeschichten und einer aus dem alten Bayern in das China der Kaiser adaptierten Erzählung informativ wie auch unterhaltsam demonstrieren. Das älteste, auch heute noch existierende Standardwerk der Welt über die Rechtsmedizin sind die „Aufzeichnungen zur Tilgung von Ungerechtigkeit“ aus dem Jahr 1247. Es ist ein bedeutender Meilenstein in der Entwicklung und Ausdifferenzierung der Forensik und Kriminalistik. Autor dieses Hand- und Lehrbuchs für amtliche Leichenbeschauer und Standardwerk zur forensischen Medizin im Kaiserreich China der Song-Dynastie (960 bis 1279) ist der hochangesehene chinesische Beamte, Arzt für Chinesische Medizin, Ermittlungsrichter und Leichenbeschauer Song Ci (1186 bis 1249). Die Motivation von Song Ci lag insbesondere darin, der von ihm wiederholt während seiner langen Dienstzeit beobachteten Verurteilung und auch Hinrichtung von Unschuldigen vorzubeugen und Justizirrtümer zu verhindern. Das in fünf Bücher und insgesamt 53 Kapitel gegliederte bahnbrechende chinesische Handbuch zur forensischen Medizin enthält das historisch älteste, schriftlich dokumentierte Fallbeispiel für die forensische Entomologie, das heißt der Insektenkunde, und deren methodische Anwendung zur beweisgestützten Aufklärung von Kapitalverbrechen. Das erste Buch dieses juristischen Standardwerkes beinhaltet die kaiserlichen Dekrete und Erlasse der Song-Dynastie zur strukturierten Untersuchung von menschlichen Körpern sowie von verschiedenen Arten von Verletzungen und Wunden. Das zweite Buch präsentiert die verschiedenen Verfahren, Techniken und Methoden der Leichenuntersuchung. Das dritte, vierte und fünfte Buch beschreibt den Zustand und die charakteristische Morphologie von menschlichen Leichen bei diversen Todesarten sowie die Behandlungsweise bestimmter Verletzungen. Das klassische Hand- und Lehrbuch für amtliche Leichenbeschauer und mobile Nachschlagewerk für Tatortermittler und Tatortermittlerinnen wurde weit über 750 Jahre hinweg immer wieder aktualisiert, kontinuierlich ergänzt, erweitert, optimiert und regelmäßig neu aufgelegt. Auch noch im 20. Jahrhundert führten es viele Ermittler und Ermittlerinnen an den Tatorten in China und auch in vielen Teilen Europas mit sich. Der in den antiken „Aufzeichnungen zur Tilgung von Ungerechtigkeiten“ von dem chinesischen Arzt und Hauptdarsteller Song Ci im Jahre 1247 in seinem für die damalige Zeit Maßstäbe setzenden Handbuch beschriebene „Fliegenfall“ repräsentiert hier retrospektiv gewissermaßen die historische Geburtsstunde der forensischen Entomologie. Darunter verstehen wir die Insektenkunde zur systematischen, methodischen und beweisgestützten Aufklärung von Rechtsfällen und kriminellen Handlungen, insbesondere von gewaltsamen Tötungsdelikten, als einem Teilgebiet der Kriminalbiologie und diese wiederum als die Bezugswissenschaft und Teildisziplin der heutigen Kriminologie. Der ebenfalls in den alten „Aufzeichnungen zur Tilgung von Ungerechtigkeiten“ beschriebene „Hühnerbrustfall“ kann mit in gleicher Weise und mit vollem Recht als die Geburtsstunde der forensischen Anthropologie, der sogenannten „Menschenkunde“, bezeichnet werden. Die forensische Anthropologie ist eine der drei gerichtlichen Wissenschaften vom Menschen, neben der Rechtsmedizin und der forensischen Zahnmedizin. Sie befassen sich alle drei speziell mit den Untersuchungen, die in allen straf- oder