Die Arbeit untersucht, inwieweit die bisher entwickelten wertorientierten Kennzahlenkonzepte in der Lage sind, ein Unternehmen wertorientiert zu steuern. Obwohl diese Konzepte weit verbreitet sind, besteht das Problem, dass die Bewertungsgrundlage von wertorientierten Kennzahlen noch nicht standardisiert ist. Die Standardisierung wird der wesentliche Schritt zu einer guten Kommunizierbarkeit und mehr Vergleichbarkeit sein.
Zielsetzung dieser Arbeit ist es, anhand der veröffentlichten Informationen in den Geschäftsberichten der Unternehmen den Stand der Nutzung wertorientierter Kennzahlen innerhalb ausgewählter DAX-Unternehmen darzustellen, kritisch zu würdigen und miteinander zu vergleichen. Als Zeitraum, für den die Geschäftsberichte der DAX-Unternehmen auf wertorientierte Inhalte analysiert und untersucht werden, wurden die Jahre 2019 und 2020 ausgewählt.
Um dem Leser den Einstieg in die Thematik der wertorientierten Kennzahlenkonzepte zu erleichtern, wird in Kapitel 2 der theoretische Rahmen der Arbeit dargestellt. Hier wird zunächst der allgemeine Begriff der Kennzahl definiert, gefolgt von einer Beschreibung der wichtigsten möglichen Arten von Kennzahlen; darüber hinaus wird dargelegt, welche Funktionen und Aufgaben diese im Allgemeinen zu erfüllen haben. Daraufhin wird eine Gegenüberstellung wertorientierter und traditioneller Kennzahlen vorgestellt und die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte herausgearbeitet. Des Weiteren wird auf die Kennzahlensysteme eingegangen. Zum weiteren Verständnis wird der Shareholder-Value-Ansatz erläutert.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Formelverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen wertorientierter Kennzahlenkonzepte
2.1 Definitionen, Funktionen, Aufgaben und Arten von Kennzahlen
2.2 Die Systematik von Kennzahlensystemen
2.3 Der Shareholder Value-Ansatz als Grundlage wertorientierter Unternehmensführung
2.4 Die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte
3 Ausgewählte wertorientierte Kennzahlenkonzepte
3.1 DCF-Konzept
3.2 CFROI und CVA-Konzept
3.3 EVA und ROCE-Konzept
3.4 Einblicke in weitere wertorientierte Kennzahlenkonzepte
3.5 Preinreich-Lücke-Theorem
4 Empirische Untersuchung
4.1 Bisherige Studien
4.2 Herleitung der Fragestellungen
4.3 Methodik
4.4 Resultate und Interpretation
4.5 Limitationen
5 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang I: Bekenntnisse und Kennzahlenerhebung
Anhang II: Segmentberichterstattung
Anhang III: Zukunftsbezogene Aussagen und Prognosen
Anhang IV: Bestandteile variabler Vergütungssysteme
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kategorisierung wertorientierter Kennzahlen
Tabelle 2: Entscheidungsregeln des EVA
Tabelle 3: Bisherige Studien
Tabelle 4: Bisherige Studien: Studienziele und ihre Erkenntnisse / Quelle: Eigene Anfertigung
Tabelle 5: Übersicht zu den untersuchten Unternehmen
Tabelle 6: Untersuchte Unternehmen nach Jahren
Tabelle 7: Kategorien zum Bekenntnis zu einer wertorientierten Steuerung
Tabelle 8: Beispielhafte Bekenntnisse zur wertorientierten Unternehmenssteuerung
Tabelle 9: Bekenntnisse zur wertorientierten Unternehmenssteuerung
Tabelle 10: Kategorien zu den wertorientierten Kennzahlen
Tabelle 11: Unternehmen mit wertorientierter Steuerung
Tabelle 12: Erfasste Kennzahlen im weiteren Sinne
Tabelle 13: Erfasste wertorientierten Kennzahlen im engeren Sinne
Tabelle 14: Erhebung der Kapitalkosten (WACC)
Tabelle 15: Kategorien zur Segmentberichterstattung
Tabelle 16: Segmentberichterstattung der DAX Unternehmen im GJ 19/20
Tabelle 17: Segmente und Aktivitäten der Bayer AG:
Tabelle 18: Kategorien zu den zukunftsbezogenen Aussagen und Prognosen
Tabelle 19: Zukunftsbezogene Aussagen und Prognosen der DAX Unternehmen
Tabelle 20: Wertorientierte Anreizsysteme in den DAX-30 Unternehmen
Formelverzeichnis
Formel 1: Shareholder Value
Formel 2: WACC
Formel 3: CAPM-Modell
Formel 4: DCF nach Equity-Verfahren
Formel 5: DCF nach WACC-Ansatz
Formel 6: Ermittlung des CFROI
Formel 7: Ermittlung des CVA
Formel 8: Ermittlung des EVA
Formel 9: Ermittlung des ROCE
Formel 10: Continental Value Contribution
Formel 11: Daimler Value Added
Formel 12: ThyssenKrupp Value Added
Formel 13: Ermittlung des EBITaC
Formel 14: Ermittlung des ROA
Formel 15: Ermittlung des ROE
Formel 16: Ermittlung des ROI
Formel 17: Kongruenzprinzip des Preinreich-Lücke-Theorems
Formel 18: Kapitalwert zum Entscheidungszeitpunkt
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anforderungskatalog für Kennzahlen
Abbildung 2: Arten von Kennzahlen
Abbildung 3: Kennzahlensysteme
Abbildung 4: DCF-Verfahren im Überblick
Abbildung 5: Bekenntnis zur wertorientierten Unternehmenssteuerung im GJ 19/20
Abbildung 6: Unternehmen mit wertorientierter Steuerung im GJ 19/20
Abbildung 7: Segmentberichterstattung mit wertorientierten Kennzahlen
Abbildung 8: Prognosen der wertorientierten KPI für das Jahr 2021
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Problemstellung und Zielsetzung
Die steigende Internationalisierung der Kapitalmärkte und unterschiedliche Faktoren, wie beispielsweise die schnelllebige Entwicklung der Umwelt, stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Dadurch ist eine zunehmende Tendenz zu neuen Ansätzen zu beobachten, welche ihren Fokus u. a. auf eine wertorientierte und kennzahlenbasierte Führung von Unternehmen legen.1 Unter dem Oberbegriff der wertorientierten Kennzahlenkonzepte haben sich in den vergangenen Jahren eine große Anzahl von Unternehmensführungssystemen etabliert. Ein Ziel dieser Konzepte ist es, mit den entworfenen Bewertungsansätzen eine wertorientierte Unternehmenssteuerung zu ermögli- chen.2
