In seiner Studie "The Formation of Learning Sets" kritisiert der Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow (1949) seine theoretischen Kollegen. Er merkt an, dass die Versuchsergebnisse jener Forscher lediglich für die jeweilige untersuchte Tierart gelten und somit nicht übertragbar seien – sie stifteten mehr Verwirrung als dass sie zu Erkenntnis führten. Insbesondere stört Harlow die typische Versuchsanordnung, die erstens nur eine sehr kurze Untersuchungsdauer
umfasst und zweitens lediglich isolierte konditionierte Reaktionen auf bestimmte Reize untersucht.
Des Weiteren führt Harlow an, dass die menschliche Persönlichkeit nicht durch einzelne Lernsituationen konstituiert wird, sondern durch vielfach wiederholte Lernsituationen ähnlicher Form. Harlow meint, die Experimente der Kollegen reichten nicht aus, um sie auf den Menschen zu übertragen, da sich der Mensch als höher entwickeltes "Tier" deutlich von anderen
Tieren unterscheidet, die sich lediglich durch Trial and Error anpassten. Die Persönlichkeitsstruktur des Menschen werde weitläufiger geprägt als bei Tieren. Unsere persönlichen, emotionalen und intellektuellen Prägungen ließen sich nicht als eine einfache Summe von fast unendlich vielen Reiz-Reaktions-Schemata verstehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Harry Harlow über die theoretischen und methodischen Grundlagen seiner Studie
2. Grundlegende Experimente zur Entstehung von Learning Sets
2.1 Vergleichende Versuche mit gehirngeschädigten Affen
2.2 Vergleiche mit Daten von Kindern nach Dr. Margaret Kuenne
2.3 Besondere Auffälligkeiten nach Trial and Error
3 Weiterführende Versuche zur Entstehung und Funktion von Learning Sets
3.1 Schwierigkeitssteigerung durch Umkehrung beziehungsweise Transferleistung
3.2 Learning Sets als Überlebensstrategie
4. Fazit
Literatur
1. Harry Harlow über die theoretischen und methodischen Grundlagen seiner Studie
In seiner Studie THE FORMATION OF LEARNING SETS kritisiert der Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow (1949) seine theoretischen Kollegen. Er merkt an, dass die Versuchsergebnisse jener Forscher lediglich für die jeweilige untersuchte Tierart gelten und somit nicht übertragbar seien - sie stifteten mehr Verwirrung als dass sie zu Erkenntnis führten. Insbesondere stört Harlow die typische Versuchsanordnung, die erstens nur eine sehr kurze Untersuchungsdauer umfasst und zweitens lediglich isolierte konditionierte Reaktionen auf bestimmte Reize untersucht: „A brillant Blitzkrieg research is effected - the controls are perfect, the results are important and the rats are dead.” (Harlow, 1949, S. 51-52)
Des Weiteren führt Harlow an, dass die menschliche Persönlichkeit nicht durch einzelne Lernsituationen konstituiert wird, sondern durch vielfach wiederholte Lernsituationen ähnlicher Form. Harlow meint, die Experimente der Kollegen reichten nicht aus, um sie auf den Menschen zu übertragen, da sich der Mensch als höher entwickeltes „Tier“ deutlich von anderen Tieren unterscheidet, die sich lediglich durch Trial and Error anpassten. Die Persönlichkeitsstruktur des Menschen werde weitläufiger geprägt als bei Tieren. Unsere persönlichen, emotionalen und intellektuellen Prägungen ließen sich nicht als eine einfache Summe von fast unendlich vielen Reiz-Reaktions-Schemata verstehen.
Dagegen stellt Harlow sein umfassenderes Konzept der „Learning Sets“: „The learning of primary importance to the primates, at least, is the formation of learning sets; it is the learning how to learn efficiently in the situations the animal frequently encounters.“ (Harlow, 1949, S. 51). Harlow untermauert seine Kritik gegenüber der bisherigen Forschung, indem er mit einem weiteren Seitenhieb auf seine Kollegen bemerkt, dass diese „Rattenforscher“ diesen fundamentalen Aspekt des Lernens völlig vernachlässigt hätten. Die Einleitung seines Aufsatzes weist also bereits auf sein Ziel hin, dass die zugrundeliegenden Mechanismen des menschlichen Lernens - falls es, wie angenommen, im Gegensatz zu den anderen Tieren durch Einsicht geschieht - quantifiziert werden sollten: „It is the purpose of the paper to demonstrate the extremely orderly and quantifiable nature of the development of certain learning sets and, more broadly, to indicate the importance of learning sets to the development of intellectual organization and personality structure.“ (Harlow, 1949, S. 52).
