Die Bachelorarbeit befasst sich mit dem Themenkomplex "Leistungsgerechte Bewertung und Benotung im Sportunterricht". Es geht darum, den Bewertungs- und Benotungsprozess im Sportunterricht dazustellen und die spezifischen Besonderheiten der Sportnote zu explizieren. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Bewertung,
die im schulischen Alltag einen Gegenstand von Diskussionen darstellt. Die Forschungsfrage lautet wie folgt: "Wie leistungsgerecht gestaltet sich die Bewertung von SchülerInnen im Sportunterricht im Kontext der Notengebung an niedersächsischen Schulen?"
Dies soll empirisch untersucht werden, indem jeweils zwei leitfadengestützte Interviews mit erfahrenen Sportlehrkräften geführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet werden, welches sich im Aufbau der Arbeit wie folgt darstellt:
Zu Beginn wird der theoretische Hintergrund der zugrundeliegenden Forschungsfrage erörtert. Dabei werden erst die für die Thematik relevanten Begriffe definiert, bevor weiterführend die Funktionen von Noten, die Notenregelung durch den Lehrplan Niedersachsens und die Zusammensetzung der Sportnote erläutert werden. Abschließend wird in Kapitel 2.5 auf die Besonderheiten der Bewertung und Benotung im Sportunterricht eingegangen. Der theoretische Teil endet mit einer alternativen Leistungsbewertung im Sportunterricht, die sich der formativen Leistungsbeurteilung im dritten Abschnitt der Arbeit widmet.
Im nachfolgenden, vierten Kapitel (Empirische Forschung) wird umfassend dargelegt, welche methodischen Überlegungen im Laufe des Forschungsprozesses getätigt und welche Entscheidungen getroffen wurden. Dabei wird die gewählte Methode benannt und ihre Anwendung begründet, wobei die Gütekriterien qualitativer Forschung erläutert
werden. Darauf aufbauend werden Hypothesen generiert, die die Untersuchung anleiten.
Abschließend werden die Erhebung der Daten durch leitfadengestützte Interviews und die Datenauswertung in ihren aufeinanderfolgenden Schritten beschrieben. Kapitel 4.2 befasst sich mit dem Ablauf der empirischen Forschung und schließt mit der Datenauswertung im Kapitel 4.3 ab. Die Diskussion der generierten Ergebnisse sowie ein resümierendes
Fazit komplettieren den inhaltlichen Diskurs dieser Bachelorarbeit.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Leistungsgerechte Bewertung und Benotung im Sportunterricht
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 Leistung
2.1.2 Gerechtigkeit
2.1.3 Bewerten
2.1.4 Benotung
2.2 Funktionen von Noten
2.3 Anforderung durch den Lehrplan Niedersachsens
2.4 Zusammensetzung der Note im Sportunterricht
2.5 Besonderheiten von Bewertung und Benotung im Sportunterricht
3 Alternative Leistungsbewertung im Sportunterricht
3.1 Formative Leistungsbeurteilung
3.2 Spezielle Chancen für den Sportunterricht
4 Empirische Forschung
4.1 Methodische Grundlegungen
4.1.1 Qualitative Sozialforschung
4.1.2 Forschungsstil Grounded Theory
4.1.3 Datenerhebungsmethode
4.1.4 Datenauswertungsmethode
4.2 Forschungsablauf
4.2.1 Forschungsdesign
4.2.2 Hypothesen
4.2.3 Leitfadenentwicklung
4.2.4 Stichprobenbeschreibung
4.2.5 Interviewdurchführung und Transkription
4.2.6 Datenauswertung
4.3 Ergebnisdarstellung
5 Diskussion der Ergebnisse
6 Fazit
Anhang
Anhang 1: Leitfadengestütztes Interview
Anhang 2: Transkript Interview Herr Krämer
Anhang 3: Transkript Interview Frau Schuldt
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Nicht die Ziffern von 1 bis 6 sind das eigentliche Übel, … sondern die Urteilsprozesse, die zu diesen Ziffern hinführen.“ (Schwarzer, o.D.)
Dieses Zitat verdeutlicht, dass die Notengebung im Sportunterricht nicht automatisch auch die Bewertung der SchülerInnen darlegt. Besonders die Bewertung praxisbezogener Entwicklungen von SchülerInnen im Sportunterricht stellt Lehrkräfte an Schulen vor die große Herausforderung, leistungsgerechte Prozesse in die Beurteilung einfließen zu lassen, welche eine individuelle Leistungsbewertung in Form einer gerechten Zeugnisnote widerspiegelt. Aufgrund der sich stetig im Wandel befindenden Gesellschaftsstrukturen sowie der soziokulturellen Veränderungen von SchülerInnen nehmen die persönlichen, den Leistungen der Lernenden entsprechenden Bewertungsmaßstäbe, eine enorm wichtige Rolle ein. Zu unterschiedlich scheinen die Voraussetzungen von SchülerInnen gleichen Alters, bezogen auf Aspekte wie soziale Herkunft, Inklusion sowie körperliche Gegebenheiten. Eine Bewertung erfolgt klassischerweise durch die Notengebung, welche Lehrkräfte dazu zwingt, das individuelle Leistungsrepertoire aller SchülerInnen in eine Form zu pressen, welche in gerade einmal sechs Stufen von „sehr gut“ bis „ungenügend“ unterteilt und dadurch auffällig stark limitiert ist. Chancengleichheit scheint somit auf den ersten Blick durch summative Leistungsfeststellung anhand kriterialer Bezugsnormen in weite Ferne zu rücken.
Auf Basis dessen habe ich mir mit dieser Arbeit zur Aufgabe gemacht, einen Überblick zu schaffen, welcher alle Aspekte des bestehenden Bewertungskonzepts für Lehrkräfte im Sportunterricht beleuchtet. Darüber hinaus möchte ich die Besonderheiten von SchülerInnen darlegen, durch die es sich für die Lehrkräfte so schwierig und komplex gestaltet, eine leistungsgerechte Bewertung eines jeden Individuums in Form einer Einzelnote für ein gesamtes Halbjahr abzugeben. Leitfadengestützte Interviews mit erfahrenen Lehrkräften aus dem Bereich Sport sollen gezielt dabei unterstützen, durch einen konkreten Bezug in die praktischen Prozesse des Unterrichtens sowie der sich daraus ergebenen Bewertungen und Benotungen im Sportunterricht den aktuellen Sachstand zu beleuchten. Daraus sollen sich mögliche Problemstellungen bezüglich der bestehenden Regelungen und der praktischen Umsetzung für Lehrkräfte herauskristallisieren, um auf Basis dessen ein sich ergebenes Delta zu beschreiben und theoretische und praktische Lösungsansätze zu generieren. Diese könnten dabei helfen, einer bestehenden Diskrepanz zwischen Anforderung und Umsetzung einer leistungsgerechten Bewertung und Benotung im Sportunterricht konkret zu begegnen und diese zu minimieren.
