Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage "Gelingt Soziale Teilhabe durch öffentlich geförderte Beschäftigung im Sinne von § 16i SGB II?".
Mit dem neu geschaffenen Förderinstrument nach § 16i SGB II soll insbesondere dem Teilhaberisiko langfristig begegnet und Langzeitarbeitslosigkeit beendet werden. Die Einführung des Instrumentes stellt einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar und fokussiert das Ziel, Teilhabedeflzite von Langzeitarbeitslosen zu mildern und einen Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe durch Erwerbstätigkeit zu bewirken.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik
2.1 Begriffliche Abgrenzungen
2.2 Arbeitsmarktpolitik
2.3 Beschäftigungspolitik
2.4 Gesetzliche Grundlagen
3. Arbeitsmarkttheorien
3.1 Das neoklassische Modell
3.2 Das keynesianische Modell
3.3 Die Humankapitaltheorie
3.4 Die Suchtheorie
3.5 Segmentationstheorien
4. Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit in Deutschland
4.1 Statistische Werte des Arbeitsmarktes, Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit
4.2 Langzeitarbeitslosigkeit
5. Soziale Ausgrenzung Langzeitarbeitsloser und der Einfluss von Erwerbstätigkeit
6. Soziale Teilhabe durch Teilhabe am Arbeitsmarkt
6.1 Das Teilhabechancengesetz
6.2 Das neue Förderinstrument nach § 16i SGB II
7. Wissenschaftliche Untersuchung im Landkreis Meißen
7.1 Aktueller Forschungsstand, bestehende Studien
7.2 Hypothesenbildung und -aufstellung
7.3 Empirisches Vorgehen, Datenauswahl und Methodik
7.3.1 Eckwerte des Landkreis Meißen, (Zielgruppen-) Datenauswahl
7.3.2 Methodenauswahl, Beschreibung des Samples
7.4 Datenauswertung der wissenschaftlichen Untersuchung
7.4.1 Quantitative Datenauswertung
7.4.2 Interpretation der Interviewergebnisse
8. Kritische Betrachtung des Untersuchungsverfahrens
9. Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Redaktioneller Hinweis
Die vorliegende Arbeit nutzt aus Gründen der besseren Lesbarkeit durchgehend die männliche Formulierungsform. Die Wahl der männlichen Formulierung impliziert im Text sämtliche Geschlechter. Eine Diskriminierung ist mit dieser vereinfachten Schreibweise in keiner Form beabsichtigt.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Zweidimensionales Modell des Gesamtarbeitsmarktes nach Sengenberger .
Abb. 2 Arbeitslosenquote in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2004 bis 2020
Abb. 3 Entwicklung Langzeitleistungsbezug und Langzeitarbeitslosigkeit / Rechtskreis SGB II
Abb. 4 Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit seit Eintritt der Arbeitslosigkeit
Abb. 5 StrukturderLangzeitarbeitslosen (Rechtskreis SGB II)
Abb. 6 Lohndifferenz und Lohnentwicklung bei Neueinstellung von langzeit-, kurzzeitarbeitslosen oder erwerbstätigen Personen
Abb. 7 Inanspruchnahme Sozialer Arbeitsmarkt (§§ 16e, 16i SGB II)
Abb. 8 Eintritte von Teilnehmenden nach Bundesländern (§16i SGB II)
Abb. 9 Eintritte nach Berufen und Branchen (Stand Juni 2020)
Abb. 10 Eintritte und Bestand geförderte Beschäftigte nach § 16i SGB II im Landkreis Meißen (Datenstand Oktober 2020)
Abb.11 FinanzielleSituation
Abb. 12 Mehrwert Einkommen aus Beschäftigung
Abb. 13 Gesellschaftliche Teilhabe durch Erwerbstätigkeit (1)
Abb. 14 Gesellschaftliche Teilhabe durch Erwerbstätigkeit (2)
Abb. 15 Familienstand dergeförderten Beschäftigten
Abb. 16 Leistungsbezug ALG II (Aufstocker)
Abb. 17 Zuverlässigkeit
Abb. 18 Selbständiges Arbeiten
Abb. 19 Unterordnung Vorgesetzter
Abb. 20 Integration Kollegenkreis
Abb. 21 Lebensverbesserung durch Beschäftigung
Abb. 22 Bewertung der Beschäftigung als sinnvoll
Abb. 23 Höhe des monatlichen Nettoeinkommens
Abb. 24 Beschäftigungsprekarität
Abb. 25 Bewertung Lebenszufriedenheit
Abb. 26 Entwicklung des Selbstbewusstseins
Abb. 27 Einschätzung Coaching durch die Beschäftigten
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Arbeitsmarkttheorien
Tab. 2 Regelbedarf bei ALG II I Sozialgeld ab 01.01.2020
Tab. 3 Inhalte des Experteninterviews
Tab. 4 Zusammenfassung der Interviewaussagen
1. Einleitung
„Es macht einen Unterschied, nicht mehr vormittags mit den Rentnern in die Kaufhalle zu gehen, sondern abends - mit der arbeitenden Bevölkerung.“ (InterviewAnhang 12, Zitat Coach D)
Soziale Teilhabe hat in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert erreicht und ist für Menschen jeden Alters unabdingbar, um ein erfülltes Leben zu führen. Verschiedene Definitionen können Aufschluss geben, welche Bedeutung Soziale Teilhabe hat. Häufig sind es aber sehr lebensnahe Aussagen, wie das oben aufgeführte Zitat, welche für Erwerbspersonen die Wertigkeit Sozialer Teilhabe besonders verdeutlichen.
Für Menschen im erwerbsfähigen Alter gelingt Soziale Teilhabe in der Regel durch Arbeit, da Arbeit in Deutschland den gesellschaftlichen Status definiert und zur Integration beiträgt. Für Personen, die seit vielen Jahren ohne eine Beschäftigung sind, bedeutet die Arbeitslosigkeit nicht nur die langfristige Exklusion des Arbeitsmarkts, sondern auch die Einschränkung der sozialen Teilhabe. Mit der Einführung der Grundsicherung im Jahr 2005 und der damit verbundenen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (in der Öffentlichkeit häufig als Hartz IV bezeichnet) rückte die Aktivierung von erwerbsfähigen hilfebedürftigen Personen in den Fokus der Arbeitsmarktpolitik. Trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit gibt es nach wie vor eine größere Gruppe an Arbeitslosen, die aufgrund der Dauer der Arbeitslosigkeit kaum Chancen auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben und sich teils schon seit der Einführung von Arbeitslosengeld II (ALG II) im Leistungsbezug befinden. Zunehmend verzeichnet sich eine Verfestigung bzw. ein leichter Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit, während die Arbeitslosenzahlen jedoch weiter sinken und die Beschäftigungslage wächst. Unbestritten stellt Langzeitarbeitslosigkeit auch den deutschen Staat vor Herausforderungen. Langzeitarbeitslose bilden im Kern der Gesellschaft ein zentrales Problem, welches immer wieder in der Politik intensiv diskutiert wird. In den vergangenen Jahren versuchte man, fortwährende Lösungen zu finden, um auch die Integration von Langzeitarbeitslosen zu erreichen. Unter Berücksichtigung aller vorangegangenen Förderprogramme hat man im Jahr 2019 eine langfristige Möglichkeit der öffentlich geförderten Beschäftigung geschaffen, um nicht nur die Beschäftigungsfähigkeit kurzfristig zu erhalten und zu stabilisieren, sondern den Langzeitarbeitslosen langfristig eine neue Perspektive zu geben. Unter dem Titel „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ entstand das neue Förderinstrument nach § 16i SGB II. Mit dieser neuen Möglichkeit soll insbesondere dem Teilhaberisiko langfristig begegnet, und Langzeitarbeitslosigkeit beendet werden. Die Einführung des neuen Instrumentes stellt einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar und fokussiert das Ziel, Teilhabedefizite von Langzeitarbeitslosen zu mildern und einen Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe durch Erwerbstätigkeit zu bewirken. Mittel- bis langfristiges Ziel bleibt es, den Übergang in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen.
