Die Arbeit setzt sich mit der Bedeutung der Muttersprache bei Kindern, die mehrsprachig aufwachsen, auseinander. Die zentrale Frage lautet: Ist es für die Entwicklung eines mehrsprachig aufwachsenden Kindes nachteilig, wenn in der Kita von Seiten der pädagogischen Fachkraft das Sprechen der Muttersprache missbilligt wird? Zur Beleuchtung dieser Frage wird ein Einblick in die verschiedenen Modelle eines Spracherwerbs und die Arten der Mehrsprachigkeit gegeben. Danach wird auf das Thema Muttersprache, und warum die Muttersprache bedeutsam für die sozial-emotional, sprachliche und kognitive Entwicklung ist, eingegangen. Aufgrund der Bedeutsamkeit dieses Themas in der pädagogischen Arbeit werden Anregungen gegeben, wie ErzieherInnen Kinder mit Mehrsprachigkeit unterstützen und begleiten können.
Die Vielfalt unserer Gesellschaft spiegelt sich in der mehrsprachigen Situation der Kitas und Schulen wider. Viele ErzieherInnen und Eltern empfinden es als problematisch, wenn Kinder in der Kita ihre Muttersprache sprechen, obwohl sie die deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen. Es gibt auch Eltern, die der Meinung sind, ihr Kind würde die deutsche Sprache besser lernen, wenn es ihm in der Kita verboten wird, seine Muttersprache zu sprechen. Es wird oft angenommen, dass die Muttersprache dem Lernen der neuen Sprache nachteilig entgegenwirkt. Über die Bedeutung der Muttersprache für das Kind wird oft nicht viel nachgedacht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Hauptteil
2.1 Modelle des Spracherwerbs
2.1.1 Mutterspracherwerb (Erstspracherwerb)
2.1.2 Doppelspracherwerb (Bilingualismus)
2.1.3 Zweitspracherwerb
2.1.4 Fremdsprachenerwerb (gesteuerter Spracherwerb)
2.2 Bedeutung der Muttersprache
2.2.1 Die Bedeutung der Muttersprache für die sozial-emotionale Entwicklung
2.2.2 Die Bedeutung der Muttersprache für die sprachliche Entwicklung
2.2.3 Die Bedeutung der Muttersprache für die kognitive Entwicklung
2.3 Zur Tätigkeit der pädagogischen Fachkraft
2.3.1 Reflektierte Haltung der ErzieherInnen zu den verschiedenen Fremdsprachen
2.3.2 Vielfalt als Reichtum verstehen
2.3.3 Elternarbeit
2.3.4 Pädagogisches Handeln im Alltag
3 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In dieser Arbeit setze ich mich mit dem Thema „Die Bedeutung der Muttersprache bei Kindern mit Mehrsprachigkeit“ auseinander. Zentral widme ich mich folgender Frage: Ist es für die Entwicklung eines mehrsprachig aufwachsenden Kindes nachteilig, wenn in der Kita von Seiten der pädagogischen Fachkraft das Sprechen der Muttersprache missbilligt wird? Zur Beleuchtung dieser Frage gebe ich einen Einblick in die verschiedenen Modelle eines Spracherwerbs und die Arten der Mehrsprachigkeit. Danach gehe ich auf das Thema Muttersprache ein und gebe einen Einblick, warum die Muttersprache bedeutsam für die sozial-emotional, sprachliche und kognitive Entwicklung ist.
Aufgrund der Bedeutsamkeit dieses Themas in der pädagogischen Arbeit gebe ich Anregungen, wie ErzieherInnen Kinder mit Mehrsprachigkeit unterstützen und begleiten können.
Die Vielfalt unserer Gesellschaft spiegelt sich in der mehrsprachigen Situation der Kitas und Schulen wieder. „Jedes fünfte Kita-Kind wächst in einem Haushalt auf, in dem nicht Deutsch gesprochen wird.“ (Menkens 2020)
Viele ErzieherInnen und Eltern empfinden es als problematisch, wenn Kinder in der Kita ihre Muttersprache sprechen, obwohl sie die Deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen. Es gibt auch Eltern die der Meinung sind, ihr Kind würde die deutsche Sprache besser lernen, wenn es ihm in der Kita verboten wird, seine Muttersprache zu sprechen. (Vgl. Mauch 2004, S.1) Es wird oft angenommen, dass die Muttersprache dem Lernen der neuen Sprache nachteilig entgegenwirkt. Über die Bedeutung der Muttersprache für das Kind wird oft nicht viel nachgedacht.
