Dass der Mensch ein soziales Wesen ist, welches auf Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen ist, lässt sich auf die gesamte Geschichte der Menschheit zurückführen. Schon immer wird das alltägliche Leben durch unterschiedliche Hilfeleistungen zwischen den Menschen bestimmt, sei es in Form von Erziehung, Pflege oder auch materiellen Leistungen wie Geld- oder Nahrungsspenden. Auch die Sozialen Dienste in Deutschland, wie wir sie heute kennen haben eine etwa 800-jährige Geschichte der Hilfe und später auch der Kontrolle, welche den stetigen Wandlungen der Gesellschaft ausgesetzt war und ist. Aus der für alle armen Menschen zugänglichen, anfänglichen Armenfürsorge im Mittelalter entwickelten sich die heutigen ausdifferenzierten, dienstleistungsorientieren Sozialen Dienste, welche sich an den Menschenrechten orientieren und von verschiedenen Kontrollinstanzen verwaltet werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung der Sozialen Arbeit ist wichtig, da diese ihr Mandat, welches sich auf die Gerechtigkeit und die Menschenrechte stützt, kontinuierlich neu durchdenken muss.
Diese Facharbeit hat das Ziel, die Entwicklungen der Sozialen Dienste von ihren Ursprüngen bis heute nachzuzeichnen und dabei Merkmale und Anforderungen des immer komplexer werdenden und zunehmend professionell verankerten Berufsfeldes der Sozialen Dienste zu identifizieren. Da die Beleuchtung des kompletten Arbeitsfeldes den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde, wird sich in dieser Ausarbeitung auf den Bereich der Armen-, Alten- und Gesundheitsfürsorge bezogen. Zum anfänglichen Verständnis wird der Begriff der Sozialen Dienste definiert und die historische Entwicklung vom frühen, zum späten Mittelalter, von der Industrialisierung, über den Nationalsozialismus, bis hin zur Moderne aufgezeigt.
Als nächstes dient die Begriffsklärung der Worte Mandat, Hilfe, Kontrolle, Spannungsfeld, Doppel- und Tripelmandat als Einstieg in die Betrachtung der Veränderungen im Zeitverlauf bezüglich der Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit. Im Anschluss werden die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und mit einem Resümee, welches verdeutlichen soll, welche Bedeutung die historische Betrachtung der Hilfe und Kontrolle in den Sozialen Diensten für den Beruf als Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin hat, abgeschlossen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historische Entwicklung von der Armen-, Alten- und Gesundheitsfürsorge zu den ausdifferenzierten, dienstleistungsorientierten Sozialen Diensten
2.1 Definition der heutigen Sozialen Dienste
2.2 Historische Entwicklung des Arbeitsfeldes
3. Das Spannungsfeld von Hilfe und Kontrolle im Zeitverlauf
3.1 Definitionen der zentralen Begriffe
3.1.1 Das Mandat
3.1.2 Die Hilfe
3.1.3 Die Kontrolle
3.1.4 Das Spannungsfeld
3.1.5 Das Doppelte Mandat Sozialer Arbeit- Hilfe und Kontrolle
3.1.6 Das Tripelmandat- Menschenrechtsprofession
3.2 Historische Entwicklung der individuellen Hilfe und gesellschaftlichen Kontrolle
4. Abschlussdiskussion
5. Reflexion
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Dass der Mensch ein soziales Wesen ist, welches auf Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen ist, lässt sich auf die gesamte Geschichte der Menschheit zurückführen. Schon immer wird das alltägliche Leben durch unterschiedliche Hilfeleistungen zwischen den Menschen bestimmt, sei es in Form von Erziehung, Pflege oder auch materiellen Leistungen wie Geld- oder Nahrungsspenden. Auch die Sozialen Dienste in Deutschland, wie wir sie heute kennen haben eine etwa 800-jährige Geschichte der Hilfe und später auch der Kontrolle, welche den stetigen Wandlungen der Gesellschaft ausgesetzt war und ist. Aus der für alle armen Menschen zugänglichen, anfänglichen Armenfürsorge im Mittelalter entwickelten sich die heutigen ausdifferenzierten, dienstleistungsorientieren Sozialen Dienste, welche sich an den Menschenrechten orientieren und von verschiedenen Kontrollinstanzen verwaltet werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung der Sozialen Arbeit ist wichtig, da diese ihr Mandat, welches sich auf die Gerechtigkeit und