Ist der Islam Religion und Staat zugleich? Wenn von den Begriffen Politik und Religion gesprochen wird, werden diese in der westlichen Welt als zwei nicht zusammenhängende Begrifflichkeiten gesehen, welche jeweils durch einen eigenen Entwicklungsprozess geformt wurden. In der modernen Gesellschaft verändern sich technische, philosophische, kulturelle, religiöse sowie politische Subsysteme rapide und erfordern dabei eine ebenso rasende Anpassung der Menschen an diese Veränderungen. Unter diesem Aspekt kann der Gedanke, dass die religiöse und politische Sphäre im Islam eine inhärente Einheit bilden könnten, als ein überholtes und unmodernes Konzept betrachtet werden.
Wenn von den Begriffen Politik und Religion gesprochen wird, werden diese in der westlichen Welt als zwei nicht zusammenhängende Begrifflichkeiten gesehen, welche jeweils durch einen eigenen Entwicklungsprozess geformt wurden. In der modernen Gesellschaft verändern sich technische, philosophische, kulturelle, religiöse, sowie politische Subsysteme rapide und erfordern dabei eine ebenso rasende Anpassung der Menschen an diese Veränderungen. Unter diesem Aspekt kann der Gedanke, dass die religiöse und politische Sphäre im Islam eine inhärente Einheit bilden könnten, als ein überholtes und unmodernes Konzept betrachtet werden. Doch ist der Islam Religion und Staat zugleich? Steckt dahinter eine Idee den Islam in die moderne Welt zu integrieren oder war die Ideologie bzw. der Glaubensinhalt des Islams schon immer darauf ausgelegt Religion und Staat zu umfassen? Zweifellos ist es absurd von dem Islam zu sprechen. Der Islam hat, wie alle Religionen, verschiedenste Ausprägungen und kann als Prozess gesehen werden, welcher in den unterschiedlichsten Varianten in der Bevölkerung auftritt und sich über die Zeit verändert hat (vgl. Elliesie 2010: S.51). Um ein Verständnis über die Entwicklung des Islams als Religion und die mögliche Entstehung eines politischen Systems zu bekommen, ist der historische Kontext bedeutsam, da die angemessene Bewertung einer aktuellen gesellschaftlichen und politischen Strömung erst unter der Kenntnis ihrer geistigen Traditionen erfolgen kann. Der islamische Glaube entwickelte neben seinem religiösen Hintergrund sogleich eine politische Epoche, weshalb eine Trennung, im Gegensatz zum Christentum, des religiösen Dogmas und dem politischen System heikel ist (vgl. Tibi 1993: S.87). Der Anspruch Mohammeds, der Prophet und Gesandter Gottes im Islam, bestand darin, dass eine Gemeinschaft geschaffen werden solle, die nur nach Gottes Wille, Regeln und Gesetz regiert wird. Somit galt der Prophet als geistiges, aber auch als politisches bzw. militärisches Oberhaupt. Durch den Tod Mohammeds stand die Frage offen, wer seinen Platz einnehmen solle bzw. wie die entstandene muslimische Gemeinschaft, die umma, weiterhin koordiniert und weiterentwickelt werden solle. Es kam zu politischen Auseinandersetzungen, Gewalt, Bürgerkriegen und der Entstehung des Kalifats, also das Reich des Nachfolgers von dem Gesandten Gottes. Es sollten dabei die Feinde des Islams und Andersgläubige vernichtet werden. Dabei muss erwähnt werden, dass dieses Vorgehen allein von den Menschen ausging, da dies keineswegs von dem Propheten überliefert wurde und somit auch nicht im Koran oder anderen islamischen Schriften niedergeschrieben wurde. Dies ist deshalb wichtig, da das Ziel die Gemeinschaft zu erhalten mit Mitteln beschützt wurde, die der Prophet ablehnte. In der Folge dessen entwickelte sich die islamische Rechtssprechung in unterschiedliche Glaubensrichtungen, die jeweils ihre eignen Rechtsschulen bildeten, die diese Rechtssprechung unterschiedlich interpretierten (vgl. Klußmann 2019: S.45ff.). Das islamische Recht ist in drei methodische Ansätze einzugliedern, die zum Teil liberal und offen gestaltet sind, doch auch im Gegensatz eine strenge und orthodoxe Ansicht vertreten. Der erste Ansatz gilt als am unflexibelsten und besteht daraus den Koran wortwörtlich zu verstehen und auf andere Rechtsquellen zu verzichten. Im zweiten Ansatz wird der Koran wie ein Gesetzestext behandelt. Dabei werden rechtliche Situationen in die Beziehung zu dem Koran gesetzt und verglichen. Bei Gesetzeslücken oder Unstimmigkeiten können weitere Rechtsquellen hinzugezogen werden. Der letzte Ansatz ist wohl am flexibelsten und geht davon aus den Sinn, unter der Berücksichtigung des Zeitalters, in dem der Koran verfasst wurde, kritisch zu