In meiner Kindheit habe ich zehn Jahre lang mit meiner Familie im Ausland gelebt. Meine Muttersprache haben wir nur Zuhause gesprochen. Im Kindergarten und später in der Schule habe ich Türkisch und Englisch geredet. So weiß ich, wie es ist, in einem Land zu leben, in dem man die Sprache neu lernen muss, wie bedeutsam die Muttersprache ist und was mit ihr alles verbunden ist. Ich habe selbst erfahren, dass die Muttersprache mir ein Gefühl von Sicherheit gab und stark emotional gebunden ist.
Von diesem Hintergrund ist der Wunsch in mir entstanden, in dieser Arbeit näher zu beleuchten, welche Bedeutung die Muttersprache für Kinder hat, die mehrsprachig aufwachsen und wie in der Praxis solche Kinder begleitet und gefördert werden können.
2 Hauptteil
2.1 Modelle des Spracherwerbs
2.1.1 Mutterspracherwerb (Erstspracherwerb)
Als Muttersprache bezeichnet man die Sprache, die ein Mensch als Kleinkind zuerst erlernt hat. Die Begriffe Erstsprache und Muttersprache sind gleichbedeutend.
Die Muttersprache wird in der frühesten Kindheit von der wichtigsten Bezugsperson als erste Sprache gelernt und diese Sprache behält fast immer eine besondere Bedeutung. (Vgl. Ringler 2004, S.47) Die Muttersprache spielt eine große Rolle beim Heranwachsen eines Kindes. Bevor ein Kind reden kann, hört es die Muttersprache. (Vgl. Mauch 2004, S. 4)
Schon ein Säugling ist permanent von seiner Muttersprache umgeben. Das Windelwechseln, Eincremen, Anziehen und das Hineinlegen in den Kinderwagen werden mit Worten begleitet. Sie haben meist eine beruhigende Tonlage, die dem Kind ein Gefühl von Zuwendung und Sicherheit gibt.
„Schmeichelnde Reimworte wiegen das Kind in den Schlaf, dazugehörige Melodien prägen sich tief in das Unterbewusstsein ein. Muttersprache ist emotional durchdrungen und wird weniger als Sprache denn als Austausch von Gefühlen verstanden.“ (Blank-Mathieu 2004, S. 1)
Die Muttersprache gibt dem Kind ein Heimatgefühl und Sicherheit. Außerdem erwirbt das Kind durch die Muttersprache wichtige soziale, kognitive, kommunikative und emotionale Fähigkeiten. Durch die Muttersprache werden kulturelle Werte, Akzeptanz und emotionale Bindung gefördert. (Vgl. Mauch 2004, S. 4)
Der Akzent und die Melodie der Erstsprache prägen sich beim Menschen sehr stark ein, begleiten einen Menschen das ganze Leben lang und durchdringen meist auch die später erlernten Sprachen. „Beim Erlernen der Erstsprache werden neuronale Verarbeitungsroutinen ausgebildet, die sich später nicht mehr ändern lassen und auf denen alle anderen sprachlichen Lernprozesse aufbauen.“ (Stangel 2019)
An dieser Stelle möchte ich noch anmerken, dass selbstverständlich diese positive Konnotierung der Muttersprache dann gegeben ist, wenn die Persönlichkeit der Bezugsperson (Vater/Mutter) feinfühlig, liebevoll, adäquat responsiv mit dem Kind in Beziehung tritt.
Die Entwicklungsstufen der Erstsprache
Säuglinge kommen mit der Befähigung zur Erlernung von Sprache auf die Welt. Die Vorläuferfähigkeiten für den Spracherwerb sind die Wahrnehmung (Hören, Reaktion auf sprachliche Laute), soziale Kognition (Aufmerksamkeit auf Gesicht, soziale Imitation, Gesten) und Kognition (Objektkategorisierung, Gedächtnis für Sprache und Gesten).