Insbesondere Aktiengesellschaften sind am Kapitalmarkt oftmals in einem langfristigen Wettbewerb involviert, der z. B. Beteiligungskapital voraus- setzt.3 Viele Aktiengesellschaften haben frühzeitig erkannt, dass die Unternehmensführung den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens beeinflusst und oftmals über die traditionellen Kennzahlensysteme hinausgeht. Laut der Fachliteratur besteht ein Nachteil von traditionellen Kennzahlen darin, dass die Kapitalkosten nicht berücksichtigt werden.4 Vor allem für die globalisierten Anleger auf dem Kapitalmarkt, welche die Investition von Kapital frei auswählen können, ist die Bewertung der Kapitalkosten von entscheidender Bedeutung. Hierbei wird häufig das Kapital dort investiert, wo der höhere Nutzen erzielt und weitere wichtige Vorteile erreicht werden.5 Unternehmen und Investoren verfolgen ein gemeinsames Ziel: die dauerhafte und nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes. Folglich besteht das Ziel einer wertorientierten Unternehmenssteuerung in einem nachhaltigen Shareholder Value. Dieses Modell geht auf die Veröffentlichung von Rappaports „Corpo- rate Performance Standards and Shareholder Value“ zurück.6
Um ein Unternehmen wertorientiert steuern zu können, müssen entsprechende Kennzahlen implementiert werden. Diese Kennzahlen sollen der Unternehmensführung dabei helfen, Handlungsalternativen, wie z. B. Investitionsentscheidungen und Entscheidungen bezüglich des Portfolios von Geschäftsbereichen, im Kontext der Unternehmenswertsteigerung zu beurteilen. Die große Anzahl der wertorientierten Kennzahlen macht es erkennbar, dass sich in der Praxis kein Kennzahlenkonzept eindeutig einrichten konnte. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die bisher entwickelten wertorientierten Kennzahlenkonzepte in der Lage sind, ein Unternehmen wertorientiert zu steuern. Obwohl diese Konzepte weit verbreitet sind, besteht das Problem, dass die Bewertungsgrundlage von wertorientierten Kennzahlen noch nicht standardisiert ist. Die Standardisierung wird der wesentliche Schritt zu einer guten Kommunizierbarkeit und mehr Vergleichbarkeit sein. Zielsetzung dieser Arbeit ist es, anhand der veröffentlichten Informationen in den Geschäftsberichten der Unternehmen den Stand der Nutzung wertorientierter Kennzahlen innerhalb ausgewählter DAX-Unternehmen7 darzustellen, kritisch zu würdigen und miteinander zu vergleichen. Als Zeitraum, für den die Geschäftsberichte der DAX-Unternehmen auf wertorientierte Inhalte analysiert und untersucht werden, wurden die Jahre 2019 und 2020 ausgewählt.
Aufbau der Arbeit
Um dem Leser den Einstieg in die Thematik der wertorientierten Kennzahlenkonzepte zu erleichtern, wird in Kapitel 2 der theoretische Rahmen der Arbeit dargestellt. Hier wird zunächst der allgemeine Begriff der Kennzahl definiert, gefolgt von einer Beschreibung der wichtigsten möglichen Arten von Kennzahlen; darüber hinaus wird dargelegt, welche Funktionen und Aufgaben diese im Allgemeinen zu erfüllen haben. Daraufhin wird eine Gegenüberstellung wertorientierter und traditioneller Kennzahlen vorgestellt und die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte herausgearbeitet. Des Weiteren wird auf die Kennzahlensysteme eingegangen. Zum weiteren Verständnis wird der Shareholder-Value-Ansatz erläutert.
Das dritte Kapitel bildet den Abschluss des theoretischen Teils dieser Arbeit. Hier werden die wichtigsten wertorientierten Kennzahlenkonzepte beschrieben und durch eine Kategorisierung in einen gemeinsamen Kontext gebracht. Außerdem werden die Kapitalkostensätze und ihre Bedeutung bei der Bestimmung und Bewertung des Unternehmenswertes erörtert. Anschließend wird das Preinreich-Lücke-Theorem vorgestellt.
Basierend auf den vorangegangenen theoretischen Kapiteln, folgt anschließend der praktische Teil dieser Arbeit. In Kapitel 4 erfolgt die empirische Untersuchung der DAX-Unternehmen. Zunächst werden bisherige Studien zum untersuchten Thema analysiert. Im Anschluss daran werden die Methodik sowie der Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit vorgestellt. Im weiteren Verlauf werden Forschungsfragen hergeleitet und nacheinander beantwortet. Zu guter Letzt werden im fünften Kapitel die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst.
2 Grundlagen wertorientierter Kennzahlenkonzepte
2.1 Definitionen, Funktionen, Aufgaben und Arten von Kennzahlen
In der Vergangenheit wurde der Begriff der Kennzahl in der wirtschaftswissenschaftlichen Fachliteratur nicht immer identisch definiert. Der heute allgemein akzeptierte Kennzahlenbegriff hat eine vielschichtige Entwicklung durchlaufen.
Ursprünglich war eine Kennzahl nur ein analytisches Instrument, um die Rentabilität oder finanzielle Stabilität eines Unternehmens darzustellen. Die Kennzahl ist die bewusste Verdichtung von Informationen. Sie fasst die immer komplexer werdende Situation unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Sachverhalte in einer Zahl zusammen, um verschiedenen Entscheidungsträgern innerhalb des Betriebs zu helfen, effektive und effiziente Entscheidungen im besten Interesse des Unternehmens zu treffen.8 Reichmann beschreibt Kennzahlen „als jene Zahlen, die quantitativ erfassbare Sachverhalte in konzentrierter Form erfassen“.9 In den folgenden Abschnitten werden die Funktionen und Aufgaben von Kennzahlen erörtert.
