Herrschaft im Mittelalter bedurfte einer Legitimation, um die übergeordnete Stellung des Herrschers,
gleich ob Kaiser, König oder Papst, zu erklären und ihm die Handlungsvollmacht zu erteilen.
Die Legitimation konnte im Mittelalter auf mehreren Wegen erfolgen. Herrscher legitimierten
sich durch Siege gegen Feinde und Gegner, also durch physische Stärke, durch das dynastische
Prinzip der Erbfolge, durch die Wahl eines beauftragten Gremiums und außerdem auf christlich sakraler
Ebene. Die christliche Herrschaftslegitimation im Mittelalter erhielt durch die Taufe Chlodwigs
und die daraus folgende Übernahme des Christentums als Religion des fränkischen Raumes
eine zentrale Stellung. Das Selbstverständnis der Herrscher war von nun an christlich geprägt.
Dieser Aufsatz behandelt die Funktion der Bibel im Rahmen der christlichen Herrschaftslegitimation
im Mittelalter. Der Bibel kommt schon implizit deswegen eine Funktion zu, da sie eine Grundlage
des auf Schriftlichkeit basierenden Christentums ist. Der Fokus soll auf dem Kaiser- und Königtum
liegen, wenn gleich auch der Dualismus zwischen weltlicher und geistlicher Macht notwendigerweise
angerissen werden muss. Die Funktion der Bibel soll im Rahmen des Aufsatzes differenziert
betrachtet werden. Einerseits soll herausgestellt werden, inwiefern sie die Grundlage christlich
motivierten Handelns – sowohl symbolisch, als auch faktisch – ist. Andererseits sollen einzelne
Passagen der Bibel im Kontext des mittelalterlichen Herrscherbildes im Hinblick auf ihren funktionalen
Charakter im Rahmen der Herrschaftslegitimation analysiert werden.
Die Funktion biblischer Texte im Rahmen der mittelalterlichen Herrschaftslegitimation
Herrschaft im Mittelalter bedurfte einer Legitimation, um die übergeordnete Stellung des Herrschers, gleich ob Kaiser, König oder Papst, zu erklären und ihm die Handlungsvollmacht zu erteilen. Die Legitimation konnte im Mittelalter auf mehreren Wegen erfolgen. Herrscher legitimierten sich durch Siege gegen Feinde und Gegner, also durch physische Stärke, durch das dynastische Prinzip der Erbfolge, durch die Wahl eines beauftragten Gremiums und außerdem auf christlich sakraler Ebene. Die christliche Herrschaftslegitimation im Mittelalter erhielt durch die Taufe Chlodwigs und die daraus folgende Übernahme des Christentums als Religion des fränkischen Raumes eine zentrale Stellung. Das Selbstverständnis der Herrscher war von nun an christlich geprägt.
Dieser Aufsatz behandelt die Funktion der Bibel im Rahmen der christlichen Herrschaftslegitimation im Mittelalter. Der Bibel kommt schon implizit deswegen eine Funktion zu, da sie eine Grundlage des auf Schriftlichkeit basierenden Christentums ist. Der Fokus soll auf dem Kaiserund Königtum liegen, wenn gleich auch der Dualismus zwischen weltlicher und geistlicher Macht notwendigerweise angerissen werden muss. Die Funktion der Bibel soll im Rahmen des Aufsatzes differenziert betrachtet werden. Einerseits soll herausgestellt werden, inwiefern sie die Grundlage christlich motivierten Handelns – sowohl symbolisch, als auch faktisch – ist. Andererseits sollen einzelne Passagen der Bibel im Kontext des mittelalterlichen Herrscherbildes im Hinblick auf ihren funktionalen Charakter im Rahmen der Herrschaftslegitimation analysiert werden.
Durch die Salbung und Weihung Pippins im Rahmen der Krönungszeremonie im Jahr 754, wurde die christliche Legitimation des Herrschers, symbolisch betrachtet, auf eine religiöse Ebene gestellt, die den Vorgängern des ersten karolingischen Königs verwehrt blieb – stellte ihn der Papst doch in die Tradition der israelischen und judäischen Könige des Alten Testaments. Ganz explizit wird in 1. Samuel 9, 15-16 darauf hingewiesen, dass Gott dem Propheten Samuel den Auftrag gibt, Saul zum ersten König Israels zu salben. Auch Sauls Nachfolger David und Salomo erhielten die Salbung. Die zur Darstellung der eigenen Macht eminent wichtigen symbolischen Akte und Rituale, welche die Herrscher des Frühund Hochmittelalters auszeichneten, sind also aus dem der Bibel zu Grunde liegenden alttestamentlichen Herrschaftsverständnis aufgegriffen.
Die Könige des Alten Testaments, vor allem David und Salomo, blieben im Mittelalter Vorbilder eines idealen Königs, was an der Rezeption ihres Verhaltens und ihrer Taten durch die mittelalterlichen Herrscher zu erkennen ist. Beispielhaft soll hier die Bußtradition aufgegriffen werden, die man unter anderem am Gang Heinrichs IV. nach Canossa erkennen kann. Wagt man einen Blick aus dem Fokus des kontinentalen Reiches hinaus nach England, so ist es der englische König, Heinrich
II., dem der Mord an Thomas Becket – dem Erzbischof von Canterbury – angelastet wurde, der in
der Tradition Davids mehrere Tage lang alleine, ohne Essen oder königliche Privilegien in seiner Kammer weilt.[1] Die Bibel bildet also eine Grundlage für das auf Rezeption basierende Handeln der christlichen Herrscher im Mittelalter. Dieses Handeln war wichtig, da sie durch die Nachahmung der idealen Herrschertypen ihren Status als legitimer Herrscher stärken konnten.
