Organisationale Identifikation, die beschreibt, wie ein Individuum sich selbst in Bezug auf seine Organisation definiert, ist ein Thema, dass die Forschung seit Jahrzehnten beschäftigt. In vielen Studien wurde organisationale Identifikation und ihre beeinflussenden Faktoren bereits umfassend untersucht. Da sich die Gesellschaft kontinuierlich wandelt, müssen auch Organisationen sich immer wieder auf Veränderungen einstellen. Der voranschreitende Trend zur Digitalisierung zeigt auch Auswirkungen auf den Arbeitsplatz. Klassische Arbeitsmodelle werden vom virtuellen Arbeiten, fernab vom physischen Arbeitsort, teilweise ersetzt. Da durch virtuelles Arbeiten viele identifikationsstiftende Faktoren vernachlässig werden, kann die organisationale Identifikation in Zusammenhang mit virtuellem Arbeiten in Frage gestellt werden. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser Zusammenhang untersucht. Zu diesem Zweck wurden 477 deutsche Arbeitnehmer befragt. Durch die Studie konnte festgestellt werden, dass virtuelles Arbeiten bei deutschen Arbeitnehmern, entgegen der Erwartung, keinen signifikant negativen Einfluss auf die organisationale Identifikation hat.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Relevanz und Kontext
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die Theorie der sozialen Identität
2.2 Organisationale Identifikation
3 Herleitung theoretischer Wirkungszusammenhänge
3.1 Der Einfluss der Höhe des Anteils an virtuellem Arbeiten auf die organisationale Identifikation
3.2 Die Dauer der Zugehörigkeit als moderierende Variable
3.3 Das Geschlecht als moderierende Variable
4 Methodik
4.1 Methode der Datenerhebung
4.2 Operationalisierung dertheoretischen Konstrukte
4.2.1 Abhängige Variable
4.2.2 Unabhängige Variable
4.2.3 Moderatorvariablen
4.2.4 Kontrollvariablen
4.3 Datenanalyse und Sample
5 Ergebnisse
6 Diskussion
7 Limitationen und weiterer Forschungsbedarf
8 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
A Fragebogen
Abstract
Organisationale Identifikation, die beschreibt, wie ein Individuum sich selbst in Bezug auf seine Organisation definiert, ist ein Thema, dass die Forschung seit Jahrzehnten beschäftigt (Wiesenfeld et al. 2001). In vielen Studien wurde organisationale Identifikation und ihre beeinflussenden Faktoren bereits umfassend untersucht. Da sich die Gesellschaft kontinuierlich wandelt, müssen auch Organisationen sich immer wieder auf Veränderungen einstellen. Der voranschreitende Trend zur Digitalisierung zeigt auch Auswirkungen auf den Arbeitsplatz. Klassische Arbeitsmodelle werden vom virtuellen Arbeiten, fernab vom physischen Arbeitsort, teilweise ersetzt. Da durch virtuelles Arbeiten viele identifikationsstiftende Faktoren vernachlässig werden, kann die organisationale Identifikation in Zusammenhang mit virtuellem Arbeiten in Frage gestellt werden. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser Zusammenhang untersucht. Zu diesem Zweck wurden 477 deutsche Arbeitnehmer befragt. Durch die Studie konnte festgestellt werden, dass virtuelles Arbeiten bei deutschen Arbeitnehmern, entgegen der Erwartung, keinen signifikant negativen Einfluss auf die organisationale Identifikation hat.
