"Die Statistik belegt, dass Jugendliche, die in Haft beziehungsweise Jugendarrest waren,
eine höhere Rückfallquote aufweisen als diejenigen, die mit anderen Sanktionen bestraft
werden."
Das obige Zitat stammt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und bezieht sich
auf Forderungen seitens der Union, gewalttätige Jugendliche in "Jugendcamps" zu
internieren. Die Debatte wurde zu Weihnachten 2007 durch die so genannten
"Münchner U-Bahn-Schläger" angeheizt, im Verlauf dieser verlor Hessens
Ministerpräsident durch seine beispiellose Hetz- und Gewaltkampagne die
Landtagswahl in Hessen.
Gerade bei jugendlichen Straftätern im Alter von 14-17 Jahren kann noch von einer
Formbarkeit und Erziehbarkeit ausgegangen werden. Es müssen also Mittel und Wege
gefunden werden, die staatlichen Sanktionen bei Straftaten dieser Tätergruppe so
anzupassen, dass nicht alle Sozialisationschancen schon in so jungen Jahren verbaut
werden. Gerade die angesprochene Tätergruppe stammt meist aus dem sozialen
Randmilieu, sie ist geprägt von einem hohen Migrantenanteil, schlechter Bildung und
somit schlechten Bildungschancen und hoher Arbeitslosigkeit und findet sich zumeist in
den Vorstädten.
Was können noch härtere Sanktionen des Staates, das kompromisslose Ausnutzen seines
Gewaltmonopols, oder bei migrierten Jugendlichen die Abschiebung, bewirken? Den
jungen Menschen, die vor Allem durch ihr soziales Umfeld wie Familie, Bekannte oder
Freunde am Rande der Gesellschaft leben, werden so vom Staat alle Lebenschancen
genommen, obwohl gerade der Staat in Fällen, wo die Eltern dieser Kinder bei der
Erziehung versagen, eingreifen sollte. Die kriminellen, chancenlosen Kinder werden für
das Versagen ihrer Eltern betraft.
Die immer lauter werdenden Forderungen, vor allem von den christsozialen (!!!)
Parteien, nach mehr Punitivität im Strafrecht - also immer härtere Strafen und eine
Ausweitung der Sanktionen auf Erziehungs- und Bootcamps, wie seit ca. 1995 in den
USA zu beobachten - führt zu einer immer stärkeren Repressionspolitik gegenüber
straffälligen Jugendlichen. Diese können nur mit Rückzug, Frustration und weiterer
Kriminalität reagieren.
1. Einleitung
"Die Statistik belegt, dass Jugendliche, die in Haft beziehungsweise Jugendarrest waren, eine höhere Rückfallquote aufweisen als diejenigen, die mit anderen Sanktionen bestraft werden."[1]
Das obige Zitat stammt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und bezieht sich auf Forderungen seitens der Union, gewalttätige Jugendliche in "Jugendcamps" zu internieren. Die Debatte wurde zu Weihnachten 2007 durch die so genannten "Münchner U-Bahn-Schläger" angeheizt, im Verlauf dieser verlor Hessens Ministerpräsident durch seine beispiellose Hetz- und Gewaltkampagne die Landtagswahl in Hessen.
Gerade bei jugendlichen Straftätern im Alter von 14-17 Jahren kann noch von einer Formbarkeit und Erziehbarkeit ausgegangen werden. Es müssen also Mittel und Wege gefunden werden, die staatlichen Sanktionen bei Straftaten dieser Tätergruppe so anzupassen, dass nicht alle Sozialisationschancen schon in so jungen Jahren verbaut werden. Gerade die angesprochene Tätergruppe stammt meist aus dem sozialen Randmilieu, sie ist geprägt von einem hohen Migrantenanteil, schlechter Bildung und somit schlechten Bildungschancen und hoher Arbeitslosigkeit und findet sich zumeist in den Vorstädten.
Was können noch härtere Sanktionen des Staates, das kompromisslose Ausnutzen seines Gewaltmonopols, oder bei migrierten Jugendlichen die Abschiebung, bewirken? Den jungen Menschen, die vor Allem durch ihr soziales Umfeld wie Familie, Bekannte oder Freunde am Rande der Gesellschaft leben, werden so vom Staat alle Lebenschancen genommen, obwohl gerade der Staat in Fällen, wo die Eltern dieser Kinder bei der Erziehung versagen, eingreifen sollte. Die kriminellen, chancenlosen Kinder werden für das Versagen ihrer Eltern betraft.
