Der Wunsch nach einem urbanen Leben erfordert unter Berücksichtigung des weltweit steigenden Nahrungsmittelbedarfes Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft. Dadurch ergibt sich die wissenschaftliche Relevanz der Thematik. Gegenstand dieser Arbeit ist demzufolge, den Einfluss von Vertical Farming, verglichen mit der herkömmlichen Landwirtschaft, auf die zukünftige Nahrungsmittelversorgung in einer urbanisierten Welt zu überprüfen.
Zum Einstieg in die Thematik werden zuerst die Oberbegriffe Nachhaltigkeit und Urbanisierung definiert, um danach die Probleme zunehmender Urbanisierung zu analysieren und zu erläutern. Die Methode des Vertical Farmings als Alternative zur herkömmlichen Landwirtschaft wird hinsichtlich ihrer Herkunft, der Entwicklung, dem aktuellen Stand der Technik sowie der Funktionsweise genau beschrieben. Im Hauptteil dieser Arbeit wird eine umfassende Literaturanalyse betrieben sowie bestehende Pilotprojekte und Lösungsansätze miteinander verglichen, begleitet von den Ergebnissen der im Rahmen dieser Forschungsarbeit durchgeführten Experteninterviews.
Zudem wird zwischen konventioneller Landwirtschaft und VF unterschieden, um das geeignete Anbauverfahren für die Versorgungssicherheit einer urbanisierten Welt zu bestimmen. Hierbei wird auf die Vor- und Nachteile der jeweiligen Anbaumethode eingegangen, sowie verschiedene Kennzahlen definiert und nebeneinandergestellt. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst, interpretiert und kritisch diskutiert. Im Fazit werden alle Erkenntnisse noch einmal komprimiert, um den Einfluss von Vertical Farming auf die zukünftige Nahrungsmittelerzeugung in einer urbanisierten Welt messen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Definition Nachhaltigkeit
2.2 Urbanisierung
2.3 Vertical Farming
2.3.1 Anbaumethoden
2.3.2 Vertical Farming versus Traditionelle Landwirtschaft
2.3.3 Aktueller Entwicklungsstand
3. Methoden der multikriteriellen Entscheidungsunterstützung
4. Darstellung der Experteninterviewergebnisse
4.1 Vorteile von Vertical Farming
4.2 Hürden von Vertical Farming
4.3 Anbau von Grundnahrungsmitteln
4.4 Effizienz
4.5 Standortwahl
4.6 Energiebedarf
4.7 Beitrag zur Futtermittelproduktion
4.8 Beitrag zu Fleischersatzprodukten
4.9 Zukunft von Vertical Farming
5. Diskussion
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Interviewleitfaden
Deutsche Version
Englische Version
Kodierleitfaden
Erster Durchgang der Zusammenfassung
Zweiter Durchgang der Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Eigene Zusammenführung der DESA Daten aus der Entwicklung der Weltbevölkerung und der Urbanisierung
Abbildung 2.1: Systeme der Hydroponik
Abbildung 2.2: System der Aeroponik-Methode
Abbildung 2.3: Kreislauf der Aquaponik-Methode
Abbildung 2.4: Compound annual growth rate (CAGR) of vertical farming worldwide
Abbildung 2.5: Geschätzter Marktwert von VF in den USA
Abkürzungsverzeichnis
VF - Vertical Farming
UN DESA - United Nations Department of Economic and Social
Affairs
UN-Konferenz - United Nation Konferenz
ha - Hektar
EU - Europäische Union
IMF - International Monetary Fund
IMTA - Integrierte multitrophische Aquakultur
CAGR - Compound annual growth rate
DESA - Department of Economic and Social Affairs
1. Einleitung
Die Versorgungssicherheit der steigenden Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln wird langfristig in Frage gestellt (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastropenhilfe, 2021). Im Jahre 2020 lebten 7,79 Milliarden Menschen auf der Erde (UN DESA, 2018b, 2019). 690 Millionen von ihnen sind dabei akut von Hunger betroffen. Noch immer ist Unterernährung der häufigste Grund für das vorzeitige Ableben von Menschen auf der Erde. Die Gründe dafür sind Wetterextreme, die durch den Klimawandel häufiger und stärker auftreten und Ernteausfälle bedingen. Verstärkt wird der Effekt durch die Verschwendung von Ressourcen, eine mangelnde landwirtschaftliche Flächennutzung und der enorme Bevölkerungsanstieg (Trost, 2015; Welthungerhilfe eV, 2019).
Gemäß den Berechnungen des „Department of Economic and Social Affairs“ (DESA) der Vereinten Nationen werden 68,4% der geschätzten 9,74 Milliarden Menschen bis 2050 in Städten leben. Dies wäre ein Anstieg der Urbanisierungsrate von 16,7% mit einem Bevölkerungswachstum von 40%, seit 2010 (UN DESA, 2018b, 2019) (vgl. Abbildung 1.1). Dieser zunehmende Grad der Urbanisierung und das verbundene Bevölkerungswachstum stellen heutige und zukünftige Generationen überall auf der Welt vor enorme Herausforderungen. Der Anteil an versiegelten Flächen nimmt durch das Städtewachstum stetig zu und tritt mit den von Natur aus begrenzten agrarwirtschaftlichen Nutzflächen in einen bedeutsamen Konflikt. Daraus resultieren erhebliche Herausforderungen einer nachhaltigen Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in Ballungsgebieten (European Commission. Joint Research Centre., 2019, S. 26; Hübner et al., 2009).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1: Eigene Zusammenführung der DESA Daten aus der Entwicklung der Weltbevölkerung und der Urbanisierung Quelle: (UN DESA, 2018b, 2019)
Die herkömmliche Agrarwirtschaft benötigt viel Fläche, ist ressourcenintensiv durch ihren hohen Wasser-, Dünger-, Pestizidbedarf und trägt zur Auslaugung von Böden, sowie deren Erosion bei (Hübner et al., 2009). Darüber hinaus zeigen Studien, dass 30 Prozent der Ernte durch Verderb und Schädlingsbefall während der Lagerung und des Transports verloren gehen (Despommier, 2009, S. 5). Die herkömmliche Agrarproduktion entwickelt sich einerseits durch niedrige Verkaufspreise und wachsender Bevölkerung zur quantitativen, konventionellen Landwirtschaft, um Ernteerträge weiter zu steigern, ohne jegliche Umweltaspekte, wie den Nitrathaushalt im Boden, zu berücksichtigen. Im Gegenzug dazu lässt sich der wachsende Trend zur Ökolandbauvariante beobachten (Kellermann, 2020). Die Variante ist eine umweltschonendere Landwirtschaftsform mit geringerer Pestizidbelastung. Jedoch stellt sich die Frage, ob die zukünftige Weltbevölkerung allein mit einer solchen umweltschonenden Methode ausreichend ernährt werden kann (Kellermann, 2020, S. 1–3). Vertical Farming (VF), zu deutsch „Vertikale Landwirtschaft“, bietet eine noch relativ neue, ressourcenschonendere Alternative der Nahrungsmittelerzeugung. Gemeint ist der Anbau von Nahrungsmitteln, vorwiegend Gemüse und andere Kulturen, in mehrstöckigen Gewächshäusern mit Hilfe von intelligenten Bewässerungssystemen und künstlichem Licht durch den Einsatz von LED-Beleuchtung. Durch diese Art der Nahrungsmittelproduktion wird etwa 99% weniger Fläche benötigt und 95% weniger Wasser durch eine Kreislaufwirtschaft verbraucht (AeroFarms, 2021b). Diese Methode enthält somit Vorteile im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft, wie ein gänzlicher Verzicht des Einsatzes von Fungiziden, Herbiziden und anderen chemischen Pestiziden (AeroFarms, 2021b; Birkby, 2016).
Der Wunsch nach einem urbanen Leben erfordert daher, unter Berücksichtigung des weltweit steigenden Nahrungsmittelbedarfes, Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft. Dadurch ergibt sich die wissenschaftliche Relevanz der Thematik. Gegenstand dieser Arbeit ist demzufolge, den Einfluss von Vertical Farming, verglichen mit der herkömmlichen Landwirtschaft, auf die zukünftige Nahrungsmittelversorgung in einer urbanisierten Welt zu überprüfen.