die Menschenrechte stützt, kontinuierlich neu durchdenken muss. Da ich aufgrund meiner schulischen Laufbahn, bisher noch keine beruflichen Erfahrungen im Arbeitsfeld der Sozialen Dienste sammeln konnte, halte ich die Zusammenarbeit mit solchen (ähnlichen) Diensten, bei meiner Ankunft nach Deutschland, für eine persönliche Motivation zur Auseinandersetzung mit diesem Thema. Als meine Familie und ich 1999 von Kasachstan nach Deutschland zogen, trugen wir lediglich zwei Koffer mit persönlichem Hab und Gut bei uns. Aufgrund des Asylgesetztes in Deutschland erhielten wir die Möglichkeit zur Unterkunft im sogenannten „Heim“ für Einwanderer in Bad Brückenau und nutzten diese auch etwa sieben Monate. Diese „Heime“ enthielten kleine Wohnungen, welche von den Einwanderern anhand kleinerer Beträge in Form von Mieten monatlich gezahlt werden mussten. Da meine Eltern nicht viel Geld bei sich hatten und der deutschen Sprache nicht mächtig waren, waren wir auf die Unterstützung sozialer Institutionen angewiesen. Die Sozialen Dienste stellten uns Sozialarbeiter zur Unterstützung zur Verfügung, welche uns beim Zurechtfinden halfen. Innerhalb dieser Sozialen Dienste ist eine klare Form von Hilfe und Kontrolle zu erkennen: wir erhielten Geldleistungen für die Finanzierung unseres Unterhaltes (Wohnung, Nahrung, Kleidung) und mussten im Gegenzug nachweisen, dass wir an den von Sozialarbeitern geleiteten Deutschkursen zur schnelleren Integration teilnahmen. Damit meine Eltern auch dem Arbeitsmarkt integriert werden konnten, waren sie zudem auch dazu angehalten schriftliche Bewerbungen mit Hilfe der Sozialen Institutionen zu verfassen. Auch dies wurde kontrolliert und als Voraussetzung der weiteren Auszahlungen der Geldleistungen beschrieben.
Diese Facharbeit hat das Ziel, die Entwicklungen der Sozialen Dienste von ihren Ursprüngen bis heute nachzuzeichnen und dabei Merkmale und Anforderungen des immer komplexer werdenden und zunehmend professionell verankerten Berufsfeldes der Sozialen Dienste zu identifizieren. Da die Beleuchtung des kompletten Arbeitsfeldes den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde, wird sich in dieser Ausarbeitung auf den Bereich der Armen-, Alten- und Gesundheitsfürsorge bezogen. Zum anfänglichen Verständnis wird der Begriff der Sozialen Dienste definiert und die historische Entwicklung vom frühen, zum späten Mittelalter, von der Industrialisierung, über den Nationalsozialismus, bis hin zur Moderne aufgezeigt. Als nächstes dient die Begriffsklärung der Worte Mandat, Hilfe, Kontrolle, Spannungsfeld, Doppel- und Tripelmandat als Einstieg in die Betrachtung der Veränderungen im Zeitverlauf bezüglich der Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit. Im Anschluss werden die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und mit einem Resümee, welches verdeutlichen soll, welche Bedeutung die historische Betrachtung der Hilfe und Kontrolle in den Sozialen Diensten für den Beruf als Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin hat, abgeschlossen.
2. Historische Entwicklung von der Armen-, Alten- und Gesundheitsfürsorge zu den ausdifferenzierten, dienstleistungsorientierten Sozialen Diensten
2.1 Definition der heutigen Sozialen Dienste
Im Duden definiert sich das Wort sozial mit den Begriffen: „die Gesellschaft, die Gemeinschaft betreffend; gesellschaftlich, gemeinnützig, wohltätig“. So lässt sich darauf schließen, dass auch die „Sozialen Dienste“ Dienstleistungen sind, die zum Wohle der Gesellschaft erfüllt werden müssen.
Laut § 1, Abs. 2 des SGBI haben alle Bundesbürger das Recht darauf, dass die zur Erfüllung, der in Absatz 1 genannten Aufgaben, erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen sollen. Dafür werden staatlich finanzierte Hilfen und unterschiedliche Formen übergeordneter Maßnahmen in sozialen Notlagen offeriert, „[…] deren Lösung oder Linderung durch die Bereitstellung von (mehr) Einkommen allein nicht möglich ist“ (Bäcker, Naegele & Bispinck, 2020). Soziale Dienste werden von Trägern verschiedener Organisations- und Rechtsformen angeboten. Zu öffentlichen Trägern, gehören beispielsweise Versicherungsträger oder Städte und Gemeinden als örtliche Träger.