Die immer lauter werdenden Forderungen, vor allem von den christsozialen (!!!) Parteien, nach mehr Punitivität im Strafrecht - also immer härtere Strafen und eine Ausweitung der Sanktionen auf Erziehungs- und Bootcamps, wie seit ca. 1995 in den USA zu beobachten - führt zu einer immer stärkeren Repressionspolitik gegenüber straffälligen Jugendlichen. Diese können nur mit Rückzug, Frustration und weiterer Kriminalität reagieren.
Sollte der Staat in diesem Fall nicht versuchen, Sanktionen anzuwenden, die den Jugendlichen die Möglichkeit geben können, über seine Taten nachzudenken, zu bereuen und einen Weg in die Mitte der Gesellschaft zurück zu finden, statt sie einfach nur wegzusperren?
Eine Möglichkeit, die leider immer noch nicht flächendeckend genutzt wird, ist der Täter-Opfer-Ausgleich, der gerade bei Heranwachsenden eine sehr gute Alternative zu herkömmlichen Strafoptionen bietet.
In dieser Arbeit werde ich die restitutive Sanktion des Täter-Opfer-Ausgleichs näher untersuchen, ich werde die Historie, seine Umsetzung und Effizienz überprüfen. Zum Vergleich führe ich die gleichen Untersuchungen für die retaliative Sanktion Jugendarrest, einer derzeitigen Strafoption im Jugendgerichtsgesetz JGG durch, und werde zum Ende der Arbeit die beiden Sanktionen miteinander vergleichen.
2. Retaliation: Der Jugendarrest
2.1. Definition, Beschreibung
Der Jugendarrest ist ein Freiheitsentzug. Er ist aber weder materiell noch formal mit dem rechtlichen Begriff Freiheitsentzug gleichzusetzen.
Dieser zeitweilige Entzug der persönlichen Freiheit ist eine Besonderheit aus dem dreispurigen Jugendgerichtsgesetz JGG. Dieses gilt für Jugendliche von 14 bis einschließlich 17 Jahren und gliedert sich formal in folgende drei Reaktionsstufen: -Erziehungsmaßregel
-Zuchtmittel
-Jugendstrafe.
Der Jugendarrest gehört in diesen Reaktionsfolgen zu den Zuchtmitteln und ist gemäß § 13 Abschnitt 1 JGG zu verhängen, "wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat." (Meyer-Höger, 1998, S.8) Der Jugendarrest ist also per Gesetz mit Verwarnungen und der Auflagenerteilung gleichzusetzen, die ebenfalls Zuchtmittel sind.
Der Jugendarrest wird nach §16 Absatz 1 JGG in Freizeitarrest, Kurzarrest und Dauerarrest unterteilt. Der Freizeitarrest muss in der "wöchentlichen Freizeit" des Delinquenten liegen und ist auf eine bis zwei Freizeiten begrenzt.
Aus dem Freizeitarrest wird der Kurzarrest, wenn es aus Erziehungsgründen zweckmäßig erscheint, Freizeitarreste zusammen zu ziehen und die Ausbildung und die Arbeit des Jugendlichen nicht beeinträchtigt wird. Die Höchstdauer des Kurzarrestes ist auf vier Tage festgelegt.
Der Dauerarrest ist mit einer Mindestdauer von einer Woche und einem Höchstmaß von vier Wochen im Gesetz verankert, "wobei innerhalb dieses Zeitraums auch eine Bemessung nach Tagen möglich ist." (Meyer-Höger, 1998, S.9)
Nach den allgemeinen Anwendungsrichtlinien ist der Jugendarrest anzuwenden, wenn eine Erziehungsmaßregel nicht ausreicht und eine Jugendstrafe noch nicht in Betracht kommt. Dem Jugendarrest soll eine positive Sozialprognose bzw. eine negative Rückfallprognose vorausgehen. Damit ist der Jugendarrest als positive, zweitrangig auch negative Individualprävention zu betrachten. Dem Delinquenten soll primär deutlich werden, dass seine Tat an der Grenze zur Jugendstrafe ist, und sekundär auch gezeigt werden, was ein Freiheitsentzug bedeutet.
