Ziel dieser Studie ist es, den Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und aggressivem Verhalten sowie aggressiven Kognitionen bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren in Deutschland zu erfassen. Darüber hinaus sollten Unterschiede im Konsumverhalten, aggressivem Verhalten sowie aggressiven Kognitionen bei Männern und Frauen untersucht werden. Dafür wurden im Februar und März 2021 die Ergebnisse aus einer Onlineumfrage mit 100 Teilnehmenden ausgewertet.
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1 Definition und Eingrenzung des Begriffs Aggression
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 Modelllernen nach Bandura
2.2 General Aggression Model (GAM)
3.1 AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND
3.1 Fernsehen und Aggression
3.2 Computerspiele und Aggression
3.3 Medien allgemein und Aggression
3.4 JIM Studie
3.4.1 Bücher und Lesen
3.4.2 Fernsehen
3.4.3 Gewalthaltige Computer-, Konsolen- und Onlinespiele
3.5 Zielsetzung der Studie und Forschungsfragen
4. METHODE
4.1 Studiendesign und Vorgehen
4.2 Erhebungsinstrumente
Im Folgenden sollen alle verwendeten Erhebungsinstrumente dargestellt werden. Die Umfrage befindet zusätzlich im Anhang (s. Anhang A)
4.2.1 Medienkonsum in der Freizeit
4.2.2 Konsum gewalthaltiger Medien
4.2.3 Aggressionslegitimation, Aggressionsneigung und Aggressionshemmung
4.3 Datenvorbereitung und Datenanalyse
4.4 Stichprobe
5. ERGEBNISSE
5.1 Medienkonsum in der Freizeit
5.1.1 Fernsehen und Streaming
5.1.2 Konsolen- und Computerspiele
5.1.3 Bücher und Lesen
5.2 Konsum gewalthaltiger Medien
5.2.1 Filme/Serien
5.2.2 Konsolen- und Computerspiele
5.2.3 Bücher
5.2.4 Konsum gewalthaltiger Medien allgemein
5.3 Aggressionslegitimation, Aggressionsneigung und Aggressionshemmung
5.4 Zusammenhänge
5.4.1 Konsum gewalthaltiger Medien allgemein und Aggression
5.4.2 Konsum gewalthaltiger Filme/Serien und Aggression
5.4.3 Konsum gewalthaltiger Konsolen-/Computerspiele und Aggression
5.4.4 Konsum gewalthaltiger Bücher und Aggression
5.4.5 Schulabschluss und Aggression
5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
6. DISKUSSION 32
6.1 Medienkonsum allgemein
6.1 Konsum gewalthaltiger Medien
6.3 Zusammenhang zwischen gewalthaltigem Medien Konsum und Aggression
6.4 Praktische Implikationen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: General Aggression Model: Episodic Processes
Abbildung 2: General Aggression Model: Personality Processes
Abbildung 4: Verteilung der Stichprobe nach Alter
Abbildung 5: Verteilung der Stichprobe nach Schulabschluss
Abbildung 6: Verteilung der Stichprobe nach weiteren Abschlüssen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1
Tabelle 3
Tabelle 4
Tabelle 5
Tabelle 6
Abstract
Ziel dieser Studie war es, den Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und aggressivem Verhalten, sowie aggressiven Kognitionen bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren in Deutschland zu erfassen. Darüber hinaus sollten Unterschiede im Konsumverhalten, aggressivem Verhalten, sowie aggressiven Kognitionen bei Männern und Frauen untersucht werden. Dafür wurden im Februar und März 2021 die Ergebnisse aus einer Onlineumfrage mit 100 Teilnehmenden ausgewertet. Es wurde ein Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und aggressivem Verhalten, sowie aggressiven Kognitionen festgestellt. Außerdem zeigten sich bei Konsumverhalten, als auch bei aggressivem Verhalten und aggressiven Kognitionen Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Diese Ergebnisse stützen die Erkenntnisse vorausgegangener Studien und zeigen, dass die Zusammenhänge und das Konsumverhalten, vor allem von Kindern und Jugendlichen, noch näher untersucht werden muss. Außerdem muss Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft geleistet werden, um ein reflektiertes Konsumverhalten zu ermöglichen.
