Ein Teil der deutschen Sprache ist die Grammatik, die in der vorliegenden Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Ist ein Mensch in der Lage, sich grammatikalisch korrekt auszudrücken, wird dieses Können oftmals als Indikator des Beherrschens einer Sprache verstanden. Ein Ausbleiben normativer Grammatik führt dabei oft zu einer gegenteiligen Annahme sowie zu Missverständnissen und Sanktionen. Aber was passiert mit Fällen, in denen sich kompetente Sprecher uneinig sind? Wie kann ein Sprachwandel vollzogen werden, wenn sich die Gesellschaft ausschließlich an Normen orientiert und Abweichungen der Normen kaum zulässt? Diese Fragen sind ein zentrales Moment von sprachlichen Zweifelsfällen – einer anderen Sichtweise auf Sprache.
Um zu prüfen, ob es sich bei dem Superlativ des Adjektivs "einzig" um einen Zweifelsfall handelt, werden verschiedene Indikatoren untersucht. Begonnen wird mit der Darstellung der Ausgangslage. Dafür werden die Wortgruppe der Adjektive und deren Unterkategorie "absolute Adjektive" beschrieben. Anhand dessen soll geprüft werden, ob eine Steigerung grammatikalisch zulässig ist. Dafür wird das Wort "einzigst" auf syntaktischer, morphologischer, semantischer sowie phonetischer Ebene geprüft.
Im Anschluss wird der explizite Gebrauch des Wortes untersucht und in Kontrast zur Ausgangsform gesetzt. Die
Analyse des Gebrauchs unterteilt sich in zwei verschiedene Dimensionen. Zuerst wird das Vorkommen des Phänomens in der Schriftsprache mithilfe der online abrufbaren Textkorpora des IDS.11 über COSMAS II untersucht. Im zweiten Schritt liegt der Fokus auf der Mündlichkeit. Dafür wird das Online-Portal DGD (Datenbank für gesprochenes Deutsch)
verwendet und es werden diverse Dialoge einbezogen.
Im letzten Schritt der Analyse werden die von Klein herausgestellten Faktoren für einen Zweifelsfall mit dem hier vorgestellten Beispiel verknüpft. Durch ein Abwägen der verschiedenen Indikatoren soll im abschließenden Teil festgestellt werden, ob es sich beim Gebrauch "einzigst" um einen Zweifelsfall oder eine inkorrekte Steigerung des Adjektivs "einzig" handelt. Sollte es sich um einen Zweifelsfall handeln, werden seine Entstehungsursachen herausgearbeitet. Der Schlussteil impliziert einen kurzen Ausblick in weiterführende Forschungen im Bereich
der Zweifelsfälle sowie ein abschließendes Fazit zur gesamten Arbeit.
INHALT
EINLEITUNG
1.1 Sprachliche Zweifelsfalle
1.2 Untersuchungsgegenstand
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit
THEORETISCHER RAHMEN
2 Adjektive
2.1 Zweifelsfalle der Wortgruppe Adjektive
2.2 Absolute Adjektive
3 Analyse der Nutzung von ,Einzigst‘
3.1 Cosmas
3.1.1 Nutzung im Sprachgebrauch
3.1.2 Temporale Prasenz
3.1.3 Lokale Prasenz
3.2 DGD
SCHLUSS
4 Faktorenuberprufung
5 Fazit
6 LITERATURVERZEICHNiS
1. EINLEITUNG
1.1 Sprachliche Z weifelsfalle
„Sprache macht den Menschen erst zum Menschen.“1 Ein Zitat des Autors Wilfried Ulrichs, der die Bedeutung der Sprache mit diesem Satz klar herausstellt. Die Sprache dient den Menschen als einflussreichstes Werkzeug der Kommunikation und ermoglicht ein konkretes Erfassen von Gedanken und Vorstellungen. Sprache ist aber mehr als das Verstehen. Sie ist nicht nur ein stetiges Mittel zum Zweck, sondern ein „dynamisches System“2, das der Mensch selbst anpassen und verandern kann.