Für die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen kann die Integration durch die öffentlich geförderte Beschäftigung nach § 16i SGB II eine wichtige Unterstützung darstellen, um wieder eine Chance in der Erwerbsgesellschaft zu erhalten und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Soziale Teilhabe durch öffentlich geförderte Beschäftigung stellt den Fokus der vorliegenden empirischen Arbeit dar, welche sich mit der zentralen Frage: „Gelingt Soziale Teilhabe durch öffentlich geförderte Beschäftigung im Sinne von § 16i SGB II?“ befasst.
Ein Überblick überden Inhaltder Arbeit soll die kurze Vorstellung der einzelnen Kapitel geben:
Um an das Thema und die Fragestellung heranzuführen, wird im nachfolgenden Kapitel die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in ihren theoretischen Zügen dargestellt. Hierfür werden zunächst begriffliche Abgrenzungen vorgenommen, um ein Grundverständnis für verschiedene arbeitsmarktrelevante Gegebenheiten herzustellen. Danach erfolgt die konkrete, einzelne Auseinandersetzung mit der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Die gesetzlichen Grundlagen bilden den Abschluss des zweiten Kapitels.
Das dritte Kapitel umfasst die Arbeitsmarkttheorien und nimmt insbesondere Bezug auf das neoklassische Modell, das keynesianische-Modell, die Humankapitaltheorie, die Suchtheorie und die Segmentationstheorien.
Im vierten Kapitel wird die Arbeitsmarktlage in Deutschland, unter Berücksichtigung statistischer Eckwerte der Arbeits- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie deren Entwicklung, aufgezeigt. Hierbei wird der Fokus auf die Langzeitarbeitslosigkeit ausgeweitet und stellt sowohl die Strukturmerkmale von Langzeitarbeitslosigkeit sowie die Einkommens- und Lebenslage der betroffenen Personen dar.
Das fünfte Kapitel umfasst die soziale Ausgrenzung Langzeitarbeitsloser und den Einfluss von Erwerbstätigkeit auf die gesellschaftliche Teilhabe. Es zeigt bereits Tendenzen zurSozialen Teilhabe auf, welche den Schwerpunkt der Arbeit ab dem sechsten Kapitel bildet. Dieses setzt sich konkret mit der Sozialen Teilhabe auseinander und nimmt das Teilhabechancengesetz und das neue Förderinstrument nach § 16i SGB II in den Fokus. Zudem vermittelt es die Grundzüge der öffentlich geförderten Beschäftigung und deren Wirkmechanismen.
Im siebten Kapitel kommt die eigentliche Empirie der Arbeit zum Tragen. Anlässlich der zentralen Fragestellung erfolgte eine wissenschaftliche Untersuchung in der Untersuchungsregion des Landkreises Meißen. Um die Untersuchung durchzuführen, werden zunächst bestehende Studien und der aktuelle Forschungsstand sowie laufende Evaluationen von öffentlich geförderten Beschäftigungen betrachtet. Nachdem die Einführung in das empirische Vorgehen, die Datenauswahl und die Methodik dargestellt wurden, wird die Untersuchungsregion des Landkreises vorgestellt. Anhand dessen erfolgt die Zielgruppen- und damit die Datenauswahl sowie die Beschreibung des Samples. Mit Hilfe von Hypothesenbildungen sollen neue Erkenntnisse durch die Untersuchung gewonnen werden. Anhand der aufgestellten Hypothesen findet das siebte Kapitel in derAuswer- tung der quantitativen Untersuchung seine Fortschreibung und bezieht die Ergebnisse mit den für die Umsetzung des Förderinstrumentes beauftragten Coaches durchgeführten Interviews sporadisch ein. Das Ende des Kapitels bilden die Interpretation der Interviewergebnisse.
Das achte Kapitel dient der kritischen Betrachtung der wissenschaftlichen Untersuchung, da es angemessen ist, mögliche Schwachstellen der Untersuchung aufzuzeigen und damit das eventuelle Erfordernis weiterer Forschungsarbeiten abzuleiten.
Das neunte Kapitel umfasst die Zusammenfassung und das Fazit. Es bildet den Abschluss der Arbeit und gibt einen Ausblick zur weiteren Umsetzung des Förderinstrumentes (im Landkreis Meißen).
2. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik
Die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik finden ihren Ursprung in dem im Jahr 1967 verabschiedeten Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG). Aus dem Stabilitätsgesetz (StabG) wird der Zusammenhang zwischen derArbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sowie dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht hergestellt und folgende Ziele, welche auch als „magisches Viereck“ der Wirtschaftspolitik bekannt sind, formuliert:
- StabilitätdesPreisniveaus,
- hoher Beschäftigungsstand und qualitativer Aspekt Verbesserung der Beschäftigungsstruktur,
- außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie
- stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum.
(Engelen-Kefer/ Kühl / Peschei & Ullmann, 1995, S. 61)
Die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik bilden ein gemeinsames Politikum, sind aber in ihrer Bedeutung unterschiedlich. Im nachfolgenden Kapitel werden zunächst wesentliche, arbeitsmarktrelevante Begriffe definiert und konkretisiert, um ein Grundverständnis für diese zu schaffen. Danach erfolgt die Einführung in die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik auf ihren Ebenen.
2.1 Begriffliche Abgrenzungen
Die vorliegende Arbeit umfasst Begrifflichkeiten, welche vermehrt genutzt werden. Um den Zusammenhang in den entsprechenden Kapiteln zu verstehen, werden diese bereits nachfolgend definiert und konkretisiert:
Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt bezeichnet das Zusammentreffen von Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage. Dabei sind beide nicht immer ausgeglichen und es kann zu einem Angebotsüberschuss und damit zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit führen oder es kommt zu einem Nachfrageüberschuss und einem damit verbundenen Arbeitskräftemangel. Beide können auch dicht beieinanderliegen und sowohl als auch bestehen. In den vergangenen Jahren zeigt sich die Tendenz, dass trotz bestehender Arbeitslosigkeit sich ein Mangel an Fachkräften abzeichnet und ein Überschuss an Geringqualifizierten besteht (DeutscherVerein, 2017, S. 51).
Arbeitsangebot
Das Arbeitsangebot definiert sich aus den (abhängigen) Erwerbstätigen zuzüglich den Erwerbslosen (Sesselmeier/ Funk & Waas, 2010, S. 25).
Arbeitsnachfrage
Die Arbeitsnachfrage bilden die (abhängigen) Erwerbstätigen zuzüglich derden Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen sowie den sonstigen offenen Stellen (Sesselmeier et al., 2010, S. 25). Arbeitslosigkeit, Arbeitslose, Arbeitslosenquote
Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn erwerbsfähige Personen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sich bemühen, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Verfügung stehen (§ 138 SGB III). Man unterscheidet Arbeitslosigkeit von Langzeitarbeitslosigkeit. Das Dritte Buch im Sozialgesetzbuch (SGB III) regelt in den §§ 16 (i.V.m. §138 SGB III) und 18 die Abgrenzung von Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit. Langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Abs.1 SGB III sind Arbeitslose, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Erwerbspersonen, die sich arbeitslos bei der BA gemeldet haben, gelten als registrierte Arbeitslose. Zusammengefasst lässt sich Arbeitslosigkeit als die Gesamtheit der Arbeitswilligen und Arbeitsfähigen, die unter den gegebenen Marktbedingungen keine ihren Neigungen, Bedürfnissen und Fähigkeiten adäquate Beschäftigung finden, definieren.