Zum Einstieg in die Thematik werden zuerst die Oberbegriffe Nachhaltigkeit und Urbanisierung definiert, um danach die Probleme zunehmender Urbanisierung zu analysieren und zu erläutern. Die Methode des Vertical Farmings als Alternative zur herkömmlichen Landwirtschaft wird hinsichtlich ihrer Herkunft, der Entwicklung, dem aktuellen Stand der Technik sowie der Funktionsweise genau beschrieben. Im Hauptteil dieser Arbeit wird eine umfassende Literaturanalyse betrieben, sowie bestehende Pilotprojekte und Lösungsansätze miteinander verglichen, begleitet von den Ergebnissen der im Rahmen dieser Forschungsarbeit durchgeführten Experteninterviews. Zudem wird zwischen konventioneller Landwirtschaft und VF unterschieden, um das geeignete Anbauverfahren für die Versorgungssicherheit einer urbanisierten Welt zu bestimmen. Hierbei wird auf die Vor- und Nachteile der jeweiligen Anbaumethode eingegangen, sowie verschiedene Kennzahlen definiert und nebeneinandergestellt. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst, interpretiert und kritisch diskutiert. In dem Fazit werden alle Erkenntnisse noch einmal komprimiert, um den Einfluss von Vertical Farming auf die zukünftige Nahrungsmittelerzeugung in einer urbanisierten Welt messen zu können.
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Definition Nachhaltigkeit
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird in Verbindung mit der Land- und Forstwirtschaft, als auch in der Nahrungsmittelproduktion verwendet und ist dem Konsumenten durch den Klimawandel und das steigende Umweltbewusstsein immer bedeutsamer geworden (Bruttel, 2014; Ulber, 2020, S. 10). Semantische Anfänge des Begriffes „Nachhaltigkeit“ lassen sich auf das Jahr 1713 datieren. Hanß Carl von Carlowitz forderte, dass nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie durch planmäßige Aufforstung auch wieder nachwachsen kann. Der aktuell vorkommende hohe Bedarf an Holz führe zum Raubbau am Wald. Zusätzlich sei der Wald noch Naturkatastrophen und Umweltschäden ausgesetzt, daher müsse ein regeneratives, natürliches System durch das Prinzip der Nachhaltigkeit erhalten bleiben. Der Grundstein zum Verständnis der Nachhaltigkeit als ein ressourcenökonomisches Prinzip war damit von Carlowitz gelegt (Rösch et al., 2020, S. 1–3; von Carlowitz & Irmer, 2000). Carlowitz begrenzte jedoch seine Sichtweise auf die natürlichen Ressourcen, wobei die Brundtland-Kommission im Brundtland-Bericht 1987 eine umfassendere Definition verfasste und den Begriff „Dauerhaft“ als Synonym für die Nachhaltigkeit verwendet hat (Rösch et al., 2020):
„Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Brundtland, 1985).
Damit ist gemeint, dass ein nachhaltiges Befriedigen der Bedürfnisse der Gegenwart die Vorrausetzung für eine Bedürfnisbefriedigung der nächsten Generationen ist. Auf der UN-Konferenz zur Umwelt und Entwicklung wurde sich einige Jahre später auf das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung geeinigt. Daraufhin ist 2001 die Millenniumserklärung mit acht internationalen Entwicklungszielen von den Vereinten Nationen veröffentlicht worden, um die ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele für die nächsten Jahrzehnte zu definieren. 2015 wurde die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung beschlossen und mit 17 Zielen definiert. Insbesondere die Ziele „Sauberes Wasser“, „Kein Hunger“, „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und „Nachhaltige/r Konsum & Produktion betreffen dabei die zukünftige Landwirtschaft (Rösch et al., 2020, S. 3–4; United Nation, 2021).
Verschiedene Modelle, wie beispielsweise das Drei-Säulen-Modell vom Oldenburger Professor Bernd Heins, aus dem Jahre 1994, sollen die Zugehörigkeit von Ökologie, Ökonomie und Sozialem darstellen. Die Nachhaltigkeit wird bei dem Modell als Dach interpretiert, welches von den 3 Säulen getragen wird (Rösch et al., 2020, S. 5–6). Demzufolge ist übereinstimmend zu Carlowitz und der Brundtland-Kommission die nachhaltige Agrarwirtschaft mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten zu berücksichtigen. Die Nachhaltigkeit, das Bevölkerungswachstum, sowie deren Versorgungssicherheit durch innovative Landwirtschaft, müssen in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, um den „Sustainable Development Goals“ im Landwirtschaftlichen Bereich gerecht zu werden (Rösch et al., 2020).
2.2 Urbanisierung
Die Urbanisierung kann mit dem Begriff Verstädterung gleichgesetzt werden. Damit wird ein Bündel von Prozessen des gesellschaftlichen Wandels zusammengefasst, welches aus der Veränderung von Siedlungsformen und -strukturen als auch aus der Verteilung der Bevölkerung besteht (Herrle & Fokdal, 2019, S. 4). Um diese Umsiedlung in Städte zu messen, wird von der Urbanisierungsrate und -grad gesprochen. Die Rate wird häufig auch als Städtewachstum bezeichnet und umfasst das Wachstum einer Bevölkerung in einem bestimmten Zeit- und Lebensraum. Während der Urbanisierungsgrad das Verhältnis zwischen der Stadtbevölkerung und Gesamtbevölkerung misst (Herrle & Fokdal, 2019, S. 5).
Vor dem 18. Jahrhundert lag der Urbanisierungsgrad weltweit unter 3%. Ab dem 19. Jahrhundert war die Industrialisierung ein entscheidender Treiber für den gesellschaftlichen Wandel, die diesen Wert 1950 auf 29% brachte (European Commission. Joint Research Centre., 2019; Herrle & Fokdal, 2019, S. 6). In der Zeit haben sich Familienstrukturen verändert und Kleinfamilien vermehrt gebildet. Neue Produktions- und Transporttechnologien führten zum Übergang der wirtschaftlichen Grundlage von der Agrarwirtschaft zur nicht landwirtschaftlichen Erzeugung. Diese entscheidenden Veränderungen führten zu massiven Zuwanderungen in den urbanen Raum (Herrle & Fokdal, 2019, S. 2).
Die Zunahme der Bevölkerung (vgl. Abbildung 1.1) führt langfristig zu einer komplett urbanisierten Welt. 2050 prognostizieren die „Vereinten Nation“ einen Urbanisierungsgrad von 68,3% (UN DESA, 2018b, 2021). Ursachen dafür sind verschiedene Faktoren, wie die natürliche Bevölkerungsentwicklung, die Migration, die Umwidmung von ländlichen Gebieten und die Globalisierung. Dadurch entstehen Megastädte oder auch Ballungszentren, wie Tokio (37,5 Mio), Delhi (28,5 Mio) und Shanghai (25,6 Mio) (Herrle & Fokdal, 2019, S. 7–8; UN DESA, 2018a).
Solche wachsenden Metropolregionen führen zu neuen Herausforderungen für die Umwelt und den Menschen. Hohe Luftverschmutzung, Abfallwirtschaft und mangelnde sanitäre Versorgung verschlechtern die Lebensbedingungen des konsumfreudigen Menschen. Zudem wird der Wohnraum immer knapper und die Urbanisierung beeinflusst das ursprüngliche Ökosystem durch die Versiegelung der natürlichen Flächen (Loerzer, 2020). Städte versprechen durch die Anzahl an Arbeitsplätzen ein sicheres Einkommen und mehr Wohlstand als im regionalen Raum, jedoch verschärft ein urbanes Leben eher das Ausmaß an Armut. „Der Kontrast zwischen Arm und Reich ist durch mangelnde Chancengleichheit besonders groß“ (Loerzer, 2020). Zusätzlich wird die Umwelt stark verschmutzt, die Biodiversität und Vielfalt an Lebewesen reduziert, sowie natürliche Ressourcen immer mehr ausgeschöpft (Heinrichs, 2007, S. 1). Durch die zunehmende Urbanisierung wird eine zukunftsfähige und ressourcensparende Entwicklung der Städte gefährdet. Der Flächenverbrauch ist immense und beeinträchtigt nicht nur die Waldwirtschaft und Biodiversität, sondern auch die landwirtschaftliche Produktion und Wasserversorgung (Habitat, 2016, S. 128; Umweltbundesamt, 2017, S. 5–8). Wird die Umwandlung der landwirtschaftlichen Nutzflächen weiter umgesetzt, kann es laut der Bundeszentrale für politische Bildung zu Versorgungs- und Grundwasserproblemen der Bevölkerung kommen. Der Großanteil an nicht-agrarwirtschaftlich genutztem Wasser wird in Metropolen verbraucht. Die Übernutzung des Grundwasservorkommens führt dabei zur Wasserknappheit in einigen Städten. In Jakarta haben beispielsweise weniger als 60 Prozent der Bevölkerung Zugang zu einer öffentlichen Trinkwasserversorgung (Heinrichs, 2007, S. 2–3).