Tabellenverzeichnis
Tabelle IKorrelationsmatrix
Tabelle 2Regressionstabelle
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 VeränderungHome-OfficeAnteil
Abbildung 2 Anteil an Home-Office und organisationale Identifikation
Abbildung 3 Anteil an Home-Office und organisationale Identifikation nach Geschlecht
Abbildung 4 Isolation
Abbildung 5 erschlechterungder Wahrnehmung
Abbildung 6 Kommunikationsaktivität von Teilnehmern mit geringer Zugehörigkeitsdauer
Abbildung 7 Beziehungen zu Organisationsmitgliedern von Teilnehmern mit geringer
Zugehörigkeitsdauer
Anmerkungen
In dieser Arbeit werden die Begriffe „Organisation“ und „Individuum“ oft durch „Unternehmen“ und „Arbeitnehmer“ ersetzt. Organisationen können definiert werden als „soziale Gebilde, die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen“ (Kieser/Walgenbach 2010: 6). Organisationen sind also nicht nur Unternehmen. Auch andere soziale Gebilde, welche die genannten Merkmale aufweisen, können als Organisation klassifiziert werden. So können beispielsweise auch Kirchen oder Kleingartenvereine eine Organisation darstellen. Da in dieser Arbeit die Auswirkung des virtuellen Arbeitens auf die organisationale Identifikation untersucht wird und dies in einem arbeitsbezogenen Kontext erfolgt, wird in dieser Arbeit unter dem Begriff Organisation das Unternehmen verstanden. Gleiches bezieht sich auch auf die äquivalente Verwendung der Begriffe „Individuum“ und „Arbeitnehmer“.
Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass in dieser Publikation aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet wird. Es soll dadurch keine Benachteiligung eines anderen Geschlechts impliziert werden, sondern im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
1 Relevanz und Kontext
„Organisationale Identifikation bezeichnet das Gefühl des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin, dass seine/ihre Persönlichkeit mit der Persönlichkeit der Organisation verschmilzt und man sich zu einem großen Teil über die Mitgliedschaft in der Organisation definiert.[...]. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiter wissen, dass sie Mitglieder einer bestimmten Organisation sind, dass sie aber mit diesem Wissen auch Gefühle (z. B. Freude oder Stolz) verbinden und sich entsprechen verhalten (z. B. die Organisation nach Außen verteidigen)“ (van Dick 2016: 2). Organisationen prägen den Alltag eines jeden Individuums. Beginnend bei der Geburt im Krankenhaus, über den Besuch von verschiedenen Bildungsstätten, der Arbeit in einem Unternehmen oder der Zugehörigkeit zu verschiedenen Vereinen. Jeder Mensch wird beinahe täglich mit Organisationen konfrontiert. Dabei nimmt ein Individuum nicht selten erhebliche Bemühungen auf sich, um etwas für die Organisation zu leisten, mit der es sich verbunden fühlt (Böhm 2008).
In den letzten Jahrzehnten haben Forschungsarbeiten zum Thema organisationale Identifikation stark zugenommen. Dieses wachsende Interesse lässt sich gut an einer stetig zunehmenden Zahl an Publikationen erkennen. Sowohl die Forschung als auch die Praxis haben erkannt, dass es notwendig ist, sich intensiv mit der langfristigen inneren Bindung von Mitarbeitern an ihre Organisation zu befassen (Böhm 2008). So stellt das Konzept der organisationalen Identifikation heutzutage einen zentralen Bestandteil der Organisationsforschung dar (Böhm 2008). Neben der Bedeutung organisationaler Identifikation hat sich die Forschung dabei bisher vor allem mit den Faktoren beschäftigt, die den Grad der Identifikation beeinflussen (Bartels et al. 2006). Obwohl organisationale Identifikation und ihre beeinflussenden Faktoren bereits in großem Umfang erforscht worden sind, wurde in der bereits vorhandenen Literatur ein immer wichtiger werdender Faktor noch nicht hinreichend berücksichtigt. Virtuelles Arbeiten, bei dem ein Individuum von zu Hause aus oder auf andere Weise von außerhalb seiner Organisation arbeitet, stellt einen solchen Faktor dar. Die Notwendigkeit der Untersuchung der Auswirkungen von virtuellem Arbeiten, ist vor allem der zunehmenden Verbreitung dieser Arbeitsweise zuzuschreiben. Der Trend zur Digitalisierung und der Abwendung von klassischen Arbeitsmodellen, ist unter anderem der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 zuzuschreiben. Die Pandemie hat die Anzahl von Individuen, die (teilweise) virtuell arbeiten, stark ansteigen lassen. So lag der Anteil der im Home-Office arbeitenden
Beschäftigten in Deutschland vor der Covid-19-Pandemie bei lediglich rund 4 Prozent. Im Januar 2021 stieg die Anzahl auf rund 24 Prozent (Statista 2021). Ein Großteil der Unternehmen in Deutschland hat inzwischen Möglichkeiten für das virtuelle Arbeiten geschaffen. Auch in Zukunft wollen viele dieser Unternehmen diese Möglichkeit des Arbeitens weiterhin anbieten (Aigner 2020). Der Einfluss des virtuellen Arbeitens auf die organisationale Identifikation ist jedoch nicht nur aufgrund der zunehmenden Verbreitung virtuellen Arbeitens von hoher Relevanz, sondern auch, weil virtuelle Organisationen und virtuelle Arbeitnehmer wichtige Faktoren der „neuen Wirtschaft“ sein können (Wiesenfeld et al. 2001).
