Ziel dieser Arbeit ist es, Unternehmen Handlungsempfehlungen für die Einführung von fahrerlosen Transportsystemen, kurz FTS, auszusprechen und die nächsten notwendigen Schritte für die Implementierung aufzuzeigen. Darüber hinaus wird eine Prozessstrategie für die Einführung von fahrerlosen Transportsystemen in der Intralogistik von KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie entwickelt. Diese Prozessstrategie soll kleine und mittelständische Unternehmen dieser Branche in die Lage versetzen, fahrerlose Transportsysteme effizient und wirtschaftlich zu implementieren und hierdurch ihre Intralogistik in Bezug auf Industrie 4.0 auf die nächsthöhere Stufe zu heben.
Im theoretischen Teil der Arbeit werden relevante Reifegrad- und Vorgehensmodelle ermittelt und dargestellt, die für die Umsetzung von Industrie 4.0-Technologien notwendig sind. Darauf aufbauend werden problemzentrierte Interviews mit Experten aus Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie durchgeführt und auf Basis der gewonnenen Aussagen und Erkenntnisse der Befragten Handlungsempfehlungen entwickelt.
Industrie 4.0 besitzt größtes Potenzial, die Effizienz, Produktivität und Flexibilität in produzierenden Unternehmen zu steigern. Doch gerade kleinst-, kleine und mittelgroße Unternehmen hinken bei der Digitalisierung und Umsetzung von Industrie 4.0-Technologien hinterher. Dies gilt auch für KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie und ihre Intralogistik. Da die Intralogistik keinen wertschöpferischen Beitrag im Unternehmen leistet, empfiehlt sich der Einsatz fahrerloser Transportsysteme, um als Unternehmen wirtschaftlicher und effizienter zu arbeiten, am globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben und wirtschaftliche Vorteile generieren zu können.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Ausgangssituation & Problemstellung
1.2 Bekannte Herausforderungen
1.3 Forschungsfrage & Zielsetzung
1.3.1 Hauptforschungsfrage
1.3.2 Sub-Forschungsfragen
1.3.3 Ziele
1.3.4 Nicht-Ziele
1.4 Aufbau & Methodik
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 Begriffsdefinitionen & Abgrenzung
2.2 Fahrerlose Transportsysteme
2.2.1 Aktuelle Epoche der FTS
2.2.2 FTS in der kunststoffverarbeitenden Industrie
2.2.3 FTS in der Intralogistik von KMU
2.2.4 Voraussetzungen für den Einsatz von FTS
2.3 Reifegradmodelle
2.3.1 Status quo in der kunststoffverarbeitenden Industrie
2.3.2 Industrie 4.0 Maturity Index
2.3.3 Reifegradmodell für Intralogistik Industrie 4.0 (RILI40)
2.4 Vorgehensmodelle
2.4.1 Leitfaden Industrie 4.0
2.4.2 Generisches Vorgehensmodell der TU Darmstadt
3 EMPIRIE
3.1 Begründung der Forschungsmethode
3.2 Das problemzentrierte Interview
3.3 Qualitative Inhaltsanalyse
3.4 Detaillierte Vorgehensweise dieser Arbeit
4 ERGEBNISSE
4.1 Beantwortung der Sub-Forschungsfragen
4.1.1 Sub-Forschungsfrage 1
4.1.2 Sub-Forschungsfrage 2
4.1.3 Sub-Forschungsfrage 3
4.1.4 Sub-Forschungsfrage 4
4.2 Beantwortung der Hauptforschungsfrage
4.3 Prozessstrategie & Handlungsempfehlungen
4.3.1 Bestimmung des Reifegrades
4.3.2 Vorbereitungsphase
4.3.3 Analysephase
4.3.4 Ideengenerierungsphase
4.3.5 Bewertungsphase
4.3.6 Umsetzungsphase
4.4 Beitrag der Arbeit und Learnings
4.5 Limitation
4.6 Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anhang A: Werkzeugkasten Industrie 4.0 -Intralogistik
Anhang B: Ablauf des generischen Vorgehensmodells der TU Darmstadt
Anhang C: Transkribierte Interviews
Anhang D: Kodierleitfaden
Anhang E: Kategorienbildung
Kurzfassung
Industrie 4.0 besitzt größtes Potenzial, die Effizienz, Produktivität und Flexibilität in produzierenden Unternehmen zu steigern. Doch gerade kleinst-, kleine und mittelgroße Unternehmen hinken bei der Digitalisierung und Umsetzung von Industrie 4.0-Technologien hinterher. Dies gilt auch für KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie und ihre Intralogistik. Da die Intralogistik keinen wertschöpferischen Beitrag im Unternehmen leistet, empfiehlt sich der Einsatz fahrerloser Transportsysteme, um als Unternehmen wirtschaftlicher und effizienter zu arbeiten, am globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben und wirtschaftliche Vorteile generieren zu können.
Im theoretischen Teil der Arbeit werden relevante Reifegrad- und Vorgehensmodelle ermittelt und dargestellt, die für die Umsetzung von Industrie 4.0-Technologien notwendig sind. Darauf aufbauend werden problemzentrierte Interviews mit Experten aus Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie durchgeführt und auf Basis der gewonnenen Aussagen und Erkenntnisse der Befragten Handlungsempfehlungen entwickelt.
Ziel dieser Arbeit ist es, den befragten Unternehmen Handlungsempfehlungen für die Einführung von fahrerlosen Transportsystemen, kurz FTS, auszusprechen und die nächsten notwendigen Schritte für die Implementierung aufzuzeigen. Darüber hinaus wird eine Prozessstrategie für die Einführung von fahrerlosen Transportsystemen in der Intralogistik von KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie entwickelt. Diese Prozessstrategie soll kleine und mittelständische Unternehmen dieser Branche in die Lage versetzen, fahrerlose Transportsysteme effizient und wirtschaftlich zu implementieren und hierdurch ihre Intralogistik in Bezug auf Industrie 4.0 auf die nächsthöhere Stufe zu heben.
Schlagwörter: Prozessstrategie, fahrerlose Transportsysteme, KMU, kunststoffverarbeitende Industrie, Reifegrad- & Vorgehensmodelle
Abstract
Industry 4.0 has great potential to increase efficiency, productivity, and flexibility. However, small, and medium-sized enterprises in particular are lagging behind in the digitalization and implementation of Industry 4.0 technologies, especially in the plastics processing industry and its intralogistics. As intralogistics is an area of the company with no added value, the use of automated guided vehicles is recommended to make the company more economical and efficient, to remain competitive in a global marketand to generate economic benefits.
In the theoretical part of the thesis, relevant maturity degree and process models that are necessary for the implementation of Industry 4.0 technologies are determined and presented. Based on the results, problem-centred interviews with experts from companies in the plastics processing industry are conducted and recommendations for action are developed based on the statements of the respondents.
The aim of this paper is to provide the participating companies with recommendations for the implementation of automated guided vehicles and to identify the next necessary steps. Furthermore, a process strategy for the implementation of automated guided vehicles in the intralogistics of small and medium-sized enterprisesin the plastics processing industry is being developed. This process strategy should enable small and medium-sized enterprises in this sector to implement automated guided vehicles efficiently and economically, taking their intralogistics to the next level in relation to Industry 4.0.
Keywords: Process strategy, automated guided vehicles, SMEs, plastics processing industry, maturity & process models
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich während meiner Studienzeit begleitet und unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt der Studiengangsleiterin FH-Prof. Mag. (FH) Dr. Judith Klamert-Schmid sowie meinem Betreuer Dipl.-Ing. Gerhard Käfer, welche mir bei der Erstellung dieser Arbeit zur Seite standen.
Weiteres gilt mein Dank auch allen Interviewpartnern, die es mir ermöglicht haben, den empirischen Teil dieser Arbeit durchzuführen. Ich danke diesen für die bereitgestellte Zeit, sowie für das entgegengebrachte Verständnis, welches durch die derzeitige Pandemie vonnöten war.
Selbstverständlich gilt auch meiner Freundin, meiner Familie und meinen Kommilitonen ein großer Dank für den emotionalen Rückhalt und deren größtmöglicher Unterstützung während besonders zeitintensiven und anspruchsvollen Phasen des Studiums.
1 EINLEITUNG
Im ersten Kapitel der Arbeit wird auf die Problemstellung und Ausgangsituation, auf bekannte Herausforderungen und auf die damit verbundene Forschungsfrage und daraus resultierende Ziele eingegangen. Vervollständigt wird dieses Kapitel durch die Schilderung des Aufbaus und die angewandte Methodik.