Die Urbanisierung nimmt laut Umweltbundesamt weltweit immer mehr Ackerflächen in Anspruch. 1992 bis 2002 sind durch die „USA“ als Spritzenreiter 220 Hektar (ha) Land pro Tag umgewandelt worden. In Deutschland lag der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsflächen in den 1990er Jahren bei 129 ha pro Tag, welcher sich dann in den Jahren 2009 – 2012 auf 74 ha pro Tag reduzierte (Umweltbundesamt, 2017, S. 5). Bis 2050 sollen jedoch durch die Urbanisierung, die Industrialisierung und die Infrastruktur weltweit einhundert Millionen Hektar Fläche in Bauland umgewandelt worden sein (Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2018). Global wäre das ein landwirtschaftlicher Nutzflächenverlust von 45 Quadratmeter pro Kopf und Jahr, der dem Menschen nicht mehr zur Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung steht (Umweltbundesamt, 2017, S. 5). Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie 2002 forderte demnach ein Reduktionsziel von 30 ha pro Tag bis 2030 (Goetzke et al., 2014, S. 3; Umweltbundesamt, 2020). Bis spätestens 2050 soll daraufhin die Inanspruchnahme der Flächen auf null minimiert werden (Umweltbundesamt, 2020).
Um den Rückgang der Nutzflächen und des dazugehörigen Ökosystems zu stoppen, sollten die Methoden der Agrarwirtschaft und -produktion, sowie die Umwandlung von wertvollen landwirtschaftlich genutzten Flächen hinterfragt werden. Landwirte und Forscher sind der Meinung, dass das Problem mit der Intensivierung der Flächen durch die Erhöhung des Ernteertrags anzugehen sei (Dietl, 2020, S. 20; Fischer et al., 2011). Wissenschaftliche Indizien führen jedoch zu der konkreten Aussage. „Je intensiver landwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet werden, desto schwerwiegender sind die negativen Folgen für die Biodiversität, die betroffenen Ökosysteme, sowie deren Funktionen und Dienstleistungen“ (Dietl, 2020, S. 20; Fischer et al., 2011, S. 593; Lal, 2015, S. 5875–5895; Tscharntke et al., 2012, S. 53–59). Ein globaler Umstieg auf biologische Landwirtschaftsmethoden könnte eine mögliche Lösung sein, um die prognostizierte steigende Weltbevölkerung (vgl. Abbildung 1.1) unter Berücksichtigung der Umwelt zu ernähren (Muller et al., 2017). Die ökologische Landwirtschaft kämpft als alleinige umweltbewusste Anbaumethode gegen die Probleme der Urbanisierung und des Klimawandels. „Vertical Farming“ könnte eine zusätzliche Alternative zum Ökolandbau bieten und für eine nachhaltige Versorgung der Ballungsgebiete sorgen (Bohn & Viljoen, 2011, S. 150–159).
2.3 Vertical Farming
Vertikale Landwirtschaft, ist eine Form der urbanen Landwirtschaft und eine Unterkategorie des „ZeroAcreage Farming“. Das Ziel ist es Lebensmittel anzubauen ohne zusätzliches Land zu nutzen (Haack et al., 2020, S. 89). Es ist eine neue ressourcenschonendere Erzeugungsmethode, welche den Anbau von Pflanzen in kontrollierten Innenräumen, mit präzisen Lichtquellen, Temperaturen und Nährstoffen beinhaltet. Sie wird als Zukunftstechnologie definiert und seit den 1990er Jahren vom Ökologieprofessor Dickson Despommier als modernes technologisches Landwirtschaftskonzept vorangetrieben. Für den Vorgang werden verlassene Lagerhallen, neue Gebäude, die auf ökologisch geschädigtem Land errichtet wurden oder auch gebrauchte Schiffscontainer verwendet. Dadurch ist der Anbauprozess kaum noch von der Natur abhängig. Die Nutzpflanzen werden mehrere Stockwerke hoch gestapelt, benötigen keine Erde und werden mit Hilfe von intelligenter Bewässerungs-, Licht- und Sensortechnologie versorgt, sowie hinsichtlich ihres Wachstums, des Nährstoff- und Wasserbedarfs und dem optimalen Erntezeitpunkt kontrolliert (Birkby, 2016, S. 1; Despommier & Carter, 2011, S. 60; Kahlenborn & Tappeser, 2018, S. 8). Typologisiert wird zwischen „Plant factory with artifical lighting“ (PFAL), einer lagerhausähnlichen Variante mit künstlicher Beleuchtung, „Controlled Environment Agriculture (CEA), einer Anbaumethode unter kontrollierten gesteuerten Umweltfaktoren und der Standortmöglichkeit in Gewächshäusern mit natürlichem Licht, sowie in Schiffscontainern mit CEA-Technik zu kultivieren (Gómez et al., 2019, S. 1448–1458; Kozai et al., 2019; Polsfuss, 2021c). Durch diese Bedingungen können ganzjährig mit wenig Abfall Nahrungsmittel erzeugt werden, ohne große Mengen an Wasser zu verbrauchen und abgasstarke Maschinen oder Langstreckentransporte verwenden zu müssen (Despommier, 2009, S. 1). Darüber hinaus wird durch diese urbane Landwirtschaftsmethode ein deutlich größerer Ernteertrag als bei der herkömmlichen Methode erzielt (Lu & Grundy, 2017, Kapitel 3).
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit von Charles Darwin, entstand mit jeder Malthusianischen Vorhersage eines Weltuntergangs durch die steigende Bevölkerung eine Anzahl von technischen Innovationen, die das Problem der Versorgung behoben haben. Ob neue Landmaschinen, verbesserte Düngemittel und Pestizide, resistentes Saatgut gegen Krankheiten und Schädlinge oder Impfstoffe für Tiere. All das führte dazu, dass die Bevölkerung genügend Nahrung hatte. In den 1980er Jahren fanden Wissenschaftler heraus, dass die Landwirtschaft ihren Boden an den meisten Orten ausgelaugt hat und dass sogenannte Agrochemikalien die natürlichen Zyklen der Nährstofferzeugung zerstört hatten. Wodurch das Ökosystem geschwächt und der Anreiz zu ökologischen Alternativen gesetzt worden ist (Despommier, 2012, S. 2). Klimaexperten, wie Wangari Maathai (Umweltschützerin & Friedensnobelpreisträgerin 2004), sind sich einig, dass die Umgestaltung der Ackerflächen zu ursprünglichen, grasbewachsenen und bewaldeten Flächen den Klimawandel verlangsamen wird (Despommier, 2012, S. 2–3; Despommier & Carter, 2011). Despommier versuchte zu seiner Zeit die Öffentlichkeit mit seiner Idee der urbanen Landwirtschaft zu begeistern und argumentierte mit Vorteilen geringerer Flächennutzung, Emissionseinsparung durch geringere Transportwege, sowie den Schutz der Ernte vor Dürre, Frost und Überflutung. Mit der Zeit haben sich drei Anbaumethoden des Vertical Farming durchgesetzt und werden heute von jungen innovativen Unternehmen für Pflanzen wie Kräuter, Frucht-, Blatt- und Knollengemüse etc. erfolgreich praktiziert (Birkby, 2016, S. 1–12; Chatterjee et al., 2020, Kapitel 4; Despommier & Carter, 2011, Kapitel 6).