Ein Teil der deutschen Sprache ist die Grammatik, die in der vorliegenden Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Ist ein Mensch in der Lage, sich grammatikalisch korrekt auszudrucken, wird dieses Konnen oftmals als Indikator des Beherrschens einer Sprache verstanden. Ein Ausbleiben normativer Grammatik fuhrt dabei oft zu einer gegenteiligen Annahme sowie zu Missverstandnissen und Sanktionen.3 Aber was passiert mit Fallen, in denen sich kompetente Sprecher uneinig sind? Wie kann ein Sprachwandel vollzogen werden, wenn sich die Gesellschaft ausschlieBlich an Normen orientiert und Abweichungen der Normen kaum zulasst? Diese Fragen sind ein zentrales Moment von sprachlichen Zweifelsfallen - einer anderen Sichtweise auf Sprache. Um diesen Blickwinkel selbst einnehmen zu konnen und sprachliche Zweifelsfalle zu identifizieren und zu analysieren, muss vorab geklart werden, was darunter zu verstehen ist.
Laut Peter Klein ergibt sich folgende Definition fur einen Zweifelsfall:
„Im Wort Zweifel steckt etymologisch das Zahlenwort zwei. Wer zweifelt, hat es demnach in jedem Fall mit zwei Dingen zu tun [...] Als sprachliche Zweifelsfalle kann man namlich diejenigen sprachlichen Einheiten bezeichnen, bei denen kompetente, erwachsene Sprecher des Deutschen mit Blick auf (mindestens) zwei Varianten in Zweifel geraten konnen, welche der beiden Varianten (standardsprachlich) korrekt ist.“4
Der Duden widmet dem Thema eine gesonderte Auflage, in der sich ausschlieBlich mit der Aufklarung von sprachlichen Zweifelsfallen beschaftigt wird. Grundlage der Auflistung von Zweifelsfallen ist dabei die telefonische Duden-Sprachberatung, in der Menschen anrufen und Fragen bezuglich bestimmter Unsicherheiten in ihrem eigenen Sprachgebrauch stellen konnen. Im Gegensatz zu Kleins Auffassung mochte der Duden Missverstandnisse bezuglich bestimmter Schreibweisen aufklaren und den Lesern dabei helfen, „schnell und korrekt Entscheidungen fur eine Form treffen“ zu konnen. Den Lesern soil damit eine „unauffallige sprachliche“ Form geboten werden, mit der sie sich sowohl im Mundlichen als auch im Schriftlichen bewegen konnen.5
Sprachliche Zweifelsfalle beschaftigen sich demnach bewusst mit der Abweichung der Normen. Sie machen darauf aufmerksam, dass Sprache konventionell gebunden ist und durch den Sprachgebrauch bestimmt werden kann. Dabei wird der Fokus je nach Autor weg vom normativen und hin zum deskriptiven Denken gelenkt und der Diskurs der Grammatik wird bewusst erweitert.
1.2 UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND
„Einzigste ist wie toteste oder schwangerste! Das ist doch nicht so schwer!“6 Dieser Tweet wurde am 02.10.2017 von einer Nutzerin der Plattform Twitter veroffentlicht. Unterstutzend verwendete sie die Hashtags #GoodbyeDeutschland und #deutschlernen. Der Beitrag spielt auf ein sprachliches Phanomen an, das in der deutschen Sprache zu finden ist. Das Adjektiv ,einzigst‘7 horen und lesen deutsche Sprecher immer wieder, oftmals einhergehend mit der nachfolgenden Korrektur von Dritten: ,Es heiBt einzig. ‘ Handelt es sich bei der Steigerung des Adjektivs ,einzig‘ um ein Phanomen der sprachlichen Zweifelsfalle oder ist die Verwendung normativ betrachtet schlichtweg inkorrekt?
1.3 METHODIK UND AUFBAU DER ARBEIT
Um zu prufen, ob es sich bei dem Superlativ des Adjektivs ,einzig‘ um einen Zweifelsfall handelt, werden verschiedene Indikatoren untersucht. Begonnen wird mit der Darstellung der Ausgangslage. Dafur werden die Wortgruppe der Adjektive und deren Unterkategorie ,absolute Adjektive‘ beschrieben. Anhand dessen soll gepruft werden, ob eine Steigerung grammatikalisch zulassig ist. Dafur wird das Wort ,einzigst‘ auf syntaktischer, morphologischer, semantischer sowie phonetischer Ebene gepruft. Im Anschluss wird der explizite Gebrauch des Wortes untersucht und in Kontrast zur Ausgangsform gesetzt. Die Analyse des Gebrauchs unterteilt sich in zwei verschiedene Dimensionen. Zuerst wird das Vorkommen des Phanomens in der Schriftsprache mithilfe der online abrufbaren Textkorpora des IDS.11 uber COSMAS II untersucht. Im zweiten Schritt liegt der Fokus auf der Mundlichkeit. Dafur wird das Online-Portal DGD (Datenbank fur gesprochenes Deutsch) verwendet und es werden diverse Dialoge einbezogen.