Die Definitionen der Arbeits- und Langzeitarbeitslosigkeit dienen der Abgrenzung für die statistische Erfassung von Arbeitslosen, welche die BA in ihrem monatlichen Arbeitsmarktbericht offenlegt. Arbeitslosigkeit stellt eine Bilanz zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage dar. Die Arbeitslosenquote bildet dabei die relative Kennzahl, die zur Beurteilung der Lage auf dem Arbeitsmarkt herangezogen wird. Je nach Berechnungsweise misst sie den Anteil der Arbeitslosen an allen abhängigen zivilen Erwerbspersonen (Sesselmeier et al., 2010, S. 14). Mit der Arbeitslosenquote wird das Ausmaß der unbefriedigten Nachfrage an Erwerbsarbeit angezeigt (Hradil, 2001, S. 183). Sie gilt als gängiger Indikator, ob Vollbeschäftigung erreicht wird oder nicht, ist aber in ihrer Aussagekraft eher begrenzt. Dies begründet sich daraus, dass sie nur einen Teil der Erwerbslosigkeit, nämlich jene, die bei der BA registriert sind, erfasst. Alle anderen, welche zwar nach einer Arbeit suchen, aber nicht bei der BA gemeldet sind, finden in der Arbeitslosenquote keine Berücksichtigung, werden aber als Indikator über die so genannte Stille Reserve erfasst. Die Arbeitslosenquote bezieht u.a. auch die Kurzarbeit und die offenen Stellen ein (Krol & Schmid, 2002, S.188, 191).
Arbeitslosenquoten kennzeichnen das relative Beschäftigungsrisiko einerGesellschaft. Indem die absolute Arbeitslosenzahl zu einer unabhängigen Bezugsgröße, nämlich den Erwerbspersonen, in Beziehung gesetzt wird, wird das Beschäftigungsrisiko unterschiedlicher Perioden und unterschiedlicher Länder vergleichbar gemacht. Die Zahl der Arbeitslosen und damit die Arbeitslosenquote lägen weit höher, wenn nicht ein Teil der potenziellen Arbeitslosen durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aufgefangen würde. Von Bedeutung sind dabei vor allem die Kurzarbeit, Arbeitsgelegenheiten, Maßnahmen der Fortbildung und Umschulung. (Bäcker/ Bispinck/ Hofemann & Naegele, 1989, Band I, S. 193f.).
Beschäftigung
Beschäftigung stellt einen unbestimmten Rechtsbegriffdar und beschreibt im Sinne der Volkswirt- schaftden Umfang des eingesetzten Produktionsfaktors Arbeit. Die Beschäftigung im betriebswirtschaftlichen Sinne bezeichnet eher die Ausnutzung der prcdukticnstechnischen Kapazität (Well, 2008, S.72).
Prekäre Beschäftigung
Castel und Dörre (2009, S.198) stellen die Prekarität der Beschäftigungsverhältnisse unter Berücksichtigung der bewährten Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dar, welche diejenigen als prekär beschäftigt bezeichnet, „die aufgrund ihres Erwerbsstatus nur geringe Arbeitsplatzsicherheit genießen, wenig Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung ihrer Arbeitssituation haben, nur partiell im arbeitsrechtlichen Schutzkreis stehen und deren Chancen auf materielle Existenzsicherung durch Arbeit in der Regel schlecht sind“.
Erwerbsfähige
Als erwerbsfähig bezeichnet man Menschen im Alterzwischen 15 und 65 Jahren, denen es möglich ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Inbegriffen sind folglich alle Menschen, unabhängig von Ihrem Arbeitswillen, die arbeiten können (Sesselmeier etal., 2010, S.13).
Erwerbspersonen
Personen, die ihren Wohnsitz im Bundesgebiet haben und die als abhängig Beschäftigte oder Selbständige, und mitarbeitende Familienangehörige, eine auf Einkommenserwerb ausgerichtete Tätigkeit ausüben, bezeichnet man auch als Erwerbstätige. Personen, die nach einersolchen Tätigkeitsuchen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, werden als Erwerbslose definiert (Sesselmeier et al., 2010, S.13). Insgesamt verkörpern die Erwerbspersonen die Nachfrage nach Arbeit auf dem Arbeitsmarkt(Hradil, 2001, S. 183).
Erwerbspersonenpotenzial als Arbeitskräfteangebot
Das Erwerbspersonenpotenzial als Arbeitskräfteangebot stellt die Summe aus Erwerbstätigen, Erwerbslosen und der Stillen Reserve dar (Sesselmeier et al., 2010, S. 21).
Erwerbsguote
Die Erwerbsquote bildet den prozentualen Anteil der Erwerbspersonen entweder an der Gesamtbevölkerung oder an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Sesselmeier et al., 2010, S.14). Sie stellt ein Maß für die Nachfrage nach Erwerbsarbeit in einer Bevölkerung dar (Hradil, 2001, S. 183).
Erwerbslosenguote
Die Erwerbslosenquote stellt den Anteil der Erwerbslosen an den Erwerbspersonen dar (Sesselmeier et al., 2010, S.14).
Stille Reserve
Die Stille Reserve umfasst Personen, welche nicht arbeitslos gemeldet, die aber eine Erwerbstätigkeit suchen und prinzipiell arbeitswillig sind, aber über keine Beschäftigung verfügen und aus verschiedenen Gründen nicht in der Arbeitslosenstatistik erscheinen (bspw. Hausfrauen, die über den Ehemann familienversichert und durch dessen Einkommen abgesichert sind). Die Anzahl an Personen der Stillen Reserve ist nur bedingt messbar (Bäcker et al., 1989, S. 194f.).
2.2 Arbeitsmarktpolitik
Die Stabilitäts- und Wachstumspolitik wird, aufgrund der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Bedeutung des Zieles eines hohen Beschäftigungsgrades und der Lohnabhängigkeit der unselbständig Beschäftigten, durch die Arbeitsmarktpolitik ergänzt (Krol & Schmid, 2002, S.71). Die Arbeitsmarktpolitik ist ein Teil der Struktur- und Sozialpolitik und zielt auf die Entwicklung und Anpassung des Humankapitals an veränderte Bedingungen ab. Sie orientiert sich mikroökonomisch, wirkt flankierend und bedarf vor allem der Unterstützung durch andere Politiken wie der Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Die Arbeitsmarktpolitik hat die Aufgabe, Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften quantitativ und qualitativ, mit der Gesamtheit aller reaktiven und präventiven Maßnahmen der öffentlichen Hand, zu beeinflussen (Niveau- und Strukturdimension). Sie soll einer Fehlfunktion und Unvollkommenheiten von Arbeits- und Ausbildungsmärkten entgegenwirken (Freidinger & Schulze-Böing, 1993, S.109f.).
Die wesentliche Rechtsgrundlage für die Arbeitsmarktpolitik bildete zunächst das Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) von 1969. Im Zuge dieses Gesetzes sollte sich der Schwerpunkt von einer reaktiven zu einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik verlagern. Zum 01.01.1998 trat das AFG außer Kraft und wurde durch die Implementierung der Arbeitsförderung in das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zusammen mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgelöst, welche bis heute die gesetzliche Grundlage für die Arbeitsförderung darstellen und die Ziele der Arbeitsförderung in § 1 SGB III formulieren (Krol & Schmid, 2002, S.69f.).