2.3.1 Anbaumethoden
2.3.1.1 Hydroponik
Der Begriff „Hydroponik“ besteht aus den griechischen Worten „hydro“ (Wasser) und „ponos“ (Arbeit) und wurde 1940 vom Agronomen Dr. William. F. Gericke in seinem Werk „The Complete Guide to Soilless Garding“ vertieft und mit der kommerziellen Landwirtschaft in Verbindung gebracht (Gericke, 1940). Diese Anbaumethode beschreibt die Aufzucht und Kultivierung von Pflanzen in einem System ohne Erde, in dem die Pflanzen in einem Gemisch aus Nährstoffen und Wasser hängen, und gedeihen (vgl. Abbildung 2.1) (Despommier, 2009, S. 3; Polsfuss, 2021a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Systeme der Hydroponik Quelle: (Polsfuss, 2020, S. 1)
Mit der Zeit haben sich sechs verschiedene hydroponische Systeme bewehrt, welche auf verschiedene Art und Weise die Pflanzen mit Wasser, Nährstoffen und Sauerstoff versorgen (vgl. Abbildung 2.1) (Birkby, 2016, S. 1; Polsfuss, 2021a). Das jeweilige System kann als Infrastruktur gesehen werden und ist mit einem Pflanzenbehälter über dem Wasserreservoir ausgestattet. Die Wurzeln der Pflanzen hängen in einer Nährstofflösung, welche aus einer Mischung von synthetischen oder organischen Düngern und Wasser besteht. Damit die Pflanzen im Behälter fixiert sind, werden sie mit einem Substrat aus Steinwolle, Kokosfasern, Perlit oder Kies eingesetzt. Das Substrat kann somit bei Kontakt mit der Nährstofflösung die Wasser-, Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr der Pflanzen beeinflussen. LED Lampen über den Pflanzen ermöglichen eine ganzjährige kontrollierte Aufzucht (Birkby, 2016; Despommier, 2009; Despommier & Carter, 2011, Kapitel 6; Polsfuss, 2021a). Das überschüssige Wasser versickert nun nicht in der Erde, sondern gelangt wieder zurück in das Reservoir und kann erneut verwendet werden, wodurch sich enorme Mengen an Wasserverbrauch einsparen lassen (Despommier, 2012, S. 9).
Das besondere an der Hydrokultur ist, dass der Produzent die Wahl des Standorts selbst trägt ohne dabei von äußeren Umweltfaktoren, wie Niederschlag, Bodenqualität oder der Temperatur, abhängig zu sein. Die Anbaumethode kann überall dort stattfinden, wo genügend Wasser und Energie vorhanden sind. Einige große Anlagen, die sich auf Hydrokulturen spezialisiert haben, befinden sich unteranderem in Deutschland, Dänemark oder Amerika. Die Firma „Eurofresh Farms“ betreibt beispielsweise eine 318 ha große Anlage in der Wüste von Arizona und produziert ganzjährlich Tomaten, Gurken und Paprika (Despommier, 2009, S. 3; Eurofresh Farms, 2021).
2.3.1.2 Aeroponik
Der Begriff „Aeroponik“ lässt sich in die lateinischen Wörter „aero“ (Luft) und „ponos“ (Arbeit) unterteilen. Es ist eine Anbaumethode der Hydrokultur (vgl. Abbildung 2.1), welche 1982 von K. T. Hubnick und Richard Stoner entwickelt und später von der „National Aeronautical and Space Administration“ (NASA) verbessert wurde. In den 1990er Jahren hatte die NASA Interesse daran, Möglichkeiten für den Anbau von Pflanzen im Weltraum zu finden (Birkby, 2016, S. 2; Despommier, 2009, S. 3; Lakkireddy et al., 2012, S. 26–27).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: System der Aeroponik-Methode Quelle: (Polsfuss, 2021b)
Die Methode erlaubt die Kultivierung von Pflanzen in einer Luft-/ Nebelumgebung ohne Erde und mit sehr wenig Wasser. Es wird demzufolge eine künstliche tropische Klimabedingung geschaffen. Die Pflanzen werden wie bei der Hydroponik-Methode mit einer Nährstofflösung versorgt, hängen jedoch nicht in der Nährstofflösung, sondern in der Luft, wo sie mit Sauerstoff versorgt und mit der mineralisierten Lösung besprüht werden (vgl. Abbildung 2.2) (Birkby, 2016, S. 2; Boen, 2007). Die Anbaumethode besteht aus einem Behälter, einer Wasserpumpe und einer Rohrleitung mit Sprühaufsätzen. Überschüssige Flüssigkeit fällt in das Wasserreservoir zurück und wird durch die Pumpe erneut in den Kreislauf gebracht (Polsfuss, 2021b).
Aeroponik Systeme gewinnen in der vertikalen Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Ein solches System ist das effizienteste Pflanzenwachstumssystem für die vertikale Landwirtschaft (Birkby, 2016, S. 2). Es verbraucht bis zu 90% weniger Wasser als andere hydroponischen Systeme und generiert zudem eine höhere Mineralien- und Vitaminaufnahme, was die Pflanzen gesünder und nahrhafter machen lässt. AeroFarms, ist beispielsweise eines der führenden Aeroponik Farmen in den USA, welche momentan die größte vertikale Farm des Landes in New Jersey errichtet (Stand 29.04.2021) (AeroFarms, 2021c; Birkby, 2016, S. 2; Polsfuss, 2021b).
2.3.1.3 Aquaponik
Das Aquaponik-Verfahren ist ein System, welches die Aquakultur (Fischzucht) und die hydroponische Methode (Hydroponik) in einem Ökosystem kombiniert (vgl. Abbildung 2.3). Die Fische, Muscheln, Krebse oder Algen werden in einem Innenbecken gezüchtet und produzieren organisches, nährstoffreiches Abwasser, welches von Mikroben zu einer Nitratlösung umgewandelt wird (Delbrück & Graf, 2018). Die Wurzeln der Pflanzen hängen in einem separaten Wasserbehälter, welcher mit dem von den Fischen produziertem Abwasser befüllt wird. Dem Abwasser werden daraufhin organische Nährstoffe entzogen, um es den Fischen gefiltert zurückzupumpen. Dieser Kreislauf weist symbiotische Eigenschaften auf und wird integrierte multitrophische Aquakultur bezeichnet (IMTA) (Birkby, 2016; Delbrück & Graf, 2018; Solankey et al., 2020, S. 161).
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Abbildung 2.3: Kreislauf der Aquaponik-Methode Quelle: (Mulhern, 2020)
Die Kombination der beiden Methoden ist in Ländern Südasiens seit vielen Jahren ein essenzieller Bestandteil der Landwirtschaft. Vor tausenden von Jahren gab es bereits die IMTA, indem der Einsatz von Karpfen in chinesischen Reisfeldern als symbiotischer Effekt dienen konnte (Delbrück & Graf, 2018). Die Vorteile der Aquaponik liegen nicht nur in der geringen Flächennutzung und dem Wasserverbrauch, sondern auch bei dem Output der Kombination zweier Lebensmittelerzeugungsmethoden. Damit entsteht ein komplettes Ökosystem, wie in einem Binnengewässer. Die Tiere produzieren Ammoniak (NH3), welches von Bakterien in Nitrit (NO2-) aufbereitet und von Pflanzen in Form von Nitrat (NO3-) absorbiert wird (Aquaponik Manufaktur GmbH, 2021). Das Verfahren wird von kleinen vertikalen Farmsystemen eingesetzt und gewinnt durch die Effizienz immer mehr an Anerkennung (Birkby, 2016, S. 3). Ein erfolgreiches Beispiel bietet das Unternehmen „GrowUp Urban Farm“ aus London, welches die Produktion in Schiffscontainern betreibt (GrowUpFarms, 2021; Mulhern, 2020; Schnitzler, 2013).