1.1 Ausgangssituation & Problemstellung
Die vierte industrielle Revolution, auch 4IR abgekürzt, besitzt großes Potenzial sowohl zur Steigerung der Effizienz und Produktivität, als auch zur Anhebung des Flexibilitätsgrades eines produzierenden Unternehmens (vgl. Wurst 2020, S. 34). Der zwischenbetrieblichen Logistik wird bereits in Form von Logistik 4.0 und den hiermit verbundenen Industrie 4.0 Technologien Aufmerksamkeit geschenkt. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei allerdings klar auf den interunternehmerischen Aufgabenbereichen, also dem Transport, dem Umschlag und der Lagerung zwischen verschiedenen Partnern entlang der Wertschöpfungskette. Die Intralogistik, also die innerbetriebliche Logistik in einem Unternehmen, und die Implementierung von Industrie 4.0 Technologien, wird in der Logistik 4.0 nur spärlich behandelt. (vgl. Göpfert 2019, S. 370)
Es gilt jedoch als erwiesen, dass die Intralogistik ein ebenso großes Potenzial zur Steigerung der Produktivität und Optimierung der logistischen Prozesse birgt. Immerhin stellt eine gut funktionierende, flexible und effiziente Intralogistik den Material- und Informationsfluss innerhalb eines Betriebes sicher, und ermöglicht so eine optimal funktionierende, kundenorientierte und termintreue Lieferkette. (vgl. Freitag et al. 2015, S. 20)
Da interne Logistikprozesse in der Regel nicht zur Wertsteigerung eines Produkts beitragen, ist eine effiziente Gestaltung der Intralogistik essenziell, um am als Unternehmen langfristig am globalen Markt bestehen bleiben und entscheidende wirtschaftliche Vorteile generieren zu können. (vgl. Kumbhar et al. 2018, S. 254)
Dies trifft auch auf die Kunststoffbranche bzw. im Speziellen auf die kunststoffverarbeitende Industrie zu, da beispielsweise Spritzgießmaschinen auf Grund von niedrigen Taktraten und Mehrfach-Kavitäten einen besonders hohen Output liefern können. Eine entsprechend große Menge an Fertigteilen oder Halbteilen muss hierdurch fortlaufend von den Maschinen zu einem Lagerplatz verbracht werden. (vgl. Risse 2012, S. 64)
Wie in Betrieben mit hoher Anlagenintensität üblich, wird meist im Drei-Schicht-Betrieb gefertigt. Infolgedessen muss eine Verbringung der produzierten Ware oft sogar 24/7, teils auch an Wochenend- und Feiertagen erfolgen. (vgl. Dispan und Mendler 2020, S. 85f). Zudem weichen Spritzgießzyklus und Montagetakt oft voneinander ab, das Resultat ist ein erhöhter Aufwand in der Intralogistik, um Halbteile kontinuierlich in ein Pufferlager zu verbringen. (vgl. SERVUS Intralogistics GmbH 2020)
Vor allem Klein- und Mittelbetriebe (KMU) weisen derzeit ein Defizit bei der Planung und Einführung von cyber-physischen Systemen, kurz CPS, auf. Dies trifft sowohl auf smarte Produktionstechnologien zu als auch auf die bereits zuvor erwähnte Intralogistik. Zurückzuführen ist dies auf die ursprünglich hohen Initial- und Implementierungskosten, verursacht durch eine notwendige individuelle Entwicklung, das fehlende Know-how über die Implementierung und die komplexe Evaluierung der Benefits. (vgl. Prötsch-jechtl 13.08.2019, S. 4) Im Vordergrund stehen hierbei allerdings immer eine fehlende Digitalisierungs-Strategie bzw. eine fehlende Prozessstrategie zur Implementierung von 4IR-Technologien. (vgl. Schiffer et al. 2019, S. 339)
Um den nicht wertschöpfenden Anteil der Intralogistik zu minimieren und ihn ökonomischer und effizienter zu gestalten, empfiehlt sich der Einsatz fahrerloser Transportsysteme. Diese ermöglichen einen kontinuierlichen Zu- und Abtransport von Halb- und Fertigteilen bei gleichzeitiger Einsparung an Personalkosten. Ebenso entfallen Ruhezeiten oder Zulagen für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsschichten. (vgl. Kumbhar et al. 2018, S. 254)
1.2 Bekannte Herausforderungen
Die Herausforderungen, vor denen die kunststoffverarbeitende Industrie steht, sind vielfältig. Diese reichen betreffend Nachhaltigkeit und Umweltschutz von Ressourceneffizienz und Recycling bis hin zu Kreislaufwirtschaft. Daneben stellen die digitale Transformation und das Aufkommen neuer Geschäftsmodelle, sowie der hiermit verbundene Wandel der Arbeitswelt die Branche derzeit und auch künftig vor große Herausforderungen. Hinzu kommt die steigende Wettbewerbsintensität und der damit verbundene Preisdruck durch die voranschreitende Globalisierung. (vgl. Dispan und Mendler 2020, S. 103f)
Digitalisierung und Vernetzung und die Einführung der Industrie 4.0 stellen weitere Anforderungen an Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrien. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie werden unter anderem die Mitarbeiterakzeptanz, die Verfügbarkeit von Fachpersonal, und der schnelle Wandel der Technologie und deren Implementierung als besonders herausfordernd empfunden. (vgl. Moser et al. 2017, S. 24)
Auch die Reduktion der Losgrößen, hervorgerufen durch Variantenvielfalt und den Kundenwunsch nach Individualisierung übt Druck auf die kunststoffverarbeitende Industrie aus, da dies unweigerlich zu einer Erhöhung der Produktionsvorgangszahlen führt. Trotz kleinerer Losgrößen und Individualisierung gilt es, die Produktionskosten möglichst gering zu halten und künftig weiter zu minimieren, gleichzeitig aber die Flexibilität zu erhöhen, um Produktionsvorgänge weiterhin zu beherrschen. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 3)
Um FTS erfolgreich in die vorhandene Intralogistik implementieren zu können, ist es notwendig, alle beeinflussenden Faktoren zu analysieren, zu bewerten und anschließend Ideen zur Lösung vorhandener Herausforderungen zu generieren. Meist halten hohe Initialkosten KMU von einer Anschaffung ab, da eine Nutzenanalyse zeitintensiv und komplex ist. Die Amortisationszeit fällt in der Regel allerdings geringer als gedacht aus, da ein großer Anteil an manueller Arbeit eingespart werden kann. Die Abklärung der räumlichen Gegebenheiten sowie die Bodenbeschaffenheit und existierende Neigungen von Rampen und Transportwegen stellt eine weitere Herausforderung dar, da große Umbaumaßnahmen erforderlich werden können. Generell gilt, je größer die betriebliche Fläche respektive der damit verbundene Arbeitsraum der FTS, desto komplexer und zeitaufwändiger gestaltet sich auch die Programmierung der FTS. Zu guter Letzt stellen auch die Einstellung der Mitarbeiter zu neuen Technologien und Systemen sowie die Wartung wichtige Faktoren dar. (vgl. Kumbhar et al. 2018, S. 256)
1.3 Forschungsfrage & Zielsetzung
1.3.1 Hauptforschungsfrage
Die sich aus der Problemstellung ergebende Forschungsfrage lautet:
Welche Modelle eignen sich zur Entwicklung einer Prozessstrategie für die Implementierung von
FTS in der Intralogistik von KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie?
1.3.2 Sub-Forschungsfragen
Die sich hieraus ergebenden Sub-Forschungsfragen lauten:
1. Welche für produzierende KMU spezifische Methoden zur Entwicklung einer Prozessstrategie können der existierenden Literatur entnommen werden?
2. Welche Voraussetzungen (digitaler Reifegrad) müssen im Rahmen der Digitalisierung im jeweiligen Unternehmen erfüllt sein?
3. Welche individuellen Ansprüche hat die kunststoffverarbeitende Industrie an die Intralogistik?
4. Welche Anforderungen an FTS in der Intralogistik bringen KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie mit sich?
1.3.3 Ziele
Ziel dieser Arbeit ist es, eine Prozessstrategie zur Implementierung von FTS in der innerbetrieblichen Logistik von kleinen und mittelständischen Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie zu entwerfen bzw. zweckdienliche Methoden aufzuzeigen.
Durch eine solche effiziente und wirtschaftliche Prozessstrategie sollen KMU der Kunststoffbranche die Möglichkeit erhalten, ihre Intralogistik auf die nächsthöhere Stufe im Sinne der Industrie 4.0, bzw. im spezifischen Fall auf Intralogistik 4.0 anzuheben.
Ebenso sollen im Zuge der Arbeit die notwendigen Phasen zur Implementierung von FTS beleuchtet, die Voraussetzungen für die Durchführung einer derartigen Digitalisierung in Form eines Reifegrades ermittelt, und die Anforderungen von KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie erarbeitet werden.
1.3.4 Nicht-Ziele
Ziel dieser Arbeit ist es nicht, bei der Auswahl verschiedener Arten, Technologien und Aufbauten von FTS zu unterstützen bzw. auf die technischen Herausforderungen während der Implementierung einzugehen. Des Weiteren hat diese Arbeit nicht zum Ziel, bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung zu unterstützen.