Daher befasst sich die Bachelorarbeit mit dem Themenkomplex „Leistungsgerechte Bewertung und Benotung im Sportunterricht“. Es geht darum, den Bewertungs- und Benotungsprozess im Sportunterricht dazustellen und die spezifischen Besonderheiten der Sportnote zu explizieren. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Bewertung, die im schulischen Alltag einen Gegenstand von Diskussionen darstellt. Die Forschungsfrage lautet wie folgt: „Wie leistungsgerecht gestaltet sich die Bewertung von SchülerInnen im Sportunterricht im Kontext der Notengebung an niedersächsischen Schulen?“ Dies soll empirisch untersucht werden, indem jeweils zwei leitfadengestützte Interviews mit erfahrenen Sportlehrkräften geführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet werden, welches sich im Aufbau der Arbeit wie folgt darstellt:
Zu Beginn wird der theoretische Hintergrund der zugrundeliegenden Forschungsfrage erörtert. Dabei werden erst die für die Thematik relevanten Begriffe definiert, bevor weiterführend die Funktionen von Noten, die Notenregelung durch den Lehrplan Niedersachsens und die Zusammensetzung der Sportnote erläutert werden. Abschließend wird in Kapitel 2.5 auf die Besonderheiten der Bewertung und Benotung im Sportunterricht eingegangen. Der theoretische Teil endet mit einer alternativen Leistungsbewertung im Sportunterricht, die sich der formativen Leistungsbeurteilung im dritten Abschnitt der Arbeit widmet.
Im nachfolgenden, vierten Kapitel (Empirische Forschung) wird umfassend dargelegt, welche methodischen Überlegungen im Laufe des Forschungsprozesses getätigt und welche Entscheidungen getroffen wurden. Dabei wird die gewählte Methode benannt und ihre Anwendung begründet, wobei die Gütekriterien qualitativer Forschung erläutert werden. Darauf aufbauend werden Hypothesen generiert, die die Untersuchung anleiten. Abschließend werden die Erhebung der Daten durch leitfadengestützte Interviews und die Datenauswertung in ihren aufeinanderfolgenden Schritten beschrieben. Kapitel 4.2 befasst sich mit dem Ablauf der empirischen Forschung und schließt mit der Datenauswertung im Kapitel 4.3 ab. Die Diskussion der generierten Ergebnisse sowie ein resümierendes Fazit komplettieren den inhaltlichen Diskurs dieser Bachelorarbeit.
2 Leistungsgerechte Bewertung und Benotung im Sportunterricht
Eine der zentralen Aufgaben im Berufsalltag von Lehrkräften besteht darin, eine Bewertung und Benotung von SchülerInnen vorzunehmen. Laut der Kultusministerkonferenz (2004) muss die Bewertung gerecht und verantwortungsbewusst ausgeübt werden. Somit stellt sich das Bewerten und Benoten als zentrale Lehrkompetenz heraus, welches im Fach Sport durch die vielschichtigen Anforderungen eine besondere Herausforderung für LehrerInnen darstellt. Eine Bewertung anhand vorgefertigter Tabellenwerte, die sich aus einem durchschnittlichen Leistungsbild ergeben, wird dem heutigen Anspruch sowie den Ambitionen des Lehrberufes nicht mehr gerecht. Damit stellt der Sportunterricht einen schulischen Bereich mit besonderem Stellenwert dar, welcher sich, zurückblickend über die letzten Jahrzehnte, im besonderen Ausmaß weiterentwickelt hat (Kultusministerkonferenz, 1982).
2.1 Begriffsdefinitionen
Im folgenden Abschnitt werden die für die Forschungsfrage relevanten Begriffe definiert, um den theoretischen Hintergrund zu erörtern. Erwähnenswert dabei ist, dass eine Vielzahl von Definitionen unterschiedlicher AutorInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen existieren und hierbei nur auf die jeweils themenrelevanten Bezug genommen wird.
2.1.1 Leistung
Unter Leistung versteht sich eine gezielte Handlung, die zu einem bestimmten Ereignis beziehungsweise der Lösung einer Aufgabe führt (Dudenredaktion, o.D.). Eine einheitliche Definition von Leistung gibt es nicht. Im Folgenden gilt es den Begriff im schulischen bzw. pädagogischen Kontext zu definieren.
Nach W. Klafki lässt sich Leistung als „Ergebnis und Vollzug einer zielgerichteten Tätigkeit, die mit Anstrengung verbunden ist und für die Gütemaßstäbe anerkannt wird“ definieren (Klafki, 1975, S. 528). Eine vergleichbare Definition findet sich bei Balz & Kuhlmann (2012), die Leistung als Ergebnis einer bewussten Handlung beschreiben, die anschließend bewertet, eingeordnet und verglichen wird. Somit lässt sich der Begriff als ein Prozess des Leistungsfortschritts über einen längeren Zeitraum verstehen. Laut der KMK ist eine Leistung die Erfüllung von Aufgaben, für die die SchülerInnen bewertet und benotet werden. Im Sportunterricht erhält der Begriff eine besondere Stellung, denn hierbei wird der eigentliche objektive Leistungsbegriff zunehmend mit Erfolg identifiziert, in der eine Unterteilung in Erfolg und Misserfolg vorgenommen wird. Somit lässt sich Leistung als eine Art Maßeinheit, die auf Erfolgsskalen beruht, verstehen. (Söll, 2005).
2.1.2 Gerechtigkeit
Im Kontext der Thematik von leistungsgerechter Bewertung im Sportunterricht erfolgt eine Definition von „Gerechtigkeit“. Unter Gerechtigkeit verstehen wir im Allgemeinen, wenn etwas als gerecht angesehen werden kann (Dudenredaktion, o.D.). Diese allgemeine Empfindung von Gerechtigkeit verknüpft sich mit entsprechenden Wertmaßstäben, welche stets begründet und gerechtfertigt sein sollen (ebd.).