Neben diesen Passagen, die das christlich motivierte Handeln der Herrscher darstellen sollen, gibt es weitere Textstellen, die schon auf Grund ihres hermeneutischen Potentials Möglichkeiten zur Herrschaftslegitimation bieten. Der zentrale Text ist hier ein Ausschnitt aus dem Römerbrief des Paulus (Römer 13, 1-7), in welchem Paulus die noch junge christliche Bevölkerung dazu auffordert, sich der von Gott gegebenen Ordnung zu unterwerfen. Bietet die deutsche Übersetzung Luthers noch interpretatorischen Spielraum hinsichtlich des Begriffs der Obrigkeit, so zeigt der lateinische Begriff der potestas, dass – Bezug nehmend auf die römische Kaisertradition seit Augustus – die weltliche Staatsmacht gemeint ist. Diese gottgegebene und von Gott regelrecht verordnete Macht bot den mittelalterlichen Herrschern somit eine herausragende Möglichkeit ihre Herrschaft auch auf textlicher Ebene zu legitimieren.
Es muss dennoch kritisch angemerkt werden, dass die Art und Weise der Interpretation des Textes im modernen Verständnis der Geschichtswissenschaft als sehr problematisch zu charakterisieren ist, da sich der eigentliche Text an die frühe urchristliche Gemeinde des ersten nachchristlichen Jahrhunderts richtet und folglich die Semantik gerade solch politischer und nicht theologischer Aussagen auf keinen Fall losgelöst von ihrem historischen Kontext betrachtet werden durften. Die mittelalterlichen Herrscher interessierte dies freilich wenig, beruhte die frühund hochmittelalterliche Theologie doch, im Sog des intellektuellen Verfalls weitreichender Bevölkerungskreise in der Übergangszeit von Spätantike zu frühem Mittelalter, meist auf rein wörtlichem und mehr oder minder zusammenhangslosem Verständnis.
Ein weiterer Aspekt ist die ambivalente Nutzung von Römer 13. Neben der bislang herausgearbeiteten Nutzung zur Legitimation weltlicher Herrschaft, funktionalisierte auch die päpstliche Gewalt den paulinischen Brief. 1302 veröffentlichte Papst Bonifatius VIII. mit seiner Bulle unam sanctam eine Schrift zur Neudeutung der Zwei-Schwerter-Lehre, in welcher er die päpstliche Gewalt der weltlichen überordnete. Dies sei nach Bonifatius die gottgegebene Ordnung.[2]
Betrachtet man nun die Funktion der Bibel bezüglich des Herrschaftsverständnisses, vor allem im Hinblick auf die Hierarchie von weltlicher und geistlicher Macht, so ist anzumerken, dass eine eindeutige Stellungnahme nicht möglich ist, obwohl es hinsichtlich der Legitimation der jeweils eigenen Position von grundlegender Bedeutung wäre. In Markus 12, 17 macht es den Anschein, als bestünde eine klare Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt, was den Päpsten die Macht absprechen würde über die weltlich-politischen Verfehlungen der Kaiser zu richten. Im Johannesevangelium allerdings (Johannes 19, 11) bezeichnet sich Jesus als derjenige, der die weltlichen Machthaber einsetzt und demzufolge dem Papsttum einen legitimatorischen Vorteil hinsichtlich der Ordnung der Welt verschafft. Problematisch und dennoch oft rezipiert ist auch die Stelle über die zwei Schwerter (Lukas 22, 35-38), welche aber kaum Anhaltspunkte liefert, wer in der Hierarchie an erster Stelle steht.
Letztlich muss man nach dem Wert der Bibel im Rahmen der mittelalterlichen Herrschaftslegitimation fragen. Sie bietet hinsichtlich der symbolischen und faktischen Handlungen der Herrscher des Mittelalters auf jeden Fall eine Grundlage, die zur Bildung eines Herrscherbildes beitrug und ihnen Orientierungsmaßstäbe christlichen Handelns aufzeigte. Dieser passiven Funktion der Bibel steht die direkte Legitimation durch die wörtliche Auslegung biblischer Texte entgegen. Zur generellen Herrschaftslegitimation bietet hier der Römerbrief eine exzellente Grundlage. Doch kann auch mit Hilfe der Bibel nicht geklärt werden, wie der Konflikt und Machtkampf zwischen weltlicher und geistlicher Macht zu lösen ist. Bei differenzierter Betrachtung der vorangegangenen Erörterung wird schließlich deutlich, dass die Bibel zwar nicht den Anspruch erfüllt, eine Antwort auf alle machtpolitischen Fragen der mittelalterlichen Welt zu geben; sie aber dennoch – und das zeigt ihren Wert – im gesamten Verlauf des Mittelalters immer wieder zur Realisierung herrschaftspolitischer Interessen und folglich auch zur Stärkung der Legitimität eines Herrschers herangezogen wurde.
[...]
[1] Vgl. die Bußhandlungen König Davids nach der Ermordung des Mannes seiner Geliebten, Bathseba, und dem Bekenntnis seiner Sünde. 2. Samuel 12, 10-17.
[2] Eine Römer 13 ähnliche Passage findet sich im Titusbrief, welcher vorgibt ein Paulusbrief zu sein, allerdings in der modernen Forschung der Theologie nicht mehr als originaler Paulusbrief angesehen wird. Auch in Titus 3, 1 wird darauf hingewiesen, dass es nötig ist, sich der Obrigkeit Untertan zu machen.
- Arbeit zitieren
- Philipp Prinz (Autor:in), 2008, Die Funktion biblischer Texte im Rahmen der mittelalterlichen Herrschaftslegitimation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116159
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