In Deutschland zählt das „Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei“ zu den Aquaponik Spezialisten. Das Bundesministerium finanziert das Forschungsprojekt „Tomatenfisch“, bei dem Buntbarsche und Tomaten herangezogen werden (Wanka, 2019). Das Projekt funktioniert wie in Abbildung 2.3 dargestellt. In den Fischtanks wird eine wärmeliebende, schnellwachsende Buntbarschart (Tilapien) gehalten. Das ammoniumhaltige Wasser wird durch Lamellen- und Biofilter gereinigt und von Mikroben zu Nitrat umgewandelt. Eine Pumpe fördert den Pflanzendünger zur Nutzpflanze und der Kreislauf schließt sich durch den Rückfluss des überschüssigen Wassers in den Fischtank (Delbrück & Graf, 2018). Das Berliner Pilotprojekt ist sehr effizient, da es das von den Pflanzen über die Blätter ausgeschiedene Wasser durch sogenannte Kühlfallen ansaugt und abkühlt. Dieser Wasserdampf fließt durch die Kondensierung als reines Wasser zurück in den Fischtank. Dadurch muss lediglich drei Prozent des Wassers am Tag ausgetauscht werden und es entsteht insgesamt nur 220 Liter Abwasser je Kilogramm Buntbarsch verglichen mit einer Forellenzuchtanlage, die bis zu 200.000 Liter Abwasser pro Kilogramm Fisch produziert (Delbrück & Graf, 2018; Wanka, 2019).
Deutschlandweit forschen mehr als 30 Institutionen im Bereich der Aquakultur und Aquaponik. Die Forschungsaktivitäten haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sich die Aquaponik-Systeme besonders für niedrigzehrende Pflanzen (Basilikum, Salaten, Gurken, Tomaten, Auberginen, etc.) und robuste Fischarten, wie Barsche, Schleie, Karpfen oder Welse eignet (Rekubik, 2019).
2.3.2 Vertical Farming versus Traditionelle Landwirtschaft
Die Verwendung der neuen ressourcenschonenden Landwirtschaftsmethode würde es ermöglichen, ein Leben zu führen, ohne die Umwelt weiter zu schädigen. Vertikale Landwirtschaft könnte die Welt zu einem besseren Ort werden lassen (Despommier, 2012, S. 3). Momentan ist die Menschheit in einem veralteten System der Nahrungsmittelproduktion gefangen. Um den Anforderungen der wachsenden Bevölkerung (vgl. Abbildung 1.1) gerecht zu werden, ist ein hoher Flächenverbrauch notwendig (Despommier et al., 2020). Durch die Entbindung eines enormen Teils des Landes von den Verpflichtungen der Nahrungsmittelerzeugung würden mehrere Vorteile entstehen. Zum einen wird die Bevölkerung weiterhin ernährt und zum andern wird begonnen, die ökologischen Leistungen der Natur zu regenerieren. Die Vielzahl der Vorteile differenziert sich im Hinblick auf die Ernte, der Lagerung, dem Ausmaß des ökologischen Fußabdrucks und dem Transport der Lebensmittel. Je weiter entfernt die Lebensmittelproduktion von der urbanen Welt liegt, desto größer ist der ökologische Fußabdruck (Birkby, 2016; Despommier, 2012; Rassia & Pardalos, 2012, S. 259–275).
Ungünstige Wetterereignisse zerstören seit Jahren die landwirtschaftlichen Ernten und Flächen. Das vermehrte Auftreten von Überschwemmungen, Dürren, Tornados, Zyklonen, starken Winden, sowie Hagel- und Wirbelstürmen ist ursächlich dafür, weshalb bisher Landwirte zu der Indoor-Landwirtschaft gewechselt sind. Sie können dadurch den gesamten Produktionsprozess der Pflanzen in Gewächshäusern kontrollieren, sowie die optimale Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtstärke und Dichte der Anpflanzung einstellen (Despommier, 2012, Kapitel 16.2).
Die Umweltbelastung durch die herkömmliche Landwirtschaft ist eine der Hauptursachen für die Umweltprobleme in den USA (Vellidis et al., 2003). Da jede Pflanze für den konventionellen Anbau zusätzlich Wasser benötigt, ist ein belasteter Abfluss unvermeidbar. Er enthält in den meisten konventionellen landwirtschaftlichen Betrieben Schlamm, Dünger, Pestizide, Herbizide und Fungizide, die zu gewissen Mengen im Grundwasser und anliegenden Flüssen oder Seen gelangen. Der Stickstoffanteil der Düngemittel entzieht dem Wasser den Sauerstoff und führt damit zu tödlichen Folgen bei Süß- und Salzwasserorganismen. Die Europäische Union (EU) hat daher bestimmte Herbizide, Fungizide und Insektizide, sowie Düngemittel verboten. Eine Umstellung auf die Indoor-Anbaustrategie verhindert ein solches Abwasserproblem und erspart Ernteausfälle und enorme Kosten, da das Wasser in einem Kreislauf bewegt wird und nicht unkontrolliert absickert (Despommier, 2012, Kapitel 16.3).
Durch die Nutzung von Vertical Farming kann die Renaturierung des Regenwaldes und der aktuell landwirtschaftlich genutzten Flächen vorangetrieben werden. Im Jahr 2020 hat die herkömmliche Landwirtschaft mehr Regenwald für Steaks und Papier abgeholzt als in den vergangenen Jahren (WWF, 2020). Ebenfalls wird immer mehr tropischer Regenwald für Zuckerrohr-, Kaffee- und Forstplantagen, sowie Viehhaltung verdrängt. Für Nutzpflanzen, die nach der Vertical Farming Variante angebaut werden würden, könnte etwa das 10-20-fache der herkömmlichen Anbaufläche wieder der Natur überlassen werden. Um den Klimawandel zu stoppen, sollten laut Dickson und Attenborough mehr Bäume gepflanzt und Naturschutzgebiete errichtet werden, da die Bäume und Pflanzen in Form von Zellulose Kohlenstoff binden und einen enormen Beitrag zur Umwelt leisten (Attenborough, 2020, S. 197–215; Despommier, 2012, Kapitel 16.4).
Die konventionelle Landwirtschaft benötigt Insektizide, um Schädlinge wie Schnecken oder Käfer von den Nutzpflanzen auf den Ackerflächen fernzuhalten, sowie Fungizide und Herbizide, um Krankheiten und Unkräuter zu bekämpfen. Große Mengen an Düngemittel werden besonders auf den nährstoffarmen Böden benötigt, um den Ertrag zu maximieren. Bei der Vertical Farming Methode sind die Gebäude und Hygienekonzepte so strukturiert, dass keine Krankheitserreger oder Schädlinge zu den Pflanzen gelangen. Die Nutzpflanze muss durch die Verwendung von nährstoffreichem Wasser und dem Verzicht von Erde nicht mit geographischen Bodenbedingungen konfrontiert werden. Dadurch kann die Verunreinigung der produzierten Lebensmittel mit Schwermetallen oder humanpathogenen Keimen ausgeschlossen werden (Despommier, 2012, Kapitel 16.5).
Die traditionelle Bewirtschaftungsmethode verbraucht und verunreinigt etwa 70 Prozent des gesamten verfügbaren Süßwassers auf der Erde. Hydro-, Aeroponik und andere VF Anbaumethoden (vgl. 2.3.1) sparen bis zu 95 Prozent Wasser und erzeugen keinen schädlichen Abfluss. Daher werden sie von der NASA und der Europäischen Weltraumbehörde als eine Antwort für die nachhaltige Nahrungsmittelproduktion angesehen (Despommier, 2012, Kapitel 16.6).