zivilrechtlichen Verfahren besonders relevant für die gerichtliche Urteilsfindung und Berechnung des Strafmaßes sind. Darüber hinaus dient die forensische Anthropologie mit den Mitteln und Methoden der biologischen Menschenkunde bei der Aufklärung von Verbrechen. Die forensischen Anthropologen und Anthropologinnen haben vor allem häufig mit stark verwesten oder gar vollständig skelettierten Leichen zu tun. Nicht selten sind gerade sie die allerletzte Hoffnung zur Klärung der Identität des Opfers und somit letztendlich zur Aufklärung einer schweren Straftat oder eines Gewaltverbrechens. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Ein Sonderfall der forensischen Anthropologie ist die Untersuchung der biologischen Überreste zur Identifizierung unbekannter Toter. Hierzu werden ganz individuelle, charakteristische Merkmale am Skelettsystem, wie beispielsweise der individuelle Zahnstatus, auffallende anatomische Anomalien und Varianten oder auch pathologische Veränderungen, herangezogen. Auch die sehr spezielle forensische Rekonstruktion des Gesichts eines Menschen anhand der Knochen des Schädels und biometrischer Daten sowie die geographische Herkunftsanalyse für eine mögliche Identifizierung der toten beziehungsweise getöteten Person anhand eines sogenannten Morphologie-Vergleichs sind wichtige Instrumente der forensischen Anthropologie. Die biochemische, massenspektrometrische Analyse, Auswertung und Interpretation von verschiedenen Spurenelementen- und Isotopensignaturen im Knochengewebe eines Menschen, finden ebenso in diesem weiteren fachlichen Teilgebiet der modernen Forensik eine häufige Anwendung. In den weiteren historisch dokumentierten Kurzgeschichten werde ich von den möglichen Geburtsstunden der forensischen Psychologie, genau genommen der Kriminalpsychologie, der forensischen Psychiatrie und der forensischen Toxikologie sowie der Operativen Fallanalyse mit Hilfe des Profiling durch die Erstellung eines tatrelevanten Persönlichkeits- oder Täterprofils sowie der Rechtsmedizin erzählen. Außerdem werde ich auch aufzeigen, dass die Forensik auch in gleichem Maße für eine Beweisführung und rechtsmedizinischen Bestätigung der natürlichen Todesursache eines Menschen ohne eine gewaltsame Selbst- oder Fremdeinwirkung von außen in der Praxis eine sehr häufige Anwendung findet. Die moderne Forensik überführt seit ihren frühesten Anfängen Mörder oder Mörderinnen, identifiziert die Opfer und entlastet ebenso Unschuldige. Aus den Gerichtssälen dieser Welt sind ihre Beweise nicht mehr wegzudenken. In der Diagnostik der Medizin und der kriminalistischen und forensischen Ermittlungsarbeit bei einem Verbrechen geht es also immer wieder um die berühmte und berüchtigte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Am Ende der Geschichten erfolgt ebenso wie in der kriminalistischen Wirklichkeit das Zusammensetzen eines hochkomplexen und vielteiligen Puzzles von Krankheit, Tod oder Mordfall. Tauchen Sie mit mir ein in die Jahrhunderte alte Geschichte Chinas und seiner Kaiserreiche und erleben Sie mit mir zusammen die Geburtsstunden der modernen Forensik, stets auf der Suche nach der Wahrheit und stets mit dem Ziel, dem Recht und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Dabei wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine informative, spannende und stets aufmerksame Unterhaltung!