Betrachten wir Gerechtigkeit im Kontext von Sportunterricht und sportlichen Leistungen, so begegnen uns häufig Synonyme wie „Fairness“ und „Objektivität“. Objektivität stellt darüber hinaus eines der drei klassischen Gütekriterien der Wissenschaft dar (Keller, 2008), was die Gewichtung dieser Begrifflichkeit im Rahmen einer leistungsgerechten Bewertung im Sportunterricht abermals hervorhebt. Dabei ist jedoch anzumerken, dass die Gütekriterien stets den entsprechenden Methoden, in diesem Fall einer leistungsgerechten Bewertung von SchülerInnen im Sportunterricht, angemessen und an diese adaptiert sein müssen (Mayring, 2016). Weiter lässt sich Objektivität in die Kategorien „Durchführungsobjektivität“, „Auswertungsobjektivität“ und „Interpretationsobjektivität“ einteilen. Durchführungsobjektivität beschreibt, dass die zu bewertenden Ergebnisse unabhängig von der bewertenden Lehrkraft sind. Um dies in hohem Maße erreichen zu können, sind strikte schematische Vorgehensweisen in der Vorbereitung und Durchführung bei Ermittlungen von Leistungsständen notwendig (Döring & Bortz, 2015). Unter Auswertungsobjektivität versteht sich, dass Ergebnisse und auswertende Lehrkraft unabhängig voneinander sind. Bei Leistungen, welche in einem offenen Format erbracht werden, wie es im praktischen Sportunterricht der Fall ist, ist die Gewährleistung der Auswertungsobjektivität meist deutlich erschwert. Daher ist es erforderlich, detaillierte Auswertungsprinzipien und -prozesse sicherzustellen (Moosbrugger & Kelava, 2020). Die Interpretationsobjektivität stellt die Unabhängigkeit der Ergebnisinterpretation von der Lehrkraft dar, welche diese Interpretation vornimmt. Zur Erreichung dieser bedarf es nach Moosbrugger & Kevala (2020) umfangreicher Angaben über gemessene Ergebnisse, welche es den Lehrkräften ermöglichen, diese mit relevanten Bezugsgruppen, sprich den MitschülerInnen, zu vergleichen (Döring & Bortz, 2015).
Da die Gewährleistung vollkommener Objektivität, wie sie in diesem Abschnitt beschrieben und definiert wird, im praktischen Sportunterricht durch Lehrkräfte nur sehr schwer zu realisieren ist, erklärt sich die Problemstellung eines leistungsgerechten Ansatzes zur Bewertung und Benotung von Ergebnissen im praktischen Sportunterricht.
2.1.3 Bewerten
Sobald SchülerInnen die gestellten Anforderungen im Sportunterricht bewältigen, erbringen sie eine Leistung. Diese erbrachte Leistung gilt es als Lehrkraft zu erkennen und anschließend zu bewerten. Voraussetzung dafür ist eine zuvor erhobene Leistungsmessung, in der Könnens- und Wissensstand jeden einzelnen Schülers ermittelt und festgehalten wird (Bräutigam, 2015). Es geht darum, die Erfüllung von Anforderungen durch das Anlegen eines Maßes zu ermitteln, während die Bewertung als interpretativer Vorgang gesehen wird, in der die Ergebnisse im Voraus nicht feststehen (Lange & Sinning, 2009). Auf eine ausführliche Darstellung des Begriffes Leistungsmessung wird verzichtet, da der Fokus dieser Ausarbeitung auf dem Bewerten und Benoten liegt. Die Begriffe Beurteilung und Bewertung werden in der Literatur synonym verwendet. Die vorliegende Ausarbeitung widmet sich dem Begriff der Bewertung.
Bewertung versteht sich als ein bewusster und planmäßiger pädagogischer Vorgang und dient insbesondere der Information über den Leistungsstand sowie der Leistungsentwicklung von SchülerInnen. Sie stellt dabei die Grundlage für die individuelle Förderung der einzelnen SchülerInnen und „berücksichtigt den jeweiligen Entwicklungsstand in Bezug zu den in den Rahmenlehrplänen benannten Lernzielen, den Leistungswillen und die sozialen Verhaltensweisen sowie den individuellen Lernfortschritt in Abhängigkeit von der physischen und psychischen Entwicklung“ (Verwaltungsvorschrift, 2021). Eine Bewertung ist immer von bestimmten Normen abhängig. Diese können soziale, individuelle oder kriteriumsorientierte Bezugsnormen sein. Im Folgenden werden diese Bezugsnormen näher erläutert.
Bei der sozialen Bezugsnorm werden die Lernleistungen der einzelnen SchülerInnen mit den Leistungen innerhalb der Klasse verglichen und angesichts dessen bewertet. Anhand der Ergebnisse werden die SchülerInnen von der Sportlehrkraft, unter Anwendung eines Musters, einer Rangfolge zugeordnet. Aus Untersuchungen wird deutlich, dass Sportlehrkräfte zunächst den Leistungsdurchschnitt der Klasse bestimmen und daraus die verschiedenen Benotungen der einzelnen SchülerInnen ableiten. Somit hängt die Benotung ausschließlich von der jeweiligen Bezugsgruppe ab (Bräutigam, 2015).
Die individuelle Bezugsnorm vergleicht die aktuelle Leistung der SchülerInnen mit den zuvor erbrachten Leistungen, d.h. dass der individuelle Lernfortschritt einzelner Schüler-Innen gemessen wird, indem die Differenz der Anfangsleistung und der Endleistung ermittelt wird. Durch das Heranziehen der individuellen Bezugsnorm besteht die Möglichkeit, körperlich benachteiligten SchülerInnen gerecht zu werden (ebd.).
Bei der Anwendung kriteriumsorientierter Bezugsnormen wird die Leistung nach den festgelegten Zielen und Inhalten des Unterrichts bewertet. Hierbei liegt das Augenmerk nicht auf einem Vergleich der Leistungen von SchülerInnen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Lernziel gesetzt ist und entweder von den SchülerInnen erreicht wird oder nicht. Dadurch lässt sich der Unterrichtserfolg überprüfen. Darüber hinaus ist es vonnöten, abgestufte Bewertungen vorzunehmen und die Leistungen der SchülerInnen nicht als erreicht oder nicht erreicht einzustufen (ebd.).
Zusammenfassend geht es bei der Bewertung um eine möglichst objektive Analyse der Ist- und Sollsituation der erbrachten Leistung. Dafür müssen die Kriterien, in diesem Sinne die geforderten Leistungen, klar definiert sein, da sie als Maßstab für die LeherInnen und SchülerInnen dienen. (Brühleimer, 1980).
2.1.4 Benotung
Eine Benotung erfolgt in Form von Zensuren oder Punkten und stellt den Endpunkt einer Bewertung dar. Dabei geht es um das Beziffern der Leistungen von SchülerInnen, die über ein bestimmtes Benotungssystem geregelt sind. Auf Grundlage von Tests, Klassenarbeiten oder mündlicher Mitarbeit kommt es durch die Lehrkraft zur Notenvergabe, die anhand eines sechsstufigen Systems durchgeführt wird (Schwark et al., 1986). Dabei liegt für jede einzelne Note eine Definition vor, in der die Erwartungen und Anforderungen beschrieben sind. Die nachfolgende Abbildung fasst das Benotungssystem an deutschen Schulen zusammen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Notendefinition (Kultusministerkonferenz, 2011)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Benotung eine Variante ist, um den aktuellen Leistungs- und Wissensstand sowie den Fortschritt aber auch Defizite von Schüler-Innen greifbar darzustellen. Dabei dienen Abschlussnoten auch nach der aktiven Schulzeit zur besseren Vergleichbarkeit, z.B. bei Bewerbungsverfahren (Klink, 1971).
