Diese Arbeit versucht einige Strukturen der monographischen Ausstellung Pina Bausch und das Tanztheater zu beleuchten, die in der Bonner Kunsthalle von 4 März bis 24 Juli 2016 zu sehen war. Die Tatsache, dass die Ausstellung ausschließlich dem Werk der Tänzerin und Choreographin gewidmet war, rückt ihre performative Arbeit ins Zentrum der Darstellung.
Betrachtet man die Museumsinstitution und den Tanz aus einer herkömmlichen Perspektive, scheinen die beiden nicht viele Gemeinsamkeiten zu haben: die Sammlung von Artefakte, mit dem Fokus auf der Vergangenheit, stehen dem lebendigen Körper gegenüber, der sich im Hier und Jetzt bewegt. Betrachtet man die Ausstellung und ihre inszenatorischen Strategien als performativ, rückt der Fokus auf die Beziehungen zwischen den Besucher_innen, den Aussteller_innen und des Ausgestellten. Damit wird die Choreographie als Praxis des Ins-Szene-Setzen von Bewegungen, sei es durch Menschen oder Dinge, für die kuratorische Praxis interessant. Anderseits könnte die Ereignishaftigkeit des Tanzes den leblosen Zustand der Objekte und Räume verändern.
Von diesem Hintergrund möchte ich, mit Blick auf die Ausstellungskonzeption, eine potentielle Übertragung der Collagetechnik in Pina Bauschs Tanzinszenierungen auf die Gestaltung der Ausstellung, die aus verschiedene Elemente eine Einheit baut, aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Choreographie einer Ausstellung
3. Schlussbemerkung
4. Bibliographie
1. Einführung
Diese Arbeit versucht einige Strukturen der monographischen Ausstellung Pina Bausch und das Tanztheater zu beleuchten, die in der Bonner Kunsthalle von 4 März bis 24 Juli 2016 zu sehen war. Die Tatsache, dass die Ausstellung ausschließlich dem Werk der Tänzerin und Choreographin gewidmet war, rückt ihre performative Arbeit ins Zentrum der Darstellung.
Betrachtet man die Museumsinstitution und den Tanzaus einer herkömlichen Perspektive, scheinen die beiden nicht viele Gemeinsamkeiten zu haben: die Sammlung von Artefakte, mit dem Fokus auf der Vergangenheit, stehen dem lebendigen Körper gegenüber, der sich im Hier und Jetzt bewegt. Betrachtet man die Ausstellung und ihre inszenatorischen Strategien als performativ, rückt der Fokus auf die Beziehungen zwischen den Besucher_innen, den Aussteller_innen und des Ausgestellten. Damit wird die Choreographie als Praxis des Ins-Szene-Setzen von Bewegungen, sei es durch Menschen oder Dinge, für die kuratorische Praxis interessant. Anderseits könnte die Ereignishaftigkeit des Tanzes den leblosen Zustand der Objekte und Räume verän- dern1.
Von diesem Hintergrund möchte ich, mit Blick auf die Ausstellungskonzeption, eine potentielle Übertragung der Collagetechnik in Pina Bauschs Tanzinszenierungen auf die Gestaltung der Ausstellung, die aus verschiedene Elemente eine Einheit baut, aufzeigen.
2. Choreographie einer Ausstellung
Der Versuch der Ausstellung Pina Bausch und das Tanztheater, Einblicke in das Leben und dieArbeit der Choreographin und Tänzerin zu gewähren, führt zur Schaffung eines Ausstellungsraums, der, geleitet von der Frage „Wie?“, in seiner Szenographie nicht nur Artefakte, sondern auch Tanzbewegungen bindet.
Eine Strategie der chronologischen Beschreibung lässt sich in der Anordnung der Gegenstände ablesen. Von rechts im Raum werden die Anfänge Pina Bauschs im Tanz gezeigt: den Fotos von ihrer Tanzausbildung unter Kurt Joos folgen Presseartikel und Plakate von ihren Aufführungen in der Metropolitan Opera New York. Videomonitore mit Ausschnitten aus Wiegenlied, I wondern lonely as a Cloud, Die vier Jahreszeiten und Proben für Cafe 'Müller bilden einen Kreis, der drei dunkle Holztische und Stühle von dem Rest des Raumes abtrennt; Eine stilisierte Nachbildung der Bühne des Cafe' Müller als stillen Ort der Vergangenheit.
Der Raum führt weiter in dem Bereich „Ko-Produktionen“, welcher Fotographien, Videos, persönliche Reisefotos von Pina Bausch und eine Vitrine, die einem Altar ähnelt, zusammenbringt.
Auf der linken Seite der Halle- durch eine niedrige Wand vom großen Saal getrennteröffnet sich dem Besucher_in ein Raum, der ihn in die Welt der Arbeit von Pina Bausch eintauchen lässt. Eine minutiöse Fotodokumentation der Probe Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen, Produktionsordner und Regieanweisungen erstreckt sich über die Wand und über die untere Vitrine. In einem, dem Bühnenbild gleichenden Ambiente, wird die Besucherin bzw. der Besucher zur Lektüre der ausliegenden Broschüren animiert.
Auszüge aus dem Probetagebuch von Raimung Hoghe begegnen einem auf dem kleinen Tisch.
