Wer eine Heimat besitzt, wird das als selbstverständlich hinnehmen und sich wenig damit auseinandersetzen. Oder wie Jean Améry treffend bemerkt: „Man muß Heimat haben um sie nicht nötig zu haben, (...) Heimat ist, reduziert auf den positiv- psychologischen Grundgehalt des Begriffs, Sicherheit.“
Genau diese Sicherheit fehlt den Protagonisten in den Werken Barbara Honigmanns, eine wichtige Vertreterin der Shoah-Literatur der Gegenwart. Ewig auf der Suche nach einem Platz der ihnen das Gefühl von Heimat vermitteln kann, treiben sie ruhelos von einem Ort zum nächsten, wählen freiwillig das Exil und haben dennoch größte Mühe sich damit zu arrangieren. Sie können weder bleiben noch gehen.
Heimat und Herkunft sind wesentlich verknüpft mit dem Identitätsbegriff. So kommt auch bei Honigmanns Figuren die Suche nach Heimat der Suche nach Identität gleich. Im Zentrum der Arbeit steht der Umgang mit dem Motiv der Heimatlosigkeit und die somit ewig andauernde Suche nach einer Art von Heimat, oder auch einem Heimatersatz, der Protagonisten in den Romanen Barbara Honigmanns. In wieweit diese Suche erfolgreich ist und sein kann wird dabei zu klären sein.
Die Merkmale dieser Literatur sollen herausgearbeitet werden, bevor im Einzelnen auf ausgewählte Romane Honigmanns eingegangen werden soll.
Inhalt
1. Einleitung
2. Shoah-Literatur der Gegenwart
3. Ausgewählte Werke Barbara Honigmanns
3.1 Roman von einem Kinde (1986)
3.2 Eine Liebe aus nichts (1991)
3.3 Soharas Reise (1996)
4. Schlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Was es bedeutet keine Heimat zu haben ist für viele nicht vorstellbar. Auch die schmerzliche Erfahrung aus der Heimat flüchten zu müssen um überleben zu können ist den Meisten erspart geblieben. Nicht so den Juden in Deutschland welche Zeugen der Shoah wurden. „Wer glaubt, eine Heimat gefunden zu haben, doch verstoßen oder zumindest eines anderen belehrt wird, sieht sie notwendigerweise mit ambivalenten Gefühlen und aus verschiedenen Perspektiven.“[1] Tief sitzen die alten Narben und das Gefühl der Heimatlosigkeit hat sich inzwischen auf viele ihrer Nachkommen übertragen. Dies spiegelt die Shoah-Literatur der sogenannten zweiten Generation in nachdrücklicher Weise wieder, was Hauptthematik der vorliegenden Arbeit sein soll.
Was genau ist gemeint wenn wir von Heimat sprechen? Joachim Riedl versucht eine Antwort darauf zu geben:
„Heimat ist eine Metapher, die vielen vieles bedeutet. Eine allgemeingültige und unwidersprochene Definition von Heimat gibt es nicht. (...)Heimat bildet eine gedankliche Klammer, die auseinanderdriftende Identitäten aneinander fesseln soll. (...) Das kollektive Bewusstsein einer Gemeinschaft prägt den jeweiligen Heimatbegriff aufgrund der jeweiligen Erfahrungen des Kollektivs.“[2]
Wer eine Heimat besitzt, wird das als selbstverständlich hinnehmen und sich wenig damit auseinandersetzen. Oder wie Jean Améry treffend bemerkt: „Man muß Heimat haben um sie nicht nötig zu haben, (...) Heimat ist, reduziert auf den positiv- psychologischen Grundgehalt des Begriffs, Sicherheit.“[3]
Genau diese Sicherheit fehlt den Protagonisten in den Werken Barbara Honigmanns, eine wichtige Vertreterin der Shoah-Literatur der Gegenwart. Ewig auf der Suche nach einem Platz der ihnen das Gefühl von Heimat vermitteln kann, treiben sie ruhelos von einem Ort zum nächsten, wählen freiwillig das Exil und haben dennoch größte Mühe sich damit zu arrangieren. Sie können weder bleiben noch gehen.