2.2 Funktionen von Noten
Der folgende Abschnitt dient dem Überblick über die Funktionen von Noten. Dabei wird zu Beginn auf die Funktionen für die LehrerInnen eingegangen. Anknüpfend daran die Funktionen für die SchülerInnen und abschließend für die Institution Schule.
Wie bereits erwähnt, zeigen Noten den aktuellen Leistungsstand sowie die Lernfortschritte und Lerndefizite von SchülerInnen auf. Diese gilt es als Lehrkraft für die weitere Unterrichtsplanung zu berücksichtigen. Noten informieren somit die LehrerInnen über die Qualität des Unterrichts, d.h., dass Noten als eine Art Rückmeldung dienen (Olechowski & Rieder, 1990). Darüber hinaus weisen Noten eine gewisse Disziplinierungsmaßnahme für SchülerInnen auf, indem z.B. lustlose SchülerInnen mit einer schlechten Note bestraft werden, mit dem Ziel, eine Verhaltensänderung zu bezwecken. Eine weitere Funktion ist die sogenannte Legitimierungsfunktion, die Noten erfüllen. Gerade im Sportunterricht herrschen kontroverse Diskussionen über die Sinnhaftigkeit der Notengebung (ebd.). Doch ohne Noten würde das Fach Sport nicht mehr mit den anderen Fächern gleichgestellt werden, somit niedriger gestuft werden und an Anerkennung verlieren. Außerdem würde die Leistungsbereitschaft der SchülerInnen sowie die Autorität der Lehrkraft weiter sinken (Thiel, 2003).
Die Notengebung für SchülerInnen dient der Informationen über ihre abgelegte Leistung und zeigt einen gewissen Vergleich sowie eine Einordung bezüglich der Leistungen innerhalb der Klasse. Zusätzlich dient sie der Motivation und somit der Verbesserung der Leistung, da SchülerInnen grundsätzlich nach guten Noten streben. Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass die Vergabe von Noten auch das Gegenteil bewirken kann, wenn z.B. SchülerInnen durch physische oder psychische Faktoren beeinträchtig sind. Trotz enormer Anstrengung kann es vorkommen, dass SchülerInnen keine gute Note erzielen, was zu Frustration und Trauer führt. Gerade im Sportunterricht besteht diese Gefahr, da die Anforderungen für viele SchülerInnen oftmals zu hoch sind. Darüber hinaus erfahren die SchülerInnen einen Umgang mit gesellschaftlichen Normen und Ansprüchen, die ohnehin im späteren Berufsleben unumgänglich sind (ebd.).
Des Weiteren erfüllen Noten eine gewisse Selektionsfunktion. Am Ende des Schuljahres wird anhand der Noten deutlich, ob ein Schüler versetzt wird, d.h. die nächste Klassenstufe erreicht, oder die Klasse eventuell wiederholen muss. Auch für die weitergehenden Entscheidungen, sprich die Zulassung zum Studium oder zur Ausbildung, sind die Noten ausschlaggebend (Volkamer, 1978).
2.3 Anforderung durch den Lehrplan Niedersachsens
Aufgrund meiner Entscheidung, „Lehramt an Haupt- und Realschulen“ zu studieren, liegt der Fokus meiner Arbeit auf den Sekundarbereich I. Folglich basieren die nachfolgenden Abschnitte auf dem niedersächsischen Lehrplan der Sekundarstufe I.
Im niedersächsischen Kerncurriculum wurde ein eigenständiges Kapitel mit aufgeführt, in dem Informationen und Empfehlungen zur Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung festgeschrieben sind. Grundsätzlich wird in Lehrplänen festgelegt, welche schulischen Anforderungen eine Gesellschaft an die Folgegeneration stellt. Darüber hinaus sind die Ziele des Unterrichts aufgeführt sowie die angestrebten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie dienen dem Zweck einer einheitlichen Grundlage (Benner, 2000). Die Handreichung zur Leistungsfeststellung und -bewertung bietet den Sportlehrkräften eine Orientierungshilfe bezüglich der gestellten Anforderungen. Zunächst lässt sich festhalten, dass für die Bewertung im Sportunterricht sowohl die inhaltsbezogenen als auch die prozessbezogenen Kompetenzen herangezogen werden, die im Folgenden näher erläutert werden.
Oberstes Ziel des Sportunterrichts ist der Erwerb individueller Handlungskompetenz in Bewegung, Spiel und Sport. Die prozessbezogenen Kompetenzen dienen dazu, SchülerInnen selbstbestimmt und eigenverantwortlich an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur teilhaben zu lassen und unterteilen sich in die drei Bereiche Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz (MK Nds., 2017). Dadurch lernen die SchülerInnen, angemessen auf Situationen zu reagieren und sich verantwortungsbewusst gegenüber sich selbst und ihren MitschülerInnen zu verhalten. Zudem erwerben die SchülerInnen durch eigene körperliche, soziale und emotionale Erfahrungen, Wissen über die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport und erwerben Lernstrategien sowie Methodenkenntnisse (ebd.). Die inhaltsbezogenen Kompetenzen hingegen umfassen insbesondere die grundlegenden motorischen und methodischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie sind dem Kompetenzbereich Sachkompetenz zuzuordnen, in dem grundlegende Aspekte der Trainings- und Bewegungslehre vermittelt werden, mit dem Ziel, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern und zu steigern. Diese Kompetenzen gilt es in den Bewegungsfeldern zu präzisieren und bestenfalls weiterzuentwickeln (ebd.).
Es wird deutlich, dass die praktischen Leistungen im Sportunterricht eine ausschlaggebende und überwiegende Komponente der Gesamtnote darstellen. Die Leistungen sowie die Maßstäbe zur Bewertung werden von der Fachkonferenz in Anlehnung der erwarteten Kompetenzen festgelegt. Laut dem KC müssen Lehrkräfte bezüglich der Bewertung und Benotung bestimmte Bezugsnormen beachten. Zum einen die Sachnorm und zum anderen die Individual- sowie Sozialnorm. Alle drei Bezugsnormen gilt es stets zu berücksichtigen (ebd.).