2. Grundlegende Experimente zur Entstehung von Learning Sets
Zunächst präsentierte Harlow den Affen zwei Objekte beziehungsweise Belohnungen unterschiedlicher Qualität. Die Tiere sollten durch Rechts-Links-Wechsel in einer zuvor festgelegten Reihenfolge aufgrund von Trial and Error ein Muster erkennen. Dazu führte der Forscher mehrere Versuchsabläufe durch. Der erste bestand aus 344 Problemstellungen und 344 Stimuli-Paaren (Belohnungen), bei der eine Gruppe von acht Affen ohne Lernerfahrung für die ersten 32 Probleme jeweils 50 Versuche, für die nächsten 200 Probleme sechs Versuche und für die restlichen 112 Probleme circa neun Versuche zur Verfügung hatten. Bei den ersten 32 Problemstellungen in 8er-Blöcken stiegen die Folgekurven nach Trial and Error recht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein Problem stellte die Unterscheidung nach der Objektqualität dar (getroffene Entscheidung der Affen), d.h., die Affen verbesserten sich S chritt für Schritt. Somit zeigten diese ersten Versuchsdurchgänge, dass Lernen eine Transferleistung zwischen dem Fortschreiten von Problemstellung zu Problemstellung ist. Die Affen „lernten zu lernen“, indem sie die Art des Problems erfassten und Lösungsstrategien entwickelten, die sie auf das nächste Problem anwandten. Es zeigte sich dadurch, dass Lernen ein vorhersehbarer und regelmäßiger Prozess ist. „The monkeys learn how to learn individual problems with a minimum of errors. It is this learning how to learn a kind of problem that we designate by the term learning set.“ (Harlow, 1949, S. 53) Harlow zieht daraus in methodischer Hinsicht die Konsequenz, dass der Forscher die Kontrolle über die Erfahrung der Subjekte behalten müsse, und dass der Schwierigkeitsgrad bezogen auf die Versuchsanordnung immer gleich bleiben sollte.
2.1 Vergleichende Versuche mit gehirngeschädigten Affen
Harlow führte vergleichende Versuche mit acht hirngeschädigten und acht normalen untrainierten Affen durch. Dabei kam heraus, dass auch die geschädigten Affen, bei denen lediglich eine Gehirnhälfte intakt war, Schritt für Schritt lernen. Wie die nahezu parallel verlaufenden Kurven der folgenden Grafik zeigen, blieben ihre Fähigkeiten zwar geringer als die der gesunden Affen, doch ihre Lernkurve stieg fast ebenso schnell an.
Fan 4. Discrimination kansinc set curve? based on Trial 2—6 response? normal and cpent»d monkeys.
2.2 Vergleiche mit Daten von Kindern nach Dr. Margaret Kuenne
Bei den Ergebnissen der Versuche mit Kindern im Vergleich zu den Affen fand Harlow (zit. nach Kuenne, 1947, S. 55) heraus, dass auch sie genauso Schritt für Schritt nach Trial and Error lernen wie gesunde und gehirngeschädigte Affen, jedoch etwas schneller.
Fir. 1C. Discrimination reversal korring set curve based on Trial 2 rejpccues: child.! :c.
2.3 Besondere Auffälligkeiten nach Trial and Error
Die Affen führten Trial and Error so oft durch, dass sie nach kurzer Zeit sehr schnell waren; beim ersten Mal rieten sie und wussten bereits beim zweiten Mal um die Problemstellung, so dass die Kurve zu Beginn recht schnell steil anstieg. Bei den letzten 56 Unterscheidungen (rechte Kurve) erreichten die Affen eine Trefferquote von 97% bereits beim zweiten Versuch pro Problemblock. Lediglich direkt am Beginn der Versuchsreihe erreichten sie nur knapp über 50%.
Auch durch diese Versuchsreihe wird nochmals deutlich, dass die Tiere nach und nach Einsicht erlernen und dass Learning Sets sich schnell entwickeln und eine große Effektivität erreichen können, da gegen Ende der letzten Versuchsserie es einige Affen geschafft hatten, 20 bis 30 Probleme hintereinander bereits beim zweiten Versuch zu lösen. Dieses Ergebnis weist große Ähnlichkeit zu der Studie mit Kindern von Dr. Margaret Kuenne auf.
3 Weiterführende Versuche zur Entstehung und Funktion von Learning Sets
Ein wesentlicher Effekt des Learning Sets besteht darin, dass für das Subjekt/den Affen anfänglich schwierige Probleme durch die Aneignung eines Learning Sets am Ende so einfach sind, dass sie sofort lösbar sind. „These data indicate the function of learning set in converting a problem which is initially difficult for a subject into a problem which is so simple as to be immediately solvable.“ (Harlow, 1949, S. 56) Das Learning Set ermöglicht es dem Organismus folglich, stetig wiederkehrende Alltagsprobleme quasi abzuhaken und eröffnet ihm damit die Freiheit, sich neuen, schwierigeren Problemen zu widmen.
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- Arbeit zitieren
- Jasmin Lienstädt (Autor:in), 2011, Zur Entstehung und Bedeutung von Learning Sets nach der Studie "The Formation of Learning Sets" von Harry Harlow, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1165000
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