Im letzten Schritt der Analyse werden die von Klein herausgestellten Faktoren fur einen Zweifelsfall mit dem hier vorgestellten Beispiel verknupft. Durch ein Abwagen der verschiedenen Indikatoren soll im abschlieBenden Teil festgestellt werden, ob es sich beim Gebrauch ,einzigst‘ um einen Zweifelsfall oder eine inkorrekte Steigerung des Adjektivs ,einzig‘ handelt. Sollte es sich um einen Zweifelsfall handeln, werden seine Entstehungsursachen herausgearbeitet.
Der Schlussteil impliziert einen kurzen Ausblick in weiterfuhrende Forschungen im Bereich der Zweifelsfalle sowie ein abschlieBendes Fazit zur gesamten Arbeit.
THEORETISCHER RAHMEN
2 ADJEKTIVE
2.1 Zweifelsfalle der Wortgruppe Adjektive
Die Adjektive gehoren laut Imo zu einer der insgesamt vier flektierbaren Wortarten. Neben der Tatsache, dass sie dekliniert werden konnen, haben sie zusatzlich die Eigenschaft der Komparation.8 Die Komparation wird im Duden auch ,Vergleichsform‘ genannt und in drei Stufen unterteilt. So konnen Adjektive sowohl im Positiv, folglich in der Grundstufe (schon), oder im Komparativ, der Mehr- oder Hoherstufe (schoner) als auch im Superlativ, in der Meist- oder Hochststufe (schonste) stehen.9
Gegenubergestellt wird in dieser Untersuchung das Adjektiv ,einzig‘ und dessen moglicherweise zweifelhafter Superlativ ,einzigst‘. Um eine flachendeckende Analyse des Adjektivs zu gewahrleisten, wird das Wort in jeglichen Deklinationsstufen der starken Flexion untersucht und in Genus, Numerus und Kasus angepasst (siehe Tabelle 1 und Tabelle 2). An erster Stelle steht das Adjektiv im Positiv und an zweiter Stelle, durch einen Gedankenstrich verknupft, dessen moglicherweise zweifelhafte Steigerung im Superlativ.
Singular
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 - ,einzig‘ im Singular dekliniert
Plural
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2 - ,einzig‘ im Plural dekliniert
Aus beiden Tabellen geht hervor, dass der Signifikant einiger Formen identisch ist.10 Aufgrund der Doppelungen wird in der anschlieBenden Analyse nicht jeder grammatikalische Fall berucksichtigt, sondern der Fokus liegt auf den funf verschiedenen Schreibweisen: einziger/einzigster, einzige/einzigste, einzigem/einzigstem, einzigen/einzigsten, einziges/einzigstes.11
Bei dieser Adjektivkomparation existieren mehrere Stellen mit Zweifelpotenzial. Zum einen gibt es immer wieder Steigerungsformen, deren Suffixendung zwei oder mehr Varianten zulasst,12 zum anderen regen bestimmte Adjektive zum Nachdenken bezuglich ihrer moglichen Steigerung im Allgemeinen an.
Prinzipiell ist der hier angesprochene Fall von ,einzigst‘ eine Steigerungsform des Adjektivs ,einzig‘. Durch die Veranderung des Suffix -st andert sich morphologisch betrachtet gleichzeitig die Form. Laut Thierhoff/Vogel ist die eben genannte Endung ein Zeichen des Superlativs.13 Mit den Endungen der jeweiligen Falle in der Regel wurde sich fur ,einzig‘ Folgendes ergeben:
Positiv: einzig
Komparativ: einziger
Superlativ: einzigst
Auf morphologischer Ebene scheint die Komparation demnach moglich, jedoch im Hinblick auf den Komparativ unwahrscheinlich. Phonologisch betrachtet entsteht bei der Anpassung der Endungen kein Konflikt, da das Adjektiv sich der Regelfalle bedienen kann.
Syntaktisch gesehen unterscheidet man Adjektive in drei verschiedene Flexionsreihen: der starken Flexion ohne Artikel (einzigstes Madchen), der schwachen Flexion mit Artikel (das einzigste Madchen) und der gemischten Flexion mit unbestimmtem Artikel (ein einzigstes Madchen).14 Ahnlich wie auf morphologischer und phonologischer Ebene ist auch hier die Komparation grammatikalisch gesehen moglich.