Da in Deutschland der Trend zum Home-Office und anderen Möglichkeiten, von außerhalb der Organisation zu arbeiten, erst vergleichsweise spät einsetzte, ist der Zusammenhang zwischen virtuellem Arbeiten und der organisationalen Identifikation von Individuen hierzulande noch nicht hinreichend erforscht. Bislang haben sich Forschungsarbeiten zu diesem Thema vor allem auf den US-amerikanischen Raum konzentriert. Wiesenfeld et al. untersuchten 2001 in ihrer Studie Organizational identification among virtual workers: the role of need for affiliation and perceived work-based social support’ die Beziehungen zwischen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, arbeitsbezogener sozialer Unterstützung und der organisationalen Identifikation virtueller Arbeitnehmer in den USA (Wiesenfeld et al. 2001). Kernbefunde dieser Untersuchungen waren, dass das Bedürfnis virtueller Mitarbeiter nach Zugehörigkeit und die arbeitsbezogene soziale Unterstützung, die sie erfahren, eine stärkere organisationale Identifikation bewirken. Da deutsche Arbeitnehmer bis vor Kurzem von Konzepten des virtuellen Arbeitens fernab des herkömmlichen Arbeitsortes noch relativ unberührt blieben, ist dieser Zusammenhang in Deutschland noch nicht hinreichend erforscht. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, Zusammenhänge zwischen virtuellem Arbeiten und den damit verbundenen Auswirkungen auf die organisationale Identifikation von Individuen aufzuzeigen.
Als Grundlage erfolgt dafür einleitend zunächst eine Einführung in den theoretischen Hintergrund. Dabei wird auf die Theorie der sozialen Identität sowie dem damit verbundenem Konstrukt der organisationalen Identifikation eingegangen. Anschließend werden Wirkungszusammenhänge zwischen virtuellem Arbeiten und organisationaler Identifikation, die es zu überprüfen gilt, theoretisch hergeleitet. Nachdem theoretische Grundlagen erläutert und entsprechende Hypothesen abgeleitet wurden, werden diese anhand einer quantitativen Erhebung überprüft. Im Kapitel Methodik wird die Durchführung dieser Erhebung genauer erläutert. Anschließend werden die Ergebnisse dargestellt, die daraufhin kritisch diskutiert werden. Abschließend werden Limitationen sowie weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt und ein Resümee gezogen.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die Theorie der sozialen Identität
Die Theorie der sozialen Identität wurde unter anderem zur Erklärung von Gruppenverhalten, wie beispielswiese Stereotypisierung und Diskriminierung, entwickelt. Nach dieser Theorie besteht das Selbstkonzept eines Individuums aus zwei verschiedenen Identitäten. Zum einen aus der persönlichen Identität, die einzigartige Merkmale wie Interessen und Fähigkeiten umfasst und zum anderen aus der sozialen Identität, die prägnante Zugehörigkeiten zu einer Gruppe beschreibt (Tajfel/Tumer 1985). Soziale Identität entsteht durch die Neigung von Individuen, sich und andere in verschiedene soziale Gruppen (z. B. Geschlecht, Herkunft oder spezielle Organisationszugehörigkeiten) einzuordnen (Turner 1982). Die Identität eines Individuums wird also nicht ausschließlich durch seine individuellen Merkmale bestimmt, sondern auch durch seine Zugehörigkeit zu Gruppen und Organisationen (Tajfel/Tumer 1985). Durch soziale Identifikation nimmt sich das Individuum als Teil einer Gruppe wahr, deren Erfolge und Misserfolge es teilt (Tolman 1943). Dadurch wird es dem Individuum ermöglicht, stellvertretend an Errungenschaften teilzuhaben, für die es nicht alleine verantwortlich ist, aber auch Misserfolge zu teilen (Katz/Kahn 1978). Die Klassifikation durch eine Zuordnung des Individuums zu einer Gruppe, wird also als soziale Identifikation bezeichnet. Diese Identifikation fungiert als ordnende Struktur für das soziale Umfeld sowie als System zur Orientierung für das Individuum, um den eigenen Platz in der Gesellschaft zu definieren (Turner 