Funktionen von Kennzahlen
Nachdem der Begriff der Kennzahl ausreichend erläutert ist, stellt sich die Frage, welche Funktionen und Anforderungen eine Kennzahl zu erfüllen hat. Im Folgenden werden die fünf wichtigsten Funktionen einer Kennzahl dargelegt und interpretiert.
Die Anregungsfunktion ist die erste Funktion einer Kennzahl. Das bedeutet, dass Anwender durch regelmäßige Kennzahlenaufzeichnungen auf Veränderungen und Auffälligkeiten (z. B. Standzeiten von Maschinen pro Tag) reagieren können.
Eine weitere wichtige Funktion ist die Operationalisierungsfunktion. Hier soll die Kennzahl im Rahmen der Festlegung von finanziellen Zielen für das gesamte Unternehmen (z. B. Rentabilitätsziele, Liquiditätsziele) oder von einzelnen Zielen innerhalb bestimmter Unternehmensteile (z. B. Umsatzsteigerung einer bestimmten Abteilung) eine mess- und fassbare Funktion auf- weisen.10 Sowohl für interne als auch für externe Zwecke können Kennzahlen verwendet werden.11 Als Teil der externen Analyse besitzen sie eine lange Tradition im Zshg. mit der Bilanzanalyse12 und dem Betriebsvergleich13. Die Aufgabe von Kennzahlen - als verdichtete Information - besteht darin, auf Basis des Zahlenmaterials in externen Jahresabschlüssen Informationen für konkrete Entscheidungen zu gewinnen, insbesondere bei Anlageentscheidungen für Wertpapiere und Kreditvergabeentscheidungen von Banken.14 Für die Entscheidungen werden die Jahresabschlussdaten mit der besten Aussagekraft aus der Gesamtliste ausgewählt. Die ausgewählten Parameter bilden den Ausgangspunkt für die operative Entscheidungsfindung und können bei Bedarf um zusätzliche, nicht-quantitative Informationen ergänzt werden.15 Da sie kritische Zielwerte als Vorgabe für unternehmerische Teilbereiche liefern (z. B. Wachstumsziele), erfüllen Kennzahlen darüber hinaus auch eine Vorgabefunktion.
Der Kennzahl als Steuerungsfunktion kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da diese Zahl - wie bereits in Reichmanns Definition der Kennzahl erwähnt - die Eigenschaft hat, quantifizierbare und nachvollziehbare Sachverhalte in konzentrierter Form wiederzugeben. Daher kann der komplexe Steuerungsprozess durch das Anlegen einer oder mehrerer Kennzahlen vereinfacht werden.
Die letzte Funktion der Kennzahl ist die Kontrollfunktion. Über die Kennzahlen können mit dieser Funktion entsprechende Soll-Ist-Vergleiche erstellt werden, um zunächst Abweichungsanalysen durchzuführen. Im Anschluss daran können entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.16
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kennzahlen wichtige betriebliche Fakten und Aspekte deutlich aufzeigen und es den Entscheidungsträgern ermöglichen, diese schnell zu verstehen. Das macht sie zu einer wertvollen Informationsquelle. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen können sie zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden: von der Erzeugung von Aufmerksamkeit bis hin zur Kontrolle der in Kennzahlen ausgedrückten Ziele. In der Praxis überwiegen finanzielle Kennzahlen, allerdings werden sie immer häufiger durch nicht-finanzielle Kennzahlen (z. B. kunden- oder prozessbezogene) ergänzt.17
Aufgaben von Kennzahlen
Laut Preißler ist die Integration einer Kennzahl in ein ganzheitliches Kennzahlensystem (siehe Kapitel 2.2 für Erläuterungen) mit bestimmten Anforderungen verbunden, die im Folgenden näher untersucht werden.18
In Abbildung 1 (siehe Seite 6) werden Mindestanforderungen dargestellt, die eine Kennzahl enthalten muss. Die wichtigste Anforderung, die eine Kennzahl erfüllen sollte, ist die Herstellung eines direkten Zusammenhangs zwischen den Erfolgsfaktoren und den von der Unternehmensführung gesetzten Zielen.19 Häufig ist jedoch zu beobachten, dass die Annahme der Zielorientierung missachtet wird und die Zielsetzungen und die jeweiligen Erfolgsfaktoren unabhängig voneinander gesetzt werden.20
Abbildung 1: Anforderungskatalog für Kennzahlen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Preißler (2020), S. 115.