1.4 Aufbau & Methodik
In diesem Kapitel werden der Aufbau der Arbeit und die methodische Vorgehensweise, mit der die Haupt- und Sub-Forschungsfragen erarbeitet bzw. beantwortet werden sollen, vorgestellt.
Der erste Teil der Arbeit ist einer Literaturstudie in Form einer systematischen Literaturrecherche mit vordefinierten Schlüsselbegriffen zur Ermittlung des derzeitigen State of the Art gewidmet. Hierbei gilt es sowohl Themenbereiche wie fahrerlose Transportsysteme und Reifegradmodelle als auch Vorgehensmodelle vorzustellen. Die gesammelte Literatur soll hierbei einen spezifischen Charakter aufweisen und sich an KMU bzw. produzierende Unternehmen wenden. Um besonders zeitgemäße und relevante Literatur zu recherchieren, wird der Suchzeitraum auf die letzten 3 Jahre begrenzt und bei Bedarf auf die letzten 6 Jahre erweitert. Der Fokus liegt hierbei auf Literatur in Form von Journalen, Tagungsbänden, Fachzeitschriften und Studien, aber auch Monografien, sollten diese aktuell genug sein.
Im Zuge des ersten Teils soll die erste und zweite Sub-Forschungsfrage mithilfe der aus der Literaturrecherche gewonnenen Erkenntnisse beantwortet werden. Ziel des ersten Teils der Arbeit ist es somit Vorgehensmodelle zur Implementierung von fahrerlosen Transportsystemen, welche sich zum Einsatz in KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie eignen, aufzuzeigen. Des Weiteren sollen besagte Unternehmen mithilfe der vorgestellten Reifegradmodelle in die Lage versetzt werden den Reifegrad des Unternehmens bzw. den Reifegrad der Intralogistik zu bestimmen und hieraus notwendige Voraussetzungen für die Implementierung von FTS abzuleiten.
Im zweiten Teil der Arbeit findet die empirische Untersuchung statt, diesich an einem qualitativen Forschungsdesign orientiert. Den Ausschlag für ein qualitatives Forschungsdesign gab die derzeitig existierende Literatur, da diese nicht auf die Besonderheiten bzw. die Kombination von KMU und der kunststoffverarbeitenden Industrie eingeht. Um die individuellen Ansprüche der kunststoffverarbeitenden Industrie sowie die Anforderungen von KMU aus dieser Branche zu ermitteln, werden problemzentrierte Interviews nach Witzel mit Führungskräften aus besagter Branche durchgeführt. Hierzu wird ein Leitfaden erstellt, derzum einen als Gedächtnisstütze dient und zum anderen die Vergleichbarkeit der Interviews sicherstellt. Der Leitfaden besteht aus einem Kurzfragebogen sowie aus vorformulierten Leit- und Unterfragen sowie Ad-hoc-Fragen. Die Gespräche werden mit Hilfe von Tonträgeraufzeichnung festgehalten und anschließend transkribiert.
Die Auswertung wird anschließend anhand einer qualitativen, strukturierten Inhaltsanalyse nach Mayring systematisch bearbeitet und durch eine interpretative Analyse detailliert kodiert und kategorisiert. Eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise kann dem Kapitel „Detaillierte Vorgehensweise dieser Arbeit“ entnommen werden.
Die Erkenntnisse aus der empirischen Forschung werden genutzt, um die beiden letzten SubForschungsfragen zu beantworten. Zum einen werden hierbei die spezifischen Anforderungen von KMU an FTS, zum anderen branchenspezifische Anforderungen widergespiegelt. Schlussendlich werden die Ergebnisse aus den Sub-Forschungsfragen genutzt, um die Hauptforschungsfrage zu beantworten. Das Ergebnis der Arbeit ist eine Prozessstrategie zur Implementierung von FTS in der Intralogistik von KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie verbunden mit Handlungsempfehlungen.
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
In diesem Kapitel werden für die Arbeit essenzielle bzw. nicht allgemein gebräuchliche Begriffe erläutert und deren Definitionen wiedergegeben. Zudem wird falls nötig eine Abgrenzung der jeweiligen Begriffe vorgenommen.
2.1 Begriffsdefinitionen & Abgrenzung
Definition kleine & mittlere Unternehmen - KMU
Nach der Empfehlung der EU, sollen mit der Abkürzung „KMU“ sowohl Kleinst-, als auch Klein- und mittelgroße Unternehmen angesprochen werden. Im Amtsblatt der EU-Kommission werden folgende entscheidende Kriterien festgehalten: Jahresumsatz oder Jahresbilanz und die Anzahl der Beschäftigten. Pauschal werden Unternehmen als KMU bezeichnet, wenn diese unter 250 Mitarbeiter beschäftigen und höchsten 50 Mio. Euro Umsatzerlös oder weniger als eine Bilanzsumme von 43 Mio. Euro aufweisen. (vgl. 2003/361/EG vom 20.05.2003)
Definition Industrie 4.0
Auf die Mechanisierung durch Wasser- und Dampfkraft, gefolgt von der Elektrifizierung und Computerisierung folgt Industrie 4.0, die vierte industrielle Revolution. Diese Stufe setzt vor allem auf Digitalisierung bei gleichzeitiger Vernetzung mit dem Ziel einer signifikanten Steigerung von Flexibilität, Individualisierung und Verbesserung der Wertschöpfung. Eine eindeutige Definition für Industrie 4.0 gibt es nicht. Laut Roth (2016) beschreibt Industrie 4.0 die Vernetzung aller menschlichen und maschinellen Akteure über die komplette Wertschöpfungskette hinweg, bei gleichzeitiger Digitalisierung von Daten und deren potenzieller Auswertung in Echtzeit. (vgl. Roth 2016, S. 5f)
Definition Logistik
Unter dem modernen Logistikbegriff werden alle logistischen Prozesse vereint. Zur Logistik zählen also alle Transport- und Lagerungsprozesse, aber auch zugehörige Be- und Entladetätigkeiten, sowie der Umschlag und das Kommissionieren von Waren. Der Begriffan sich lässt hierbei allerdings keinen Rückschluss auf den Standort der Prozesse zu. (vgl. Tempelmeier 2018, S. 1)
Definition Intralogistik
Die Intralogistik umfasst in Abgrenzung zur Logistik nur innerbetriebliche logistische Aufgaben an einem Betriebsstandort. Die Intralogistik wird in der Literatur auch als Betriebs-, Werks- oder Standortlogistik betitelt. (vgl. Gudehus 2012, S. 5)
Definition fahrerlose Transportsysteme - FTS
Unter fahrerlosen Transportsystemen, kurz FTS, wird nach der aktuellen Fassung der VDI- Richtlinie 2510 ein flurgebundenes System verstanden, das den innerbetrieblichen Materialtransport automatisch gesteuert ausführt. Vom Service- und Transportsystem (STS) ist es klar abzugrenzen, da Letzteres Dienstleistungen für den Menschen erbringt. (vgl. VDI 2510, S. 6)
Definition Prozessstrategie
Unter Prozessstrategie versteht man ein Konzept zur Erreichung eines in der Zukunft liegenden geplanten Zustands, ausgehend von einem aktuellen Ausgangspunkt. Die Prozessstrategie kann hierbei einem oder auch mehreren Prozesszielen folgen. (vgl. ibo Glossar 2021)
Definition Reifegrad (Digitalisierung)
Der digitale Reifegrad, im Sinne der digitalen Transformation bzw. Digitalisierung, stellt ein Messinstrument zur Ermittlung des aktuellen Unternehmensstatus hinsichtlich der bereits erreichten Stufe der digitalen Transformation dar. Es handelt sich hierbei um eine qualitative Bewertungsmethode, die je nach angewandtem Modell mehrere verschiedene Bewertungskriterien enthält. (vgl. Appelfeller und Feldmann 2018, S. 13)
2.2 Fahrerlose Transportsysteme
Fahrerlose Transportsysteme sind ein wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation der Intralogistik dar, da sie einen automatisch gesteuerten oder gar gänzlich autonomen innerbetrieblichen Materialtransport ermöglichen. Hierbei bewegen sich die Transportsysteme durch die eingesetzte Sensorik zur Standortbestimmung und Lageerfassung berührungslos durch ihre Umgebung. Dieser Begriff sowie dessen Definition ist mit dem englischen „Automated Guided Vecicle“, kurz AGV, gleichzusetzen. (vgl. VDI 2510, S. 6)
Wie bei den meisten treibenden Technologien, existiert eine Vielzahl an verschiedenen Bauformen von FTS, die sich je nach Anwendungsgebiet, Anforderungen und Branche stark unterscheiden. FTS werden hierbei nach der typischen Last wie in etwa Palette, Anhänger oder Rollcontainer unterschieden, oder aber nach der verwendeten Sensortechnik. Während sich für den Transport von Paletten beispielsweise Gabelhub- und Huckepack-FTF eignen, werden Schlepper-FTF zum Ziehen von Anhängern eingesetzt. Weitere Modellarten sind Systeme auf Basis von Schienen sowie Unterfahr-FTF zum Transport von Rollcontainern. (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 73)
2.2.1 Aktuelle Epoche der FTS