1982). Dieser Prozess der Selbsteinordnung und der Prozess der Annahme und Verinnerlichung einer sozialen Kategorie werden als soziale Identifikation bezeichnet. Soziale Identität ergibt sich durch die Gesamtheit der sozialen Identifikation (Turner 1982). Eine genaue Definition sozialer Identität erfolgte beispielsweise 1978 von Henri Tajfel. Er definiert soziale Identität als „that part of an individual’s self- concept which derives from his knowledge of his membership of a social group (or groups) together with the value and emotional significance attached to that membership.” (Tajfel 1978: 63).
Nach Tajfel und Turner (1985) stützt sich die Theorie der sozialen Identität auf drei generelle Annahmen. Zunächst wird angenommen, dass Individuen stets danach streben, ihr Selbstwertgefühl zu erhalten bzw. zu steigern. Das Ziel eines Individuums ist es also, eine positive soziale Identität zu erlangen bzw. zu bewahren. Des Weiteren sind einzelne soziale Gruppen und die Zugehörigkeit zu diesen mit positiven oder negativen Assoziationen verbunden. Die positive oder negative Bewertung einer sozialen Gruppe trägt dabei entsprechend zu der sozialen Identität des Individuums bei. Letztlich bewerten Individuen die Gruppen, denen sie angehören, durch einen Vergleich von Attributen und Merkmalen mit anderen Gruppen. Fällt dieser Vergleich positiv aus, so führt dies zu einem höheren Ansehen, ein negativer Vergleich hat den gegenteiligen Effekt (Tajfel/Tumer 1985). Eine spezifische Form der sozialen Identität stellt die organisationale Identifikation dar (Mael/Ashforth 1992).
2.2 Organisationale Identifikation
Die Theorie der sozialen Identität kann auch auf einen organisationalen Kontext übertragen werden. Auf Basis der Theorie der sozialen Identität fungiert bei der organisationalen Identifikation die Organisation als eine potenziell hervorstechende soziale Kategorie, mit der ein Individuum eine Identifikation entwickeln kann (Ashforth/Mael 1989). Eine der gängigsten Definitionen organisationaler Identifikation wurde 1992 von Mael und Ashforth entwickelt. Sie beschreiben organisationale Identifikation als: the perception of oneness with or belongingness to an organization, where the individual defines him or herself in terms of the organization(s) in which he or she is a member.” (Mael/Ashforth 1992: 104). Diese Definition bezieht sichjedoch eher auf die kognitive Wahrnehmung der Zugehörigkeit, während andere Autoren in ihren Definitionen organisationaler Identifikation auch emotionale Aspekte aufgreifen. Ein Beispiel dafür stellt die Definition von organisationaler Identifikation von Patchen aus dem Jahr 1970 dar. Er beschreibt sie als eine Kombination aus gemeinsamen Merkmalen, Loyalität sowie Solidarität gegenüber der Organisation (Patchen 1970). Hall et al. beschreiben organisationale Identifikation als einen Prozess, der die Ziele der Organisation und des Individuums zunehmend übereinstimmen lässt (Hall et al. 1970). Auch wird das Konstrukt der organisationalen Identifikation immer wieder mit der organisationalen Verbundenheit (engl.: Commitment) in Verbindung gebracht. So wird eines der Konstrukte oft als Teil der Definition des anderen verwendet (z. B. bei Dutton et al. 1994). Es ist jedoch eine Differenzierung dieser beiden Konstrukte erforderlich. Während es sich bei der organisationalen Identifikation um einen primär kognitiven Prozess handelt, stellt die organisationale Verbundenheit eher eine affektive Bindung dar (Utz 2000). Aktuellere Definitionen, wie die von Haslam aus dem Jahr 2001, beschreiben organisationale Identifikation nun als einen recht dauerhaften Zustand der Bereitschaft eines Individuums, sich selbst als Mitglied einer Organisation zu beschreiben (Haslam 2001). Individuen, die sich der Organisation, in der sie Mitglied sind, verbunden fühlen, beschreiben sich auch in Bezug auf die Merkmale dieser Organisation (Bartels et al. 2007).