§ 1 SGB III
„(1) Die Arbeits förderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Dabei ist insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Die Arbeitsförderung soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie ist so auszurichten, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entspricht.
(2) Die Leistungen derArbeitsförderung sollen insbesondere
1. die Transparenz auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erhöhen, die berufliche und regionale Mobilität unterstützen und die zügige Besetzung offener Stellen ermöglichen,
2. die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten fördern,
3. unterwertigerBeschäftigung entgegenwirken und
4. die berufliche Situation von Frauen verbessern, indem sie auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung eines geschlechtsspezifisch geprägten Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinwirken und Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gefördert werden.“
Die Arbeitsmarktpolitik stellt auf die Gesamtheit aller Faktoren ab, die sowohl Angebot als auch Nachfrage am Arbeitsmarkt quantitativ oder qualitativ beeinflussen; dabei bildet das quantitative Ziel der Arbeitsmarktpolitik die Steigerung des Verhältnisses zwischen derZahl der Erwerbstätigen und dem Arbeitsangebot aller Erwerbsfähigen. Das qualitative Ziel stellt die Verbesserung der Beschäftigungsstruktur dar, in dem ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt wird (Freidinger& Schulze-Böing, 1993, S.132).
Sie unterteilt sich in aktive und passive Arbeitsmarktpolitik. Unter aktiver Arbeitsmarktpolitik versteht man die (Re-)lntegration von Arbeitslosen in den Erwerbsprozess (v.a. die Integration von ausbildungs- und arbeitsplatzsuchenden Personen, die Wiedereingliederung von Arbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt und damit die Erreichung der regulären Beschäftigung) und die Beeinflussung von Ausmaß und Struktur von Angebot und Nachfrage (Vorausschau und Prävention zur Vermeidung des Entstehens von Arbeitslosigkeit, Vergleich von alternativen arbeitsmarktpolitischen Eingriffen im Hinblick auf Kosten und Wirkung). Zusätzlich soll die Beschäftigungsfähigkeit durch Förderung von Maßnahmen erhalten, erweitert oder wiederhergestellt werden. Die passive Arbeitsmarktpolitik hingegen umfasst die Sicherung der materiellen Existenz der von Arbeitslosigkeit betroffenen Erwerbspersonen, durch die Zahlung von Lohnersatzleistungen (wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Saison-Kurzarbeitergeld, Wintergeld, Insolvenzgeld) (Deutscher Verein, 2017, S.52).
Einen wichtigeren Aspekt stellt jedoch die aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik dar und gleicht dem gesetzlichen Prinzip des „Förderung und Forderns“ sowie der Auslösung von mehr Eigeninitiative der betroffenen Personen. Die Hauptaufgaben der BA und damit auch der arbeitsmarktpolitischen Instrumente der aktiven Arbeitsförderung leiten sich aus dem SGB III ab und betreffen die unmittelbaren Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Sie lassen sich im Wesentlichen unterteilen in:
- Beratung (§§ 29 ff. SGB III) und Vermittlung (§§ 35 ff. SGB III),
- Aktivierung und berufliche Eingliederung (§§ 44 ff. SGB III),
- Übergang von der Schule in die Berufsausbildung (§§ 48 ff. SGB III),
- Berufsvorbereitung (§§ 51 ff. SGB III),
- Berufsausbildung (§§ 73 ff. SGB III) und Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 56 ff. SGB III) sowie berufliche Weiterbildung (§§ 81 ff. SGB III),
- Eingliederungszuschüsse (§§ 88 ff. SGB III),
- Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit (§§ 93 f. SGB III),
- Transferleistungen (§§ 110 f. SGB III).
Die Umsetzung der staatlichen Arbeitsmarktpolitik erfolgt durch die BA und die Jobcenter (JC) und wird finanziert aus Steuern, Pflichtbeiträgen, Umlagen sowie Zuschüssen des Bundes. Die finanziellen Handlungsspielräume der öffentlichen und kommunalen Träger der Arbeitsförderung sind nicht zuletzt von der Konjunktur und der damit verbundenen Wirtschaftslage abhängig. Passive Leistungen (Arbeitslosengeld I) werden nach dem Versicherungsprinzip durch die BA gezahlt und durch Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung finanziert. Demgegenüber richtet sich die Zahlung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) (i.S.v. Alg II) nach dem Bedürftigkeitsprinzip und zielt auf eine einheitliche Grundsicherung ab. Die Auszahlung und Administration dessen wird durch den Bund und die Kommunen - folglich den Bedarfsträgern der JC in kommunaler Trägerschaft bzw. in Form von gemeinsamen Einrichtungen (Arbeitsagenturen und Kommunen nehmen die Aufgaben gemeinsam wahr) - realisiert. Deren Finanzierung erfolgt aus Bundesmitteln und somit aus dem allgemeinen Steueraufkommen (DeutscherVerein, 2017, S.53f.; Keller, o.J.a).
Aufgrund der durch die BA betriebenen Arbeitsmarkt- sowie Berufsforschung, Arbeitsmarktbeobachtung und -berichterstattung sowie dem Erstellen von Statistiken ist es der Bundesregierung möglich, die Wirkung der Gesetze zu überprüfen und die Entwicklung des Arbeitsmarktes stets im Blick zu haben. Dies wird, durch den im Gesetz verankerten Auftrag, durch Wirkungsanalysen zur Effizienz und Effektivität der Arbeitsförderung und Grundsicherung im Sinne von § 282 SGB III und § 55 SGB II durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wissenschaftlich untersucht (DeutscherVerein, 2017, S.53f.) und unterstützt die Berichtsfunktionen der BA.
Zusammenfassend leistet die Arbeitsmarktpolitik einen wichtigen Beitrag zur Wiedergewinnung eines hohen Beschäftigungsgrades und hat hauptsächlich eine Hilfs- und Brückenfunktion, kann aber eine globale Beschäftigungspolitik nicht ersetzen (Krol & Schmid, 2002, S. 71). Dennoch werden die Erwartungen der Wirtschaftspolitik an die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik immer größer, je weniger die Verknüpfung eines hohen Beschäftigungsniveaus und die Anpassung der Wirtschaft gelingt. In dem Zuge werden Lösungen gefordert, die z.B. durch öffentlich geförderte Beschäftigungen bedient werden. Dies hat einen hohen Kostenfaktor zur Folge, stellt jedoch die sinnvollere Strategie dar, finanzielle Mittel für aktive Arbeitsförderung auszuschöpfen, als untätig zu bleiben. Dies stellt insbesondere die kommunalen JC vor Herausforderungen, da deren finanzielle Mittel jährlich stark begrenzt sind. Dennoch ist auch deren vordergründiges Ziel, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Arbeitslosigkeit und Hilfebedürftigkeit zu beenden (Freidinger & Schulze-Böing, 1993, S.115,133).
Im Rahmen der kommunalen Arbeitsmarktpolitik gelingt es, Arbeitslosigkeit als brachliegendes Potenzial begreifbar zu machen und durch den Einsatz verschiedener Instrumente einen nachhaltigen Beitrag zur Verminderung von Arbeitsmarktungleichgewichten zu leisten (Freidinger & Schulze- Böing, 1993, S. 138).