Die Aktualität von Kennzahlen ist für die Entscheidungsträger oft von entscheidender Bedeutung. Die meisten Kennzahlen sind vergangenheitsorientiert und berücksichtigen oft nur zurückliegende Perioden, z. B. eine Analyse über einen gewissen Zeitraum. An dieser Stelle muss besonders betont werden, dass sich daraus das grundsätzliche Problem der Implementierung von Kennzahlen ergibt. In dieser Hinsicht sollten Kennzahlen dazu fähig sein, sich ihrem in ständigem Wandel befindlichen Umfeld zu modernisieren. Nur so kann verhindert werden, dass in der Praxis veraltete Kennzahlen verwendet werden, die oftmals zu Fehlentscheidungen führen.21
Generell ist es nicht empfehlenswert, eine Vielzahl von Kennzahlen zu generieren, wenn die Kosten für deren Erstellung den mit der Kennzahl erzielbaren Informationsvorteil überwiegen. Eine wesentliche Anforderung an eine Kennzahl ist daher die Einhaltung des ökonomischen bzw. wirtschaftlichen Prinzips. Um die Kosten-Nutzen-Relation nie außer Acht zu lassen, sollte nach den entsprechenden Angaben des Unternehmens die wichtigsten Kennzahlen für den weiteren Entscheidungsprozess im Vorfeld selektiert werden. Die Qualität der Kennzahl entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg. Daraus lässt sich ableiten, dass Kennzahlen auf klaren Definitionen basieren sollten, damit sie nachvollziehbar sind und richtig interpretiert werden können. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die richtige Interpretation sich in einzelnen Fällen schwierig gestalten kann, da zeitpunktbezogene bzw. vergangenheitsorientierte Kennzahlen die Situation nur zum untersuchten Zeitpunkt reflektieren- die Ausgangssituation könnte sich jedoch geändert haben. Außerdem müssen Kennzahlen relevante Fakten messen können, um die Eigenschaft der Validität sicherzustellen. Es auch wichtig, dass die Berechnung der Kennzahlen auf einer einheitlichen Bezugsgrundlage basiert. Leider geht die Vergleichsfunktion verloren, wenn unterschiedliche Bezugsgrundlagen gelten. Eine übersichtliche Darstellung der relevanten Fakten ist entscheidend, damit die Empfänger der Kennzahlen in der Informationsflut nicht den Überblick verlieren. Eine Kennzahl ist folglich immer nur so gut wie die Qualität der Ausgangsdaten. Es ist daher wichtig, erarbeitete Kennzahlen zu hinterfragen, damit diese nicht durch fehlerhafte Informationsgrundlagen unzureichend werden, da Kennzahlen in hohem Maße manipulierbar sind. Daher sollte bei der Auswahl der Daten auf deren Korrektheit geachtet werden, weil sie nur unter dieser Voraussetzung grundsätzlich für die Generierung von Kennzahlen geeignet sind.22 Im Vordergrund der Betrachtung stehen die Benutzerfreundlichkeit und die Flexibilität des direkten Datenzugriffs. Interne und externe Daten müssen zu einem einheitlichen Informationssystem verknüpfbar, auswählbar und nachvollziehbar sein. Kennzahlen folgen dem Prinzip der einheitlichen Aufzeichnungen und sollten sich von der obersten Unternehmensebene bis auf alle Ebenen der nachgeordneten Unternehmensbereiche erstrecken. Es sollte vermieden werden, dass Kennzahlen einzeln für die Teilbereiche des Unternehmens betrachtet werden. Wenn die Kennzahl funktionsübergreifend konzipiert wird, ist deren Aussagefähigkeit sicherge- stellt.23
Eine weitere Funktion von Kennzahlen ist die sog. Frühwarnung. Die Struktur der Kennzahlen sollte so gestaltet sein, dass sie Entscheidungsträgern eine frühzeitige Informationsgrundlage bietet, um auf Risikofaktoren im Unternehmen reagieren zu können. Um eine solche Indikatorfunktion erfüllen zu können, ist es daher zunächst erforderlich, im Rahmen der Kennzahlenkonzeption einen geeigneten Sollwert als Warngrenze zu definieren. Innerhalb des Unternehmens sollte es bestimmte Zugangsregeln geben, d. h., wenn es die Situation erfordert, darf nur ein ausgewählter Personenkreis diese Kennzahlen ändern. Daher sollten Kennzahlen zentral gespeichert, verwaltet und nachhaltig sein, um das Risiko von Manipulationen zu minimieren.
Die Funktion jeder Kennzahl ist eingeschränkt, da sie nur quantifizierbare Fakten beschreiben kann. Für eine erfolgreiche Unternehmensführung reichen die zahlenmäßig erfassbaren Tatbestände für Unternehmen alleine heute nicht mehr aus. In diesem Zshg. sollte das Spektrum der Informationen auch um nicht-quantifizierbare Daten ausgebreitet werden. In der Praxis verwenden Entscheidungsträger jedoch häufig nur quantifizierbare Daten als Orientierungshilfe, ohne die qualitativen Informationen miteinzubeziehen.24
Arten von Kennzahlen
Nachdem die wesentlichen Funktionen von Kennzahlen näher definiert wurden, konzentriert sich der folgende Abschnitt auf die verschiedenen Arten von Kennzahlen.
Abbildung 2: Arten von Kennzahlen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Preißler (2020), S. 113.
In Abbildung 2 wird eine typische Aufteilung in verschiedene Arten von Kennzahlen gezeigt. Generell lassen sich Kennzahlen in absolute Kennzahlen und Verhältniskennzahlen unterteilen.25
Einerseits lassen sich absolute Kennzahlen direkt als Einzelwerte darstellen (z. B. Kassenbestand oder Mitarbeiterzahl), andererseits indirekt über Summenbildung, Differenzen oder durch Mittelwertbildung (z. B. Bilanzsumme und durchschn. Lagerbestand).26 Einige Autoren sind der Auffassung, dass absolute Zahlen kaum Aussagekraft haben (z. B. Umsatz oder Cashflow), wenn sie nicht mit anderen Zahlen verglichen werden können. Aus diesem Grund sollten derartige Größen nicht zu den Kennzahlen gezählt werden.27 Unternehmen benötigen nicht nur eine Reihe von unzusammenhängenden Zahlen, sondern diese Zahlen sollten in einem Zshg. mit anderen Kennzahlen stehen, damit die Auswirkungen jeder Kennzahl verdeutlicht werden können. Die relativen Kennzahlen sollen von Anfang an mit anderen Zahlen verglichen werden. Relative Kennzahlen können in drei verschiedene Kategorien unterteilt werden:
- Die Gliederungszahl gibt den Anteil einer Zahl an einer übergeordneten Größe an. Die Eigenkapitalquote stellt beispielsweise das Verhältnis zwischen dem Eigenkapital und dem Gesamtkapital im gleichen Zeitraum dar.
- Die Beziehungszahl wird konzeptionell mit unterschiedlichen Größen ins Verhältnis gesetzt, um eine Aussage über deren Zshg. abzuleiten. Die Eigenkapitalrentabilität stellt z. B. das Verhältnis zwischen Gewinn und Eigenkapital dar. Damit die Kennzahl einen informativen Gehalt besitzt, muss ein sachlicher Zshg. zwischen dem Zähler und Nenner bestehen.