Ist ein Kind einige Wochen alt kommt es schon zu ersten Vokalisierungen (ehe, uhu- Laute)
Mit 2-3 Monaten fängt das Kind an zu schnalzen und probiert alle Laute aus, die es mit dem Mund erzeugen kann. Das Kind macht auch solche Laute, die in seiner Muttersprache nicht vorkommen.
Mit 7-10 Monaten werden dann nur noch Laute produziert, welche in der Erstsprache des Kindes vorkommen. Das Kind ahmt das Reden und die Melodie der Muttersprache nach.
Ab dem ersten Lebensjahr produziert das Kind Lautkomplexe als Bezeichnung für Personen oder Gegenständen. „Geschichten“ werden mit unverständlichen Worten im Tonfall der Muttersprache erzählt. Es werden Ein-Wort-Sätze gebildet. Das erste Wort eines Kindes ist meist „Mama“. Die Ein-Wort-Äußerungen beziehen sich immer auf eine gesamte Situation und können Bedürfnisse, Wünsche oder Unbehagen ausdrücken. Grundsätzlich versteht das Kind mehr, als es sprechen kann.
Ab Vollendung des zweiten Lebensjahres bilden die Kinder schon Zwei- und Dreiwortsätze, z.B. „wo Ball“ oder „Mama komm“. In diesem Alter tritt auch das Phantasiespielen auf. Die Kinder „füttern“ die Puppe oder „telefonieren“ mit der Oma. Wobei mit Betonungen experimentiert wird. Zudem wiederholen sie immer wieder die Wörter, die sie schon kennen.
Bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres sind die grundlegenden grammatikalischen Strukturen von Sätzen bekannt. Für dieses Alter sind Wortneuschöpfungen typisch. Die Kinder können noch nicht alles benennen und erfinden deshalb selbst Wörter (z.B. ich bin schwimmen „gegingt“). Wo- und Warum-Fragen werden in diesem Alter sehr häufig gestellt. Diese Phase wird als Fragealter bezeichnet.
Bis zum sechsten Lebensjahr können Kinder meist Satzreihen bilden und richtig mit Grammatik umgehen. Die Sätze werden durch „und“ oder „dann“ verbunden. Nun können Kinder Gefühle benennen und Erlebtes im Zusammenhang wiedergeben. Sie verstehen die Zeiten und bewegen sich sprachlich sicher im Gestern, Heute und Morgen.
Im Schulkindalter bekommt die sprachliche Ausdrucksfähigkeit eine Struktur und die Variationsmöglichkeiten, Sätze zu bilden, wird größer. Die Kinder lernen lesen und schreiben. Sie können nun grammatikalische Gesetzmäßigkeiten erfassen und verwenden Verbindungswörter wie „da“, „weil“, „obwohl“ und „deshalb“. (Vgl. Gabriel-Arle S.5; Mauch 2004, S.4-5; Montanari 2002, S.65-67; Ringler 2004, S. 42)
2.1.2 Doppelspracherwerb (Bilingualismus)
Wird ein Kind schon sehr früh (von Geburt an oder in den ersten ein bis zwei Lebensjahren) und intensiv mit einer weiteren Sprache konfrontiert, dann spricht man von einem Doppelspracherwerb. Dieser wird auch Bilingualismus genannt.
Das Kind eignet sich zwei Sprachen in der sogenannten natürlichen Umgebung an. (Vgl. Ringler 2004, S. 30)
Hier ein Beispiel eines Doppelspracherwerbs: Ein Kind wächst zusammen mit Mutter und Vater in Deutschland auf. Der Vater ist Türke und redet mit seinem Kind ausschließlich Türkisch. Die Mutter hingegen ist Deutsche und redet mit ihrem Kind Deutsch. Miteinander reden die Eltern Deutsch.
Die Eltern des Kindes sind unterschiedlicher Nationalität und sprechen von Geburt an in verschiedenen Sprachen mit dem Kind. So eignet sich das Kind zwei Sprachen an. Teilweise ist in der Literatur zu finden, dass Kinder, die mit einem Doppelspracherwerb aufwachsen, zwei Muttersprachen haben. Beide Sprachen sind gleich bedeutsam für das Kind und seine Entwicklung.