2.3 Beschäftigungspolitik
Die Beschäftigungspolitik ist makroökonomisch ausgerichtet und schließt alle auf den Arbeitsmarkt einwirkenden Prozesse und Maßnahmen der allgemeinen Wirtschafts-, Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik ein. Folglich umfasst die Beschäftigungspolitik ein größeres Feld als nur die Arbeitsmarktpolitik. Als Teilgebiet der Wirtschaftspolitik hat die Beschäftigungspolitik besonderen Einfluss auf den Produktionsfaktor Arbeit. Das wesentliche Ziel der Beschäftigungspolitik besteht in der Aufrechterhaltung bzw. Herstellung der Vollbeschäftigungssituation. Die Vollbeschäftigung bezeichnet auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland einen sehr hohen Beschäftigungszustand und die ausreichende Nutzung des Produktionspotenzials in der Volkswirtschaft. In quantitativer Hinsicht bedeutet dies, dass die Zahl der offenen Stellen in der Volkswirtschaft mit der Zahl der Arbeitssuchenden übereinstimmt und allen arbeitsfähigen sowie arbeitswilligen Arbeitnehmern ein Arbeitsplatz angeboten werden kann. Qualitativ betrachtet bedeutet ein hoher Beschäftigungsstand, dass auch bestimmte qualitative Anforderungen des Arbeitsplatzes erfüllt werden (z.B. die Vereinbarkeit von verschiedenen Arbeitszeitmodellen, Vermeidung unterwertiger Beschäftigung, Verbesserung der Beschäftigungsstruktur im Unternehmen, Abbau von Monostrukturen). Die Erreichung des Vollbeschäftigungsziels bedeutet nicht, dass die Arbeitslosenquote gegen null tendieren muss (Henneberger, o.J.a).
Die Beschäftigungspolitik umfasst verschiedene Strategien und Instrumente, welche zur Aufgabe haben, das Ungleichgewicht zwischen dem Arbeitskräfteangebot und der Arbeitskräftenachfrage zu verringern und dadurch Arbeitslosigkeit abzubauen. Schwerpunkt der beschäftigungspolitischen Strategien bildet das Ansetzen von Maßnahmen an der Nachfrageseite (Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., 2020). Die Strategiebereiche umfassen die Einteilung in Nachfragepolitik (Strategiebereich 1), Angebotspolitik (Strategiebereich 2) und Arbeitsmarkt- / Ausgleichspolitik (Strategiebereich 3).
Die Strategiebereiche eins und zwei umfassen globale, der Strategiebereich drei strukturorientierte Strategien. Es zeichnet sich ab, dass zum einen eine globale, makroökonomisch orientierte Strategie vorteilhaft sein kann und zum anderen der Einsatz von mikroökonomischen, strukturorientierten Maßnahmen angebracht ist. Weiterhin wird deutlich, dass die Beschäftigungspolitik eng mit der Arbeitsmarkt- und damit auch mit der Struktur- und Regionalpolitik vernetzt ist. Die globalen und strukturorientierten Strategien ergänzen sich (Rohwer, 1982, S. 157).
Entgegen der Arbeitsmarktpolitik erstreckt sich die Beschäftigungspolitik nicht ausschließlich auf Zielgruppen und Sozialstrukturen, dennoch bestehen parallele Ziele, welche durch geeignete Maßnahmen staatlicher und anderen Institutionen dazu beitragen sollen
- Höhe und Struktur der Beschäftigung in Einklang mit dem Erwerbspersonenpotenzial zu bringen und zu halten,
- die vollwertige Beschäftigung aller Erwerbstätigen zu sichern sowie
- die regionalen und sektoralen Beschäftigungsstrukturen zu verbessern
(Engelen-Kefer et al., 1995, S.63). Diese setzen außerhalb des Arbeitsmarktes auf den Güter-, Kapital- und Geldmärkten an (Sesselmeier et al., 2010, S.3).
2.4 Gesetzliche Grundlagen
Wie bereits im Kapitel der Arbeitsmarktpolitik verzeichnet, bildete über Jahrzehnte das AFG die gesetzliche Grundlage für die Regulierung des Arbeitsmarktes und die Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Dem voraus geht bis heute das existierende StabG, als Grundlage für die Beschäftigungspolitik. Das StabG trat 1967 in Kraft und bildet die rechtliche Grundlage für den Einsatz einer an den Lehren des Keynesianismus orientierten Fiskalpolitik und das Konzept der Globalsteuerung (bpb, 2016). Das StabG zielt primär auf die Niveausteuerung der Beschäftigung (Sicherung bzw. Steigerung des Beschäftigungsvolumens) ab; wohingegen das AFG gleichrangig den Strukturaspekt verfolgt (Engelen-Kefer et al., 1995, S.62f). Infolge der grundlegenden Veränderungen des Arbeitsmarktes erfuhr das AFG zahlreiche Novellierungen sowie die Anpassung zum Arbeitsförderungsreformgesetz (AFRG). Zum 01.01.1998 wurde es durch das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) abgelöst und fand grundlegende Veränderungen. Die bisherigen Ziele des AFG (Erreichung und Stabilisierung eines hohen Beschäftigungsstandes sowie ständige Verbesserung der Beschäftigungsstruktur und Qualifikation auch der Erwerbstätigen) wurden neu gewichtet und in stärkerem Maße auf neoklassischem Gedankengut ausgerichtet. Nennenswert sind dabei die Erhöhung der Integration auf dem Arbeitsmarkt, der Eigeninitiative und die Verbesserung des Zugangs zu Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Insgesamt wurde die ehemalige Arbeitsverwaltung modernisiert.
Im Zuge der Struktur- und Arbeitsmarktreformen (2002 bis 2005) und der damit verbundenen „Hartz-Gesetze“ gelang ein Paradigmenwechsel und die Modifizierung und Neueinführung wichtiger Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, unter dem Vorsitz von Peter Hartz, hat im Jahr 2002 einen Bericht zur Verbesserung der Arbeitsmarktpolitik vorgelegt. Aus diesem entstanden die vier Gesetzmäßigkeiten „Hartz I bis IV“ und traten in den Jahren 2003 bis 2005 in Kraft. Die passiv-fürsorgende Arbeitsmarktpolitik nahm einen neuen Charakter an - es entstand die aktivierende Sozial- und Arbeitsmarktpolitik - mit dem Ziel, die verfestigte Arbeitslosigkeit abzubauen und die Beschäftigungsintensität des Wachstums zu erhöhen (Sesselmeier et al., 2010, S. 22). Neben den Gesetzmäßigkeiten aus dem SGB III erfuhr auch die damalige Arbeitslosenhilfe ihre Neuausrichtung. Im Rahmen der Agenda 2010 erfolgte die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe und wurde neu unter der Bezeichnung des ALG II, umgangssprachlich unter dem Namen „Hartz IV“, eingeführt. Mit dessen Einführung wurde ein Sicherungssystem für alle erwerbsfähigen Leistungsberechtigten geschaffen. ALG II stellt eine Ersatzleistung für Arbeitssuchende und deren Angehörige dar, und soll deren Lebensunterhalt zu sichern. Das SGB II verfolgt im Sinne des § 1 SGB II zwei zentrale Ziele; es soll den Leistungsberechtigten ermöglichen, „ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht" und sie zugleich bei der Überwindung von Hilfebedürftigkeit, insbesondere durch die Eingliederung in Beschäftigung, unterstützen. Dazu erbringt das SGB II „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes" sowie „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit" (Keller, o.J.a).