Zudem ist die Kommunikation unverzichtbar. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, ihren SchülerInnen und deren Eltern die Bewertung und Benotung begreiflich und somit erklärbar zu machen. Die SchülerInnen kennen somit die Anforderungen und können sich jederzeit selbst überprüfen und messen (ebd.). Bezüglich der Leistungsfeststellung muss sichergestellt werden, dass diese in unterschiedlichen Kontexten stattfindet, sodass ein breites Spektrum unterrichtlicher Schwerpunkte erfolgt. Das Schreiben von Leistungskontrollen stellt ebenfalls einen Faktor des Sportunterrichts dar. Dieser lässt sich jedoch als eine eher untergeordnete Komponente verstehen. Wichtig dabei ist, sich auf das zu beschränken und zu überprüfen, was Anwendung im Unterricht gefunden hat (ebd.). Anknüpfend daran spielt die lernbegleitete Rückmeldung eine wichtige Rolle. Zum einem wird der motivationale Aspekt der SchülerInnen sowie die motorische, kognitive, soziale und emotionale Entwicklung begünstigt. Zudem stärkt es das Selbstbewusstsein sowie die Selbstständigkeit, welches ebenfalls Anforderungen im KC sind (ebd.). Neben den sportlichen Leistungen lassen sich auch sonstige Leistungen finden. Darunter zählen Beiträge zum Unterrichtsgespräch, Präsentationen, schriftliche Ausarbeitungen etc., welche im KC zu finden sind (ebd.). Allerdings fließen diese zu mindestens 25% ein, während die sportlichen Leistungen mindestens zu 50% in die Gesamtnote miteinfließen. Zu welchen Teilen die einzelnen Bewertungsschwerpunkte in die Gesamtnote einfließen, ist im KC nicht festgelegt. Die messbaren Leistungen erfolgen auf der Grundlage von allgemeingültigen Tabellen (ebd.).
2.4 Zusammensetzung der Note im Sportunterricht
Im folgenden Abschnitt wird ein Überblick über die Zusammensetzung der Note im Sportunterricht in der Sekundarstufe I geschaffen. Diese Informationen stammen aus den geführten ExpertInneninterviews.
Bei der Zusammensetzung der Note ist es unabdingbar, zwischen dem Sportunterricht und den anderen Schulfächern zu unterscheiden. Durch die bestehenden Leistungsunterscheide innerhalb der einzelnen Sportarten erfährt gerade die Bewertung eine andere Bedeutung. Zudem besteht die Zusammensetzung der Sportnote nicht nur aus reinen Leistungsnoten, wie zum Beispiel im Fach Mathematik. Im Sportunterricht spielt die Mitarbeit, das sozial-affekte Verhalten und der Leistungsfortschritt eine erhebliche Rolle. Die Gewichtung der einzelnen Teilnoten wird durch die Lehrkraft selbst entschieden.
Zu Beginn des Schuljahres wird in der Fachschaft festgelegt, welche Sportarten durchgeführt und wie viele Mindestnoten vergeben werden. In einem Halbjahr werden immer drei Sportarten zensiert, die sich aus mehreren Teilnoten zusammensetzen. Grundsätzlich werden pro Sportart drei Noten vergeben, sodass am Ende des Schulhalbjahres neun Noten aus praktischen Leistungen bestehen. Die Vergabe von mehreren Teilnoten ist möglich, welches durch die Lehrkraft selbstständig entschieden werden kann. Spezielle Sportarten wie Handball, Basketball und Volleyball werden in bestimmten Jahrgangstufen durchgeführt. Die 5. und 6. Klasse spielt Handball, 7. und 8. Klasse Basketball und 9. und 10. Klasse Volleyball. In diesen Sportarten und in Leichtathletik wird zusätzlich eine Klassenarbeit geschrieben. Die Noten ergeben sich aus unterschiedlichen Disziplinen innerhalb der Sportarten. Auch hier gibt es feste Vorgaben, welche Disziplinen definitiv abgedeckt werden müssen. In der Leichtathletik müssen z.B. Lauf-, Wurf- und Sprungdisziplinen bewertet und benotet werden. Die Lehrkraft muss sicherstellen, dass eine Wiederholung bzw. Verbesserung für alle SchülerInnen möglich ist. Die letzte Sportart ergibt sich aus Grundübungen, wie zum Beispiel Liegestütz oder Seilspringen. Die letzte Note spiegelt die pädagogische Note bzw. die Sozialkompetenz wider. Hier besteht die Möglichkeit, pro Sportart eine Sozialnote zu geben oder am jeweiligen Ende des Schulhalbjahres. Grundsätzlich gilt, dass die pädagogische Note eine Sportart ersetzt. Sie nimmt somit einen großen Anteil bei der Zusammensetzung der Sportnote ein. Gerade schwache SchülerInnen, dessen Motivation und gleichzeitig der Anspruch an sich selbst hoch ist, profitieren davon. Im Sportunterricht geht es um die Gesamtheit aller Komponenten und nicht rein um die Leistungserbringung.
2.5 Besonderheiten von Bewertung und Benotung im Sportunterricht
Die Bewertung und Benotung der Leistungen im Sportunterricht kann für alle Beteiligten als eine besondere Situation angesehen werden. In keinem anderen Fach kommt es zu so einer Vielzahl unterschiedlicher Lernbereiche, die durch diverse Anforderungen und Erwartungen gefüllt sind (Bräutigam, 2015). Gerade der Bewertungsaspekt stellt die SportlehrerInnen vor großen Herausforderungen, denn oftmals muss dieser innerhalb der unterschiedlichen Sportarten anders aufgebaut werden. Die Benotung in Sportarten wie Leichtathletik erfolgt nach Tabellenwerten, während die Bewertungsprozesse zum Beispiel beim Turnen anhand zuvor tiefgründig festgelegter Kriterien vonstattengeht (Bräutigam, 2015).
Eine einheitliche Bewertung der SchülerInnen lässt sich aufgrund der zunehmenden Heterogenität und Inklusion schwer umsetzen. Hinzu kommen die starken Disparitäten hinsichtlich der körperlichen Entwicklung der SchülerInnen. Bestimmte Leistungen im Sportunterricht sind im besonderen Maße von den körperlichen Voraussetzungen der SchülerInnen abhängig. Studien zeigen, dass der sonderpädagogische Förderbedarf in den letzten Jahren stetig gestiegen ist (KM Nds., 2019). Somit fordert die Bewertung stets die Berücksichtigung der individuellen Lernentwicklung der SchülerInnen (ebd.). Hinzu kommt, dass immer mehr SchülerInnen Probleme bezüglich der körperlichen Konstitution aufweisen. 9,5 % der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren in Deutschland leiden an Übergewicht, 5,9 % aller Kinder sind dabei sogar als adipös einzustufen (Bundesministerium für Gesundheit, 2021).
Der Aspekt der Motivation spielt eine große Rolle hinsichtlich des Leistungsfortschritts. Auch hier kommt es stets zu starken Differenzierungen innerhalb der Klasse. Geschlechterunterschiede spielen in vielen Bereichen eine Rolle. Im Sportunterricht zeigen sich diesbezüglich Unterschiede in der motorischen Entwicklung (Burrmann et al., 2015). Jungen weisen mit Eintritt in die Pubertät einen deutlich höheren Anteil an Muskelmasse gegenüber Mädchen auf und entwickeln eine höhere aerobe Leistungsfähigkeit, d.h. dass Jungen grundsätzlich mehr Belastung und dadurch ein höheres Durchhaltvermögen aufweisen (Baur et al., 2009). Erwähnenswert ist auch die Gefahr der Ausgrenzung von SchülerInnen im Sportunterricht. Das Feststellen von körperlichen und leistungsmäßigen Unterschieden prägt die eigene Selbstwahrnehmung von SchülerInnen, im positiven und negativen Sinne, gewaltig (Mietzel, 2019).