Unter Freigemeinnützige Träger sind Organisationen, Vereine und Verbände zu verstehen, welche den sechs Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege angeschlossen sind: Die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Deutsche Caritasverband (DCV), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (Der PARITÄTISCHE), die Diakonie Deutschland und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Diese haben sich in Deutschland in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammengeschlossen. Bei Privat-gewerbliche Träger handelt es sich beispielsweise um kleine Firmen, wie private Pflegedienste.
2.2 Historische Entwicklung des Arbeitsfeldes
Armut wurde im Mittelalter nicht sozialökonomisch, sondern personenrechtlich betrachtet- arm waren diejenigen, die macht- und schutzlos (physisch und materiell) waren. Zu den verschiedenen Gruppen von Armen zählen beispielsweise „die Witwen, Waisen, Krüppel und Kranken“ (Sachße & Tennstedt, 1980). Im 13. Jahrhundert bildeten sich über kirchliche Einrichtungen Strukturen der christlichen Armenfürsorge heraus, welche hauptsächlich der Nahrungsversorgung der Armen dienten. Wohlhabende Bürger wurden dazu angehalten, Almosen in Form von Geld oder Lebensmitteln für die Armen Bürger nach dem heutigen Prinzip der „Tafel“ zu spenden. Laut Salz (1991) verbreitete die Verpflichtung zu Almosen an die Armen nach allgemeiner Auffassung das Nadelöhr in Richtung Himmel für die Reichen, die soziale Hilfestellung war nach Sachße und Tennstedt (1980) nur ein Nebenprodukt. „Empfänger ist in allen Fällen die Kirche, bzw. kirchliche Einrichtungen, denen dann die Verteilung […] der Armen-Almosen obliegt“ (Sachße & Tennstedt, 1980). Die Kirchen, welche keinerlei Gegenleistungen von den Armen wünschten, privilegierten mit einem positiven Nebeneffekt in Form von finanzieller Entlastung aus dieser Verpflichtung. Christliche Klöster, welche aufgrund von ländlichem Besitz in der Lage waren, sich selbst zu versorgen, verteilten Nahrungsmittel an Bettler, versorgten die Kranken und boten den Reisenden eine Unterkunft- nach dem Prinzip der christlichen Nächstenliebe (vgl. Sagebiel). 1 Für die Alten und Kranken wurden im Laufe der Zeit kirchliche Hospitäler und Hilfseinrichtungen errichtet, welche auch nach dem christlichen Prinzip der Nächstenliebe handelten und dementsprechend nur ungeschultes Personal zur Verfügung hatten (vgl. Leibbrand, 1953). Das mittelalterliche Hospital gilt als Vorläufer für das heutige Altenheim.
Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die Armutsprobleme anhand von gesetzlichen Regelungen unter Kontrolle gebracht. „Die Restriktionen und Reglementierungen, denen die Armenfürsorge im Laufe des 15. Und 16. Jahrhunderts unterworfen wird, lassen sich deutlich an den städtischen Bettel- und Armenordnungen und ihrer Entwicklung verfolgen“ (Sachße & Tennstedt, 1980). Vorläufer dieser Regelungen war die 1370 bekannt gegebene „Nürnberger Bettelordnung“. Die Zuständigkeit der kirchlichen Institutionen für die Vergabe von Almosen wurde nach und nach an die Kommunen übergeben- der Prozess der Kommunalisierung. „Die verschiedenen Ressourcen werden in einem einheitlichen Fonds, dem `gemeinen Almosen´, zusammengeführt, aus dem dann die verschiedenen Ausgaben der öffentlichen Armenunterstützung finanziert werden“ (Sachse & Tennstedt, 1980). Eine kommunale Unterstützungspflicht zugunsten der Armen wurde eingeführt, welche unter bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise Krankheit, Behinderung, Armut, welche nicht durch Eigenverschulden eintraten, in Anspruch genommen werden kann. „Die Arbeitsunwilligen wurden geächtet und das Betteln wurde ihnen verboten“ (Roth, 2003). Die Armenfürsorge geht in die örtliche Zuständigkeit über, was als das Heimatprinzip verstanden wurde (vgl. Sachße & Tennstedt, 1980). Heimische Bettler wurden bevorzugt, während Fremde gar nicht erst versorgt, oder nach wenigen Tagen vertrieben wurden. Die Entwicklung der Bettel- und Armenordnungen wurden von Sachße und Tennstedt (1980) auch als den Prozess der Rationalisierung der Armenfürsorge bezeichnet. Zur genaueren Kontrolle der Bedürftigkeit wurden Institutionen errichtet, welche feststellten, wer der Almosen würdig und wer unwürdig war. Aufgrund der Verwaltungsstrukturen kann dieser Prozess als Bürokratisierung bezeichnet werden. Mit der sich allmählich veränderten Ordnung wurde beabsichtigt, die Armen wieder in die städtische Gesellschaft zurückzuführen, was als den Prozess der Pädagogisierung bezeichnet wird. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Bettel- und Armenordnungen durch die von Sachße und Tennstedt (1980) ausformulierten Entwicklungsprozesse der Kommunalisierung, Rationalisierung, Bürokratisierung und Pädagogisierung als die ersten Schritte in Richtung der heutigen Sozialen Arbeit gesehen werden können, da sich diese in veränderter Form bis heute erkennen lassen.