Bezogen auf das Arbeitsumfeld, ist das Ausmaß, in dem sich die Mitarbeiter (= Individuen) mit ihrem Unternehmen (= Organisation) verbunden fühlen, ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Unternehmens. Eine hohe organisationale Identifikation von Individuen hat positive Auswirkungen auf ihre Motivation, ihre Einstellung zur Organisation sowie ihre Arbeitszufriedenheit. Zudem konnte festgestellt werden, dass mit einer höheren organisationalen Identifikation auch ein größerer Gruppenzusammenhalt einhergeht. Es wurden weniger Konflikte innerhalb der Gruppe verzeichnet sowie eine Zunahme von Verhaltensweisen, die konsistent mit der Identität der Gruppe sind. Auch eine geringere Fluktuation ist eine positive Folge von hoher organisationaler Identifikation (Kramer 1992). Organisationale Identifikation istjedoch nicht nur für die Organisation von großer Bedeutung, sondern hat auch für das Individuum eine hohe Relevanz, da sie das Bedürfnis nach Zugehörigkeit befriedigt (Ashforth et al. 2008).
Neben der Bedeutung organisationaler Identifikation hat sich die Forschung zudem mit den Faktoren befasst, die den Grad der Identifikation beeinflussen können. Zu diesen Faktoren zählen das wahrgenommene externe Prestige einer Organisation, die wahrgenommene Unterscheidungsfähigkeit der Organisation, der Grad des Kontaktes zwischen dem Individuum und seiner Organisation sowie der wahrgenommene Grad der Übereinstimmung zwischen der individuellen Identität und der organisatorischen Identität (Bartels et al. 2007). Frühere Forschungen zeigen, dass auch die Sichtbarkeit der Organisationszugehörigkeit sowie eine Vielzahl von Organisationsstrukturen und -prozessen organisationale Identifikation auslösen und erhalten. Zu diesen zählen beispielsweise Symbole der Unternehmenszugehörigkeit (wie Logos, Türschilder oder ein spezieller Dresscode) ebenso wie spezifische Rituale und Zeremonien (wie das gemeinsame Mittagsessen, die tägliche Morgenrunde oder die Kaffeepause mit den Kollegen) (Dutton et al. 1994, Wiesenfeld et al. 2001). Die einzigartigen Merkmale einer Organisation bleiben deren Mitgliedern jedoch oft verborgen, bis ein auslösendes Ereignis organisatorische Handlungen in Frage stellt (Ginzel et al. 1993). Ein solches auslösendes Ereignis könnte beispielsweise der Umstieg auf virtuelles Arbeiten darstellen.
3 Herleitung theoretischer Wirkungszusammenhänge
3.1 Der Einfluss der Höhe des Anteils an virtuellem Arbeiten auf die organisationale Identifikation
Organisationale Identifikation spiegelt wider, wie ein Individuum sich selbst in Bezug auf seine Organisation definiert. Im Zusammenhang mit virtuellem Arbeiten, kann die organisationale Identifikation eines Individuums in Frage gestellt werden. Grund dafür ist, dass einige der Prädiktoren für die Identifikation mit einer Organisation durch virtuelles Arbeiten teilweise stark beeinflusst werden (Wiesenfeld et al. 2001).