Ein weiterer und letzter Punkt ist der zeitliche Rahmen im Sportunterricht. Eine umfassende Bewertung lässt sich aufgrund des straffen Lehrplans und der Zeit des Aufbaus sowie das Umziehen oftmals nicht umsetzen. Dadurch sind Wiederholungen von Leistungsprüfungen oftmals nicht möglich, welches mit der Forderung der KMK im Widerspruch steht. Hinzu kommt, dass es schwierig ist, den SchülerInnen einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Sportarten zu geben. Teilweise sind die Anforderungen so spezifisch und präzise, dass es unmöglich erscheint, die Leistung sowie die Leistungsentwicklung anhand einer Übung zu bewerten (MK Nds., 2017).
3 Alternative Leistungsbewertung im Sportunterricht
Bereits im einleitenden Zitat vom R. Schwarzer wird deutlich, dass Notengebung nicht zwangsläufig auf einem nachvollziehbaren und lernmotivierenden Beurteilungsprozess beruht. Vielmehr drängt die Notengebung Lehrkräfte zu Leistungsbeurteilungen von SchülerInnen, die sich sehr lehrendenzentriert darstellt und sich meist rein an allgemeinen Leistungs- und Bewertungsvorgaben orientiert. Diese überwiegend summative Herangehensweise ist zwar bilanzierend und prozessabschließend, was am Ende eines Schuljahres in Form von Noten auf den Zeugnissen gefordert wird. Doch geht so schnell der Blick dafür verloren, die jeweiligen SchülerInnen in den unterschiedlichen Klassenverbänden stets individuell zu betrachten, um ihren persönlichen Lernstand zu diagnostizieren und somit eine förderorientierte und prozessbegleitende Beurteilung vorzunehmen.
3.1 Formative Leistungsbeurteilung
Die formative Leistungsbeurteilung versteht sich als eine Form der diagnostischen Beurteilung, welche sich aus pädagogischer Sicht hervorragend dazu eignet, den individuellen Lernstand von SchülerInnen im laufenden Prozess des Lernens zu ergründen und im Verhältnis zu den gesetzten Lernzielen des Unterrichts zu betrachten (Zaugg, 2020). Auf diese Weise können frühzeitig fehlendes oder falsches Verständnis sowie mögliche Wissenslücken durch die Lehrenden erkannt werden, wodurch die weitere Unterrichtsgestaltung so ausgelegt werden kann, dass diese individuellen Lücken geschlossen werden und das Verständnis verbessert wird, um das weitere Lernen zu unterstützen und die beschriebenen Lernziele bestmöglich erreichen zu können (ebd.). Diese spezielle Form des unterstützenden Lernens wird daher auch als „assessment for learning“ beschrieben (Black & William, 2009), wobei der Fokus den individuellen Lernstand der SchülerInnen beleuchtet, die Zielsetzung zum Erreichen der Lernziele klar definiert und den SchülerInnen einen nachvollziehbaren und realistischen Weg dorthin ermöglicht.
Die persönliche Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus ist nachweislich der größte Faktor, wenn es um erfolgreiches Lernen geht (Hattie, 2014). Daher ist es unabdingbar, regelmäßige Messungen der Leistungsstände von SchülerInnen während des laufenden Schulhalbjahres vorzunehmen, um die Ergebnisse individuell mit diesen zu besprechen. Die entsprechenden Rückmeldungen aus der formativen Bewertung können die SchülerInnen aufnehmen und in eine Selbsteinschätzung umwandeln, was für das weitere Lernen von großem Nutzen ist und das Erreichen der gesteckten Lernziele besser realisieren lässt (ebd.).
Mit einem gezielten Blick auf das schwedische Schulsystem wird klar, dass dieses deutlich formativer gestaltet ist als das deutsche Schulsystem. Eine summative Bewertung der SchülerInnen in Form einer Notengebung findet dort erst ab der sechsten Klassenstufe statt (Falkenberg et al., 2017). Bis zu diesem Zeitpunkt erhalten SchülerInnen von ihren Lehrkräften rein inhaltliche Rückmeldungen in Form eines schriftlichen und mündlichen Feedbacks sowie regelmäßige Entwicklungsgespräche, in welchen ihnen ihr aktueller Lernstand vermittelt wird (ebd.). Noten dienen in diesem Schulsystem erstmalig der Qualifikation für den Übergang in die weiterführende Schule, später für den Zugang zur Hochschule oder zum Arbeitsmarkt (ebd.). Die in Deutschland als Standard angesehene Benotung ab frühsten Jahrgangsstufen wird auch in Teilen als Vergleichsinstrument betrachtet, welches dazu dienen soll, SchülerInnen nach abgeschlossener allgemeinbildender Schullaufbahn besser in gesellschaftliche Strukturen einordnen zu können (Terhart, 2006). Der in Schweden ausgeprägte formative Ansatz ist prägend für die hohe Kompetenzentwicklung schwedischer SchülerInnen, welche europaweit mit Bestaunen wahrgenommen und gewürdigt wird. Kritisch muss dabei jedoch betrachtet werden, dass eine dauerhafte formative Beurteilung durch schwedische Lehrkräfte durchaus ein Gefühl einer ständigen Prüfungssituation bei den SchülerInnen auslösen kann (Falkenberg et al., 2017).
Darüber hinaus ist ein formativer Ansatz einer Leistungsbewertung aber sinnvoll, um das persönliche Vorwissen und die Vorerfahrungen der SchülerInnen in die jeweilige Bewertung mit einbeziehen zu können. Diese Erkenntnisstufen, wie Hattie (2014) sie in der Auswertung seiner Meta-Meta-Analyse beschreibt, haben ebenso einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg von Lernen und damit auch auf das Erreichen von Lernzielen am Ende einer Lerneinheit. Erkenntnisstufen sind demnach geprägt durch den konkreten Zusammenhang des Niveaus von Vorwissen und Vorerfahrung der SchülerInnen zu deren schulischen Leistungen (ebd.). Bezogen auf den Sportunterricht sind die individuellen Voraussetzungen, Vorkenntnisse und -erfahrungen besonders mannigfaltig (siehe Kapitel 2.5) und sollten umso genauer durch die Lehrkräfte beleuchtet und interpretiert werden, um gezieltes Lernen zu fördern und Leistungssteigerungen bei allen SchülerInnen zu erreichen. Diese Chance ist allen Lehrenden fächerübergreifend, jedoch besonders in der Durchführung des Sportunterrichts, gegeben, wenn sie für ihre Leistungsbewertung und Benotung einen formativen und damit förderorientierten Ansatz heranziehen.