- Indexzahlen setzen im Gegensatz zu den o. g. Beziehungszahlen gleichartige Größen ins Verhältnis, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten oder an unterschiedlichen Orten gemessen werden. Damit eine solche Indexzahl bestimmbar ist, muss ein Basiswert angenommen werden. Das wesentliche Merkmal dieses Grundwertes ist es, dass es im Jahr dieses Referenzwerts zu keinem besonderen, das Jahr verändernden Einfluss gekommen ist.28
2.2 Die Systematik von Kennzahlensystemen
Definition und Funktionen von Kennzahlensystemen
Die Auswertung wirtschaftlicher Fakten erfordert eine Vielzahl von Kennzahlen, die zu diesem Zweck ermittelt werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist die Organisation verschiedener Kennzahlen für das Unternehmen entscheidend.29 Das Kennzahlensystem kombiniert als wichtig erachtete Größen und bündelt diese, um den Zshg. zwischen ihnen aufzuzeigen. Im Allgemeinen hat sich die folgende Begriffsdefinition in der Literatur etabliert:
„Unter Kennzahlensystem wird im Allgemeinen eine Zusammenstellung von Kennzahlen verstanden, wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinanderstehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind“.30
Je nach Unternehmensgröße, unterschiedlicher Aufgabenstruktur oder deren Abhängigkeit von den wachsenden und sich ändernden Herausforderungen auf dem globalen Kapital- und Absatzmarkt verfügen Unternehmen über genauere operative Leistungsdaten und behalten die aktuellen Marktbedingungen bei. Dabei muss das Kennzahlensystem als Werkzeug zur Koordinierung der Informationsverarbeitung eine Vielzahl von Funktionen erfüllen, die im Folgenden beschrieben werden.31
Eine der wichtigsten Funktionen ist die Informationsfunktion, die betriebswirtschaftliche Sachverhalte komprimiert und übersichtlich darstellt, um Informationen für das Unternehmen zu erhalten. Diese Informationsverdichtung ist die Grundlage für Analysen und dient der Entscheidungsphase. Eine weitere Funktion des Kennzahlensystems ist die Planungs- und Operationalisierungsfunktion. Kennzahlensysteme bilden das jeweilige Zielsystem des Unternehmens ab und stellen besonders erfolgsorientierte bzw. wertorientierte Ziele in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. In der Regel besteht die Aufgabe darin, die Unternehmensziele zu maximieren. Ferner werden Kennzahlensysteme häufig auch als Steuerungs- und Koordinationsinstrument verwendet, was eine weitere Funktion des Kennzahlensystems beschreibt.
Das Kennzahlensystem dient als Koordinationsinstrument, um die verschiedenen Teilbereiche des Unternehmens zu einem Gesamtkoordinationssystem zusammenzufassen. Außerdem dient das Kennzahlensystem auch zur Beurteilung der erzielten Ergebnisse, indem es eine Kontrollfunktion für den Entscheidungsträger aufweist. Der Vergleich zwischen den geplanten und den tatsächlich erzielten Werten ermöglicht es ihm, Rückschlüsse auf den Erfolg oder Misserfolg der Entscheidung zu ziehen. Wenn das geplante Ziel nicht erreicht wird, ist eine detaillierte Analyse durchzuführen, um die Ursache herauszufinden. Um nicht vor vollendete Tatsachen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, gestellt zu werden, verfügt ein Kennzahlensystem über eine Frühwarnfunktion. Diese Frühwarnfunktion des Kennzahlensystems zielt darauf ab, Risiken zu lokalisieren und rechtzeitig einzugreifen. Im nächsten Kapitel werden die Anforderungen und die Klassifizierung des Kennzahlensystems beschrieben.32
Anforderungen an und Klassifizierung von Kennzahlensystemen
Aufgrund der Vielzahl an Kennzahlen, die von der Controlling-Abteilung gesammelt werden, besteht für das Unternehmen das Risiko, dass es seine Leistung nicht eindeutig analysieren oder steuern kann.33 Kennzahlensysteme müssen daher entscheidende Anforderungen erfüllen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.34
Eine der Anforderungen, die ein Kennzahlensystem erfüllen sollte, ist die Darstellung der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Aussagen über die Tätigkeiten des Unternehmens, z. B. in Form einer Spitzenkennzahl.35 Die hierarchische Struktur des Kennzahlensystems ermöglicht für den Nutzer Transparenz und eine verständliche Übersicht der Einflussgrößen, die zur Spitzenkennzahl führen. An dieser Stelle muss besonders betont werden, dass nicht jede Kennzahl in das Kennzahlensystem integriert werden soll. Um festzulegen, welche Kennzahlen für die Steuerung des Unternehmenserfolgs erforderlich sind, sollte vorher eine genaue Analyse durchgeführt werden. Je begrenzter die Zahl der relevanten Kennzahlen ist, desto übersichtlicher ist das gesamte Kennzahlensystem. Außerdem ist es sehr wichtig, dass das Kennzahlensystem besonders flexibel ist. Die Möglichkeit, Kennzahlensysteme an das sich verändernde Umfeld anzupassen, wie z. B. bei Änderungen der Unternehmensstrategien oder -ziele, ist daher enorm wichtig. Ferner ist es auch wichtig, sich vorab mit den betroffenen Mitarbeitern zusammenzusetzen und ein gemeinsames Kennzahlensystem zu entwickeln, da diese Mitarbeiter zum Erfolg des Gesamtunternehmens beitragen können.36 Im nächsten Schritt wird die Klassifizierung von Kennzahlensystemen vorgenommen.
Abbildung 3: Kennzahlensysteme
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gladen (2014), S. 100.