betrachten. Dabei ist es möglich eine Übereinstimmung von islamischen Recht und modernen Menschenrechtsvorstellungen zu gewährleisten (vgl. Kalisch 2010: S.52f.). So ist zu erkennen, dass der Koran nicht nur eine spirituelle Schrift ist, sondern das politische Gemeinwesen miteinschließt und bis heute eine primäre Bezugsquelle für das politische Denken im Islam ist (vgl. Tibi 1993: S.88). Damit ist die Schari’a, also die Gesamtheit aller religiöser und rechtlicher Normen, das Ergebnis verschiedenster Interpretationen und nicht aus einem fest formulierten Gesetzbuch. Damit nahm der islamische Staat weiter Form an. Durch den Tod des dritten Kalifen Utman ibn Affan, der zu Lebzeiten eine einheitliche Kanonisierung des Korans durchführte, kam es zu weiteren politischen Entwicklungen und einem festgelegten Textkorpus, dem die umma bis heute folgt. Fast alle islamischen Kalifate, die nach dem Tod des Propheten herrschten, sahen sich als von Gott entsandte Nachfolger Mohammeds. Es bestand jedoch immer das Problem, vom frühen Mittelalter bis in die Renaissance, dass kaum jemals einer der Nachfolger von allem Muslimen als rechtmäßiger Herrscher anerkannt wurde. Dadurch geht die Saat des ersten Schismas mit der nachfolgenden Zersplitterung des islamischen Reiches in verschiedene Macht- und Einflusssphären auf. Trotz der Fragmentierung reichte das islamische Reichsgebiet eine Zeit lang von dem Balkan im Osten Europas und weit nach Asien bis nach China und Indonesien, sowie im Westen von Spanien über Marokko über die Sahara nach Timbuktu und im Osten Afrikas bis in den Sudan. Somit war das Territorium, in dem der Islam die vorherrschende Religion war, enorm groß. Die Schari’a entscheidete dabei was richtig und falsch war (vgl. Klußmann 2019: S.49ff.).
Doch wie ist dies vereinbar mit dem modernen Menschenrechtsgedanken? Kann der Islam mit diesem System sich in die aktuelle, individualisierte Welt eingliedern?
,,Der Islam ist ein organisches Religionssystem, das keine für sich unabhängige kirchliche Organisation des Religiösen zuläßt [sic!], zumal der Islam keine Unterscheidung zwischen dem dimi (dem Religiösen) und dem dinyawi (dem Weltlichen) kennt‘‘ (Tibi: S.90). In vielerlei Beziehung besteht kein Vergleich mehr zu den Menschen bzw. der Lebensweise der Menschen, die zu Lebzeiten des Propheten den Islam auslebten. Allein die Tatsache, dass der Begriff ,,Menschenrecht‘‘ in der islamischen Rechtstradition nicht existiert und entwürdigende, quälende Strafen, Ungleichbehandlung der Geschlechter, Einschränkung der Religionsfreiheit, Einschränkung der Meinungsfreiheit und Sklaverei mit den modernen Normen nicht übereinstimmen, sollte als Warnsignal gelten, die Einheiten nun getrennt voneinander zu entwickeln. Diese Ansicht wird teilweise heute noch von islamischen Juristen verteidigt, mit Ausnahme der Sklaverei. Um eine islamische Menschenrechtslehre zu entwickeln, gibt es Versuche des Islamic Councils die Islamische Deklaration der Menschenrechte zu etablieren. Dadurch soll angeregt werden, sich mit dem Menschenrechtsbegriff im traditionellen Islam auseinanderzusetzen und versucht eine Anpassung an universelle Menschenrechte zu formulieren (vgl. Kalisch 2010: S.60). Hinzu kommt, dass der Koran in einer Sprache verfasst wurde, die dem heutigen Hocharabisch kaum noch ähnelt. Was vor Rund 1400 Jahren einen Realitätsbezug aufwies, ist heute schwierig auf die entwickelten Erfahrungen und den Wissensstand zu übertragen. Dies soll keineswegs bedeuten, dass die Essenz des Korans falsch ist. Doch sind die niedergeschriebenen Normen ein Verständnis aus einer anderen Zeit, die durch ein modernes Verständnis von Gerechtigkeit ersetzt werden sollten (vgl. Klußmann 2019: S.45). Mit Blick auf diese genannten Tatsachen, zeigt sich, dass das Verhältnis von Politik und Religion teilweise im Einklang steht und kritisch betrachtet werden sollte. Dabei muss bei diesem Aktualitätsbezug beachtet werden, welches islamisch geprägte Land beleuchtet wird. Während sich beispielsweise die Türkei einem rigiden Laizismus verordnet hat, baut die politische Ordnung im Iran auf schiitisch-islamischen Fundamenten auf. In Saudi-Arabien, Jordanien und Marokko bestehen klare religiöse legitimierte dynastische Herrschaftsformen. Vor allem stützt die Argumentation auf dem System dieser zuletzt genannten Länder, um zu unterstreichen, dass die religiöse und politische Sphäre in manchen Ländern immer noch eine Einheit bilden.