2 „Wenn das Recht ungerecht ist“
(Das Rechtssystem im alten China) Das Rechtssystem im alten China der Kaiserreiche war vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es eine sehr lange in die Vergangenheit Chinas zurückreichende Geschichte besaß und seine Auslegung und Anwendung grundsätzlich primär nur im Interesse der herrschenden, feudalen, adeligen Oberklasse stand. In der archaischen Gesellschaftsform Chinas, in der damals ausschließlich ungeschriebene Gesetze und Normen galten, wurden das gesamte gesellschaftliche Leben der Menschen und das individuelle Verhalten jedes Einzelnen nur durch überlieferte Gewohnheitsrechte und Regeln festgelegt. Das Verfahren zur Behandlung eines Falls war daher recht einfach und bezog sich lediglich auf die Anhörung von Äußerungen und die Betrachtung des äußeren Erscheinungsbildes des oder der Verdächtigen. Die Richter lasen in der Miene des Angeklagten oder der Angeklagten und stellten, aus unserer heutigen Sicht, mittels Psychoanalyse den Wahrheitsgehalt und somit die Beweiskraft der Aussage fest. Die Gesetze der damaligen Zeit bestanden aus gesetzlichen Bestimmungen für Riten und Strafgesetze. Die Gesetze für Riten gingen von einer betont positiven Grundannahme aus, um das Verhalten der Menschen zu normieren und Verbrechen durch eigene Selbsteinschränkung vorzubeugen. Von einer negativen Annahme ausgehend wurden Verbrecher oder Verbrecherinnen durch Strafgesetze bestraft, um Nachahmer oder Nachahmerinnen rigoros abzuschrecken. Die Ungleichheit derartiger Gesetze bestand also darin, dass die Riten nicht für den Adel und die gelehrten Beamten galten. Das Tragische daran allerdings war, dass dieser Grundsatz die ganze feudale Gesellschaft durchzog und über zweitausend Jahre lang seine Gültigkeit besaß. In den Gesetzen der Wei-Dynastie (220 bis 265) fanden sich die sogenannten „Acht Kategorien“, die auch in den späteren Dynastien noch gültig waren. Darunter verstand man im alten Kaiserreich China, dass bei schweren Verbrechen acht Kategorien von Menschen nach ihrer Herkunft und ihrem jeweiligen familiären, sozialen und gesellschaftlichen Status vom Gesetz nachsichtiger und milder bestraft wurden und dadurch eine weitgehende Immunität besaßen. In den Gesetzen der Tang-Dynastie (619 bis 907) wurden die „Acht Kategorien“ definiert als der Kaiser, nahe Verwandte des Kaisers, Weise, besonders talentierte Menschen, sehr verdienstvolle Bürger und Bürgerinnen, Adlige, fleißige Beamte und Nachkommen eines früheren Kaisers. Alle Angehörigen der Oberschicht genossen weitgehende Immunität und wurden gesetzlich geschützt. Ganz offensichtlich fiel die Masse der Bevölkerung nicht unter den Schutz des Gesetzes. Abgesehen von den definierten zehn Arten schwerer Verbrechen, wurden die oben erwähnten Personengruppen bei kleineren Delikten oder Verstößen gegen das Gesetz grundsätzlich von der strafrechtlichen Verfolgung durch die Behörden ausgenommen. In einem Rechtsfall wurde dem Kaiser eine Eingabe mit der Darstellung des Verbrechens und dem sozialen Status sowie der familiären Abstammung der betreffenden und der Tat mutmaßlich beschuldigten Person eingereicht. Der Kaiser leitete in der Folge ein Untersuchungsverfahren ein und beauftragte hierzu Beamte, den Sachverhalt genau zu untersuchen und die Ermäßigung der Strafe vorzuschlagen. Die letzte juristische Entscheidung wurde vom Kaiser selbst getroffen. Eine Strafminderung war allerdings nicht bedingungslos. Oberste Voraussetzung war, dass die verübte Tat die Interessen und das Ansehen der obersten Herrscher nicht gefährden, also nicht zu den klassischen „Ze hn Arten der schweren Verbrechen“ gehören durfte. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Diese „Zehn Arten der schweren Verbrechen“ beinhalteten die Konspiration, die Zerstörung des Ahnentempels des Kaisers, die Rebellion, den Mord an Familienangehörigen der älteren Generation, bestialische Verbrechen, Verleumdung des Kaisers oder eines Prinzen, der Mord an Vorgesetzten oder der Verrat an ihnen, Mord an lokal führenden Beamten, Mord an Lehrern und die Blutschande durch Inzucht. Diese Regelungen wurden noch in späteren Zeiten übernommen. Insbesondere in den Gesetzen der Qin- und Han-Dynastie (221 bis 207 v. Chr. bzw. 206 v. Chr. bis 220) hatten sich die juristischen Gedanken dieses „Kanons der Gesetze“ durchgesetzt. Diese Gesetze-Sammlung bildete auch den Kern für den Rechtskodex in späteren Jahrhunderten im alten China der Kaiserreiche. Durch ständige Ergänzung und Hinzufügung gab es schließlich über 60 Gesetze, die sich auf nahezu alle gesellschaftlichen und sozialen Bereiche bezogen. In der Tang-Dynastie (618 bis 907) wuchsen Kultur, Wirtschaft und Innovation, allerdings auch die Kriminalität. Allein über die Vollstreckung der Todesstrafe gab es weit über 1000 Paragraphen. In der Tang-Kaiserzeit wurde auf Grundlage der Übernahme der Gesetze früherer Dynastien bei der Ausarbeitung und Revision von Gesetzen die Erziehung zur Tugend in den Fokus gestellt, wobei die Justiz lediglich eine ergänzende Rolle einnahm. Darüber hinaus wurde in der Tang-Dynastie auch das erste Verwaltungsgesetz Chinas herausgebracht. In diesem Gesetz waren der Aufbau der zentralen und lokalen Verwaltung, deren Planstellen und Ämter sowie die Bezeichnungen und Ränge von Beamten festgelegt. Dadurch wurde das Verwaltungsgesetz von den Strafgesetzen separiert. Dies war ein entscheidender Meilenstein in Richtung einer Vervollkommnung des Rechtssystems im alten China.
3 Die „Fünf Strafen“
Die Fünf Strafen im alten China waren eine Sammelbezeichnung für eine ganze Reihe von körperlichen Strafen durch das traditionelle Rechtssystem des alten Chinas der Dynastien und Kaiserreiche. Im Laufe der Zeit wandelten sich die Arten der Fünf Strafen. Vor der Zeit der westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220) beinhalteten sie das Tätowieren des Gesichtes oder der Stirn, das Abschneiden der Nase, die Amputation eines oder beider Füße, die Kastration durch die Entfernung der Fortpflanzungsorgane und der gewaltsame Tod durch die Erdrosselung oder Enthauptung. Nach der Tang-Dynastie (618 bis 907) wurden die Fünf Strafen in Gefängnishaft, Verbannung, den Tod durch Hinrichtung oder die körperliche Züchtigung in Form von Auspeitschen bzw. Ausprügeln mit einem Bambusrohrstock genau definierter Länge und Dicke umgewandelt. Obwohl die Fünf Strafen einen essentiellen Bestandteil des Strafsystems des dynastischen Chinas darstellten, waren sie nicht die einzigen Methoden der Bestrafung. Einmal abgesehen von der Todesstrafe waren die restlichen vier Strafen in erster Linie für die verurteilten Sklaven und Sklavinnen dazu bestimmt, ihren Körpern derartig irreversible Schäden zuzufügen, dass sie ihr Leben lang für alle offenkundig gezeichnet waren. Auch alle gewöhnlichen Bürger und Bürgerinnen des alten Chinas wurden diesen Strafen unterworfen. Die Anzahl der kriminellen Verfehlungen, auf die die Strafen angewendet wurden, waren bürokratisch genau aufgelistet und neben dem oder der Verurteilten aufgeführt. Während der Han-Dynastie wurden Tätowierungen mit Tinte und die Amputationen von Körperteilen als Bestrafungen abgeschafft. In den nachfolgenden Kaiserdynastien wurden die Fünf Strafen weiter