Die vierte und aktuelle Epoche der FTS begann ungefähr im Jahre 2010. Anders als vorangegangene Epochen, baut die vierte auf der dritten Epoche auf, statt diese zu ersetzen. Die erste Epoche der FTS begann 1953 in Amerika, dauerte knapp zwanzig Jahre und beinhaltete erste, einfachste Spurfolgetechniken und taktile Sensoren. In Europa konnten FTS das erste Mal im Jahre 1956 angetroffen werden. Hierbei handelt es sich um einfache Fahrzeuge, welche einer Farbmarkierung am Boden folgen konnten. In der zweiten Epoche wurde vor allem die Elektrifizierung und Automatisierung des FTS fortgesetzt. Statt optischen Spurfolgetechniken wurde zunehmend auf eine induktive Spurführung mittels Drahtes im Boden gesetzt. Eine Effizienzsteigerung konnte dank leistungsstarker Elektronik und Mikroprozessoren so wie verbesserter Batterietechnik erzielt werden. Zu einer verstärkten Nachfrage kam es vor allem in der Automobilindustrie. Durch die Rezession 1980 wurde die Weiterentwicklung von FTS stark gebremst. Schließlich wurde die zweite Epoche 1990 durch die Dritte abgelöst, welche sich vor allem auf die Etablierung von technologischen Standards konzentrierte. Gefestigte Märkte und geschaffene technologische Standards sorgten für einen zunehmend lukrativeren Charakter von FTS durch sinkende Initial- und Implementierungskosten bei gleichzeitig zeiteffizienterer Implementierung. Die Errungenschaften der dritten Epoche bilden hierbei das maßgebende Fundament für die aktuelle vierte Epoche. (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 2-19)
Zudem spielt die Mensch-Maschinen-Interaktion in der vierten Epoche eine immer größer werdende Rolle, so dass FTS zunehmend in den Dienstleistungsbereich vordringen. Ein möglicher und teilweise bereits realisierter Anwendungsbereich ist in etwa der Koffertransport im Hotel oder Flughafen, die Bodenreinigung in Einkaufszentren, oder Hilfestellungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Unter dem Begriff Service-und Transportsystem, kurz STS, werden hierbei klassische FTS mit der Servicerobotik vereint. (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 20)
Bezüglich der Mensch-FTF-I nteraktion sei dennoch erwähnt, dass der Fokus der aktuellen Weiterentwicklung von FTF auf deren Problemlösungskompetenz und die Interaktion ausgerichtetist. Damit Mensch und Maschine tatsächlich Hand in Hand arbeiten können, dies gilt auch für die Produktionsumgebung , wird derzeit an verschiedenen Konzepten geforscht, welche keine Programmierkenntnisse erfordern. Als intuitive Möglichkeiten werden hierbei die Steuerung des FTF durch Blicke, Gesten und Sprachbefehle genannt. Das Institut für integrierte Produktion Hannover setzt hierbei auf den Einsatz von Datenbrillen, die die Blickrichtung des Anwenders erfassen und zusätzlich über ein Mikrofon die Eingabe von Sprachbefehlen ermöglicht. (vgl. Seel 2020, S. 42)
Da diese Arbeit den Fokus auf die kunststoffverarbeitende Industrie und den damit verbundenen innerbetrieblichen Materialtransport legt, wird der Bereich der Mensch-Maschinen-Interaktion weitgehend vernachlässigt, ebenso wie der Service- und Dienstleistungsbereich.
2.2.2 FTS in der kunststoffverarbeitenden Industrie
In der kunststoffverarbeitenden Industrie wird bereits auf eine Vielzahl verschiedener Fördertechniken und -systeme zurückgegriffen. Rohmaterial wird sowohl bei großen als auch bei kleinen Unternehmen über starre Rohrleitungen durch Vakuum selbstständig von Spritzgussmaschinen aus Silosangesaugt. Rohmaterial in Sackware ist hingegen nur noch selten anzutreffen. Dies ist auf den Einzug von Industrie 4.0 Technologien zurückzuführen, da diese eine einfache Wartung, Messung des Verbrauchs und Steuerung des Rohmaterials zulassen. (vgl. Holmes 2018)
Bei den produzierten Halb- oder Fertigteilen handelt es sich in der Regel um Stückgut, welches durch unstetige, aber auch stetige Fördermittel abtransportiert werden kann. Während große Unternehmen auf Grund der hohen Taktraten von Spritzgussmaschinen häufig auf stetig fördernde Systeme wie starre Förderbänder zurückgreifen, setzen kleinere Betriebe auf flexiblere unstetig fördernde Mittel wie manuelle Gabelstapler, Wägen oder Schlepper. Die Zukunft liegt hier in der Industrie 4.0 aber ganz klar bei FTS, da diese smart gesteuert werden und deshalb besonders flexibel und sogar autonom reagieren können. (vgl. Hofmann 2019)
Große kunststoffverarbeitende Unternehmen wie in etwa Procter & Gamble machen vor, wie die Produktion und Fertigung von elektrischen Zahnbürsten mit Hilfe von FTS zur Gänze automatisiert werden konnte. Mit Hilfe von FTS gelang es hier unter anderem 110 Spritzgießmaschinen und weitere Bereiche wie Montage, Kamerakontrolle und finale Funktionsprüfung zu verketten. Das Unternehmen entschied sich hierbei zum Einsatz von Gabelhub-FTF, da diese für den Transport von Paletten bestens geeignet und in diesem Fall universell einsetzbar sind. (vgl. Rahner 2019, S. 30-39)
Anders entschied sich hingegen die Thyssenkrupp Plastics GmbH, denn diese setzt in ihrem Werk auf FTS in Form von schienengebundenen Transportrobotern. Mit ihnen gelang es, Spritzgussmaschinen, Verpackungsstationen und Montageautomaten zu verknüpfen. Das Unternehmen ging hierbei sogar noch einen Schritt weiter und verbaute mit Hilfe der Firma Schunk Knickarmroboter auf den schienengebundenen Transportrobotern. Der Knickarmroboter erledigt einfache Veredelungsaufgaben, Qualitätsprüfungen oder Kommissionierungen während der Fahrt und verwandelt so den Transport in einen wertschöpferischen Prozess. (vgl. Ferrara und Kriegl 2015, S. 234)
Auch dem Kunststoffverschlusshersteller Georg MENSHEN GmbH & Co. KG gelang der Einstieg in FTS bereits im Jahre 2018. Während hier 130 Spritzguss- und Montagemaschinen ca. 12-16 Millionen Verschlüsse täglich in Form von Schüttgut produzieren, sorgen FTF für den Abtransport bzw. Weitertransport der Paletten. Leere Paletten werden anschließend wieder zu den Spritzgussmaschinen verbracht, um dort erneut beladen zu werden. Auch dieses Unternehmen setzt hierbei auf die vielseitig einsetzbaren Gabelhub-FTF. Es handelt sich allerdings nur um eine teilautomatisierte Lösung, da nicht alle Gänge zwischen den Spritzgussmaschinen befahrbar sind. Die FTF steuern stattdessen eingerichtete Übergabeflächen, auch Bahnhöfe genannt an, dieals Schnittstelle zwischen Mitarbeiter*innen und Transportfahrzeugen dienen. (vgl. Ullrich und Albrecht 2019b, S. 31f)
2.2.3 FTS in der Intralogistik von KMU
Der steigende internationale Wettbewerb durch fortschreitende Globalisierung, standortbedingte wirtschaftliche Nachteile und die gleichzeitig wachsende Forderung nach immer höheren Qualitätsstandards und Nachhaltigkeit setzen Klein- und Mittelbetriebe unter Druck und zwingen sie zur Produktivitätssteigerung durch Automatisierung im Sinne der Industrie 4.0. Mittelständische Unternehmen zeigen allerdings eine gewisse Skepsis, da der wirtschaftliche Nutzen angezweifelt wird bzw. es an Erfahrung für die Umsetzung derartiger Projekte fehlt. (vgl. Matt et al. 2016, S. 52-55)
Vor allem für KMU ist die Intralogistik stark ausschlaggebend, da der innerbetriebliche Transport zwar für das Durchlaufen der Wertschöpfungskette unabdingbar ist, der Prozess selbst allerdings keinen Mehrwert schafft und Kunden deshalb nicht mehr bereit sind für diese Kosten aufzukommen. Da die Kosten für Arbeitskräfte in Wirtschaftsländern wie Österreich stetig steigen, gilt es vor allem für KMU, ihre Prozesse effizient zu halten und die Kosten so weit wie möglich zu senken. (vgl. Kumbhar et al. 2018, S. 254)
Durch den technologischen Fortschritt, insbesondere in der Sensorik, stehen mittlerweile zahlreiche standardisierte Lösungen für FTS zur Verfügung. Diese eignen sich vor allem zum Einsatz in KMU, da sie durch ein Baukastenprinzip kostengünstiger in der Anschaffung sind und eine Implementierung zeiteffizienter erfolgen kann. (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 20)
Um auch Klein- und Mittelbetriebe zu erreichen, arbeiten viele Hersteller, darunter auch das Institut für integrierte Produktion in Hannover, seit Anfang 2020 an FTS nach dem Baukastenprinzip. Durch das Baukastensystem soll eine FTS-Basis individuell erweiterbar sein und flexibel auf besondere Gegebenheiten abgestimmt werden können. Gleichzeitig soll durch vorprogrammierte Module eine aufwändige Konfiguration durch Fachpersonal entfallen. Ein Plug- and-Play System für FTS bietet KMU großes Potenzial, um auf diese fortschrittliche Technologie zurückzugreifen. (vgl. K-Zeitung 2020)
2.2.4 Voraussetzungen für den Einsatz von FTS