Ab dem 16. Jahrhundert wurden in den Städten anhand kommunaler Initiativen sogenannte Arbeits- und Zuchthäuser eingerichtet, welche die Absicht verfolgten, neben den Armen und Bettlern auch Bauernmägde, auffällig gewordene Kinder und Jugendliche, ehemalige Soldaten, Handwerker ohne Anstellung, Menschen mit Behinderung und Kranke aus der Öffentlichkeit zu entfernen, nicht aber die Armut zu besiegen. Die Menschen der Unterschichten wurden zu billigen Arbeitskräften degradiert (vgl. Roth, 2003) und Laut Wendt (2018) anhand verschiedener Methoden der Arbeitserziehung zur Arbeit verpflichtet; zu „wirtschaftlich verwertbaren Untertanen“ umerzogen wurden. Beispielsweise unterzog man die Insassen in Anlehnung an den Satz „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, welcher einer Stelle aus dem 2. Thessalonicher-Brief des Apostels Paulus (Neues Testament) entspringt, der Zwangsdisziplinierung des Essensentzugs.
Die Zucht- und Arbeitshäuser des 17. und 18. Jahrhunderts sind […] primär unter dem Aspekt der Disziplinierung der unteren Bevölkerungsklassen der absolutistischen Gesellschaft zu interpretieren, wobei sich ihr Disziplinar-Charakter keineswegs auf die […] Anstaltsinsassen beschränkt, sondern stets auch die disziplinierende abschreckende und erzieherische Wirkung auf alle Nicht-Insassen in Rechnung gestellt werden muss. Die pädagogisierenden Ansätze der Verallgemeinerung der handwerklich-mittelständischen Arbeitsmoral in den spätmittelalterlich städtischen Bettelordnungen haben sich von Maßnahmen offener Arbeitserziehung und Arbeitsbeschaffung entwickelt zur hoch repressiven Zwangsarbeit und gleichsam die organisatorische Gestalt einer Disziplinaranstalt angenommen (Roth, 2003).
Durch „[…] die Industrialisierung und Durchsetzung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung […]“ (Wendt, 2018) entstand ein System, in dem arme, kranke und alte Menschen, welche als nicht-arbeitsfähig galten, nicht zu tragen waren. Die Armengesetzgebung wurde geändert, da „Mobilität und Freizügigkeit“ gewünscht waren. Die alte Grenze zwischen arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen Armen wurde anhand medizinischer Untersuchungen neu definiert (Sachse & Tennstedt 1980). Es wurde „mithilfe der kommunalen und staatlichen Armenpolitik darauf geachtet, daß auch unter den Bedingungen der Industrialisierung mit neueren Formen entfremdeter Arbeit die Lohnarbeit generell attraktive Alternative gegenüber Armenunterstützung blieb" (Sachße & Tennstedt, 1980), welche in milden Sätzen erfolgte und als Gegenleistung forderte, dass sich die Armen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen (vgl. Wendt, 2018).