Der Jugendarrest soll nach dem Urteil des BGH repressive, sühnende und erzieherische Elemente enthalten. Ziele sind neben dem Sühnen und Vergelten einer Tat auch die Besserung und die Abschreckung des straffälligen Jugendlichen. Der Freiheitsentzug soll möglichst ohne Eingriff in die Lebensführung des Täters stattfinden und eher als "Denkzettel" und durch seine Schockstrafe wirken. Der Jugendliche soll durch eine "eher kurze Intervention, zur Auseinandersetzung mit sich selbst veranlasst werden." (Meyer-Höger, 1998, S. 10)
2.2. Historischer Hintergrund
Bis 1923 gab es kein eigenständiges Jugendgerichtsgesetz, das für Straftäter im Alter von 14-17 Jahren galt. Vielmehr wurden die Vorschriften der strafrechtlichen Behandlung Jugendlicher aus dem Reichsstrafgesetzbuch vom 15.Mai 1871 - die Paragraphen §§ 55-57 RStGB - angewandt. Ab 1890 führten die Reformideen der Jugendgerichtsbewegung zu einer Diskussion um ein eigenes Jugendgerichtsgesetz und schließlich am 16. Februar 1923 zur Verabschiedung des JGG. Mit der Einsetzung des JGG wurde erstmalig die Erziehungsmaßregel als Ersatz der Strafe in den Vordergrund gestellt. (Meyer-Höger, 1998, S. 15)
Im Nationalsozialismus wurde das Jugendstrafrecht zunehmend als Instrument einer umfassenden Jugendkontrolle genutzt. Es wurde ab 1937 von den Nazis gründlich "modernisiert" und "reformiert", auf jeden Fall angepasst, und diente neben dem Jugendverfassungsrecht, dem Jugendarbeitsrecht und dem Jugenderziehungsrecht der nationalsozialistischen Ideologisierung der Jugend im Sinne des Regimes. Die Gesetzestexte wurden im Einklang mit der nationalsozialistischen Ideologie neu gestaltet und ausformuliert. So wurden:
- Strafen dem Wesen und Sinn als nach "Ehrenstrafen" umgedeutet,
- die Rassentheorie, die Kriminalbiologie und die sozialdarwinistische Erbbiologie in das JGG eingebettet,
- starke Betonung auf die Definierung von "unverbesserlichen geborenen Verbrechern", der Minderwertigkeit bestimmter Tätergruppen und die sozialdarwinistische Auslese der "Tüchtigen" gelegt,
- als primäre Aufgabe des Strafrechts der Schutz der Gemeinschaft und die Reinhaltung der Rasse gestellt,
- die Strafen im Gegensatz zur so genannten "Verweichlichung in der Weimarer Republik" eher verschärft,
- die Gesetzesprinzipien "Erziehen statt Strafe" durch Prinzipien nach dem Motto "Erziehen durch Strafe" abgelöst. (Meyer-Höger, 1998, S.37ff.)
Von den Nazis wurde ab 1940 erstmalig der Begriff "Zuchtmittel" eingeführt, und der Jugendarrest als eine von verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten definiert.
Nach dem Ende der NS-Herrschaft 1945 wurde von der Militärregierung Deutschland folgende Richteranweisung verfügt: "Im Rahmen dieser Anweisung sind die Bestimmungen des Reichsjugendgesetzes 1943 und die im Zusammenhang hiermit erlassenen Verordnungen und Verwaltungsanweisungen unter Beachtung der folgenden Einschränkungen anzuwenden. Nicht anwendbar sind Bestimmungen:
a) die Jugendliche wegen ihrer Rasse, Staatsangehörigkeit, Religion oder aus einem sonstigen Grund unterschiedlich behandeln,
b) die kriminalbiologische Untersuchungen vorsehen,
c) die militärische Erziehung oder Jugendschutzlager vorschreiben."
(Meyer-Höger, 1998, S.118)
[...]
[1] http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/600/150231/ am 77.9.2008
- Quote paper
- Jörg Trinks (Author), 2008, Retaliative und restitutive Möglichkeiten sozialer Kontrolle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116357
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