2.1.3 Zweitspracherwerb
Wenn ein Kind im Alter von zwei bis drei Jahren intensiv mit einer zweiten Sprache in Kontakt kommt, so spricht man vom kindlichen Zweitspracherwerb. Das Kind hat dann eine Muttersprache und eine Zweitsprache.
Der Zweitspracherwerb im Kleinkindalter verläuft im Wesentlichen ähnlich wie der Erstspracherwerb. Er wird durch das Zuhören und Nachahmen in der alltäglichen Kommunikation gelernt, z.B. in der Schule, Kindergarten oder einer Spielgruppe. Oft ist der Lernerfolg beim Zweitspracherwerb sehr hoch, da Kinder mit ihren Freunden sprechen und spielen wollen und deshalb hoch motiviert sind, in der neuen Sprache zu kommunizieren. (Vgl. Mauch 2004, S. 6)
Wenn durch das Erlernen der zweiten Sprache die erste Sprache nicht vernachlässigt und verdrängt wird, sondern sich beide Sprachen weiterentwickeln, redet man von einer additiven Mehrsprachigkeit.
Diese Voraussetzungen wirken sich positiv auf die kognitive Entwicklung und auf die weitere sprachliche Entwicklung aus. Das bestätigen auch Forschungen zum Spracherwerb zweisprachig aufwachsender Kinder. (Vgl. Ringler 2004, S.31)
Wird die Muttersprache aufgrund des Erlernens der neuen Sprache nicht altersgemäß weiterentwickelt oder sogar teilweise verlernt, redet man von einer subtraktiven Mehrsprachigkeit. „Unter solchen Bedingungen sind Nachteile für die gesamte sprachliche und kognitive Entwicklung des Kindes zu befürchten. Man vermutet, dass in einem solchen Fall wichtige sprachübergreifende Strukturen des Regelwissens und der Sprachlogik im ersten Sprachsystem wegbrechen, die dann nicht mehr für die Entwicklung vergleichbarer Strukturen in der zweiten Sprache genutzt werden können.“ (Ringler 2004, S. 31)
Diese Tatsache zeigt, wie wichtig die Muttersprache ist und dass sie gefördert und beibehalten werden sollte. Beide Sprachen, die das Kind erwirbt, entwickeln sich in gegenseitiger Abhängigkeit. Die Muttersprache ist eine Grundlage für einen guten Zweitspracherwerb. Je besser das Kind seine Muttersprache beherrscht, desto einfacher fällt es dem Kind, eine neue Sprache zu lernen.
Passende Bedingungen für einen Zweitspracherwerb sind eine stabile Lebenssituation, eine gute emotionale Bindung, eine gesellschaftliche Wertschätzung der Sprache und ein intensiver Kontakt des Kindes zu den Sprechenden der beiden Sprachen. (Vgl. Mauch 2004, S.7)
2.1.4 Fremdsprachenerwerb (gesteuerter Spracherwerb)
„Im gesteuerten Spracherwerb, z.B. im Fremdsprachenunterricht, wird das Lernen formal organisiert. Die Sprache wird als Sprache unterrichtet mit klar aufeinander aufgebauten didaktischen Einheiten.“ (Ulrich 2010, S. 15)
Eine Fremdsprache wird durch bewusstes Übersetzen von der Erstsprache in die fremde Sprache und umgekehrt erworben. Die grammatikalischen Regeln werden meist theoretisch gelernt und dann angewandt. Dabei denkt der Lernende in seiner Muttersprache. Das Lernen der Fremdsprache findet hier nicht in einer natürlichen Kommunikationsbeziehung statt, sondern wird in einer künstlich hergestellten Lernsituation gelernt. Deshalb wird eine Fremdsprache, die isoliert von einem sprachlichen Alltag erworben wird, immer lückenhaft sein. Oft bleibt ein deutlicher Akzent der Muttersprache, auch fehlt die Wortschatzsicherheit. (Vgl. Iven 2006, S. 107)
Häufig ist die Motivation zum Lernen der Fremdsprache und der Lernerfolg wesentlich geringer als beim Zweitspracherwerb.
Eine Fremdsprache wird erst erlernt, wenn man sich die Muttersprache weitgehend angeeignet hat. (Vgl. Mauch 2004, S.7)
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