5 Febr. 1985: „Komisch daß die schönen Dinge was mit Bewegung zu tun haben“ stellt Pina Bausch einmal in einer Probe fest. Manchmal, in den Pausen, wenn das Ensemble nach Antworten auf ihre Fragen sucht, sitzt sie da und probiert mit ihren Armen verschiedenen Bewegungen aus.“
Es handelt sich um dieselben Bewegungen, die überall in der Ausstellung allgegenwärtig sind: in den Fotos wie in den Videos. Man könnte dadurch den Eindruck gewinnen, Teil einer Pina Bausch Aufführung zu sein.
Der Bereich der „Arbeitsweise“ schliesst an den Bereich „Bühne“ an. Die Auswahl der Großformat- Fotografien zeigen die Perspektive der Kuratoren auf das Material der Bühne, welches den Tanz zunächst einmal behindert.
Durch Eingänge von beide Seiten gelangt die Besucherin bzw. der Besucher in einen Innenraum, eine Rekonstruktion des Proberaumes Kino Lichburg. Kleider, Schuhe und eine Balletstange bestücken ihn.
Warm Ups aus dem Programm der Ausstellung bieten Besucher_innen die Gelegenheit, sich den Raum anzueignen. Es ist eine Erfahrung der tänzerischen Arbeit am eigenen Leib. Wie in einer Probe werden die bekannten Tanzbewegungen von den Teil- nehmer_innen geübt, unter der Führung von Tänzer_innen der Wupperthaler Kompanie.
Im hinteren Teil der Halle, in einem schmalen, dunklen Raum, werden Ausschnitte aus Pinas Tanzaufführungen zur Schau gestellt.
Die unterschiedlichen Räume werden durch eine große Leinwand, auf der die AufZeichnung von Danzon abgespielt wird, neu zusammengestellt. Ihre visuelle Präsenz im vorderen Teil der Halle, die durch diePlazierung im oberen Teil des Raums hergestellt wird, verstärkt die allgegenwärtige, akustische Präsenz.
Es scheint, als solle die Anordnung der unterschiedlichen Objekte, Texte und Raummöglichkeiten, sowie die räumliche die räumliche Aufteilung in der Bundeskunsthalle, die Besucher_innen zur Partizipation aktivieren.
Trotz der dominanten Inszenierung des Archivs, bestehend aus Fotografien, Videomaterial, Regiebücher, Aufführungshefte und Artefakte, wird dem Besucher_innen die Möglichkeit angeboten, sich den Tanz anzueignen. Der Besucher oder die Besucherin bleibt nicht länger vor der Bühne oder dem Gegenstand, er taucht gleich in dem Alltag des Tänzers.
Dadurch wird die Abfolge der Räume im Raum, die durch ihre chronologische oder zum Teil thematische Bestimmung den Besucher lenken soll, durch Fragmente des realen Lebens, sei es der Tänzer_innen oder der Besucher_innen, gebrochen. Diese Fragmente erlauben ihm die Möglichkeit der Entscheidung zur Partizipation.
Die Art, wie die Ausstellung die Objekte, die Räume und die Menschen zueinander in Beziehung setzt, das Inszenieren einer potentiellen Bühne für potentieller Bewegungen rücken das Konzept der Ausstellung in der Nähe einer Choreographie. Die Ausstellung kann als Choreographie verstanden werden, als mögliche Ordnung und einer offenen Handlungswahl, die der Besucher in einem individuellen Ritual vollzieht.2 Man kann die Ausstellung aufgrund ihren performativer Charakter3 und choreographisches Potentials auch als eine Aufführung betrachten. Alles funktioniert wie eine Szene, die einem Prozess ausgesetzt wird: Räume, Objekte, Tänzer_innen und Besu- cher_innen.
Die offene Darstellung der künstlerischen Wirklichkeit in der Bundeshalle durch die Rekonstruktion des Lichthofes und die stattgefundenen Übungen verweisen auf das Tanzstück Kontakthof. Die Produktionswirklichkeit des Theaterbetriebs wird hier zum bestimmenden Thema. Die Wirklichkeit des Alltäglichen mit seinen Konflikten trifft die zwanghafter Bühnenrealität.4
Eine Ähnlichkeit zum realen Proberaum der Kompanie stellt schon das Bühnenbild: ein großer, hoher grauer Raum- im Stil der Jahrhundertwende- ein Tanzsaal mit Bühne, mit einem Klavier, einem automatischen Schaukelpferd und einer Reihe von Stühlen ausgestattet5. Pina Bausch zeigt damit die konkreten Arbeitsbedingungen, die Zwänge des Theatermachens und die stumme Erwartungshaltung des Publikums. Kontakthof, in Wirklichkeit ein Treffpunkt für Prostituierte und Freier, symbolisiert die Problematik des Tanzkünstlers oder der Tanzkünstlerinnen.
Die Ausstellung mit ihrer Gestaltung kann als subtile Referenz zum Kontakthof gelesen werden.
Kommen wir zurück zu der Nachbildung der Tische und Stühle in Cafe Müller.
[...]
1 Siehe Ostwald: „Tanz ausstellen/ Tanz aufführen“, S.6.
2 Siehe Ostwald: „Tanz ausstellen/ Tanz aufführen“, S. 61.
3 Vgl. Fischer- Lichte: Ästhetik der Performativen, S. 200.
4 Siehe Servos: Pina Bausch-Wupperthaler Tanztheater oder die Kunst, einen Goldfisch zu dressieren, S. 96.
5 Ebd.
- Citation du texte
- Roxana Rotaru (Auteur), 2016, Pina Bausch und das Tanztheater. Choreographie einer Ausstellung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159382
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