Um FTS erfolgreich einführen zu können ist allerdings nicht nur eine funktionierende Prozessstrategie und Projektplanung vonnöten, sondern auch das Einhalten gewisser Voraussetzungen. Zwar sind Voraussetzungen hersteller- und modellspezifisch unterschiedlich, allgemeine Grundvoraussetzungen können aber dennoch abgeleitet werden.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen störungsfreien Einsatz von FTS ist die Bodenbeschaffenheit. Dies gilt vor allem bei Implementierung in existierende Betriebsgelände. Der Fahrbahnbelag sollte eine hohe Druckfestigkeit sowie einen Haftreibungskoeffizienten zwischen 0,6 und 0,8 aufweisen. Eine weitere Grundvoraussetzung für ein präzises Navigieren stellt die Ebenheit des Bodens dar. Des Weiteren gilt es, Steigungs- und Gefällestrecken zu beachten, da diese vom Fahrzeugantrieb bzw. bezüglich der Bremskraft beherrschbar sein müssen. Ebenso muss ein Kippen der Ware vermieden und ein Übergangsradius von ca. 25m eingehalten werden. Eine gewisse Sauberkeit und regelmäßige Reinigung runden die Voraussetzungen an die Fahrbahn ab. (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 108f)
Aufzüge, sowie Türen und Tore können schnell zu einem unüberwindbaren Hindernis für FTS werden. Es gilt diese Hindernisse aus dem Weg zu schaffen oder eine Kompatibilität mit FTS herzustellen. Wichtig ist es, diese Aspekte bereits in der Planung zu berücksichtigen, (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 113)
Auch das Zusammenspiel zwischen FTS und Mitarbeiterinnen ist zu beachten, vor allem dann, wenn Schnittstellen zwischen diesen bestehen oder sich sogar die Wege geteilt werden (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 114-115). Zudem sollten Mitarbeiterinnen zwingend in den Planungsprozess einbezogen werden, um die Akzeptanz zu erhöhen und rechtzeitig geschult und qualifiziert werden, (vgl. Ullrich und Albrecht 2019a, S. 115f)
2.3 Reifegradmodelle
Im Zuge der Literaturrecherche konnten zahlreiche Reifegradmodelle zur Ermittlung des aktuellen Unternehmensstatus der digitalen Transformation in Hinsicht auf Industrie 4.0 ermittelt werden. Die weitverbreitetsten Modelle werden in nachstehender Tabelle 1 : Auflistung der recherchierten Reifegradmodelle aufgelistet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Auflistung der recherchierten Reifegradmodelle (Quelle: Eigene Darstellung)
In den weiteren Abschnitten werden die Reifegradmodelle vorgestellt, die am geeignetsten für die Bewertung der Intralogistik in Hinsicht auf Industrie 4.0 erscheinen. Auf die Vorstellung des Reifegradmodells „Industrie 4.0 Readiness“ wurde verzichtet, da sich dieses auf den Maschinen- und Anlagenbau spezialisiert hat und sich aufgrund dessen nicht explizit mit KMU bzw. produzierenden Unternehmen oder der kunststoffverarbeitenden Industrie beschäftigt (vgl.
Lichtblau et al. 2015, S. 10). Auch das „Reifegradmodell Industrie 4.0“ von Timothy Kaufmann bietet nur einen allgemeinen Zugang und legt hierbei den Fokus vor allem auf Geschäftsmodelle und IoT (vgl. Kaufmann 2015, S. IX). Ebenso wird auf die Vorstellung des „Industry 4.0 Maturity Model”, welches im Rahmen einer Diplomarbeit an der Technischen Universität Wien entstanden ist verzichtet, da bei diesem Reifegradmodell zwar produzierende Unternehmen im Fokus stehen, der Autor aber selbst auf den weiteren Forschungsbedarf und die zu generischen Indikatoren verweist (vgl. Schumacher 2015, S. 116).
2.3.1 Status quo in der kunststoffverarbeitenden Industrie
Die kunststoffverarbeitende Industrie sieht sich derzeit vor allem mit zwei Megatrends konfrontiert. Auf der einen Seite steht hierbei die Digitalisierung und Vernetzung, sowie die damit verbundene Bewegung in Richtung Industrie 4.0, auf der anderen Seite der Umweltschutz und Nachhaltigkeit bis hin zur Realisierung einer Kreislaufwirtschaft. (vgl. Dispan und Mendler 2020, S. 7)
Bereits in den letzten Jahrzehnten war in der Kunststoffbranche ein starker Trend in Richtung Automatisierung erkennbar. Sowohl Großunternehmen als auch KMU weisen bereits einen hohen Automatisierungsgrad und damit eine gute Grundlage für die Industrie 4.0 auf. Durch Digitalisierung und Vernetzung können zudem wertvolle Daten zur Prozesssteuerung, Qualitätskontrolle sowie zur Produktions- und Unternehmensprozessen und deren Auswertung gesammelt werden (vgl. Dispan und Mendler 2020, S. 49f). Die Vorteile der digitalen Transformation haben bis jetzt nur wenige Unternehmen der Branche erkannt, eine explizite Digitalisierungsstrategie wird in den meisten Unternehmen vermisst (vgl. Dispan und Mendler 2020, S. 51f).
Das hier vor allem bei KMU der kunststoffverarbeitenden Industrie ein Aufholbedarf herrscht zeigt eine Studie der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE. Laut dieser Studie betrachtet sich die Mehrheit aller Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie als Einsteiger in die Digitalisierung (vgl. Hutapea und Malanowski 2019, S. 4f). Hierbei handelt es sich um Stufe 2 von 5 innerhalb der Digitalisierung. Unter Einsteiger ordnet die Studie Unternehmen ein, welche bereits erste digitale Anwendungen eingeführt und Routineprozess teilweise automatisiert haben. (vgl. Hutapea und Malanowski 2019, S. 29)
Hinsichtlich der Intralogistik und Lagerlogistik in KMU, befinden sich noch häufig nur manuelle Flurförderfahrzeuge wie Hubwagen und Gabelstapler im Einsatz. Immerhin setzen aber bereits viele Firmen auf eine Lagerverwaltung mittels ERP-System oder ein separates WMS-System. Generell existieren allerdings große Unterschiede in den Entwicklungsständen zwischen KMU, die in weiten Teilen nach wie vor auf manuelle Abwicklung setzen, und der Großindustrie, die Vollautomation und Digitalisierung bereits gemeistert hat. (vgl. Aßmus 2017, S. 5)
2.3.2 Industrie 4.0 Maturity Index
Bei diesem Reifegradmodell handelt es sich dank des Updates im Jahr 2020 um ein besonders aktuelles Modell. Dieses sechsstufige Reifegradmodell, welches einen Nutzenzuwachs je Entwicklungsstufe verspricht und sich auf produzierende Unternehmen fokussiert, hilft bei der Erstellung einer passgenauen Roadmap zur Einführung bzw. Implementierung von Industrie 4.0 Technologien. Der Industrie 4.0 Maturity Index kann als durchaus bewährt angesehen werden, da er bereits von zahlreichen Unternehmen genutzt und umgesetzt wird. (vgl. Schuh et al. 2020, S. 7)
Durch die Betrachtung des Unternehmens aus technologischer, organisatorischer und kultureller Perspektive, unterstützt das Reifegradmodell die Transformation zu einem lernenden und agilen Unternehmen. Phase 1 startet hierbei mit der Ermittlung des Status quo durch Analyse der Zielstellung sowie der Ausgangssituation. Darauf aufbauend gilt es in Phase 2 die im Unternehmen fehlenden Fähigkeiten für eine erfolgreiche Implementierung zu bestimmen. Dies geschieht durch eine Gap-Analyse, welche die vorhandenen und benötigten Fähigkeiten gegenüberstellt. Dies gilt es auch im Zuge der Planung bzw. der Erstellung der digitalen Roadmap zu berücksichtigen, um sämtliche Handlungsfelder festhalten zu können. Phase 3 widmet sich der Identifikation von konkreten Maßnahmen in Korrelation zu den aufgezeigten Handlungsfeldern in der vorangegangenen Phase. Die Autoren verweisen hierbei auch explizit auf die Wichtigkeit einer schrittweisen Einführung, um den Erfolg zu garantieren. Der soeben beschriebene Prozess wird in Abbildung 1 veranschaulicht. (vgl. Schuh et al. 2020, S. 15f)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vorgehen zur Einführung von Industrie 4.0 - Industrie 4.0 Maturity Index (Quelle: Schuh et al. 2020, S. 15)
Um Technologien der Industrie 4.0 in einem produzierenden Unternehmen einsetzen zu können, sind Computerisierung und Konnektivität, wie in Abbildung 2 ersichtlich, Grundvoraussetzungen. Während in der Stufe Computerisierung Informationstechnologien nur isoliert eingesetzt werden, so werden besagte Technologien in der Stufe Konnektivität vernetzt angewendet. Mit Konnektivität in produzierenden Unternehmen kann hier die Vernetzung des Shopfloors mit ERP- Systemen oder auch die automatisch und in Echtzeit stattfindende Übermittlung von Daten an ein MES assoziiert werden. (vgl. Schuh et al. 2020, S. 18)
Wie aus dem Status quo in der kunststoffverarbeitenden Industrie hervorgeht, haben Unternehmen die Computerisierung aber auch die Vernetzung bereits vollständig oder teilweise gemeistert.