Laut Umweltbundesamt stammen 62 Prozent der gesamten Methan (CH4) – Emission und 79 Prozent der Lachgas (N2O) – Emission aus der konventionellen Landwirtschaft (Wilke, 2020). Die Konzentration von Lachgas in der Atmosphäre wird dabei durch die starke Stickstoffdüngung erhöht und trägt gravierend zur Erderwärmung bei (Max-Planck-Institut, 2020). In den USA verbraucht die Landwirtschaft zum Beispiel ca. 20 Prozent der jährlichen verwendeten fossilen Brennstoffe. All diese Emissionsabgaben können durch vertikale Farmen innerhalb der Stadtgrenzen verringert bzw. gar vermieden werden, wenn die heimischen, lokalen Produkte ihren Weg direkt in anliegende Restaurants, Kantinen, Krankenhäuser, Supermärkte oder andere Abnehmer finden. Der lange Transportweg, der enorme Nahrungsmittelverderb und die Lagerung in Kühlräumen entfällt und die Lokalität übernimmt den Markt (Despommier, 2012, Kapitel 16.7)
Die Lebensmittelsicherheit bei Vertikalen Farmen ist verglichen zur herkömmlichen Landwirtschaft größer, da durch Überdruck-Gebäude mit gefilterter Luftzufuhr und Sicherheitsschleusen keine Bakterien oder Krankheiten zu den Pflanzen gelangen. Der Aufwand für diese Sicherheitsstandards ist jedoch durch aufwändige Hygienekonzepte deutlich größer als bei der traditionellen Methode (Despommier, 2012, Kapitel 16.8)
Immer weniger traditionelle Betriebe bewirtschaften immer größere Flächen. Die Industrialisierung und Digitalisierung ermöglichen eine effizientere Bewirtschaftung mit immer weniger Mitarbeitern. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist in den vergangenen Jahren um 13 Prozent gesunken (Statistisches Bundesamt, 2021). Laut Despommier entstehen durch VF neue Beschäftigungsmöglichkeiten auf vielen Ebenen. Die neue Produktionsmethode ermöglicht Arbeitsstellen für Manager, Spezialisten für die Indoor-Landwirtschaft, Landarbeiter für das Pflanzen, Überwachen, Ernten, Sortieren und Verkaufen der Produkte, sowie für Elektro- und Energiegewinnungsspezialisten (Despommier, 2012, Kapitel 16.9).
Trotz der Vielzahl an Vorteilen beinhaltet die Vertical Farming Variante laut Agrarexperten auch Nachteile. Die Grundstückspreise steigen immer weiter an und verhindern vielen Unternehmern einen erfolgreichen Start in die innovative Landwirtschaft. Daher werden viele verlassene Lagerhäuser, Brachflächen oder Container verwendet (Birkby, 2016; Leitel, 2020). Der Stromverbrauch für den Betrieb von Beleuchtung, Heizung, Kühlung bis hin zur Überwachung des Systems ist bei einer vertikalen Farm deutlich höher als bei einem traditionellen Betrieb. In der freien Natur werden Pflanzen von Insekten bestäubt und pflanzen sich dadurch fort. In einem Gewächshaus wird die Bestäubung durch Insekten ausgeschlossen. Daher kann nur eine begrenzte Auswahl von Pflanzenarten angebaut werden. Alternativ könnte eine künstliche Bestäubung stattfinden. Zudem werden bei der VF-Methode bisher nur hochwertige, schnell wachsende Pflanzen, wie Salatprodukte, mit einem geringen Platzbedarf und schnellem Umsatz angebaut. Getreidepflanzen, wie Weizen oder Mais, mit einer sehr langen Vegetationszeit, sind daher nicht als profitabel einzuschätzen. Gelangen Schädlinge oder Krankheiten in das System, muss der Anbau stillgelegt und gereinigt werden. Eine vorbeugende Bekämpfung mit Marienkäfern gegen Blattläuse ist zusätzlich möglich und wird teils praktiziert. Technische Probleme der verschiedensten High Tech Systeme können ebenfalls für Ausfälle und neben dem hohen Energiebedarf für enorme Kosten sorgen (Birkby, 2016; Despommier, 2012; Despommier & Carter, 2011; Vellidis et al., 2003).
2.3.3 Aktueller Entwicklungsstand
Durch die Veröffentlichung des Buchs „The Vertical Farm, Feeding The World In The 21th Century” von Dr. Dickson Despommier, startete seit 2010 eine intensive Forschung der urbanen Landwirtschaft (Despommier et al., 2020). Eine geringe Anzahl an wissenschaftliche Arbeiten und Dissertationen sind bereits über Vertical Farming veröffentlicht worden (Kahlenborn & Tappeser, 2018; Salbrechter, 2020). Zudem hat die NASA ihre Forschungsaktivitäten seit Beginn fortgeführt und mittlerweile Möglichkeiten entwickelt und verwendet, um Pflanzen im Weltraum anbauen zu können (Heiney, 2021). Der weltweite Umsatz für Vertical Farming wurde im Jahr 2021 auf 4,81 Mrd. USD festgesetzt. Prognosen zeigen, dass aufgrund der Veränderung des Kaufverhaltens der Verbraucher zu umweltfreundlichen Produkten, eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (engl. Compound annual growth rate (CAGR)) von 23,6% und ein prognostizierter Umsatz von 21,15 Mrd. USD im Jahr 2028 zu erwarten ist (GrandViewResearch, 2021). In den jeweiligen Ländern ist der CAGR unterschiedlich und stellt die USA, sowie China als klaren Wettbewerbsführer dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.4: Compound annual growth rate (CAGR) of vertical farming worldwide Quelle: (Statista, 2020a)
Laut der Daten von „Statista“ wird sich der VF – Markt weiterhin positiv entwickeln und die USA, sowie China als Marktführer beinhalten. Kanada, Deutschland und Japan weisen dagegen ein durchschnittliches Wachstum von 16,7% auf (Statista, 2020a).
Die Hydroponik Anbaumethode erreichte 2020 auf dem VF-Markt einen weltweiten Anteil von mehr als 54 Prozent und wird bis 2028 als beliebter Anbaumechanismus weiterhin dominant bleiben (Statista, 2020b). Die Installationskosten sind gering, die Bedienung ist bequem und der Ertrag ist deutlich höher als bei anderen Landwirtschaftsmethoden. Aquaponik wird über dem Prognosezeitraum von 2020 - 2028 immer bedeutsamer und neben dem Aeroponik-System ein weiteres beträchtliches Wachstum erlangen (GrandViewResearch, 2021). Die USA sind neben China mit dem Unternehmen „AeroFarms“ das führende Land im Bereich des VF (vgl. Abbildung 2.4) und verfolgen die Aeroponik-Methode im Anbauprozess.
In der nächsten Grafik zeigt sich der prognostizierte Marktwert von Vertical Farming Methoden zwischen den Jahren 2016 bis 2026 in den USA.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.5: Geschätzter Marktwert von VF in den USA Quelle: (Statista, 2020b)
Die Grafik zeigt einen immer größer werdenden Anteil an vertikalen Farmen in den USA, unterteilt in drei Hauptanbaumethoden (vgl. Anbaumethoden). Die beliebteste Methode, das Hydroponik-Verfahren, ist an dem vergleichbar größeren Marktwert von knapp 10 Mrd. $ zu erkennen (vgl. Abbildung 2.5). Die anderen beiden Methoden werden durch die fortschreitende Entwicklung immer attraktiver und bei einigen Unternehmen wie „AeroFarms“ ausschließlich praktiziert (AeroFarms, 2021a; GrandViewResearch, 2021).
Der Göttinger Artikel „Consumer Acceptance of Different Vertical Farming Systems“ aus der Abteilung für Marketing von Lebensmitteln und Agrarprodukten deutet durch eine Umfrage an, dass mehr als die Hälfte der befragten Personen Produkte aus vertikalem Anbau kaufen würden, obwohl sie noch nie von Vertical Farming gehört haben (97% der Personen hatten noch nie von VF gehört). Dadurch zeigt sich eine steigende Akzeptanz für solche Produkte und belegt die wachsende Bedeutsamkeit von Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit im Konsumentenverhalten (Jürkenbeck et al., 2019).
Laut erhobenen Daten stieg der Anteil an erneuerbaren Energien im Stromsektor von 42,0 Prozent (2019) auf 45,4 Prozent (2020) (Umweltbundesamt, 2021). Um mit Indoor Farmen nachhaltig profitabel zu sein, müsste der Stromverbrauch klimaneutral werden (Prof. Dr. Mempel, 2020). Die Umsetzung von erneuerbaren Energien ist für einen ökonomischen Erfolg eine wesentliche Voraussetzung (Despommier et al., 2020; Polsfuss, 2021c). Bisher nutzen laut dem Frauenhofer-Institut 78 Prozent der vertikalen Farmen erneuerbare Energiequellen (Jungblut, 2018). Um Unternehmensdaten zu veranschaulichen, werden im Folgenden zwei Vertical Farmen beschrieben.