Der erste Punkt, um diese Aussage zu begründen besteht darin, dass der historische Prozess, seit der politischen Führungsrolle des Propheten, ein Ideal einer Einheit von Politik und Religion aufzeigte. Es wurden religiöse und politische Funktionen vereint. Diese Funktionen sind mit den heutigen Staatsorganen selbstverständlich nicht zu vergleichen, der Prophet konnte eher als Schiedsrichter gesehen werden, der der umma offenbarte, war als richtig und falsch angesehen werden konnte. Somit wurden Streitschlichtung und religiöse Offenbarung verknüpft. So ist es auf der anderen Seite kein Leichtes, Mohammed als wirklichen Staatsmann zu titulieren und die Schari’a mit einem tatsächlichen politischen System zu vergleichen, dennoch hat sich im politischen Prozess die Grundalge, dass der Koran als Art Verfassung gesehen werden kann, nicht viel verändert. Die islamische Geschichte selbst zeigt, dass die Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Religion in jeder Epoche neu gestellt werden kann.
Um einen konkreteren Überblick zu bekommen und ein Fallbeispiel wie solch eine Art von einem politischen System aussieht, behandelt diese Arbeit das politische System und dessen Entwicklung in Marokko. Die Forderung seitens Islamisten die Schari’a zur verbindlichen Rechtsgrundlage des marokkanischen Staates zu erklären zeigt, dass die islamische Epoche Marokkos allgegenwärtig ist. Denn seit der Islamisierung Marokkos haben alle herrschenden Dynastien ihre politischen Entscheidungen mit dem Islam legitimiert und legten nahe nicht nur rationale Herrschaftsinteressen, sondern in erster Linie islamische Verpflichtungen einzuhalten. Dem Koran wird ein rechtsverbindlicher Charakter zugewiesen, die der Gesellschaft im Alltag ein islamisches Gemeinwesen vorgibt. Durch aus besteht in Marokko ein islamischer Gemeinsinn, deshalb stellt sich die Frage, ob die Politik in stärkerem Maße das Religionsverständnis bestimmt als die Religion das Politikverständnis. Dieses Gemeinschaftsbewusstsein gegenüber religiöser- und kulturbezogener Tradition erwies sich als Vorteil, um für die islamische Herrschaft in der marokkanischen Geschichte (vgl. Khallouk 2007: S.267f.). Marokko gilt als eine konstitutionelle Monarchie, wird jedoch auf allen Ebenen von der Religion beeinflusst. Dabei sollten staatliche Organe im künftigen Marokko ausschließlich nach rationalen Kriterien beschlossen werden. Unter dem Eindruck des Arabischen Frühling im Jahre 2011, wurde gesellschaftspolitische Neuerungen und mehr Demokratie gefordert. Dabei sollte der König teils seine Rechte verlieren. Anhand dieser Aufstände zeigt sich eine klare gesellschaftliche Ablehnung gegenüber der Legitimierung politischer Autoritäten mit religiösen Grundsätzen (vgl. Khallouk 2007: S.136ff.). Selbstverständlich ist die Historie Marokkos schwer kompakt zusammenzufassen, jedoch sollte durch dieses Exempel gezeigt werden, dass eine Einheit von Religion und Staat in der modernen, individualisierten Welt eine unzeitgemäße Ordnungsstruktur ist.
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- Citation du texte
- Maria Rasp (Auteur), 2021, Ist der Islam Religion und Staat zugleich? Religiöse und politische Sphäre des Islams, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1164610
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