Durch Sensoren sollen in der dritten Stufe, der Sichtbarkeit, möglichst viele Prozesse des Unternehmens abgebildet und mit Daten unterstützt sichtbar gemacht werden. Dies ist Voraussetzung für die Erstellung eines „digitalen Schattens“, ein jederzeit aktuelles und digitales Modell eines Unternehmens. Dieses hilft dem Management datenbasierte Entscheidungen zu treffen und hilft darüber hinaus bei der Vorbereitung auf die hierauf aufbauenden Entwicklungsstufen. Hierbei gilt es Daten nicht mehr isoliert zu sammeln, sondern Vorgänge und Zustände unternehmensweit zu erfassen und Nutzen zu können. (vgl. Schuh et al. 2020, S. 19)
In der vierten Stufe, als Transparenz des Entwicklungspfades bezeichnet, gilt es Wirkungszusammenhänge zu erkennen und zu interpretieren. Da hierbei große Datenmengen analysiert werden, wird der Einsatz von Big-Data-Anwendungen anstelle herkömmlicher Business-Analytics-Verfahren empfohlen. Aufgrund der gesammelten und analysierten Daten aus den vorherigen Stufen, kann in der nächsten Stufe, der Prognosefähigkeit, ein Zukunftsszenario simuliert werden. Dies ermöglicht das rechtzeitige Treffen von Entscheidungen und eine Minimierung von Störungen durch eine gewonnene Vorwarnzeit. (vgl. Schuh et al. 2020, S. 20)
Die letzte Stufe des sechsstufigen Modells ist die Adaptierbarkeit. Durch eine kontinuierliche Adaptierung soll das Unternehmen in die Lage versetzt werden Entscheidungen dem implementierten IT-System zu überlassen. Das System kann auf Grund der Datenlage nun Selbstoptimierungen autonom und ohne menschliches Zutun durchführen. Ein Beispiel hierfür wäre die Vorhersage von drohenden Maschinenausfällen oder von Lieferverzögerungen. (vgl. Schuh et al. 2020, S. 21)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.3 Reifegradmodell für Intralogistik Industrie 4.0 (RILI40)
Ein weniger bekanntes Reifegradmodell, welches aberspeziell für die Intralogistik von Maximilian Perndorfer im Zuge einer Diplomarbeit an der technischen Universität Wien erstellt wurde, stellt eine wertvolle Möglichkeit der Vertiefung bei der Implementierung von FTS dar. Der Autor des Reifegradmodells für Intralogistik Industrie 4.0 (RILI40) verspricht eine genauere Messung des Reifegrads als mit derzeit frei verfügbaren Modellen bei gleichzeitig einfacher Anwendung. Hierbei setzt das RILI40 Modell auf insgesamt sieben Reifegraddimensionen: Strategie, Führung und Organisation, Mitarbeiter, Connected Supply Chain, Data Driven Logistics, Smart Warehousing and Transportation und Smart Operations. (vgl. Perndorfer 2019, S. III)
Die Bestimmung des Reifegrades für die standortspezifische Intralogistik in Hinsicht auf Industrie 4.0 erfolgt durch die Beantwortung eines standardisierten Fragebogens. Im ersten Teil des Fragebogens gilt es die Reifegrade des Unternehmens in den jeweiligen Dimensionen zu bestimmen. Der zweite Teil dient der Gewichtung der Reifegraddimensionen und soll die Wichtigkeit der einzelnen Dimensionen widerspiegeln. (vgl. Perndorfer 2019, S. 130)
Anhand des Fragebogens erfolgt die Einordnung in die vordefinierten Reifegradstufen bestehend aus: Außenstehender, Einsteiger, Aufsteiger, Fortgeschrittener und Experte (vgl. Perndorfer 2019, S. 38). Anschließend können auf Grund der Soll- und Ist-Bewertung je nach Indikator Handlungsempfehlungen abgeleitet werden (vgl. Perndorfer 2019, S. 91).
In folgender Auflistung werden die Reifegradstufen erläutert:
- Reifegradstufe 0 - Außenstehender
In die Reifegradstufe Null werden all jene Unternehmen eingeordnet, die keinerlei Anforderungen in Bezug auf Industrie 4.0 erfüllen. (vgl. Perndorfer 2019, S. 38)
- Reifegradstufe 1 - Einsteiger
Unternehmen, die sich bereits an das Thema Industrie 4.0 annähern, werden in die erste Reifegradstufe eingeordnet. Hierzu muss sich eine Industrie 4.0 Strategie zumindest in Planung befinden, es sollte erste Pilotprojekte geben, die sich in der Planungs- oder Umsetzungsphase befinden; der Informationsaustausch findet zum größten Teil noch über proprietäre Schnittstellen statt. (vgl. Perndorfer 2019, S. 39)
- Reifegradstufe 2 - Aufsteiger
Unternehmen, die die Bedeutung von Industrie 4.0 erkannt und bereits eine Führungskraft für derartige Projekte abgestellt haben, werden in die zweite Reifegradstufe eingeordnet. Für diese Stufe müssen zudem erweiterte Kompetenzen im Bereich Industrie 4.0 vorhanden sein. Zusätzlich werden Unternehmensdaten zentral abgelegt, der Wert von IT-Sicherheit wurde erkannt und im Unternehmen werden zur Nachverfolgbarkeit Technologien wie Auto-ID eingesetzt. Bereits in dieser Stufe können FTS für erste Transporte eingesetzt werden. (vgl. Perndorfer 2019, S. 39)
- Reifegradstufe 3 - Fortgeschrittener
In der dritten Reifegradstufe wird die Zuständigkeit auf ein Projektteam ausgedehnt, ebenso wie die Bereitschaft zur Investition in alle relevanten Bereiche. Im Unternehmen besteht umfassendes Wissen zu Industrie 4.0, es existiert eine standardisierte Schnittstelle, welche alle IT-Systeme, Maschinen und Anlagen des Unternehmens vernetzt und FTS werden für bereits für hochfrequentierte Förderstrecken eingesetzt. (vgl. Perndorfer 2019, S. 39-40)
- Reifegradstufe 4 - Experte
Die höchste zu erreichende Stufe im RILI40 Modell stellt die vierte Reifegradstufe dar. Voraussetzung für diese Stufe ist ein umfassendes Wissen über digitale Technologien bei Führungskräften aber auch Mitarbeiter*innen. Es existiert ein digitaler Schatten des Unternehmens, in dem Unternehmensprozesse in Echtzeit abgebildet und analysiert werden können. Die gesamte Wertschöpfungskette ist vernetzt und Informationen werden in Echtzeit ausgetauscht. Außerdem besteht eine hohe Flexibilität, die eine besonders schnelle Reaktion auf veränderte Situationen ermöglicht. Die IT-Infrastruktur ist zudem dank Cloud-basierten Lösungen ortsunabhängig. (vgl. Perndorfer 2019, S. 40)
2.4 Vorgehensmodelle
Im Rahmen einer Vergleichsstudie, durchgeführt von der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., konnten über 28 verschiedene Vorgehensmodelle zur Entwicklung, Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0 in Unternehmen ermittelt und hinsichtlich sozio-technischer, arbeitsund prozessorientierter Gestaltungsansätze verglichen werden. Auffällig hierbei ist, dass von 28 Vorgehensmodellen nur acht Modelle spezifische Ansätze für KMU bereithalten. Nur ein Vorgehensmodell geht hierbei auf die spezifischen Anforderungen von produzierenden Unternehmen ein. In den weiteren Kapiteln werden sowohl der Leitfaden Industrie 4.0 als auch das generische Vorgehensmodell der TU Darmstadt vorgestellt. Zwar richtet sich der Leitfaden Industrie 4.0 an KMU, insbesondere an Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau, dennoch wird er genau erläutert, da das generische Vorgehensmodell der TU Darmstadt auf diesem aufbaut und um den Aspekt der Intralogistik erweitert. Das generische Vorgehensmodell der TU Darmstadt spezialisiert sich zudem auf die Kombination von KMU und produzierende Unternehmen. Eine speziell auf die kunststoffverarbeitende Industrie zugeschnittenes Modell konnte im Zuge der Recherche nicht ausfindig gemacht werden. (vgl. Terstegen et al. 2019, S. 5)
2.4.1 Leitfaden Industrie 4.0
Der Leitfaden Industrie 4.0 zeigt Werkzeuge für mittelständische Unternehmen zur individuellen Weiterentwicklung in Richtung Industrie 4.0 auf. Zum einen verfolgt der Leitfaden das Ziel, mit Hilfe von Kreativitätstechniken in Workshops geeignete Ansätze für Geschäftsmodelle im Umfeld von Industrie 4.0 zu entwickeln, zum anderen veranschaulicht der Werkzeugkasten die verschiedenen Anwendungsebenen und unterteilt diese in einzelne, realisierbare Entwicklungsstufen. (vgl. Anderl et al. 2016, S. 6)