modifiziert. In der im Verhältnis nur sehr kurzlebigen Sui-Dynastie (581 bis 618) erreichten die Fünf Strafen ihre methodischen Grundformen, die als festgesetzte Bestrafungsmuster sogar bis zum Ende der Kaiserzeit Chinas im 20. Jahrhundert ihren Bestand hatten und volle legislative wie exekutive Gültigkeit besaßen sowie uneingeschränkte Anwendung bei der Durchsetzung von Recht und Ordnung fanden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Zu den klassischen Fünf Bestrafungen zählten im China der Kaiserzeit nach den Strafrechtskapiteln der Ming-Annalen, einem historischen Strafrechtskatalog im alten China, die Schläge mit der Bambusrute vorgegebener Dicke und Länge auf das Gesäß. Dafür gab es fünf Grade, von zehn bis sogar hin zu fünfzig Schlägen. Weiterhin die Prügelstrafe mit einem Rohrstock vorgegebener Dicke auf das Gesäß und die Beine, ebenfalls eingeteilt in fünf Grade, von sechzig bis hin zu einhundert Schlägen. Darüber hinaus fand die Deportation zur schweren körperlichen Zwangsarbeit in Kombination mit der Prügelstrafe oder die Verbannung weit fernab der Heimat, ebenfalls wiederum in Kombination mit der Prügelstrafe, als Strafmaß häufige Anwendung. Bei der Todesstrafe gab es im Allgemeinen zwei verschiedene Möglichkeiten der Durchführung. Zum einen die Strangulation mit dem Hanfseil und den Tod durch Erdrosselung und zum anderen die Enthauptung durch das Schwert als langsame und schnelle Variante der Hinrichtung. Ab der Song-Dynastie (970 bis 1279) wurde zusätzlich auch noch das langsame und sehr qualvolle Schneiden mit dem Messer zusammen mit dem Enthaupten durch das Schwert angewendet.
Das Wissen um die Anatomie des Menschen – auch die Geburtsstunde der Rechtsmedizin
4 „Yànshi“ – die Autopsie
Auch im alten China der Kaiserreiche studierten die Mediziner und Kundigen der Chinesischen Heilkunde bereits früh die Anatomie des Menschen. Dies belegt eindrucksvoll der älteste und noch heute erhaltene Anatomie-Atlas der Welt. Dabei handelt es sich um drei chinesische philosophische und medizinische Manuskripte auf Seide, die etwa um das Jahr 168 v. Chr. einem wohlhabenden und einflussreichen Adeligen in Mawangdui, einem Friedhof des Stadtbezirks Furong der Stadt Changsha in der chinesischen Provinz Hunan im Süden Chinas, zusammen mit weiteren medizinischen Artefakten, Schriften und vielen traditionellen Arzneirezepturen mit in sein prächtiges Grab gelegt wurden. Es handelte sich hier um die Grabstätte des Marquis von Dai Li Cang und seiner Familienangehörigen aus der Zeit der westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.). In diesem Grab, bei dessen Entdeckung 1973 die Mawangdui-Seidentexte gefunden wurden, fand auch seine verstorbene Ehefrau, die Marquise von Dai, ihre letzte Ruhestätte. Aber hierzu später in diesem Taschenbuch in der Geschichte über den „Fall der Lady von Dai“. Die Han-Zeit umfasst eine Epoche großer Gelehrsamkeit, Innovation und einem hohen Erkenntnisdrang in Kunst, Wissenschaft und Forschung. Die drei um etwa 300 bis 200 vor Christus geschriebenen „Mawangdui-Manuskripte“ wurden bereits in den Jahren 1972 bis 1974 bei Ausgrabungen in einem außerordentlich gut erhaltenen Grab entdeckt und zunächst für religiöse oder auch gar esoterische Schriften gehalten. Damit wäre der in den Manuskripten dargestellte Atlas der Anatomie des Menschen über 2200 Jahre alt und somit mehrere Hundert Jahre älter als die Schriften des griechischen Arztes und Anatomen Galenos (etwa 129 bis 216). Die drei Skripte beschreiben detailgenau die topographische Lage und den Verlauf von elf Leitbahnen, in denen nach der chinesischen Vorstellung die