Die gravierendste Diskrepanz des Moglichen im Hinblick auf die Steigerung von ,einzig‘ ist auf der semantischen Ebene zu finden. Semantisch betrachtet unterscheidet Eisenberg Adjektive in drei Kategorien: Absolutadjektive, Relativadjektive und Qualitatsadjektive.15 Thurmair grenzt die eben genannte semantisch betrachtete Komparation eindeutig von der grammatischen Steigerung ab und nutzt dafur den Fachbegriff der ,Graduierung‘. Diese meint, dass viele Adjektive zwar grammatisch steigerbar sind, somit komparierbar, jedoch auf sachlogischer semantischer Ebene nicht graduierbar. Zu einem solchen Fall soll demnach auch der Superlativ ,einzig‘ gehoren.16
2.2 Absolute Adjektive
Wahrend Verben in Vollverb, Modalverb oder Kopulaverb eingeteilt werden, spricht man im Bereich der Adjektive von den bereits erwahnten Relativadjektiven, Qualitatsadjektiven und Absolutadjektiven.17
Laut der Onlineplattform leo.org gehort ,einzig‘ eindeutig zu den absoluten Adjektiven, mit der Begrundung, dass es bereits einen hochsten beziehungsweise niedrigsten Grad angibt. Als Anmerkung wird jedoch Folgendes vermerkt: „Aber: Diese Adjektive werden dennoch gelegentlich gesteigert, wenn der hochste oder geringste Grad ,gefuhlsmaBig‘ gesteigert werden soll. Dies kommt relativ haufig (aber nicht ausschlieBlich) in der Werbesprache und der Umgangssprache vor.“18
Der Sprachwissenschaftler Klein spricht im Kontext der absoluten Adjektive von einem sogenannten Pleonasmusproblem. Dieses meint das uberflussige Formulieren von in diesem Fall Superlativen, obwohl der Superlativ semantisch bereits in der Positivform enthalten ist. Das Wort ,einzig‘ impliziert bereits, dass es ausschlieBlich um einen alleinigen Sachverhalt geht. Die Steigerung im Superlativ andert an dieser Tatsache nichts und ist laut Klein unnotig sowie in manchen Fallen irrefuhrend. Klein identifiziert die Verwendung jener Ausdrucke eindeutig als Fehler und betitelt die Nutzer wie folgt: „Pleonasmen zeigen, dass ein Sprecher kommunikativ unvernunftig, ja nachlassig und gedankenlos handelt und die deutsche Sprache nicht angemessen beherrscht.“19 Eine einzige Ausnahme der Verwendung von Pleonasmen erkennt er in der Sprachpoetik, in der er sie als stilistisches Mittel identifiziert und ihnen demnach eine Berechtigung zuschreibt.20 Zu diesem Punkt findet sich sowohl im Duden als auch auf mehreren Online-Sprachportalen immer wieder das Beispiel eines Gedichts von Goethe, in dem er den Ausdruck „Gute Nacht, Engel. Einzigstes, einzigstes Madchen“ nutzt.21
[...]
1 Ulrich 2020, S. 1.
2 Ulrich 2020, S. 1.
3 Habermann 2010, S. 9.
4 Klein 2018.
5 Duden -Das Worterbuch der sprachlichen Zweifelsfalle 2016, S. 8-9.
6 [ Kareile87%] ([) 2017.
7 In der Arbeit impliziert das Wort „einzigst“ ebenfalls die Formen „einzigster“, „einzigsten“, „einzigstes“ sowie „einzigestem“ „einzigste“. Um den Lesefluss nicht zu unterbrechen, wird daher auf eine Ausfuhrung aller moglichen Deklinationen verzichtet.
8 Wolfgang Imo 2016, S. 27.
9 Duden -Das Worterbuch der sprachlichen Zweifelsfalle 2016, S. 969.
10 Selbsterstellte Abbildung
11 Selbsterstellte Abbildung
12 Da in dem konkreten Fall von „einzig“ die Endung nicht der Grund des Zweifels ist, wird auf diesen Punkt nicht naher eingegangen.
13 Rolf Thieroff & Petra Vogel 2009, S. 61.
14 Niklas Reinken 2020.
15 Eisenberg und Thieroff 2013.
16 Maria Thurmair 2009, S. 104.
17 Eisenberg und Thieroff 2013.
18 leo.org.
19 Klein 2018, S. 239-240.
20 Klein 2018, S. 239-240.
21 Stefanie Schoene 24.02.17.
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