Der Leitfaden setzt - ähnlich wie der Industrie 4.0 Maturity Index - bei der Vorbereitungsphase ein, während derer eine Wissensbasis geschaffen werden und Forschungsprojekte definiert werden sollen. Anschließend folgt die Analysephase, die der Identifikation, der bereits im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen hinsichtlich Industrie 4.0 dient. Die darauf aufbauende Kreativitätsphase ist der Generierung neuer Ideen und der Erarbeitung von Konzepten für Geschäftsmodellegewidmet. Die ausgearbeiteten Geschäftsmodelle können anschließend in der Bewertungsphase hinsichtlich ihres Potenzials und dem damit verbundenen Ressourceneinsatz bewertet werden. Schlussendlich gilt es die erarbeiteten Vorschläge und Konzepte in der Einführungsphase umzusetzen. Der soeben beschrieben Prozess wird in Abbildung 3 nochmals veranschaulicht. (vgl. Anderl et al. 2016, S. 10)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Aufbau des Leitfadens - Leitfaden Industrie 4.0 (Quelle: Anderl et al. 2016, S. 10)
Der Leitfaden Industrie 4.0 unterstützt außerdem in der Analysephase, indem ein Vorgehen zur internen sowie externen Kompetenzanalyse geschildert wird. Während die interne Kompetenzanalyse die existierenden Kompetenzen im Unternehmen festhalten soll, beschäftigt sich die externe Kompetenzanalyse mit der Außendarstellung des Unternehmens mit Blick auf Industrie 4.0. Der Leitfaden sieht zur graphischen Darstellung der Kompetenzprofile ein Spinnendiagramm vor. Dieses bildet den Ist-Zustand ab und kann mit dem gewünschten SollZustand überlagert werden, um bestehende Lücken sichtbar zu machen.(vgl. Anderl et al. 2016, S. 17ff)
Die Ergebnisse der Analysephase und der im Leitfaden enthaltene Werkzeugkasten bilden die Grundlage für die Kreativitätsphase, in der die Entwicklung von Konzepten für neue Geschäftsmodelle und Lösungsansätze im Vordergrund steht (vgl. Anderl et al. 2016, S. 21).Der bereits zuvor angesprochene Werkzeugkasten gliedert sich hierbei in fünf technologische aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen, welche zur Einordnung der eigenen Kompetenzen und dem aktuellen Ausgangspunkt dienen können und hilft gleichzeitig bei der Ideengenerierung im Umfeld von Industrie 4.0. Der Werkzeugkasten befasst sich mit den Anwendungsebenen von Industrie 4.0 hinsichtlich der Entwicklung von Produkten und der Produktion und stellt von links nach rechts den Weg zu einer Vision von Industrie 4.0 dar. (vgl. Anderl et al. 2016, S. 8)
Zur Ideenfindung wird zunächst der passende Werkzeugkasten, Produkt oder Produktion gewählt und anschließend eine Zeile des Werkzeugkastens bestimmt, die der Anwendungsebene entspricht. Anschließend können in Form der Spalten der derzeitige Zustand ermittelt und mögliche Steigerungsformen in den Entwicklungsstufen eruiert werden. (vgl. Anderl et al. 2016, S. 16)
Die letzten beiden Phasen des Vorgehensmodells, die Bewertungs- und Einführungsphase, sind identisch aufgebaut wie im Generischen Vorgehensmodell der TU Darmstadt und werden im nächsten Kapitel genauer erläutert.
2.4.2 Generisches Vorgehensmodell der TU Darmstadt
Das Generische Vorgehensmodell zur Einführung der Industrie 4.0, entwickelt durch die TU Darmstadt, wurde im Rahmen des Projekts „Cyber-physische Intralogistiksysteme zur Flexibilisierung der mittelständischen Serienfertigung (CypIFlex) entwickelt. Es gliedert sich in 5 Abschnitte und beginnt mit der Vorbereitungsphase gefolgt von der Analysephase. An dritter Stelle steht die Ideengenerierungsphase. Die vorletzte Phase ist als Bewertungsphase definiert und befindet sich schlussendlich vor der Umsetzungsphase. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 4)
Das Vorgehensmodell definiert ein gutes Verständnis der Industrie 4.0, sowie der zugehörigen Technologien als Ausgangspunkte, die in der Phase der Vorbereitung ermittelt bzw. eingeholt werden sollen. Beim Wissen hinsichtlich der Industrie 4.0 wird zwischen Internettechnologie, Wertschöpfung und Cyber-physischen Systemen unterschieden. In diesem Kontext wird die Internettechnologie mit der Vernetzung zum Dokumentenaustausch über das Internet, aber auch die Vernetzung von Menschen sowie Unternehmen verstanden, und bildet hierdurch die Grundlage für Industrie 4.0. Des Weiteren spielen Cyber-physische Systeme, bestehend aus modernen mechatronischen Systems mit der Möglichkeit zur Selbstanpassung eine zentrale Rolle in der Industrie 4.0. Die Wertschöpfung wird durch den Einsatz von CPS weiterentwickelt, sodass neue Konzepte wie eine Smart Factory, Smart Grid, Smart Logistics oder auch Smart Products umsetzbar werden. Das generische Vorgehensmodell empfiehlt für diese Phase sowohl Literaturrecherche als auch externe Beratung sowie internen Erkenntnisaustausch als Methoden. Am Ende der Vorbereitungsphase steht ein gemeinsames Verständnis derIndustrie 4.0 und die Erkennung ihres Nutzens. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 4ff)
In der Analysephase gilt es zunächst den derzeitigen Unternehmensstatus in Hinblick auf Industrie 4.0 zu erheben. Dies ist für eine erfolgreiche Umsetzung unumgänglich und deckt Handlungsfelder sowie Verbesserungspotenziale auf. Die Autoren des generischen Vorgehensmodells verweisen hierbei auf den Ansatz des Werkzeugkastens Industrie 4.0 des Leitfadens Industrie 4.0. Allerdings werden im generischen Vorgehensmodell die existierenden Werkzeugkästen für Produkte und Produktion um den Werkzeugkasten Intralogistik erweitert. Ähnlich den im Leitfaden Industrie 4.0 vorgestellten Werkzeugkästen, enthält der Werkzeugkasten Industrie 4.0 der Intralogistik sechs Anwendungsebenen. Jede Anwendungsebene ist wiederum in fünf aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen unterteilt. Eine unternehmensspezifische Betrachtung der Intralogistik wird durch die Untergliederung in Integration von Sensoren und Aktoren, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, Transporteinheit als Informationsträger, Transportsystem, Mensch-Maschine-Schnittstellen und Lagersysteme ermöglicht. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 9ff)
Abbildung 4 zeigt einen beispielhaften Auszug aus dem Werkzeugkasten Industrie 4.0 der Intralogistik bezüglich der Transportsysteme. Die Entwicklungsstufen reichen von manuellem Transport über maschinellen, begleitend maschinellen und automatisierten Transport bis hin zum autonomen Transport. (Anderl et al. 2015, S. 12)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Werkzeugkasten Industrie 4.0 - Intralogistik Quelle: in Anlehnung an Anderl et al. 2015, S. 12
Für die Erstellung des Ist-Zustandes des Unternehmens empfehlen die Autoren zusätzlich zum Werkzeugkasten die Durchführung einer internen Kompetenzanalyse sowie eine externe Wahrnehmungsanalyse, um als Ergebnis den Ist-Zustand des Unternehmens abbilden und Optimierungs-Potenziale ermitteln zu können. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 13)
Das generische Vorgehensmodell der TU Darmstadt sieht eine Phase der Ideengenerierung vor, auf die in dieser Arbeit nur kurz eingegangen wird, da bereits die konkrete Idee der Implementierung von FTS existiert. Da die Implementierung von Industrie 4.0 in der Intralogistik dennoch immer interdisziplinär erfolgen muss, sei hier der im Anhang A befindliche Werkzeugkasten Industrie 4.0 - Intralogistik des Leitfadens Industrie 4.0 erwähnt, da dieser zur Ideengenerierung in der Intralogistik über FTS hinaus herangezogen werden kann. Als Methoden zur Ideengenerierung schlägt das Vorgehensmodell das Kata-Coaching, bekannt aus Lean Production, den St. Gallen Business Modell Generator und das Business Modell Canvas vor. Das Ergebnis der Ideengenerierungsphase ist zum einen die Konkretisierung von Optimierungsideen und den hiermit verbundenen Herausforderungen, sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 13-19)