3. Arbeitsmarkttheorien
Um die Ursachen von Arbeitslosigkeit und Ungleichheiten in Bezug auf die Erwerbschancen zu erkennen, wurden zahlreiche Theorien entwickelt (Hradil, 2001, S.203). Die Vielfalt dieser Arbeitsmarkttheorien beschäftigt sich, je nach Perspektive und Erkenntnisinteresse, mit Analysen und Erklärungen von Prozessen und Ergebnissen des Arbeitsmarktes. Die Theorien lassen sich in klassische bzw. neoklassische sowie in die neueren mikroökonomischen Arbeitsmarkttheorien untergliedern und umfassen, aus der Vielfalt der Theorien, die nachfolgenden wesentlichen Modelle / Theorien:
Tab. 1: Arbeitsmarkttheorien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an Wagner & Jahn, 2004, S.1f.)
Zum Teil widersprechen sich die Theorien, ergänzen sich gleichzeitig, und tragen auf diese Weise zu einem Gesamtbild bei (Hradil, 2001, S.203).
Die Basistheorien, und zugleich auch zu den grundlegenden Wirtschaftstheorien gehörig, bilden das Neoklassische und das Keynesianische Modell. Neben diesen besteht eine Vielfalt an o.g. Theorien, die sich konkret auf den Arbeitsmarkt beziehen, häufig aber auf die Erreichung der Vollbeschäftigung abzielen. Die neuen Arbeitsmarkttheorien sollen zur Klärung des Phänomens der Massenarbeitslosigkeit beitragen und Lösungsansätze beisteuern (Wagner & Jahn, 2004, S.1). Generell betrachten die Arbeitsmarkttheorien mikroökonomisch die Interaktionen der Wirtschaftssubjekte auf dem Arbeitsmarkt und berücksichtigen Kreislaufentwicklungen allenfalls rudimentär. Wohingegen die Beschäftigungstheorie die Ursachen der Arbeitslosigkeit in einem makroökonomischen Zustand beschreibt und analysiert (Sesselmeier et al., 2010, S. 1f.).
Zusammengefasst haben nach Sesselmeier et al. (2010, S.3) die Arbeitsmarkttheorien folgende Aufgaben zu erfüllen:
„Zum einen versuchen sie, das Verhalten von Arbeitnehmern und Unternehmen aus ökonomischer Sicht zu erklären, um damit die Mikrovorgänge am Arbeitsmarkt offen zu legen. Zum anderen versuchen sie - darauf aufbauend - die Ursachen von Arbeitslosigkeit am Arbeitsmarkt selbst zu erforschen.“
Die Regulierung des Arbeitsmarktes und deren Notwendigkeit werden in der Politik kontrovers diskutiert. Es besteht die Frage, ob der Arbeitsmarkt einer Regulierung oder keiner speziellen Eingriffe bedarf. Neoklassische Ansätze machen keinen Unterschied zwischen dem Arbeitsmarkt und den Gütermärkten, da das Postulat der vollkommenen Konkurrenz gilt. Wirtschaftliche Bewegungen führen zu einem stetigen Strukturwandel, der sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt und zu regionalen, sektoralen, beruflichen, qualifikatorischen, tätigkeitsbezogenen und erwerbsformenspezifischen Verschiebungen in der Beschäftigung führt (DeutscherVerein, 2017, S. 51f.). Der Arbeitsmarkt bildet einen Suchmarkt, gekennzeichnet von einer extremen Heterogenität und einer Vielzahl von Koordinationsmechanismen, welche zwischen Anbietern und Nachfragern vermitteln (Wagner &Jahn, 2004, S.1).
In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die Basistheorien der Neoklassik und des keynesiani- schen Modells vorgestellt. Unter Berücksichtigung des Schwerpunktes der vorliegenden Arbeit werden die Humankapitaltheorie, die Suchtheorie und die Segmentationstheorie in der Kurzfassung näher betrachtet.
3.1 Das neoklassische Modell
Die klassische Nationalökonomie bildet den Ursprung der Neoklassik. Diese stellt die einzelwirtschaftliche (mikroökonomische) Analyse von Anbietern an und Nachfragern nach Gütern und Produktionsfaktoren in den Mittelpunkt. Liegen völlige freie Preis-, Lohn und Zinsbildung vor, tendieren in der Neoklassik die einzelnen Güter, Geld und Arbeitsmärkte im Gleichgewicht. Weicht das Marktgleichgewicht ab, bedingt die Anpassung über flexible Preise, Löhne und Zinsen die Wiederherstellung dessen. Nach der Neoklassik übt der Preismechanismus seine Funktion auf dem Arbeitsund Kapitalmarkt aus und nicht auf dem Gütermarkt (Krol & Schmid, 2002, S.208f.). Das neoklassische Basismodell des Arbeitsmarktes legt zu Grunde, dass durch eine „unsichtbare Hand“ die optimale Allokation auf dem Markt gewährleistet ist. Das Modell beschreibt einen vollkommenden kompetitiven Arbeitsmarkt (Krol & Schmid, 2002, S.46 f.). Eine Grundlage dafür sind die idealen Rahmenbedingungen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann der freie Wettbewerb optimal stattfinden und Angebot und Nachfrage schaffen ein Gleichgewicht. Negative Einflüsse auf den Arbeitsmarkt werden durch Eingriffe in den freien Wettbewerb begründet. In der neoklassischen Theorie liegen verschiedene Annahmen vor. Der Arbeitsmarkt wird analog zu Gütermärkten behandelt. Deshalb können die Annahmen auch zu derdes neoklassischen Standardmodells des Gütermarkts gezählt werden (Keller, o.J.b). Das Angebot auf dem Markt wird durch die Arbeitskräfte definiert. Die Arbeitsstellen der Unternehmen stellen die Nachfrage dar. Ein Marktgleichgewicht wird dadurch erreicht, dass die Löhne entsprechend angepasst werden. Der Lohnsatz beschreibt den Preis des Produktionsfaktors Arbeit und wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Das Saysche Theorem stellt die zentralen Theoreme dar und beschreibt die Einbindung des Arbeitsmarktes in die Gesamtwirtschaft. Es bildet die Basis der neoklassischen Gleichgewichtsanalyse und wird immer und überall einen Gleichgewichtszustand auf dem Markt erreichen (Sesselmeier et al., 2010, S.75f.).
Nach Sesselmeier (et al., 2010, S.76) werden, um die Preiskalküle von Haushalten und Unternehmen analytisch als zentralen Wirkfaktor anzunehmen, für den Arbeitsmarkt folgende Annahmen getroffen:
- Vorherrschen vollständiger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt (d.h. es existieren weder Wettbewerbsbeschränkungen noch Zugangsbarrieren),
- keine Fixierung von Löhnen; Löhne ergeben sich vollständig aus den Marktgegebenheiten von Angebot und Nachfrage; es herrscht vollkommene Mobilität von Angebot und Nachfrage und es gibt weder Friktion noch Preisrigiditäten,
- Nutzung des Marktmechanismus von den Akteuren - kostenlos und jederzeit (es existieren keine Transaktionskosten),
- Homogenität der Leistung (alle Anbieter auf dem spezifischen Arbeitsmarkt sind gleich produktiv und substituierbar),
- Vorherrschen vollständiger Information bzw. Markttransparenz,
- Unternehmen können ihre gewinnmaximale Menge stets auf den Gütermärkten absetzen.
Liegen diese Rahmenbedingungen vor, kann ein Gleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage festgestellt werden und es liegt ein Gleichgewichtslohn vor. Hieraus ist ebenso abzuleiten, dass jeder Anbieter auch einen Nachfrager findet und unfreiwillige Arbeitslosigkeit nicht bestehen kann. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit liegt immer dann vor, „wenn Arbeitnehmer bereit sind, für geringere als die herrschenden Löhne ein Arbeitsverhältnis einzugehen, das sie erfüllen können, und trotzdem keine Stelle finden“ (Sesselmeier et al., 2010, S.67f.).