Der US-amerikanische Indoor-Produzent „AeroFarms“ baut hauptsächlich Blattgemüse und Kräuter an und wurde 2004 von D. Rosenberg, M. Oshima und E. Harwood in New York gegründet. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich seit 2015 in New Jersey in einem ehemaligen Stahlwerk und ist mit 6500 Quadratmetern eines der größten VF-Unternehmen der Welt. Sie produzieren mit der Aeroponik-Methode bis zu zwei Millionen Pfund Blattgemüse pro Jahr, beinhalten über 800 verschiedene Sorten von Nutzpflanzen und beschäftigen (Stand: Juni 2021) 125 Mitarbeiter (AeroFarms, 2021a, 2021d). „AeroFarms“ plant mit der Unterstützung des Investors „Spring Valley“, von Pearl Energy Investment gegründet, mit mehr als 350 Millionen Dollar (Mio. $) und einer Bewertung von 1,2 Milliarden Dollar (Mrd. $), an die Börse zu gehen. Der erwartete Umsatz im Jahr 2021 beträgt 4 Mio. $ und wird 2025, bei einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 82 Mio. $, auf 330 Mio. $ geschätzt (AeroFarms, 2021a, 2021d; Terazono, 2021). Ein von der Regierung aus Abu Dhabi mit 272 Mio. $ dotiertes „AgTech-Incentive-Programm“ soll ein weiteres Projekt des Unternehmens unterstützen. Es beinhaltet eine vertikale Farm mit einer Fläche von 8361 m2 und mehr als 60 hochqualifizierte Mitarbeiter für den Garten-, Ingenieur- und Datenbereich (AeroFarms, 2021a).
Auch in Deutschland entwickeln sich immer mehr solcher Indoor-Farmen. Das Unternehmen „InFarm“ wurde 2013 in Berlin von drei Israelis gegründet und beschäftigt knapp 600 Mitarbeiter. Die Idee ist es nicht wie andere Unternehmen Kräuter und Gemüse in Hallen zu kultivieren, sondern die Nutzpflanzen direkt in Supermärkten und Restaurants gegen eine Gebühr anzubauen und zum Verkauf anzubieten (Infarm, 2021). Die dazu notwendigen Hightech-Glasschränke messen durch ihre verbauten Sensoren verschiedene Daten, welche aus der Ferne überwacht und kontrolliert werden. Erntereife Pflanzen werden ungefähr nach drei bis vier Wochen aus dem Schrank entnommen und von „InFarm“ Mitarbeitern durch Setzlinge ersetzt. Stand 7. Juni 2021 hat das Unternehmen mit 1220 Farmen/Schränken weltweit 35 Mio. Liter Wasser, 3,1 Mio. km Transport und 49.000 m2 Land eingespart (Infarm, 2021). Abnehmer wie Aldi Süd, Kaufland oder Amazon Fresh tragen dazu bei, dass das Unternehmen aktuell 500.000 Pflanzen pro Monat weltweit betreut (Spreer & Steinschaden, 2021). InFarm hat in den letzten Jahren einige Investoren gewonnen und plant ebenfalls wie „AeroFarms“ einen Gang an die Börse. 2019 setzte das Unternehmen knapp zwei Millionen (Mio.) Euro um und vervierfachte damit den Umsatz des Vorjahrs von 523.000 € auf 2,09 Mio. €. Allerdings verdoppelte das Start-Up Unternehmen auch ihre Verluste 2019 vom Vorjahr mit 11,7 Millionen € auf 24,4 Millionen €. Durch die Corona Krise erlitt das Unternehmen jedoch keine Umsatzrückgänge und ist daher zuversichtlich, dass sich der Umsatz weiterhin exponentiell erhöhen wird (Ksienrzyk & Hüfner, 2021). Bis 2025 plant InFarm 100 weitere neue Anbauzentren aufzustellen, welche 1,5 Mio. m2 traditioneller Ackerfläche entsprechen und 400mal effizienter als die herkömmliche Landwirtschaft sind. Die neuen Anbauzentren beinhalten mittlerweile Anbaugeräte und innovative Technologien, die 40% weniger Energie zu früheren Modellen und bis zu 10 Mio. Liter Wasser pro Jahr verglichen mit der traditionellen Anbaumethode einsparen können (Infarm, 2021). Dazu trägt die Rezirkulierung von 20 Liter Kondenswasser pro Stunde und ein intelligentes LED-Management bei. Die Zentren sind mit einer Cloud ausgestattet und können auch als selbstlernende Farm bezeichnet werden, welche den Ertrag und Nährwert der Pflanzen durch künstliche Intelligenz verbessert. Dabei werden mehr als 50.000 Daten über den gesamten Anbau- und Wachstumsprozess der Pflanze gesammelt und ausgewertet. Ein solches Anbauzentrum ist 10 bis 18 Meter hoch, nimmt eine Grundfläche von 25 m2 in Anspruch und ist in nur sechs Wochen aufgebaut. Die Kombination aus „Big Data“, „Internet of Things (IoT)“ und „Cloud-Analysen“ sowie schnellem Wachstum auf globaler Ebene, unterscheidet Infarm von anderen Farming-Lösungen. Das Ziel des Unternehmens ist es, das Netzwerk bis zum Jahr 2025 auf 500.000 m2 zu erweitern und die Energie nur aus erneuerbaren Energien zu generieren (Infarm, 2021).
3. Methoden der multikriteriellen Entscheidungsunterstützung
Im Anschluss an den theoretischen Rahmen, der für ein allgemeines Verständnis der Thematik gesorgt hat, wird für die Beantwortung der Forschungsfrage „Der Einfluss von Vertical Farming auf die Nahrungsmittelerzeugung in einer urbanisierten Welt“ auf die durchgeführte Empirie eingegangen. Für die formgerechte Durchführung eines Experteninterviews dient das Lehrbuch „Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse“ von (Gläser & Laudel, 2010) als Grundlage.
Die empirische Forschung der Arbeit zur Frage, wie Vertical Farming die Nahrungsmittelerzeugung in einer urbanisierten Welt beeinflusst, umfasst einen Bearbeitungszeitraum von 12 Wochen. Vorab wurde für die Themenfindung und die Erstellung eines Exposés etwa 1 Monat aufgewandt. Das Interesse, die Landwirtschaft auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen, führte bereits im Vorfeld zu diesem Themenbereich und hat sich anhand von fachlicher Lektüre und Zeitungsartikeln zum Thema des „Vertical Farmings“ entwickelt. Ein weiteres Gespräch mit dem Betreuer der Arbeit führte daraufhin zu einer strukturierten Richtung und Bearbeitung der Thematik. Einige Artikel berichten bereits über diesen Nischenbereich, jedoch befindet sich die Forschungsfrage weiterhin in einem noch relativ neuen Themengebiet und benötigt demzufolge eine qualitative Forschung anhand von Experteninterviews. Genau, Gläser & Laudel bezeichnen als Experte oder Expertin eine Person, welche ein überdurchschnittliches Wissen in dem gewählten Bereich besitzt. Die geeignete Person sollte ebenfalls eine hohe Position im Unternehmen besitzen und/oder eine akademische Fortbildung haben, um eine zielorientierte, sachgerechte, methodengeleitete und strukturierte Beantwortung der Fragen gewährleisten zu können (Genau, 2020; Gläser & Laudel, 2010).
In der im theoretischen Rahmen durchgeführten Literaturrecherche wurden einige Experten als Interviewpartner in Erwägung gezogen. Dabei wurde speziell nach Gründern oder langjährigen Mitarbeitern von Unternehmen gesucht, die in jeglicher Hinsicht mit Vertical Farming in Verbindung stehen. Ist eine Person als geeignet erklärt, um zu der Beantwortung der Forschungsfrage beitragen zu können, erfolgte eine Kontaktaufnahme durch E-Mails, Kontaktformularen oder Netzwerkplattformen, wie Instagram, Facebook oder LinkedIn. Die zurückhaltende Resonanz der kontaktierten Unternehmen führte im Wesentlichen nur zu weiterer Literatur oder Videoempfehlungen. Erst bei kleineren Institutionen, jungen Start-Up’s oder wissenschaftlichen Instituten haben sich sieben Experten interessiert bereit erklärt auf ein Interview einzugehen.
Die zum Teil international ausgewählten Teilnehmer der Experteninterviews weisen eine bis zu 20 Jahre vorhandene Berufserfahrung im Bereich des „Vertical Farming“ auf. Die Kernbereiche beinhalten die Gründung eines Vertical-Farming-Unternehmens, die Forschung im Bereich der urbanen Landwirtschaft, sowie die Entwicklung und Finanzierung von VF-Anlagen.