Heimat und Herkunft sind wesentlich verknüpft mit dem Identitätsbegriff. So kommt auch bei Honigmanns Figuren die Suche nach Heimat der Suche nach Identität gleich. Im Zentrum der Arbeit steht der Umgang mit dem Motiv der Heimatlosigkeit und die somit ewig andauernde Suche nach einer Art von Heimat, oder auch einem Heimatersatz, der Protagonisten in den Romanen Barbara Honigmanns. In wieweit diese Suche erfolgreich ist und sein kann wird dabei zu klären sein.
Die Merkmale dieser Literatur sollen herausgearbeitet werden, bevor im Einzelnen auf ausgewählte Romane Honigmanns eingegangen werden soll.
2. Shoah-Literatur der Gegenwart
Die sogenannte zweite und inzwischen auch dritte Generation unter den Autoren der Shoah-Literatur, hat im Gegensatz zur ersten Generation, selbst keine wirklichen Erfahrungen mit der Shoah, kennt sie also nur aus Erzählungen der Eltern oder Großeltern, dem Schulunterricht oder Medienberichten. „Ihr Schreiben über die Shoah kann mithin nicht mehr beanspruchen, was das Werk der Älteren prägte: Authentizität.“[4] Dennoch haben die Nachwehen der Shoah, Auswirkungen auf ihr Leben, sind sie durch ihre Eltern und Großeltern, sowie deren Lebensweise geprägt. Diese Prägung spiegelt sich in ihren Werken, welche sozusagen die „Nachgeschichte der Shoah literarisch verarbeiten und damit auch mitgestalten.“[5] Das ist in sofern von großer Wichtigkeit, als dass die Erinnerung an die Shoah nicht mit ihren Zeitzeugen ausstirbt, sondern von der nachfolgenden Generation aufrecht erhalten wird. Hofmann spricht hier von einem literarischen Modell, „das sich kritisch-destruktiv an den konventionellen Formen und Gattungen orientiert,“[6] und somit den tiefen Einschnitt verdeutlicht, den die Shoah hinterlassen hat.
Es kommt in dieser neuen deutsch- jüdischen Literatur[7] zu einer Reihe von weiteren Merkmalen. Sie tauchen bei Autoren wie Barbara Honigmann (*1949), Doron Rabinovici (*1961), Gila Lustiger (*1963), Robert Menasse (*1954), Robert Schindel (*1944) und vielen weiteren Vertretern dieser Literatur, immer wieder auf. Kein geschlossenes Erzählkontinuum und eine fragende, oft kritische Auseinandersetzung mit den Eltern gehört bei vielen dieser Autoren dazu. Ein häufiger Vorwurf an die Eltern ist, „dass sie selbst im Kreis der Familie selten oder nie über ihre Shoah-Erlebnisse sprachen, den Kindern damit ihr Judentum vorenthielten.“[8]
Dieses Verhalten der Eltern, bringe ihre Kinder dazu, ihr Jüdischsein als einen Makel zu betrachten über welchen man besser nicht spricht und somit „die latent antisemitischen Zuschreibungen der Gesellschaft zu übernehmen.“[9] So demonstriert die nachfolgende Generation in ihren Werken oft ihr Jüdischsein, rückt jüdische Namen, Orte, Traditionen plakativ in den Vordergrund.[10]
Im Gegensatz zur Literatur der ersten Generation ist die Shoah bei der zweiten Generation nicht mehr Zentralthema sondern rückt mehr an den Rand des Geschehens. Sie wird deshalb aber nicht unwichtiger, sondern bestimmt nur etwas unscheinbarer, wenn auch nicht weniger wirksam das Leben ihrer Protagonisten; beschreibt die Auswirkungen der Shoah also genauso wie sie von der zweiten Generation in ihrer Gegenwart wahrgenommen werden. „Die Shoah steht zwar nicht mehr als historisches Ereignis im Mittelpunkt, aber die junge Generation erfährt bald, dass es unmöglich ist, die Erinnerung zu verdrängen.“[11] So ist sie stets von einem Gefühl der Heimatlosigkeit begleitet.