Im Deutschen Kaiserreich wurde die „Arbeiterfrage“ aufgrund des durch die Industrialisierung bedingten Wachstums des städtischen Industrieproletariats [industrielle Arbeiterklasse/ Unterschicht] zum zentralen gesellschaftlichen Problem (vgl. Sachße in Evers et al., 2011). Es Entstanden erste christliche Gewerkschaften (beispielsweise Caritas) und Arbeiterparteien (beispielsweise SAP, welche zur SPD wurde), welche ihre Forderungen nach Schutz vor Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit mithilfe von Streiks und Arbeitsaufständen durchsetzen wollten. Auf diese Forderungen nach Schutz vor der Armut reagierte Otto von Bismarck mit der Einführung erster Formen von Unfall-, Kranken-, Alters-, und Invaliditätsversicherungen (vgl. Wendt, 2018). Risiken und Probleme, welche von der Krankenversicherung nicht erfasst wurden, wurden von der Gesundheitsfürsorge bekämpft. „Ihre Leitdisziplin war die präventiv ausgerichtete Sozialhygiene“ (Sachße in Evers et al., 2011). Zudem entstanden auch Berufsgenossenschaften und Krankenkassen (beispielsweise die AOK). Durch diese neue Form der Sozialpolitik wurde die traditionelle Armenfürsorge ausgebaut und grundlegend reformiert (vgl. Sachse in Evers et al., 2011). Durch das Elberfelder System (1850), welches vom Straßburger System (1905) abgelöst wurde, entstanden erste Ansätze eines Sozialverwaltungssystems. Aufgabe dieses Systems war es, die Bedürftigkeit armer Familien zu prüfen und über die Art der Unterstützung zu entscheiden. Da die zunächst ehrenamtlichen Armenpfleger, durch Berufsarmenpfleger ersetzt wurden, entstanden Schulungseinrichtungen (beispielsweise Hull House 1889) zur Ausbildung des Pflegepersonals (vgl. Wendt, 2018). Dies bildete eine wichtige Basis für die Professionalisierung und auch Disziplinierung der heutigen Sozialen Arbeit.
Durch das Regime des Nationalsozialismus wurde dieses Systems samt Fürsorge- und Wohlfahrtseinrichtungen zerstört. „Das Dritte Reich war nicht Sozialstaat, es betrieb aber Sozialpolitik im Sinne seiner völkischen Ideologie“ (Huster, 2018). Die Sozialversicherung bestand zwar auch in der Zeit des Nationalsozialismus weiter, aber die Dynamik nationalsozialistischer Sozialpolitik entstammte dem Fürsorgesektor.
Dabei handelte es sich wohlgemerkt um ein spezifisch nationalsozialistisches Verständnis von Fürsorge, das nicht auf die Integration der Schwachen und Benachteiligten, sondern auf die Förderung der ‚Wertvollen‘ und ‚Erbgesunden‘ im Dienst der Volksgemeinschaf abzielte. In der Logik nationalsozialistischer Fürsorge waren Leistungsverbesserungen für die ‚Wertvollen‘ untrennbar mit der Ausgrenzung und ‚Ausmerze‘ der ‚Minderwertigen‘ verbunden, wenn auch ihre Durchführung jeweils getrennten Apparaten oblag (Sachße und Tennstedt, 1992).
So wurden die ´minderwertigen` Menschen (Kranke, Behinderte, Juden, etc.) in errichteten Konzentrationslagern, welche an die damaligen Arbeits- und Zuchthäuser erinnern, zur Arbeit gezwungen und letztlich getötet, während ´würdige´ Menschen, die sich dem Regime anschlossen vom System weiterhin versorgt wurden.
Im späten 20. Jahrhundert kam es erneut zu einer Sozialreform in Deutschland (Rentenreform, Bundessozialhilfegesetz). „Mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge hatte sich das deutsche korporatistische System bei der Fürsorge wieder hergestellt“ (Huster, 2018). Die Schaffung von (Fach-)Hochschulen des Sozialwesens und die Erweiterung der Sozialen Dienstleistungen, beispielsweise durch Straßensozialarbeit trugen zur Professionalisierung des Arbeitsfeldes der Sozialen Dienste bei.
Durch die Kodifikation der wichtigsten Sozialgesetze in den Sozialgesetzbüchern I-XII waren ab den 1970er Jahren Soziale Dienstleistungen als Grundrechte für die Bevölkerung publiziert.
[...]
- Arbeit zitieren
- Viktoria Maier (Autor:in), 2021, Historische Betrachtung des Spannungsfeldes von Hilfe und Kontrolle in den Sozialen Diensten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159668
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.