In Abbildung 3 wird deutlich, dass das Rechensystem einzelne Elemente auf der Grundlage von Spitzenkennzahlen enthält, die in mathematische und sachliche Kategorien unterteilt sind. Die sukzessive Aufspaltung der Spitzenkennzahl in ihre Bestandteile soll dem Entscheider einen detaillierten Überblick geben. Dies hilft ihm, zu bestimmen, welche einzelnen Faktoren zu den Spitzenkennzahlen führen, um deren Auftreten bei Bedarf analysieren zu können. Die übersichtliche Darstellung und die für den Anwender leicht verständlichen Zusammenhänge zwischen den Kennzahlen sind die Gründe für die Akzeptanz dieser Art von Kennzahlensystem in der Praxis. Das bekannteste Rechensystem ist das Du-Pont-Kennzahlensystem, auch bekannt als ROI-Kennzahlensystem. Ferner finden sich in der betrieblichen Praxis häufig sog. Organisationssysteme. Der Unterschied zwischen dem Organisationssystem und dem Rechensystem besteht darin, dass die dargestellten Kennzahlen im Organisationssystem nicht rein mathematisch miteinander verknüpft sind. Einer der Vorteile dieser Art von Kennzahlen ist, dass sie sehr flexibel ist. Der Vorteil dieser Flexibilität besteht darin, dass nicht ausschließlich mathematische Zusammenhänge aufgezeigt werden, dies hat jedoch auch den Nachteil, dass der quantitative Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kennzahlen nicht eindeutig dargestellt wird.37
2.3 Der Shareholder Value-Ansatz als Grundlage wertorientierter Unternehmensführung
Im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung wird das Anstreben des Managements eines Unternehmens nach langfristiger Steigerung des Aktionärsvermögens und damit des Unternehmenswertes angenommen.38 Die wertorientierte Unternehmensführung basiert auf der Grundidee des Shareholder Value von Rappaport, den Wert des Eigenkapitals zu maximieren.39 Rappaport kritisiert hier buchhalterische Gewinn- und Rentabilitätsgrößen, wie z. B. den Return on Investment (ROI), da dieser durch die Bilanzierungsrichtlinien beeinflusst werden kann, während Cashflow und Unternehmenswert unverändert bleiben.40 Auch rechnungslegungsbezogene Kennzahlen sind kurzfristig orientiert, so dass deren Optimierung dem Erhalt der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit gegenübergestellt werden kann.41
Durch das 1986 erschienene Grundlagenwerk „Creating Shareholder Value“ von Rappaport haben wertorientierte Kennzahlen in vielen Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewonnen.42
Der Shareholder Value (SV) stellt den Marktwert des Eigenkapitals des Unternehmens, das von Eigenkapitalgebern („Shareholders“) eingebracht wird, die ihre Kapitalbindung zur Erzielung markt- und risikoorientierter Renditen verlangen, dar.43 Wichtig ist hier, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, die den Shareholder Value steigern.44
Die Profitabilität eines Unternehmens, die den prognostizierten Zinssatz übersteigt, stellt eine „Überrendite“ dar, die zu einer Steigerung des Unternehmenswertes führt. Der Unternehmenswert ist der Wert, der sich aus der Abzinsung zukünftiger Cashflows zum Bilanzstichtag ergibt.45 Seine Berechnungsmethode besteht darin, zuerst den Marktwert des Gesamtunternehmens zu bestimmen, um danach den Marktwert des Fremdkapitals abzuziehen.46 In der Formel 1 wird die Berechnung des Shareholder Values definiert.
Formel 1: Shareholder Value
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Rappaport (1999), S. 54.
In der Unternehmenssteuerung sind bekannte wertorientierte Kennzahlen u. a. der Shareholder Value Added (SVA), Free Cashflow, Cashflow Return on Investment (CFROI), Cash Value Added (CVA) und Economic Value Added (EVA).47 Aus dem Shareholder Value lassen sich folgende Bedeutungen ableiten:
- Entscheidendes Kriterium für die Unternehmensführung ist die Entwicklung der Kapitalrendite der Aktionäre.
- Investiert werden soll nur in strategische Geschäftsfelder, von denen eine Wertsteigerung des Unternehmens erwartet wird.48
Außerdem ist zu beachten, dass durch die Fokussierung auf den Shareholder Value die Schwächen traditioneller Finanzkennzahlen und Kennzahlensysteme weitgehend beseitigt wurden.49
2.4 Die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte
Die traditionelle Unternehmenssteuerung besteht aus Erfolgs- und Liquidi- tätskennzahlen.50 Traditionelle Zielgrößen beinhalten absolute und relative Bilanzgewinngrößen. In absoluten Zahlen spielen der Jahresabschluss und das Betriebsergebnis eine wichtige Rolle. Bei den relativen Größen handelt es sich um Kennzahlen wie z. B. die Eigenkapitalrendite, den Gewinn je Aktie oder den ROI.51
In der klassischen Unternehmenssteuerung, in der alle Aufwendungen durch Einnahmen beglichen werden können, wird von einem Erfolg gesprochen.
Bei wertorientierten Kennzahlenkonzepten kommt es dann zum Erfolg, wenn über den herkömmlichen Gewinn hinaus die Rendite die Kapitalkosten übersteigt und somit eine Wertsteigerung erzielt wurde.52
Nachteile traditioneller Unternehmenssteuerung
Aufgrund ihrer Beschaffenheit hat die Verwendung der buchhalterischen Gewinngrößen einige Nachteile. Die Tatsache, dass buchhalterische Gewinngrößen auf Vergangenheitsdaten basieren, führt zu einem Mangel an Aussagekraft über die Rentabilität oder das zukünftige Wertsteigerungspotenzial.53 Ein weiteres Problem sind die bilanzorientierten Gewinngrößen aufgrund der Wahlmöglichkeit von Ansatz- und Bewertungswahlrechten. Diese können das Ergebnis durch die Ausübung von Passivierungs- und Aktivierungsoptionen erheblich beeinflussen. Möglichkeiten wie z. B. die Wahl der Abschreibung, die Behandlung von Leasing, Bewertungsspielräume für Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 3 HGB sowie das Aktivierungswahlrecht für Aufwendungen gemäß § 269 HGB können die konkreten Möglichkeiten zur Verfälschung des Unternehmensergebnisses darstellen.54
Die Nachteile der traditionellen Unternehmenssteuerung haben zu einer beschleunigten Einführung wertorientierter Konzepte geführt.55 Aus theoretischer Sicht ist die Anwendung der traditionelle Zielgrößen unbefriedigend, aus praktischer Sicht sogar gefährlich.56