Michael Hofmann setzt sich in seiner Literaturgeschichte der Shoah mit der deutsch-jüdischen Konstellation bei Ruth Klüger und Martin Walser auseinander: „Der Unterschied zwischen einem Deutschen und einer Jüdin, so erklärt Klüger, liege darin, dass auch der linksintellektuelle Deutsche aus einem Gefühl der fraglosen Identität schreibe und handele, während die Jüdin Heimat nur als verlorene denken könne.“[12]
Trotz vieler Verschiedenheiten und unterschiedlicher Vorgehensweisen, weisen die Autoren der Shoah- Literatur der Gegenwart, laut Steinecke in ihren Werken einige gemeinsame Merkmale auf:
„Sie streben nicht danach, ein bestimmtes Bild von der Shoah zu vermitteln, sondern geben eine Vielzahl von Bildern aus unterschiedlichen Perspektiven; sie entwickeln kein geschlossenes Erzählkontinuum, dass den Eindruck einer Sinnstiftung von Geschichte erwecken könnte; und sie beziehen durchweg die gegenwartsebene der Schreibenden und deren Position in der jeweiligen nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft ein.“[13]
Des weitern trägt die meiste deutsch- jüdische Literatur (in mehr oder weniger großem Rahmen) deutliche biographische Züge, insbesondere auch bei Barbara Honigmann. Sie wehrt sich jedoch dagegen, dass ihre Romane als rein biographisch angesehen werden: „Ich möchte gern in meiner Eigenart des Schreibens und nicht in meiner Eigenart des Lebens wahrgenommen werden.“[14] Und weiter: „Ich will mich weder verbergen noch will ich mich enthüllen. Ich hätte gerne, dass man die Kunstleistung wahrnimmt und einfach nicht immer diese verwandelte Wirklichkeit zurückzerrt.“[15] Diese verwandelte Wirklichkeit ist wohl eines der wichtigsten Charakteristiken von Honigmanns Schreiben, in welchem die Erfahrung des Exils (laut Karen Remmler „das Leitmotiv in Honigmanns Schreiben schlechthin“[16] ) und das damit verbundene Gefühl von Heimatlosigkeit, immer leitmotivischen Charakter hat. Dies soll in den folgenden Kapiteln, welche sich mit drei ihrer literarischen Werke beschäftigen verdeutlicht werden.
[...]
[1] Reich-Ranicki, Marcel: Über Ruhestörer. Juden in der deutschen Literatur, Stuttgart 1989, S.18.
[2] Riedl, Joachim in: Riedl, Joachim (Hg.): Heimat. Auf der Suche nach der verlorenen Identität, Wien 1995, S. 8f.
[3] Ebd., S. 13.
[4] Eke, Norbert Otto und Steinecke, Hartmut: Shoah in der deutschsprachigen Literatur, Berlin 2006, S. 135.
[5] Hofmann, Michael: Literaturgeschichte der Shoah, Münster 2003, S. 130.
[6] Ebd., S. 23.
[7] Dieser längere Zeit diskutierte und umstritten Ausdruck, hat sich inzwischen in der Forschungsliteratur etabliert: „Das so umstrittene Adjektiv deutsch-jüdisch ist hier weniger problematisch als in anderen Phasen der Literaturgeschichte, eben weil es nicht nur eine biographische Zuschreibung, sondern auch eine zentrale Thematik und ein Spezifikum vieler Texte bezeichnet.“ Steinecke in: Eke und Steineck. S. 139.
[8] Ebd. S. 138.
[9] Ebd.
[10] Vgl. Ebd.
[11] Ebd. S. 140.
[12] Hofmann, S. 134.
[13] Steinecke, Hartmut: Literatur als Gedächtnis der Shoah, Paderborn 2005, S. 29f.
[14] Honigmann, Barbara: Das Gesicht wiederfinden. Über Schreiben, Schriftsteller und Judentum, München, Wien 2006, S. 39.
[15] Stuiber, Peter: Muss man sich wirklich erinnern? Ein Gespräch mit der Schriftstellerin Barbara Honigmann. In: Wiener Zeitung vom 5. 11. 1999. Zitiert aus: Obermeyer, Daniela: Das Vermächtnis der Vergangenheit- Literatur der zweiten Generation nach der Shoah, Erlangen 2005, S. 41.
[16] Remmler, Karen: Orte des Eingedenkens in den Werken Barbara Honigmanns, in: Gilman, Sander und Steinecke, Hartmut (Hg.): Deutsch- Jüdische Literatur der Neunziger Jahre, Berlin 2002, S. 43.
- Quote paper
- M.A. Lilian Ziehler (Author), 2006, Die Suche nach Heimat als Motiv in der Shoahliteratur der Gegenwart am Beispiel Barbara Honigmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116289
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