In der anschließenden Bewertungsphase kann das Wissen aus der Vorbereitungsphase genutzt werden, um mithilfe der Ergebnisse der Analysephase Handlungsfelder zu definieren und auf der Grundlage der Ideen aus der Ideengerierungsphase Handlungsfelder zu erstellen. Um die Handlungsfelder zu validieren, gilt es dieser einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie einer Nutzwertanalyse zu unterziehen. Die Ergebnisse der Ideengenerierungsphase werde hierbei mit einer BCG-Matrix bewertet. Auf diese Weise können die Ideen graphisch ihrem Marktpotenzial und dem mit der Umsetzung verbundenen Ressourcenaufwand zugeordnet werden. Auch Simulationen können zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung herangezogen werden und dienen der Validierung der Ideen. Darauffolgend ist eine Roadmap zur schrittweisen Umsetzung der zuvor definierte Handlungsfelder und den damit verbundenen Handlungsempfehlungen zu erstellen. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 19ff)
Das generische Vorgehensmodell endet mit dem Beginn der Umsetzungsphase. Anhand der aus den bisherigen Phasen gewonnenen Informationen kann nun ein Businessplan erstellt werden, derim besten Fall durch die Unternehmensleitung freigegeben wird. Dieser beinhaltet zusätzlich eine Investitions- und Kapazitätsplanung und legt die Projektverantwortlichkeiten fest. (vgl. Anderl et al. 2015, S. 21)
Der soeben beschriebene Ablauf des generischen Vorgehensmodells der TU Darmstadt kann der graphischen Darstellung der im Anhang B vorhandenen Abbildung entnommen werden.
3 EMPIRIE
Nachdem in den theoretischen Grundlagen der State of the Art in Bezug auf fahrerlose Transportsysteme dargestellt und die Theorien bezüglich der Ermittlung eines digitalen Reifegrades eines Unternehmens, sowie mögliche Vorgehensmodelle zur Implementierung von Industrie 4.0 Technologien aufbereitet wurden, stützt sich der empirische Teil auf die Informationsgenerierung durch problemzentrierte Interviews.
3.1 Begründung der Forschungsmethode
Wie aus dem Theorieteil dieser Arbeit hervorgeht, existieren zahlreiche Vorgehensmodelle zur Einführung von Industrie 4.0 Technologien. Diese sind allerdings nur selten direkt für KMU anwendbar. Ebenso existiert keine spezifische Literatur zur Einführung von FTS in KMU in der kunststoffverarbeitenden Industrie. Für wenig untersuchte Forschungsgebiete empfiehlt in etwa Flick et al. (2017) die Anwendung der qualitativen Forschung, da im Gegensatz zur quantitativen Forschung keine festen Vorstellungen benötigt werden. Vielmehr lassen sich mit Hilfe von qualitativen Forschungsmethoden neue Erkenntnisse gewinnen, die anschließend zur Bildung von Hypothesen bzw. Handlungsempfehlungen genutzt werden können. Um das Unbekannte oder Neue zu untersuchen, werden in dieser Arbeit nicht standardisierte, problemzentrierte Interviews eingesetzt. (vgl. Flick et al. 2017, S. 14-17)
3.2 Das problemzentrierte Interview
Beim problemzentrierten Interview, kurz PZI, handelt es sich um eine besondere Form des Interviews, da sich dieses aus einem leitfadengestützen und einem narrativem Interviewteil zusammensetzt. Witzel (2000) bezeichnet dies als induktiv-deduktives Wechselspiel, welches einerseits auf offene, vorformulierte Interviewfragen setzt, andererseits aber auch Ad-hoc-Fragen beinhaltet, die eine Vergleichbarkeit der geführten Interviews sicherstellen sollen. Das PZI setzt auf drei verschiedene Grundpositionen: die Problemzentrierung, die Gegenstandsorientierung und die Prozessorientierung. Unter Problemzentrierung wird verstanden, dass sich das geführte Interview an einer relevanten Problemstellung, welche in diesem Fall aus der Forschungsfrage der Arbeit hervorgeht, orientiert. Die Gegenstandsorientierung spiegelt hierbei eine gewisse Flexibilität der Methode wider, da das Interview in etwa mit einem standardisierten Kurzfragebogen kombiniert werden kann. Die Prozessorientierung sieht vor, dass es im Interview durchaus zu Redundanzen, neuen Aspekten zum gleichen Thema aber auch Widersprüchen kommen kann, die aber durchaus erwünscht sind, da sie sich diese interpretationserleichternd auswirken. (vgl. Witzel 2000, S. 2-4)
Zur Durchführung eines PZI sind grundsätzlich vier Instrumente vorgesehen: der Kurzfragebogen, der Interviewleitfaden, eine Tonträgeraufzeichnung und Postskripte. Der Kurzfragebogen bietet sich für den Gesprächseinstieg an und ermöglicht das Festhalten präziser Daten. Der Leitfaden dient vor allem als Unterstützung während des Interviews und stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte im Interview angesprochen werden. Zudem gewährleistet er eine gewisse Vergleichbarkeit der geführten Interviews. Die Tonträgeraufzeichnung ermöglicht eine präzise Erfassung und anschließende Transkription des geführten Interviews. Direkt im Anschluss and das PZI erstellte Postskripte bieten erweiterte Informationen wie eine skizzenhafte Darstellung der Gesprächsinhalte und Bemerkungen zusätzlich zur Tonträgeraufzeichnung. (vgl. Witzel 2000, S. 5)
Das PZI sieht zudem verschiedene Gesprächstechniken zur Gestaltung vor. Durch Paraphrasierung wird der Inhalt des Gesagten zurückgespiegelt, um dem Interviewpartner die Chance zu geben getätigte Aussagen zu bekräftigen, weitere Informationen hinzuzufügen oder Aussagen sogar zu korrigieren bzw. zu widerlegen. Ebenso spielen Verständnisfragen eine wichtige Rolle, da sie bei unverständlichen oder widersprüchlichen getätigten Aussagen Klarheit schaffen. Auch eine Konfrontation ist im PZI durchaus gewünscht, um den Detailgrad zu erhöhen. (vgl. Witzel 2000, S. 6-8)
3.3 Qualitative Inhaltsanalyse
Zur Auswertung der Interviews bieten sich eine Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) an, da die Auswertung hierbei ebenfalls gegenstands-und prozessorientiert ausgelegt ist und sich deshalb zur Kombination eignet. Zudem wird bei dieser Inhaltsanalyse systematisch und dabei auch regelund theoriegeleitet vorgegangen. Mayring unterteilt das Vorgehen in nachvollziehbare Analyseschritte. (vgl. Mayring 2015, S. 11-13)
Zwar handelt es sich bei der Inhaltsanalyse nach Mayring um ein systematisches Vorgehen, dennoch stellt diese kein Standardinstrument dar und muss deshalb an das untersuchte Material und an die Forschungsfrage angepasst werden. Trotzdem besteht eine gewisse Systematik, da in der qualitativen Inhaltsanalyse zuerst entschieden wird, wie das vorliegende Material bearbeitet werden soll und zudem in welcher Reihenfolge. Ebenso ist festgelegt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um eine Einteilung in Kategorien zu ermöglichen. Durch die Systematik soll gewährleistet werden, dass unterschiedliche Auswerter*innen die beschriebene Analyse ähnlich durchführen können. (vgl. Mayring 2015, S. 51)
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- Citar trabajo
- Florian Wokurek (Autor), 2021, Implementierung von fahrerlosen Transportsystemen. Prozessstrategie für die Intralogistik von Klein- und Mittelbetrieben der kunststoffverarbeitenden Industrie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1162810
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