Mit Abschluss der Expertenauswahl, wurde die Art des Interviews festgelegt. Grundsätzlich wird zwischen (voll)standardisiertem, halbstandardisiertem und nichtstandardisiertem Interview differenziert. Bei einem (voll)standardisiertem Interview bekommt der Interviewpartner ein Fragebogen vorgelegt, welcher fest formulierte Fragen und mehrere Antwortmöglichkeiten vorgibt. Somit sind bei jedem Interview die Fragen und Antwortmöglichkeiten exakt gleich und in einer festen Reihenfolge durchzuführen. Bei einem halbstandardisierten Interview erfolgt eine ähnliche Handlung wie bei der oben beschriebenen Weise. Der Unterschied liegt nur in der frei wählbaren Beantwortung der Fragen. Das nichtstandardisierte Interview beinhaltet weder standardisierte Fragen, noch Antwortmöglichkeiten und definiert ein komplett offenes Gespräch mit einer Themenvorgabe (Gläser & Laudel, 2010, S. 41).
Um eine qualitative Methode für die empirische Forschung zu erheben, wurde in dieser Arbeit die Kombination aus nichtstandardisiertem Interview und Leitfadeninterview gewählt. In einem Leitfadeninterview sind die Fragen vorformuliert und müssen verwendet werden. Jedoch ist bei diesem Interviewverfahren weder die Fragenformulierung noch die Reihenfolge der Fragen verbindlich. Zudem können während des Interviews weitere Fragen entstehen und beantwortet werden, um das Gespräch so natürlich wie möglich zu gestalten und eventuelle ad hoc Nachfragen stellen zu können (Gläser & Laudel, 2010, S. 42).
Mit der Festlegung der Art der Interviews und der Auswahl an Experten, wurde der Interviewleitfaden erstellt. Die Beantwortung der Forschungsfrage hatte dabei die höchste Priorität. Jede Information, die bei der Beantwortung der Untersuchungsfrage als hilfreich erscheint, soll und muss erhoben werden (Gläser & Laudel, 2010, S. 63). Um dieser Vorgabe zu folgen sind zehn Leitfragen für das jeweilige Interview konzipiert worden, welche im Anhang S.41 aufgeführt sind. Die Auswahl der Fragen wurden auf Fakt- und Meinungsfragen beschränkt und sollte eine möglichst große Offenheit darstellen, um ein natürliches Gespräch zu schaffen (Gläser & Laudel, 2010, S. 122–129).
Die Planung der Datenerhebung hat im Prozess der Literaturrecherche begonnen. Mit der Auswahl an Experten und der Methodik, sowie der Anfertigung der Leitfragen, folgte nun die Durchführung der Experteninterviews. Dafür wurden einzelne Termine, teils auch Gruppentermine mit anderen Interviewern, per E-Mail vereinbart. Im Vorfeld hat jeder Teilnehmer den vorgefertigten Leitfragebogen mit einer Einverständniserklärung zur Datenerhebung erhalten und unterschrieben (vgl. 41 & 45), um den Anforderungen der am 25.05.2018 in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gerecht zu werden (EU-Verordnung, 2018). Den Teilnehmern wird somit ihre Anonymität versichert und auf ein Widerrufungsrecht der Aufzeichnung und Datenerhebung aufmerksam gemacht. Die Interviews mit den verschiedenen Teilnehmern erstreckten sich vom 08.06.2021 bis zum 25.06.2021. Somit ergab sich ein Erhebungszeitraum von zwei Wochen und 3 Tagen. Die Gespräche wurden über Plattformen wie „Teams“ und „Zoom“ durchgeführt und aufgezeichnet, um sie für eine spätere Auswertung transkribieren zu können (vgl. Anhang S.45). Eines der sieben Interviews wurde auf Englisch durchgeführt. Der Interviewfragebogen ist dafür mit dem Programm „DeepL“ vom Deutschen ins Englische übersetzt worden.
Mit Beendigung der Interviews und der Datenerhebung wurde die Auswertung der Daten eingeleitet. Für die Transkription von Interviewprotokollen gelten keine allgemeinen Regeln (Gläser & Laudel, 2010, S. 193). Ist die Art und Weise einer Aussage wichtig, sind paraverbale Äußerungen („hm“, „äh“ usw.) festzuhalten. Bei der vorliegenden rekonstruierenden Untersuchung ist jedoch eine derartige Detailtreue nicht notwendig gewesen (Gläser & Laudel, 2010, Kapitel 4.6.3). Das jeweilige Transkript der Experteninterviews ist im Anhang ab Seite 45 zu finden.
Für die Auswertung der gewonnenen Daten wurde mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse, der wissenschaftliche Standard sichergestellt (Mayring, 2015). Die Zusammenfassung, Explikation oder Strukturierung sind drei verschiedene Techniken eine solche Analyse durchzuführen (Mayring, 2015, S. 67). In dieser Arbeit wurde eine zusammenfassende Inhaltsanalyse verwendet. Das Ziel ist es, das erhobene Material auf die wesentlichen Inhalte zusammenzufassen und die aussagekräftigsten Sätze herauszufiltern. Diese Sammlung an Inhalten ist daraufhin in einem Kategoriensystem einzuordnen, um eine sachgemäße Interpretation der Ergebnisse zu ermöglichen. Die Kategorien werden direkt aus dem Material abgeleitet, ohne sich auf Theoriekonzepte zu beziehen. Somit erfolgt eine induktive Bildung der Kategorien (Mayring, 2015, S. 85–86; Pfeiffer, 2020).
Das erhobene Material wird dabei in zu analysierende Abschnitte unterteilt. In der vorliegenden Arbeit sind die Antworten der Experten zu den verschiedenen Leitfragen gruppiert worden. Für die Analyse sind die Abschnitte zuerst nach der Z1-Regel zu paraphrasieren, d.h. dass sie auf eine knappe, inhaltsbeschränkte Form reduziert werden müssen (Mayring, 2015, S. 71). Im nächsten Punkt ist die Z2-Regel, die Generalisierung auf das Abstraktionsniveau, anzuwenden. Dabei gilt es die Paraphrasen neu zu formulieren und zu verallgemeinern (Mayring, 2015, S. 72). Anschließend erfolgt die Durchführung der Z3-Regel. Die erste Reduktion der Daten in Kategorien (K1, K2, usw.), damit bedeutungsgleiche Paraphrasen gestrichen und unwichtige Paraphrasen weggelassen werden können (Mayring, 2015, S. 71–72). Um die Übersicht beizubehalten, sind doppelte Aussagen bei der Erstellung des Kodierungsfadens zusammengefasst worden. Laut Mayring erfolgt nach der ersten Reduktion ein zweiter Durchlauf der Datenauswertung, um ähnliche Kategorien wiederum in übergeordnete Kategorien (K‘1, K‘2, usw.) unterzubringen. Die daraus entstandenen Kodierungsfäden sind im Anhang ab Seite 46 aufgeführt, wobei die Frage 1 hinsichtlich des persönlichen Beschäftigungsbereichs und -zeitraums der Experten bewusst für die Beantwortung der Forschungsfrage ausgelassen wurde.
Letztendlich muss die wissenschaftliche Gültigkeit der Ergebnisse gewährleistet sein. Dabei sollte die qualitative Forschung Transparenz, Reichweite und Intersubjektivität besitzen (Flick, 2014, S. 411–423). Die Transparenz der Arbeit wird zu Beginn der Methodik durch die Aufklärung der sukzessiven Vorgehensweise erbracht. Die Reichweite und die Reliabilität kann durch die Verwendung desselben Kodierleitfadens und derselben Kategorien auf die jeweiligen Interviews sichergestellt werden. Eine Intersubjektivität besteht, sobald eine andere Person dieselbe Inhaltsanalyse mit den gleichen Ergebnissen durchführen kann, wobei eine subjektive Verzerrung nie ganz auszuschließen ist. Die Diskussion und Interpretation der Ergebnisse ist in Kapitel 5 aufgeführt und stellt somit eine Intersubjektivität dar.
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