Virtuelle Arbeitnehmer werden durch die Verlagerung ihres Arbeitsplatzes an einen Ort außerhalb ihrer Organisation, von anderen Organisationsmitgliedern wie Kollegen oder Vorgesetzten getrennt. Diese physische Isolation stellt eine große Herausforderung für die Mitarbeiter und ihre Identifikation mit ihrer Organisation dar, denn sie bedeutet eine Verringerung des direkten Kontaktes zu anderen Mitgliedern der Organisation sowie die Loslösung von der Organisation an sich. Bei virtuell Arbeitenden kann sich somit schnell das Gefühl des Prinzips „aus den Augen, aus dem Sinn“ einstellen (McClos- key/Igbaria 2003). Durch die räumliche Isolierung des Individuums von seiner Organisation wird also unter anderem dessen direkter Kontakt mit der Organisation stark eingeschränkt. Dies führt auch dazu, dass sein organisationales Netzwerk sich verkleinert. Die Rolle eines Individuums in einem sozialen Netzwerk (z. B. innerhalb der Organisation) wird unter anderem durch die Größe seines Netzwerks gemessen oder durch die Vielzahl an Personen, mit denen das Individuum interagiert (Jones/Volpe 2011). Ein Individuum mit einem größeren organisationalen Netzwerk befindet sich im Zentrum der organisatorischen oder identitätsbezogenen Gruppenzugehörigkeit (Ibarra 1993). Die Forschung hat gezeigt, dass ausgeprägte Netzwerke innerhalb einer Organisation mit einer höheren Identifikation mit Arbeitsgruppen und der Abteilung verbunden sind (Kuhn/Nelson 2002).
Auch die Sichtbarkeit der Organisationszugehörigkeit wird durch die Verlagerung des Arbeitsplatzes in der Regel deutlich verringert, denn rein virtuelle Interaktionen reduzieren die greifbaren und sichtbaren Dimensionen, die eine Gruppe und die Zugehörigkeit zu dieser definiert (Wiesenfeld et al. 2001). Sichtbar wird die Organisationszugehörigkeit für ein Individuum zum Beispiel schon durch das tägliche Betreten des Firmengebäudes, durch die allgegenwärtige Konfrontation mit dem Logo oder dem Namen der Organisation (z. B. aufKaffeetassen oder aufBürobeschilderung) oder auch durch einen bestimmten Dresscode. All diese Faktoren entfallen größtenteils, wenn ein Individuum von außerhalb seiner Organisation arbeitet.
Auch eine Vielzahl von organisationsspezifischen Prozessen und Strukturen, die förderlich für die Bildung organisationaler Identifikation sind, werden durch virtuelles Arbeiten für das Individuum schlechter greifbar. Verstreut arbeitende Mitarbeiter werden in viele Rituale und Strukturen weniger oder gar nicht mehr mit einbezogen (Wiesenfeld et al. 2001). Zu den Ritualen und Prozessen, die virtuelle Mitarbeiter verpassen, gehören beispielsweise gemeinsame Mittagessen oder Kaffeepausen mit den Kollegen, Feiern zu wichtigen persönlichen und unternehmerischen Ereignissen sowie regelmäßige Treffen oder auch besondere Besuche z. B. des Topmanagements oder externer Gruppen (Goldsborough 2000).