3.2 Spezielle Chancen für den Sportunterricht
Eine individuelle Bewertung von SchülerInnen, mit dem Ansatz der formativen Beurteilung, birgt große Chancen für alle Teilnehmenden an Sportunterrichten an allgemeinbildenden Schulen.
Neben den in Kapitel 3.1 beschriebenen besseren Möglichkeiten zum Erreichen von Lernzielen im Sportunterricht kann eine individuelle Ermittlung der Leistungsstände von SchülerInnen großen Einfluss auf deren persönliche Motivation nehmen (Hattie, 2014). Dabei ist zu erwähnen, dass nach dem Vorbild der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993) die Qualität der jeweiligen Motivation bei Menschen ausschlaggebend für Lernerfolg ist, welche durch Selbstbestimmung, lohnende und realistische Zielsetzungen sowie persönliche Rückmeldungen zum eigenen Leistungsniveau durch andere im Lernprozess positiv beeinflusst werden kann. Diese mögliche Motivationssteigerung bei SchülerInnen durch formative Beurteilung Ihrer Leistungen und die sich daraus entwickelnde Selbsteinschätzung der Lernenden kann einen positiven Einfluss, auch über den schulischen Kontext hinaus, bewirken. So kann die bewusste Wahrnehmung von persönlichen Leistungssteigerungen im Sportunterricht konkret das Selbstverständnis der SchülerInnen und damit die Bereitschaft fördern, sich im privaten Umfeld für zusätzliche körperliche Aktivitäten zu begeistern. Dieses zusätzliche Engagement bewirkt eine positive und nachhaltige Entwicklung von körperlicher Gesundheit und sozialem Interesse. Punkte, die sich nachweislich in den heutigen Gesellschaftsstrukturen massiv verschlechtern und bei Kindern und Jugendlichen gesundheitliche Schädigungen und soziale Isolation bewirken (siehe Kapitel 2.5). Dieser positive Effekt lässt sich schon mit der didaktischen Grundfrage nach Zukunftsbedeutung von Wolfgang Klafki (1972) nachvollziehen, welche die Wichtigkeit des nachhaltigen Nutzens von Lehrinhalten des schulischen Unterrichts für die persönliche Zukunft der SchülerInnen verdeutlicht. Daraus lässt sich ableiten, dass schulischer Sportunterricht durch die gezielte Förderung von Sozial- und Gesundheitskompetenz weit mehr Einfluss auf die positive Entwicklung von heranwachsenden Menschen haben kann als die reine Vermittlung von theoretischem Wissen und technischen Fertigkeiten in Mannschafts- und Individualsportarten.
4 Empirische Forschung
Im nachfolgenden Kapitel werden zunächst theoretische Grundlegungen der im Forschungsprozess angewandten Methoden vorgestellt, bevor im zweiten Teil (siehe Kapitel 4.2) auf die konkrete Durchführung der vorliegenden empirischen Forschung Bezug genommen wird. Das letzte Kapitel widmet sich der Ergebnisdarstellung, in der die Interviewergebnisse separat betrachtet werden.
4.1 Methodische Grundlegungen
Als empirische Forschung werden Untersuchungen bezeichnet, die einen bestimmten Ausschnitt der sozialen Welt beobachten, um dadurch zur Weiterentwicklung von Theorien beizutragen (Gläser & Laudel, 2010). Dabei werden, angeleitet von Theorien, die soziale Realität betrachtet und aus den Beobachtungen theoretische Schlüsse gezogen (ebd.). Je nach Forschungsstand und Ziel einer Untersuchung kommen in der empirischen Sozialforschung unterschiedliche Forschungsmethoden zur Anwendung. In der quantitativen Sozialforschung wird vor allem mit zählbaren und messbaren Daten gearbeitet (Wichmann, 2019). Dabei werden Fragen nach der Häufigkeit und der Auftretenswahrscheinlichkeit von Ereignissen, Eigenschaften und Phänomen erforscht (ebd.). Die qualitative Sozialforschung hingegen legt ihren Schwerpunkt auf Handlungen und Aussagen von Personen, um deren Lebenswelt zu verstehen. Dies geschieht mittels induktiver und theoriegenerierender Methoden, welche nach Kausalmechanismen forschen und unter bestimmten Bedingungen relevante Effekte hervorbringen (ebd.).
Aufgrund der Komplexität der mittlerweile vielfältig ausdifferenzierten qualitativen und quantitativen Forschungen und den dazugehörigen umfassenden Methoden wird im Rahmen dieser Arbeit auf eine ausführliche Darstellung verzichtet. Stattdessen werden die Gütekriterien qualitativer Forschung beschrieben, welche sich handlungsleitend für den vorliegenden Forschungsprozess darstellen. Abschließend wird auf die Prinzipien des in dieser Arbeit verwendeten Forschungsstils, sowie die im Forschungsprozess gewählten Datenerhebungs- und Datenauswertungsmethoden, eingegangen.
4.1.1 Qualitative Sozialforschung
In der qualitativen Sozialforschung spielt die reine Beschreibung eine zentrale Rolle, die eine Basis für die nachfolgende Interpretation des Geschehens bildet (Wichmann, 2019). Die Qualität von Forschungsergebnissen wird mittels Gütekriterien abgesichert. Mayring betont, dass diese Gütekriterien grundsätzlich den Methoden angemessen sein müssen und fasst sechs allgemeine Gütekriterien qualitativer Sozialforschung zusammen:
1. Verfahrungsdokumentation: Um den Forschungsprozess nachvollziehbar zu gestalten, ist es unabdingbar, die speziell für den Untersuchungsgegenstand entwickelten oder differenzierten Methoden detailgetreu zu dokumentieren.
2. Argumentative Interpretationsabsicherung: Ein adäquates Vorverständnis ist notwendig, um sinnvoll theoriegeleitete Deutung zu ermöglichen, in denen Interpretationen argumentativ begründet und in sich schlüssig sein müssen.
3. Regelgeleitetheit: Die Verfahrensregeln müssen stets beachtet werden, wobei das Material systematisch bearbeitet wird und Offenheit gegenüber dem Gegenstand herrscht.
4. Nähe zum Gegenstand: Durch möglichst nahes Anknüpfen an die Alltagswelt der beforschten Subjekte erfolgt die Gegenstandsangemessenheit. Ziel ist dabei die Erreichung einer Interessensübereinstimmung mit den Beforschten in einem offenen, gleichberechtigten Verhältnis.