alles beherrschende Lebensenergie Qi rhythmisch durch den menschlichen Körper zirkuliert. Ebenfalls veranschaulichen die medizinischen Texte die anatomischen Strukturen, die man in einem menschlichen Körper sehen kann. Doch woher kam zu der damaligen Zeit dieses umfassende, exakte und noch heute gültige Wissen um die Anatomie des Menschen? Im alten China der Kaiser-Dynastien, insbesondere zur Zeit der Östlichen Zhou-Dynastie (770 bis 256 v. Chr.) galten die Lehren des Philosophen Konfuzius (551 bis 479 v. Chr.) als oberste Gesetze und Rechtsnormen. Sektionen waren grundsätzlich absolut verboten, da der menschliche Körper als heilig betrachtet und eine Obduktion daher als eine Verstümmelung eines Vorfahren oder Vorfahrin betrachtet wurde. Das einzige „Schlupfloch“, das sich den nach Wissen dürstenden Anatomen und Rechtsmedizinern der ersten Stunde zur Zeit der Han-Dynastie bot, war die Verwendung und Zweckentfremdung der Leichen von hingerichteten Verbrechern und anderen kriminellen Subjekten als Anschauungsmaterial für ihre anatomischen Studien. Für Kriminelle galt nämlich das strikte Verbot der Ahnenverstümmelung nicht, da sie ihre sämtlichen Bürgerrechte ein für alle Mal verloren hatten. Das früheste altchinesische Dokument einer Leichenöffnung, auch Sektion, Obduktion oder Autopsie genannt, finden wir in den ethnographischen Han-Annalen (20 bis 220). Darin wird in der Biographie des Kaisers Wang Mang (45 v. Chr. bis 23) überliefert, dass dieser eher glücklos agierende chinesische Herrscher im Jahr 16 in einem kaiserlichen Erlass die Zergliederung des toten Körpers eines Rebellen mit dem Namen Wang Sun-Ching anordnete. Dieser war von der Armee des Kaisers gefangen genommen und anschließend für seine vielen Verbrechen hingerichtet worden. Die Durchführung der kaiserlich angeordneten Obduktion mit der anatomischen Sektion seines Leichnams übertrug Kaiser Wang Mang seinem Hofarzt Shang Fang und einem geübten Metzgermeister! Der Beruf des Arztes, Kriminalermittlers, Richters und der des Leichenbeschauers waren im alten Kaiserreich China auf ein und dieselbe Person vereint. Eine der bekanntesten Persönlichkeiten unter ihnen war Di Renjie (630 bis 700), besser bekannt als Richter Di. Zwei seiner überlieferten und spektakulärsten Kriminalfälle präsentiere ich im weiteren Verlauf dieses Buches unter den Titeln „Der Matruschkafall des Richters Di“ und „Der Schweinefall des Richters Di“. Sie liefern das Zeugnis eines einzigartigen Kriminalisten, der es leicht mit den heutigen Heldinnen und Helden der Verbrechungsbekämpfung aufnehmen könnte. Die Beschreibung der Erkenntnisse und Ergebnisse ihrer anatomischen Sektionen bezog sich auf die Unterscheidung der einzelnen Organe im Körper, ihre korrekte Benennung und topographische Lagebestimmung vor allem in Bezug auf das den Rumpf in ein oben und unten teilende Zwerchfell sowie der Verlauf und die Verbindungen der Blutgefäße im Inneren des menschlichen Körpers und mit der Körperoberfläche. Hierbei nahmen sie in dem wohl ersten anatomischen Experiment in der Geschichte der Medizin an einer männlichen Leiche Messungen der inneren Organe und anderer Strukturen vor. Um den Anfang, den typischen Verlauf und das Ende von Blutgefäßen und ihre Beschaffenheit sowie die Eigenschaften des Blutes-Xue zu bestimmen wurden dünne Bambusruten in die Gefäße eingeführt.
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- Arbeit zitieren
- Thomas Höfer (Autor:in), 2022, Die Wiege der Forensik. Mord und Tod im alten China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1167301
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