Wird angenommen, dass mit einem steigenden Anteil von virtuellem Arbeiten die identifikationsstiftenden Faktoren für ein Individuum immer stärker negativ beeinflusst werden, so kann folgende Hypothese hergeleitet werden:
Hl: „Je höher derAnteil virtuellen Arbeitensfär ein Individuum ist, desto geringer ist dessen organisationale Identifikation.“
3.2 Die Dauer der Zugehörigkeit als moderierende Variable
Es wird angenommen, dass die Zeit, in der ein Individuum aktiv mit seiner Organisation verbunden ist, positiv mit der organisationalen Identifikation zusammenhängt (Ma- el/Ashforth 1992). Gemäß der Theorie der sozialen Identität, besteht das Selbstkonzept eines Individuums neben seiner persönlichen Identität auch aus seiner sozialen Identität, die durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen definiert wird (Tajfel/Tumer 1985). Durch die Arbeit innerhalb der Organisation und die intensiven täglichen Interaktionen, lernen sich die Individuen als Mitglied der Organisation kennen (Foote 1951). Ein ausgeprägter Kontakt mit der Organisation erhöht somit auch die Wahrnehmungsbereitschaft eines Mitglieds, sich als einen Teil dieser sozialen Gruppe zu kategorisieren und zu definieren (Dutton et al. 1994). Je länger ein Individuum Teil einer Organisation ist, desto wichtiger wird ihm diese Gruppenmitgliedschaft für seine Selbstkategorisierung (Kramer 1992).
Da es viele Faktoren gibt, die einen Einfluss auf den Aufbau und das Ausmaß von orga- nisationaler Identifikation haben, kann der Aufbau dieser Identifikation als ein womöglich längerer Prozess beschrieben werden. Einige Faktoren, wie beispielsweise das wahrgenommene Prestige der Organisation, können bereits von Anfang an vorhanden sein. Wird man Teil einer Organisation, so ist meist im vorhinein größtenteils bekannt, welche Außenwirkung und somit welches Prestige diese Organisation hat. Andere Faktoren hingegen, wie etwa die Netzwerkgröße, der Kontakt mit anderen Organisationsmitgliedern oder auch das Kennenlernen und Verinnerlichen organisationaler Strukturen und Prozesse, beanspruchen in der Regel Zeit. Arbeitnehmer, die neu in ein Unternehmen kommen und sofort oder schon nach kurzer Dauer fernab dieses Unternehmens arbeiten, hatten entweder gar keine oder nur kurz Zeit, diese identifikationsstiftenden Faktoren kennenzulemen und zu verinnerlichen und somit eine Identifikation mit diesem Unternehmen aufzubauen. Auf der anderen Seite hatten Mitarbeiter, die bereits eine lange Unternehmenszugehörigkeit vorzuweisen haben, genügend Zeit, die genannten Faktoren zu verinnerlichen. Sie haben ihr Netzwerk aufgebaut, kennen Kollegen und Vorgesetzte, sind womöglich jahrelang täglich ins Büro gekommen, haben dabei Artefakte wie Logos oder Slogans ihres Unternehmens etliche Male gesehen und sind vertraut mit den Prozessen und Strukturen. Die organisationale Identifikation konnte sich bei Individuen, die schon länger Teil ihrer Organisation sind, also schon aufbauen und festigen. Auf dieser Grundlage wird die folgende Hypothese aufgestellt:
112: „Die bisherige Dauer der Zugehörigkeit moderiert den Zusammenhang zwischen der Höhe des Anteils am virtuellen Arbeiten und der organisationalen Identifikation dahingehend, dass mit einer steigenden Zugehörigkeitsdauer der negative Zusammenhang abgeschwächt wird.“
3.3 Das Geschlecht als moderierende Variable
Frauen und Männer neigen zu einer unterschiedlichen Ausprägung bestimmter geschlechtsspezifischer Merkmale (Fritz/van Knippenberg 2017). Bei Männern sind sogenannte agentische Eigenschaften in der Regel vergleichsweise stärker ausgeprägt, als bei Frauen. Unter agentischen Eigenschaften werden beispielsweise die folgenden verstanden: kompetitiv, selbstbewusst, ehrgeizig, dominant. Frauen hingegen weisen zumeist eine stärkere Ausprägung der kommunalen Eigenschaften und Verhaltensweisen wie fürsorglich, kommunikativ, liebevoll und verständnisvoll auf (Abele et al. 2008).
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- Citar trabajo
- Carolin Rilii (Autor), 2021, Der Einfluss von virtuellem Arbeiten auf die organisationale Identifikation von Individuen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1165613
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