5. Kommunikative Validierung: Die Befragten, in dieser qualitativen Interviewstudie, werden nicht als Datenlieferanten, sondern als denkende Subjekte betrachtet. Die Überprüfung der Gültigkeit bezüglich der Ergebnisse geschieht, indem sie im Dialog mit den Befragten diskutiert werden.
6. Triangulation: Das Heranziehen verschiedener Datenquellen, Interpreten, Theorieansätze und Methoden ist ein wichtiger Bestandteil der qualitativen Sozialforschung sowie der Vergleich von den Ergebnissen aus verschiedener Perspektiven (Mayring 2016).
4.1.2 Forschungsstil Grounded Theory
Die Grounded Theory hat das Ziel, über die Induktion eine Theorie zu entwickeln, die sich mittels Analysen von Interviews, Beobachtungen und anderen empirischen Daten erklären lässt. Sie wird genutzt, um eine formale Theorie aus den im Forschungsprozess gewonnenen Daten heraus zu generieren oder bestehende Theorien zu modifizieren (Ritschl et al., 2016). Sie wird durch systematisches Erheben und Analysieren von Daten, die sich auf das untersuchte Phänomen beziehen, ausgearbeitet und vorläufig bestätigt (Strauss & Corbin, 2010). Dabei stehen Datensammlung und Analyse sowie die Theorie in einer wechselseitigen Beziehung zueinander (ebd.). Der Forschungsstil eignet sich durch seinen offenen und unvoreingenommenen Zugang zum Forschungsgegenstand besonders für noch nicht bearbeitete Forschungsfelder, die sich mit dem Erfassen von komplexer sozialer Wirklichkeit beschäftigen. Aus diesem Grund erweist sich die Grounded Theory als geeigneter Forschungsstil für die vorliegende empirische Forschung.
Im Folgenden wird ein Überblick über die Arbeitsweise der Grounded Theory gegeben. Ausgangspunkt ist ein Themeninteresse sowie die Formulierung einer empirischen Fragestellung. Daraufhin entscheidet sich der/die ForscherIn für eine geeignete Datenerhebungsmethode und beginnt erste Daten, z.B. durch ein Interview, zu sammeln. Diese Daten werden in einer Haltung theoretischer Offenheit detailliert und kleinschrittig auf ihren konzeptuellen Charakter hin befragt und in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht (Breuer, 2010). Diese Arbeit des Datenvorgangs wird Kodieren genannt, d.h. die Suche nach gegenstandsadäquaten Begriffen mit Verallgemeinerungscharakter (ebd.). Darauf basierend wird überlegt, welche Themen sich herauskristallisieren lassen und wie die nächste Datenerhebung zu gestalten ist. Die neu entwickelten Daten werden ebenfalls mit Kodierungsprozessen analysiert und mit den Ergebnissen der ersten Datenerhebung in Bezug gesetzt (ebd.). Dabei verfestigen und modifizieren sich Konzepte oder stellen sich als uninteressant heraus. Auch die Forschungsfrage kann sich im Laufe dieses Prozesses nochmals wandeln und präzisiert werden. Im Wechsel zwischen Datenerhebung und Datenauswertung werden die Konzepte immer weiter durchdacht und theoretisch verdichtet. Wird eine Datenerhebung als abgeschlossenen angesehen, beginnt die letzte Phase, die sogenannte Theoriebildung. Im Mittelpunkt dabei steht die theoriegeleitete Analyse der Ergebnisse (ebd.). Ziel dabei ist es, eine Kernkategorie zu identifizieren, die einen Schlüssel zum fokussierten Problemthema liefert und die entstandenen Konzepte zu einem Zentralkonzept zusammenfasst (Breuer et al., 2019).
4.1.3 Datenerhebungsmethode
Um die Forschungsfrage angemessen bearbeiten zu können, wurde in Abgrenzung zu den anderen Methoden der qualitativen Sozialforschung, das Interview als Datenerhebungsmethode gewählt. Weitere Methoden sind Beobachtungen oder Gruppendiskussionen (Lamnek, 2020). Von einer Beobachtung wurde abgesehen, da das Wissen, die Meinungen und Erfahrungen der Befragten elementar für die vorliegende Forschung sind. Zudem habe ich mich für das Einzelinterview entschieden, weshalb auf die Methode der Gruppendiskussion verzichtet wurde. In Gruppendiskussionen werden überwiegend kollektiv gebildete Gruppenmeinungen erhoben (ebd.), die keinen zentralen Bestandteil der Fragestellung aufweisen. Außerdem werden die Befragten nicht in die Situation versetzt, sich möglicherweise vor einem Fachkollegen rechtfertigen zu müssen.
Zu den qualitativen Interviewformen zählen das narrative, episodische und das problemzentrierte Interview/Leitfadeninterview (ebd.). Als spezielle Anwendungsform des Leitfadeninterviews hat sich das qualitative ExpertInneninterview entwickelt. Dieses kann definiert werden als „ein systematisches und theoriegeleitetes Verfahren der Datenerhebung in Form der Befragung von Personen, die über exklusives Wissen verfügen“ (Kaiser, 2014). Zielführend wird im Folgenden nur auf die im Forschungsprozess ausgewählte Form eingegangen: das leitfadengestützte ExpertInneninterview.
Diese Form des teilstandardisierten Interviews hebt sich durch eine bewusste Vorstrukturierung hervor, die durch eine deduktive Gesprächsöffnung charakterisiert ist. Wichtig hierbei ist es, sich an das Gesagte der Interviewten zu orientieren und nicht konstant die zuvor überlegten Fragen abzuarbeiten. Es gilt die Regel vom „Allgemeinen zum Spezifischen“, d.h. spezifische und zielgerichtete Fragen zu verfassen, aber dennoch darauf abzuzielen, erzählgenerierende Sätze zu involvieren (Kaiser, 2014). Ein leitfadengestütztes Vorgehen ist sinnvoll, um präzise und schneller zu den für die Forschungsfrage relevanten Punkten zu gelangen. Dabei werden die Fragen des Leitfadens offen formuliert, sodass keine ja/nein-Antworten möglich sind. Eine genaue Beschreibung des Leitfadens und seiner Entwicklungsschritte ist dem Kapitel 4.2.3 (Leitfadenentwicklung) zu entnehmen. Die Form des ExpertInneninterviews wurde gewählt, um spezifisches und konzentriertes Wissen ausgewählter ExpertInnen zu einem bestimmten Thema zu befragen. Die Definition, wer als ExpertIn gilt oder nicht, wird kontrovers geführt. Laut Helfferich (2011) gibt es aber eine Besonderheit, die für alle ExpertInneninterviews gilt: „Ein Experte oder eine Expertin wird aufgrund ihres speziellen Status und nicht als Privatperson befragt“.
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- Quote paper
- Lea Behnke (Author), 2021, Leistungsgerechte Bewertung und Benotung im Sportunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1152960
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