Das neoklassische Modell schließt unfreiwillige Arbeitslosigkeit aus und sieht die Ursachen für Arbeitslosigkeit in folgenden Annahmen:
- Arbeitslosigkeit ist nur bei zu hohen Reallöhnen möglich,
- Exogene Ursachen, die das normale Funktionieren des Gleichgewichtsmodells verhindern, bilden die Ursache für zu hohe Reallöhne,
- Tarif- oder Mindestlöhne können Funktionsstörungen verursachen,
- Systeme, die den Arbeitsmarkt organisieren, sind im neoklassischen Sinn Ursachen für einen gestörten Preismechanismus und verantwortlich für die Arbeitslosigkeit.
Einflussfaktoren, welche auf den Markt einwirken, stellen u.a. die Heterogenität unter den Arbeitslosen, die Heterogenität der Stellen, die fehlende Transparenz des Marktes, Regeln und Gesetze bzw. vorhandene Tarifverträge dar.
Werden die o.g. Annahmen bzw. Voraussetzungen nicht erfüllt, so ergeben sich aus neoklassischer Sicht Störungen des Arbeitsmarktes in Form von Arbeitslosigkeit. Diese Störung ist zu beheben, um einen vollkommenen Markt herzustellen, was nahezu unrealistisch ist (Hradil, 2001, S.203f.).
Die neoklassische Mikroökonomie hat sich unter der Ausbildung neuer Ansätze fortgesetzt und entfernt sich von den realitätsfernen Annahmen der traditionellen Neoklassik. Die neuen Ansätze forcieren, dass gerade „die unvollständige Information und die damit verbundene Unsicherheit der Wirtschaftssubjekte überdie Märkte für die reelle Situation der Wirtschaftssubjekte charakteristisch sei“ (Krol & Schmid, 2002, S.220). Die Ungleichgewichte aus dem neoklassischen System selbst zu erklären, stellen das neue Ziel der neoklassischen Mikroökonomie dar. Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen sollen aus einzelwirtschaftlichen Entscheidungen abgeleitet werden und damit eine mikroökonomische Fundierung der Makroökonomie leisten. Damit steht auch nicht mehr die jeder- zeitige Vollbeschäftigung im Fokus, sondern eine bestimmte Höhe der Arbeitslosigkeit. Dabei ist die Arbeitslosigkeit freiwillig und soll durch die einzelnen Arbeitnehmer durch ein bestimmtes Suchverhalten und Informationsbeschaffung zum Arbeitsmarktgeschehen beendet werden. Arbeitslosigkeit tritt bzw. besteht infolgedessen nicht aufgrund des Nachfragemangels, sondern infolge von Informationsverlust. Die neue Mikroökonomie lässt im Gegensatz zur traditionellen Neoklassik freiwillige Arbeitslosigkeit und das Bestehen der natürlichen Rate an Arbeitslosigkeit zu (Krol & Schmid, 2002, S.220f.).
3.2 Das keynesianische Modell
Das keynesianische Modell beschreibt eine alternative Theorie, welche von John Maynard Keynes im Jahr 1936 in der "General Theory of Employment, Interest and Money" veröffentlicht wurde. Anlass für das Aufleben der Theorie gab die Weltwirtschaftskrise 1929-1933 und dem damit verbundenen Rückgang der Produktion und vor allem der Massenarbeitslosigkeit, welche die neoklassische Theorie in Frage stellte. Die Vorgehensweise von Keynes unterscheidet sich wesentlich von den neoklassischen Ansätzen und wird als prominentester Gegenentwurf zur neoklassischen Theorie bezeichnet. Keynes Ansätze entstanden als Reaktion auf die neoklassische Unfähigkeit, die massive Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise zu erklären. Die Arbeitslosigkeit stieg trotz starker Lohnsenkungen weiter an, obwohl die neoklassische Annahme darauf basierte, dass sinkende Löhne die Arbeitslosigkeit zurück zur Vollbeschäftigung führen sollten. Keynes betrachtet den Arbeitsmarkt in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, insbesondere zu der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Sinkt die Nachfrage, entsteht Arbeitslosigkeit, welche nicht lediglich durch Preisverschiebungen und Lohnsenkungen behoben werden kann (Hradil, 2001.S.205).
Zusammengefasst lässt sich ableiten, dass die keynesianische Theorie die Arbeitslosigkeit aus den Unternehmensentscheidungen auf den Güter-, Geld- und Kapitalmärkten erklärt. Die keynesianische Theorie geht von Unvollkommenheiten auf dem Kapital- und Gütermärkten aus. Das Entstehen von Arbeitsplätzen und damit die Verringerung von Arbeitslosigkeit bestimmt die Stärkung der Nachfrage. Arbeitslosigkeit liegt in Form von unfreiwilliger, konjunkturell- und nachfragebedingter Art vor (Sesselmeier et al., 2010, S. 66).
3.3 Die Humankapitaltheorie
Die Humankapitaltheorie stellt eine Weiterentwicklung des neoklassischen Modells dar. Sie geht von der Heterogenität der Arbeitskräfte statt von ihrer Austauschbarkeit aus und betrachtet damit bei der Analyse des Produktionsfaktors Arbeit die Angebotsseite. Das Arbeitskräfteangebot der Arbeitnehmer wird häufig als „Humankapital“ angesehen und steht in engem Zusammenhang mit der Ausbildung bzw. Qualifikation der Arbeitskraft. Die Arbeitnehmer verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, einschließlich ihrer gesundheitlichen Ausstattung. Jedes Individuum investiert unterschiedlich in das Arbeitsvermögen - dem sogenannten Humankapital. Diese Bildungsinvestitionen lassen eine Vielfalt an Arbeitsproduktivität zu, die sich auch in dem erzielten Einkommen und der Karriere widerspiegeln (Hradil, 2001, S.205).
Nach Sesselmeier et al. (2010, S.145f.) wird der Bestand an Humankapital wie folgt definiert:
„Der Bestand an Humankapital stellt damit einen Bestand produktiver Fähigkeiten und Können dar, der einen Einkommensstrom zur Folge hat bzw. haben kann. Indem man die Qualifikation als Grundeigenschaft des Menschen in der Produktion begreift, wird die Arbeitskraft zum Investitionsgut, in das zur Verbesserung des Arbeitsvermögens und der Produktivität investiert werden kann.“
Bildungsinvestitionen können über verschiedene Wege verfolgt werden, so zum Beispiel bereits vor Eintritt in den Arbeitsmarkt durch allgemein schulische bzw. berufliche Ausbildung, berufsbegleitende Qualifikationen, Weiterbildungen, Umschulungen etc. Alle haben in der Regel zum Ziel, in der Zukunft ein höheres Einkommen zu erwarten als mit keinem oder einem minderen Bildungsabschluss. Das Ziel der Maximierung der Lebenseinkommensströme soll dabei nicht nur kurzfristig sein, sondern für ein Leben lang beibehalten werden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Einkommen zu Beginn des Erwerbslebens mit steigendem Lebensalter und Berufserfahrung zunimmt und in der Regel zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Maximum erreicht. Humankapitalinvestitionen sind zusammengefasst auf das Individuum bezogen, grundsätzlich irreversibel und häufig bindungsspezifisch (berufsbezogen). Der Humankapitaltheorie folgend, können ungleiche Beschäftigungschancen nur dann entstehen, insoweit „Bewerber in das Humankapital Qualifikationen ungleich viel investieren, besser ausgebildete Arbeitskräfte produktiver arbeiten, Arbeitgeber es vorziehen, produktivere Arbeitskräfte einzustellen und somit höher qualifizierte Arbeitnehmer bessere Beschäftigungschancen haben“ (Hradil, 2001, S. 205f.). Das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt kann aus humankapitaltheoretischer Sicht demnach nur beseitigt werden, wenn sich alle Arbeitskräfte durch eine entsprechende Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig machen. Dies ist kritisch zu betrachten, da nur das bloße Vorhandensein von Qualifikationen nicht gleich von dem Arbeitsmarkt auch honoriert wird. Darüber hinaus stellt die technische und strukturelle Entwicklung vorhandene Berufsabschlüsse immerwieder auf die Probe und lässt sie schnell obsolet werden. Die Akteure der Arbeitsmarktpolitik können durch die Bereitstellung von Informationen und finanziellen Zuschüssen die Entwicklung von Arbeitskräften und damit die Investitionsentscheidung von Unternehmen unterstützen. Sie tragen in ihrer Rolle als Vermittlereine hohe Verantwortung. Die Unternehmen sind daran interessiert, betriebsspezifisches Humankapital zu erhalten und zu binden, indem sie höhere Löhne als üblich zahlen (Osch- miansky, 2020).