Um die Notwendigkeit einer wertorientierten Unternehmenssteuerung nachzuweisen, soll an diesem Punkt die Schwäche der traditionellen Unternehmenssteuerung dargestellt werden. Traditionelle Finanzkennzahlen und Kennzahlensysteme basieren in der Regel auf erfolgs- und liquiditätsorientierten Spitzenkennzahlen.57 Die Bilanzgrößen dienen der externen Berichterstattung, sind jedoch nicht für die interne Unternehmenssteuerung geeignet.58 Auch wird bei den traditionellen Kennzahlen der Zeitwert des Geldes igno- riert.59 Die zur heutigen Zeit verfügbaren Gelder sind wertvoller als in einem Jahr.60 Die traditionellen Steuerungsgrößen beziehen sich auf eine bestimmte Periode.61 Eine Unternehmenssteuerung sollte sich jedoch an einer langfristigen Zukunftsplanung orientieren. In Bezug auf die Vergangenheit geben sie keine Auskunft über die Höhe der geschaffenen oder vernichteten Werte.62 Darüber hinaus berücksichtigen Finanzkennzahlen und Kennzahlensysteme weder unternehmerische Risiken noch notwendige Kapitalinvestitionen.63
Ziele wertorientierter Unternehmenssteuerung
Um das Ziel der Wertschöpfung für das Unternehmen zu erreichen, werden Instrumente zur Messung und Erfassung dieses Wertes benötigt. Das wertorientierte Kennzahlenkonzept erreicht diese Absicht durch die Umsetzung des abstrakten Ziels der Steigerung des Unternehmenswertes.64
Die Controlling Abteilung des Unternehmens spielt im Konzept der Wertorientierung eine zentrale Rolle. Durch diese erhält die Unternehmensleitung die notwendigen Informationen, um Entscheidungen treffen zu können, die der langfristigen Maximierung des Unternehmenswertes beisteuern. Auf dieser Basis trifft die Unternehmensleitung ex ante Entscheidungen, welche ex post auf den daraus resultierenden wertorientierten Beitrag hin kontrolliert werden. In diesem Zusammenhang werden wertorientierte Kennzahlenkonzepte eingesetzt, um messen zu können, ob ein Unterschied zwischen Soll- und Istwert in der Unternehmensperformance besteht.65
Kategorisierung
Die wertorientierten Kennzahlenkonzepte werden in der Literatur auf vielfältige Weise kategorisiert. In Theorie und Praxis werden Kennzahlen in Cash- flow-orientierte und ergebnisbasierte Größen unterteilt. Diese Aufteilung kann wiederum mit absoluten und relativen Kennzahlen erfolgen. Die Gemeinsamkeit aller wertorientierten Kennzahlenkonzepte besteht in der Maximierung des ökonomischen Gewinns des jeweiligen Unternehmens.66 In der Praxis gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher wertorientierter Kennzahlen. Der Grund dafür ist, dass hinter diesen Kennzahlen oft Unternehmensberatungen stecken, die sich von der Konkurrenz abheben wollen. Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt die Unterteilung und Zuordnung der wesentlichen wertorientierten Kennzahlen, die in Kapitel 3 näher erläutert werden.
Tabelle 1: Kategorisierung wertorientierter Kennzahlen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Langguth (2008), S. 138.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen von Kennzahlen besteht darin, dass Wertbeitragskennzahlen Größen darstellen, bei denen die Residualüberschüsse (CF oder das Ergebnis) einer Periode um die Kapitalkosten vermindert werden. Im Gegensatz dazu kann die Wertsteigerung von Rentabilitätskennzahlen gemessen werden, indem die Kapitalkosten ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital gesetzt werden. Zieht man die berechnete Rentabilität von den Kapitalkosten ab, kann dies als Nebenprodukt zu einem weiteren Wertindikator führen, da die resultierende Differenz die Rentabilitätsspanne ergibt.67
In der empirischen Untersuchung werden wertorientierte Kennzahlen im weiteren Sinne und im engeren Sinne ausgelegt. Im engeren Sinne werden Kennzahlen betrachtet, welche einen Bezug zu den Kapitalkosten darstellen.
Betrachtung der Kapitalkosten
Die Einbeziehung der Kapitalkosten in die Berechnung der wertorientierten Kennzahlen ist ein wesentliches Merkmal des Grundgedankens der Wertorientierung, denn nur durch ihre Addition lässt sich feststellen, ob das Unternehmen die Kapitalkosten verdient hat und folglich den Unternehmenswert steigern konnte.68 Daher soll an dieser Stelle auf die Betrachtung und Ermittlung der Kapitalkosten eingegangen werden.
Bestimmung der Kapitalkosten
In der Praxis werden die Kapitalkostensätze meist anhand des Weighted Average Cost of Capital (WACC) ermittelt. Die WACC-Methode stellt die gewichteten Durchschnittskosten von Fremd- und Eigenkapital dar. Dieser zeigt aus Sicht des Unternehmens die entstandenen Kosten der Finanzierung der Kapitalbasis aus Fremd- und Eigenkapital auf.69 Für das Management spielen auch die Kapitalkostensätze als zentrale Kennzahl des Unternehmensrisikos eine Rolle.70
Die Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten des WACC werden in der unteren Formel 2 aufgezeigt. Die Gewichtung erfolgt nicht auf der Basis von Buchwerten, sondern auf der Basis von Marktwerten.71
Formel 2: WACC
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Gruber (2010), S. 7; Steger (2014) S. 172.
Entsprechend erfolgt die Bestimmung durch separate Ermittlung des Marktwertes von Fremd- und Eigenkapital. Ihre gewichtete Summe ergibt die Mindestverzinsung des Fremd- und Eigenkapitals im Unternehmen. Da bei der Ermittlung des Unternehmenswertes zunächst der Marktwert des Eigenkapitals ermittelt werden muss, entsteht ein Zirkularitätsproblem. Um diese Situation zu vermeiden, wird in der Praxis meist die Zielkapitalstruktur der WACC-Methode verwendet.72
Bestimmung der Fremdkapitalkosten
Bei der Ermittlung des Marktwertes des Fremdkapitals ist zu prüfen, ob das Fremdkapital zu marktüblichen Bedingungen aufgenommen wird und ob diese die jeweiligen Risiken richtig wiedergeben. Es ist auch wichtig, herauszufinden, welche Nebenkosten im Beschaffungsprozess anfielen. Sofern die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Fremdkapital mit den marktüblichen Bedingungen übereinstimmen, entspricht der Marktwert des Fremdkapitals dem bilanziellen Buchwert des Fremdkapitals im Unternehmen.
