Diese Arbeit beinhaltet vier schriftliche Analysen zu bekannten Gedichten aus der Epoche des Expressionismus - darunter "Die Dämmerung” (Alfred Lichtenstein), "Weltende" (Jakob van Hoddis), "Auf der Terrasse des Café Josty“ (Paul Boldt) und "Schöne Jugend“ (Gottfried Benn).
Die Analysen eignen sich perfekt zur Prüfungsvorbereitung, als Lernhilfe oder für ein tiefergehendes Verständnis des Texts und der expressionistischen Hintergründe. Der Hauptfokus liegt dabei auf den inhaltlichen Aussagen und den dahintersteckenden Intentionen der Autoren, die möglichst prägnant formuliert sind.
Inhaltsverzeichnis
„Die Dämmerung“ von Alfred Lichtenstein
„Weltende“ von Jakob van Hoddis
„Auf der Terrasse des Café Josty“ von Paul Boldt
„Schöne Jugend“ von Gottfried Benn
Gedichtanalyse - „Die Dämmerung“ (Alfred Lichtenstein)
Das Gedicht „Die Dämmerung“, geschrieben von Alfred Lichtenstein und veröffentlicht im Jahre 1913, handelt von den spontanen Beobachtungen und Vorstellungen des lyrischen Ichs zur Zeit der Abenddämmerung. Lichtensteins berühmtes und zugleich avantgardistisches Gedicht ist der neuzeitlichen Epoche des Expressionismus zuzuordnen. Der Expressionismus als solche Aufbruchsbewegung um 1900 stellt eine Art „Schwelle zur Moderne“ dar. Insbesondere der Hang zur „Ästhetik des Hässlichen“ sowie eine von Aufruhr und Chaos durchzogene Grundstimmung sind typisch für diese ausdrucksstarke Zeit. Im folgenden Aufsatz wird Lichtensteins Werk im Hinblick auf die äußere Form, Inhalt und Sprache analysiert.
Das Gedicht „Die Dämmerung“ selbst besteht aus drei Strophen mit insgesamt 12 Versen. Jede Strophe besteht aus vier Versen, stellt also ein Quartett dar. Das Reimschema Lichtensteins Werk beläuft sich auf einen durchgängigen Kreuzreim. Der im Gedicht vorliegende fünfhebige Jambus erzeugt in sämtlichen Strophen männliche und weibliche Kadenzen, die alternierend, also im Wechsel, auftreten (beginnend mit einer männlichen Kadenz im ersten Vers). Diese äußeren Rahmenbedingungen stützen den Inhalt des Gedichtes. Einer Auflistung ähnlich formuliert der expressionistische Autor vom ersten bis zum letzten Vers seine momentanen Beobachtungen in der nahen Umgebung. Dabei betrachtet er nicht nur die Personen in seinem direkten Sichtfeld, sondern auch deren Tätigkeit und die von ihnen ausgehenden Geräusche etc. Lichtenstein kombiniert diese Observationen ohne jegliche Reflexion mit weiteren Hinzufügungen und Vorstellungen, in etwa wenn er den Himmel als „verbummelt“ und „bleich“ beschreibt (V. 3). Die im Werk verwendeten rhetorischen Stilmittel geben dabei Aufschluss über die Deutung des Werkes. Der personifizierte Himmel erzeugt demnach ein gewisses Gefühl von Abstrusität und Widersinnigkeit beim Leser. Gleich zu Beginn führt Lichtenstein damit seine Leserschaft in eine paradoxe Grundstimmung ein, die im ferneren Verlaufe des Gedichtes noch weiter gesteigert wird. Im gesamten Werk setzt der Autor dabei auf den bekannten, damals neu aufkommenden Reihungsstil (auch Simultanstil oder Simultantechnik genannt). Lichtenstein etabliert sämtliche parataktische Sätze (bzw. Parataxen) und Parallelismen (vgl. V. 1f.), die ein monotones Schreibbild zur Folge haben und die Prägnanz sowie Ausdrucksstärke des Gedichtes erhöhen. Der Autor entfaltet durch dieses zusammenhanglose Vorhandensein unterschiedlicher sinnlich separierter Phrasen einen intuitiven und spontanen Bewusstseinsstrom, der ihm die Möglichkeit gibt, seine Gedanken funktional in das Schriftstück zu integrieren. Nicht zuletzt trägt dieses Vorgehen auch zu einem surrealistischen Gesamtbild und einer kontroversen Diskussion um die beabsichtigte Intention bei. Lichtenstein setzt während der Auslebung seines Schreibflusses des Weiteren auch zahlreiche Adjektive deskriptiver Funktion ein, die zudem häufig mit negativen Konnotationen belastet sind. Beispiele sind der „dicke[r] Junge“ (V. 1), der „graue[r] Clown“ (V. 11) oder aber auch der „fette[r] Mann“ (V. 9). Sämtliche dieser Adjektive erfüllen eine beitragende Funktion zur Lebendigkeit und zum obskuren beziehungsweise grotesken Gesamtbild des Gedichtes, da sie merkwürdige oder gar unwichtige Informationen bereitstellen. Vor allem aber repräsentieren die Adjektive schonungslos die Wirklichkeit. Die ungeschönte Realität und ihre „Ästhetik des Hässlichen“ treten hier in den Vordergrund. Mancher Leser befindet sich jedoch hin und hergerissen in einem Zwiespalt zwischen scheinbarer Lächerlichkeit (/Inhaltslosigkeit) des Beschriebenem und tatsächlich empfundener Atrozität gegenüber möglicherweise bedrohlichen Sachverhalten (Gedichte wie van Hoddis‘ „Weltende“ beinhalteten bspw. bedrohlich anmutende Elemente und stammen aus derselben literarischen Strömung). Das erweckte Paradoxon im Gefühl der Leserschaft und das Rätsel über den Sinn Lichtensteins Aussagen werden mittels weiterer Stilmittel ausgebaut. Die Verwendung des Neologismus beziehungsweise Oxymorons des „weiche[n] Weib[s]“ (auch als Alliteration) rufen beim Leser keine direkten Assoziationen hervor, weihen ihn dadurch letztlich aber noch tiefergehend in das verworrene Geflecht des Schriftstücks ein, wecken sein Interesse zum Weiterlesen und Hinterfragen und verursachen eine Einprägsamkeit der Textstelle von enormer Größe. Die in diesem Kontext gemeinte Prostituierte, die von einem jungen Herrn aufgesucht wird (vgl. V. 10), unterstreicht erneut die Zusammenhanglosigkeit und in diesem Sinne Unabhängigkeit eines jeden Verses im Werk. Doch auch weitere Auffälligkeiten in der Sprache tragen zu diesem Resümee bei. Beispielsweise der Diminutiv „Pferdchen“ [Hervorh. d. Verf.] (V.8). Diese Verniedlichungsform wirkt durchweg unpassend und wirft dem Leser unweigerlich die Frage über ihren Verwendungszweck auf. Zu nennen ist aber auch die generelle Verdinglichung beziehungsweise Deformation des Menschen (vgl. V. 9), welche letztendlich in eine Vertauschung von Belebtem und Unbelebtem beziehungsweise von Menschlichem und Tierischem gipfelt (vgl. V. 12). Unpassende Vergleiche wie „Als wäre ihm [dem Himmel] die Schminke ausgegangen“ (V. 4), Mutmaßungen wie „Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt“ (V. 7) oder der anfängliche Austausch einer Präposition („an“ zu „mit“) (vgl. V.1) sind Ausdruck lyrischer Verfremdungstechniken, die Einfluss auf die Wahrnehmung des Lesers haben. Vor allem der Präpositionsaustausch steht symbolisch für die Loslösung der Sprache von der Existenz realer Prinzipien. Ferner trägt ein implizit synästhetischer Aufbau im Gedicht zu einer Diversifikation der Beobachtungserfahrungen des lyrischen Ichs bei. Terme oder ganze Phrasen wie der gerade genannte Vers „Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen“ (V. 12) oder „der Himmel sieht verbummelt aus“ (V. 3) vereinen die Ansprache visueller und auditiver Reize. Dem Leser entstehen durch diese sinnesansprechenden Formulierungen Bilder und Vorstellungen der jeweiligen Lokation des lyrischen Ichs im Kopf; damit partizipiert der Leser an der Wahrnehmung des lyrischen Ichs. Weitere Stilmittel wie Enjambements (vgl. V. 5f.) haben insgesamt keine entscheidende Bedeutung für die Interpretation Lichtensteins Werk; meist haben sie eine ähnliche Funktion wie die bereits genannten Mittel, das heißt sie betonen zum Beispiel einen bestimmten Ausschnitt oder führen den Gedanken über die Versgrenze hinweg fort.
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- Citar trabajo
- Marvin Becker (Autor), 2020, Analysen expressionistischer Gedichte. "Die Dämmerung" (A. Lichtenstein), "Weltende" (Jakob v. Hoddis), "Auf der Terrasse des Café Josty" (P. Boldt) und "Schöne Jugend“ (G. Benn), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1164491
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