Insbesondere weniger qualifizierte Arbeitskräfte benötigen Unterstützung, um in Bildung sinnvoll und zielgerichtet zu investieren und diese einzusetzen. Es liegt nahe, dass mit zunehmender Dauer des Nichtgebrauchs von Qualifikationen diese veralten und erodieren. Dies führt dazu, dass die betroffenen Personen sich nicht mehr in der Lage fühlen, ihre Arbeitskraft entsprechend ihrer Qualifikation anzubieten und im Umkehrschluss treten Unmut, Minderwertigkeitsgefühle und Motivationsverlust ein. Solche Prozesse können in den Kreislauf der Langzeitarbeitslosigkeit führen, insoweit die Arbeitsmarktpolitik nicht entscheidende Maßnahmen einleitet, die diesen Kreislauf unterbrechen (Oschmiansky, 2020).
Kritisch zu betrachten ist, dass die Humankapitaltheorie weniger die Nachfrage an Arbeitskräften, sondern das Arbeitskräfteangebot fokussiert und die Arbeitslosen für deren Entwicklung des Humankapitals alleinig verantwortlich gemacht werden (Hradil, 2001, S.206).
3.4 Die Suchtheorie
Die Suchtheorie wird auch als Job-Search-Theorie bezeichnet und wird durch unvollkommene Informationen, heterogene Arbeitskräfte und Arbeitsplätze sowie durch alleinige Orientierung an den von Unternehmen angeboten Lohnsätzen charakterisiert (Henneberger, o.J.b). Nach Scheuer (1987, S. 84) lässt sich folgendes ableiten:
„Das Grundmodell der Suchtheorie dient dazu, eine Entscheidungsregel für die Annahme eines Lohnangebots oder die Fortsetzung der Suche abzuleiten. Das Kriterium dafür ist der für den Arbeitnehmer optimale Lohnanspruch. Es wird angenommen, dass dieser Lohnsatz nach einem wahrscheinlichkeits-theoretischen Kalkül festgelegt wird. Entspricht ein Lohnangebot nicht mindestens diesem Lohnsatz, setzt das Individuum seine Suche fort.“
Der Arbeitsmarkt ist ein Suchmarkt, auf dem große Ströme von Arbeitsangebot und -nachfrage bewegt werden. Die Suchtheorie entwickelte sich damit zur Grundlage für die Analyse von Stromgrößen (Zusammenspiel von Arbeitsangebot und -nachfrage) anstelle von Bestandsgrößen. Arbeitslosigkeit und die Nachfrage an Arbeitskräften durch die Unternehmen werden nahezu nie im Gleichgewicht stehen, da es immer eine gewisse Fluktuation geben wird. Dies führt zu der Annahme, dass die friktionelle Arbeitslosigkeit (durch Arbeitsplatz- und Berufswechsel) kennzeichnend für den Arbeitsmarkt ist und betrachtet dabei die Suchprozesse der Arbeitnehmer, welche nach einer anderen, besser bezahlten Arbeitsstelle suchen. Daher ist es die Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik, als Vermittler zu agieren und die o.g. friktionelle Arbeitslosigkeit auf ein Minimum zu senken. Hierbei sollen insbesondere die Suchzeiten und -kosten fürArbeitsuchende, wie auch für die Unternehmen, so gering wie möglich gehalten werden und bestmögliche Unterstützung erhalten (Sesselmeier et al., 2010, S.157).
Betrachtet man einzelne Suchmodelle, so unterscheiden sich diese nach:
Suchmodellen mit einer festen Stichprobe - bei dieser legt der Suchende die optimale Zahl an Suchschritten fest, wählt eine bestimmte Anzahl an Offerten aus und trifft die bestmögliche Auswahl (Grenzkosten und Grenzertrag sind gleich);
Suchmodelle mit sequentieller Suche - hierbei wird die Suche nursolange fortgesetzt, bis ein Angebot gefunden wurde, welches dem vorher festgelegten Akzeptanzniveau entspricht; der Sucher ist indifferent zwischen der Annahme der Offerte oderder Fortsetzung derSuche, hierbei entstehen geringere Suchkosten als bei dem Modell mit fester Stichprobe (Henneberger, o.J.b).
Das Suchverhalten von Arbeitsanbietern erfolgt analog des Suchverhaltens der Arbeitsnachfrager. Ziel des Arbeitsanbieters ist die Maximierung des Lebenseinkommens und der Einsatz seiner Qualifikation. Das Suchverhalten bestimmt sich an der Optimierung des Lohns. Findet der Arbeitsanbieter keinen für ihn passenden Arbeitsplatz, so spricht man von freiwilliger Arbeitslosigkeit. Unter Berücksichtigung derzuvordargestellten Humankapitaltheorie wird deutlich, dass das „Humankapital“ in Form der vorhandenen Bildung / Qualifikation des Arbeitsanbieters, für die Suche eines neuen Arbeitsplatzes eine enorm wichtige Rolle spielt und dem Grunde nach sein einziges Kapital darstellt. Die Anforderungen eines neuen Arbeitsplatzes sind geknüpft an Qualifikationen und vorhandene Berufsausbildungen / Berufserfahrungen. Sind diese nicht vorhanden, so wird die Suche erschwert und führt womöglich nicht zum Erfolg (Henneberger, o.J.b).
3.5 Segmentationstheorien
Die Segmentationstheorien stellen das Ergebnis der Diskrepanz aus vollkommenen neoklassischen Ansätzen und der unvollkommenen Realität des Arbeitsmarktes dar. Sie tragen durch ihre beschreibende Wirkung und der Einbindung erklärender Theorien zum Verständnis der Arbeitsmarktprozesse bei und haben den Anspruch, eine realitätsgelegene Darstellung des Arbeitsmarktes zu liefern. Entgegen der neoklassischen Ansätze sind die Segmentationstheorien weniger als eigenständige Theorie zu bezeichnen, sondern eher als „Konglomerat von Theoremen“; dies ist auf das Segmentationskonzept von Sengenberger und Lutz zurückzuführen, welches aus amerikanischen Ansätzen auf die Verhältnisse in Deutschland zugeschnitten wurde (Sesselmeier et al., 2010, S. 273). Aus diesem Konzept ist ein zweidimensionales Modell des Gesamtarbeitsmarktes entstanden, welches die Struktur der Arbeitsmärkte und deren Segmentation/Spaltung aufzeigt:
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