Weichen die Verhandlungsbedingungen jedoch von den marktüblichen Bedingungen ab, ist der Marktwert des Fremdkapitals gesondert zu ermitteln. Dies erfolgt durch die Ermittlung des Fremdkapitalbarwertes aus den ausstehenden Zahlungen, die mit dem üblichen Fremdkapitalzinssatz abgezinst werden. Darüber hinaus müssen auch die Nebenkosten der Bereitstellung von Fremdkapital enthalten sein.73
Bestimmung der Eigenkapitalkosten
Die Ermittlung der Eigenkapitalkosten ist für Unternehmen wesentlich schwieriger, da kein genauer Betrag für die Nutzung des überlassenen Kapitals existiert. Daher werden die Eigenkapitalkosten aus den Opportunitätskosten von Eigenkapitalgebern hergeleitet. Hierfür wird der Betrag ermittelt, bei dem zu den Eigenkapitalgebern - unter einem gegebenen Risiko - eine angemessene Rendite zurückfließt.74 Basierend auf dieser Grundidee werden in der Praxis die Eigenkapitalkosten über das CAPM (siehe S.20) berechnet.
Formel 3: CAPM-Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Weber, Bramsemann et al. (2017), S. 42.
Aus der Formel 3 wird ersichtlich, dass sich der Renditeanspruch von Eigenkapitalanlegern einerseits aus der Rendite einer risikolosen Anlage und andererseits aus Marktrisikoprämien zusammensetzt. Die Marktrisikoprämie wird mit dem ß-Faktor multipliziert, welcher die Schwankungen widerspiegelt, die von der Entwicklung des entsprechenden Aktienindex abhängig sind.75
[...]
1 Vgl. Hammer (2015), S. 161.
2 Vgl. Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 2.
3 Vgl. Langguth (2008), S. 216 f.
4 Vgl. Langguth (2008), S. 193.
5 Vgl. Langguth (2008), S. 193 f.
6 Vgl. Rappaport (1983), S. 38.
7 Vgl. https://www.finanzen.net.
8 Vgl. Weber und Schäffer (2020), S. 179.
9 Vgl. Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 39.
10 Vgl. Weber und Schäffer (2020), S. 181.
11 Vgl. Steger (2014), S.1.
12 Vgl. Coenenberg (2014), S. 934 f.
13 Vgl. Schnettler (1961), S. 20 ff.
14 Vgl. Müller (2020), Rz. 129.
15 Vgl. Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 39.
16 Vgl. Steger (2014), S. 1 f.
17 Vgl. Weber und Schäffer (2020), S. 181 f.
18 Vgl. Preißler (2020), S. 115 ff.
19 Vgl. Preißler (2020), S. 115.
20 Vgl. Brown (1997), S. 179.
21 Vgl. Preißler (2020), S. 115.
22 Vgl. Preißler (2020), S. 116.
23 Vgl. Preißler (2020), S. 119.
24 Vgl. Preißler (2020), S. 120.
25 Vgl. Küpper, Friedl et al. (2013), S. 471 f.; Gladen (2014), S. 14 ff.
26 Vgl. Steger (2014), S. 3.
27 Vgl. Gladen (2014), S. 14.
28 Vgl. Steger (2014), S. 3 f; Preißler (2008), S. 14 f.
29 Vgl. Witte (2016), S. 2673.
30 Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 50.
31 Vgl. Steger (2014), S. 123 f.; Küpper, Friedl et al. (2013), S. 475 ff.; Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 51 f.
32 Vgl. Wolkau (2017), S. 1.
33 Vgl. Seewald (2014), S. 422.
34 Vgl. Küpper, Friedl et al. (2013), S. 480 f.; Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 53 f.
35 Vgl. Gleich, Linsner et al. (2019), S. 19.
36 Vgl. Küpper, Friedl et al. (2013), S. 481.
37 Vgl. Gladen (2014), S. 102.
38 Vgl. Palli (2004), S. 131.
39 Vgl. Rappaport (1983), S. 28 ff.
40 Vgl. Rappaport (1983), S. 31.
41 Vgl. Rappaport (1983), S. 1.
42 Vgl. Rappaport (1986), S. 1 ff.
43 Vgl. Stührenberg, Streich et al. (2003), S. 2; Graumann (2021a), S. 8.
44 Vgl. Voigt (2012), S. 5.
45 Vgl. Rappaport (1999), S. 40.
46 Vgl. Rappaport (1999), S. 54.
47 Vgl. Graumann (2021a), S. 8.
48 Vgl. Graumann (2021b), S. 1.
49 Vgl. Rappaport (1999), S. 15 ff.
50 Vgl. Steger (2014), S. 125.
51 Vgl. Pape (2010), S. 31.
52 Vgl. Gräfer und Gerenkamp (2016), S. 143.
53 Vgl. Pape (2010), S. 31.
54 Vgl. Britzelmaier (2013), S. 20 f.
55 Vgl. Steger (2014), S. 125.
56 Vgl. Hanssmann (1988), S. 2.
57 Vgl. Preißler (2020), S. 48 ff; Seilheimer (2007), S. 70 f.
58 Vgl. Pape (2010), S. 31.
59 Vgl. Weber und Schäffer (2014), S. 179.
60 Vgl. Stiefl und Westerholt (2008), S. 20.
61 Vgl. Weber und Schäffer (2014), S. 179.
62 Vgl. Pape (2010), S. 31.
63 Vgl. Steger (2014), S. 125; Pilzecker (2011), S. 7.
64 Vgl. Weber, Bramsemann et al. (2017), S. 31.
65 Vgl. Coenenberg und Salfeld (2007), S. 251.
66 Vgl. Pape (2010), S. 31.
67 Vgl. Ewert und Wagenhofer (2014), S. 518.
68 Vgl. Gräfer und Gerenkamp (2016), S. 143.
69 Vgl. Laier (2011), S. 94.
70 Vgl. Black, Wright et al. (1998), S. 61.
71 Vgl. Langguth (2008), S. 66.
72 Vgl. Frintrop und Gruber (2010), S. 7.
73 Vgl. Weber, Bramsemann et al. (2017), S. 38.
74 Vgl. Langguth (2008), S. 66.
75 Vgl. Black, Wright et al. (1998), S. 49.
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