1. Einleitung
Medien und Gewalt, ein Thema was spätestens seit den Amokläufen Anfang der 2000er in der massenmedialen Sphäre angekommen ist. Seither werden in der Berichterstattung vor allem gewalttätige Medien, besonders Computerspiele in Zusammenhang mit den schrecklichen Vorkommnissen gebracht und als Ursache für die Gewalttaten angesehen. Einerseits ist es verständlich, dass Erklärungen für die Taten gesucht werden, andererseits ist es zu einfach sich auf nur eine Ursache zu beschränken, da aggressive und gewalttätige Handlungen durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst werden. In dieser Studie soll untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und aggressivem Verhalten besteht, darüber hinaus ob es Unterschiede beim Konsum und aggressivem Verhalten von Männern und Frauen gibt. Dazu sollen zuerst zwei theoretische Ansätze aus der Psychologie beleuchtet und diskutiert, sowie der aktuelle Stand der Aggressionsforschung dargelegt werden. Anschließend sollen die Konstruktion und der Ablauf dieser Studie beschrieben werden. Schlussendlich werden die Ergebnisse präsentiert und der Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Medien und Aggression diskutiert.
1.1 Definition und Eingrenzung des Begriffs Aggression
Der Begriff Aggression wurde, nicht nur aufgrund der Wichtigkeit, sondern auch in Anbetracht der Bandbreite an Phänomenen, die damit assoziiert werden, vielfach unterschiedlich definiert. Im Folgenden soll das Verständnis des Begriffs eingegrenzt und auf den für diese Arbeit wichtigsten Bestandteil, reduziert werden. Darüber hinaus werden die Begriffe Aggression und Gewalt differenziert betrachtet und voneinander abgegrenzt.
Das Wort „ Aggression “ kommt aus dem lateinischen und stammt von „aggressio“ was seinen Ursprung wiederum in „aggredt“ hat. „Aggredt“ bedeutet soviel wie „auf jemanden oder etwas zugehen, losgehen, angreifen, überfallen“ und setzt sich aus „gradT (einher)schreiten und ad‘ zu, an, hin(zu), heran, herbei“ zusammen (DWDS, 2021). Der Begriff tauchte im deutschsprachigen Raum erstmals in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf und hat sich seitdem in seiner grundlegenden Bedeutung nicht verändert. Für diese Arbeit ist vor allem das psychologische Verständnis von Bedeutung, so definierten Baron & Richardson (1994, 7) Aggression wie folgt: „Aggression ist jegliche Form von Verhalten, mit dem das Ziel verfolgt wird, ein anderes Lebewesen zu verletzten oder ihm zu schaden, welches selbst motiviert ist, eine derartige Behandlung zu vermeiden“. Hinzugefügen könnte man, dass Aggressionen nicht nur gegen andere Lebewesen, d.h. Organismen gerichtet sein können sondern auch gegen sich selbst (Freud & Mann 1953; Nolting 1999; Selg, Mees, & Berg 1997).
Aggressionen können einerseits physischen Charakters (bspw. körperliche Gewalt), andererseits, psychischen Charakters (bspw. verbale Beschimpfungen) sein. In dieser Arbeit soll zwischen aggressivem Verhalten und aggressiven Kognitionen unterschieden werden. Aggressive Kognitionen sind Wissensstrukturen, die nach Anderson et al. (2003) zu aggressivem Verhalten führen können. Das motivationspsychologische Konzept von Kornadt (1982) unterteilt aggressive Kognitionen in zwei, in einer Person angelegte Dispositionen. Einerseits in aggressive Strukturen, die ein Motiv für aggressives Verhalten evozieren, und andererseits in hemmende Kognitionen, die diesen Motiven entgegenwirken. Diese Motivkomponente nennt er Aggressionshemmung.
Außerdem sind für ein gutes Verständnis zwei weitere Unterteilungen von Bedeutung: Aggressionslegitimation wird als Teil aggressiver Kognitionen definiert und beschreibt die kognitive Einstufung aggressiven Verhaltens als legitimes, gesellschaftlich oder situationsbedingt angebrachtes Verhalten. (Lukesch, 2007). Ferner wird Aggressives Verhalten im Folgenden oft mit Aggressionsneigung in Verbindung gebracht. Aggressionsneigung ist hierbei der Grad wie sehr ein Mensch zu aggressivem Verhalten tendiert und somit keinesfalls mit aggressivem Verhalten gleichzusetzen (Lukesch, 2007).
„Im Grunde ist mit dem Gewaltbegriff dasselbe gemeint [ wie mit Aggression], eventuell wird mit dem Gewaltbegriff noch darauf hingewiesen, dass das aggressive Verhalten einen gewissen Schwellenwert überschritten haben muss, um als gewalttätig zu gelten“ (Lukesch 2006, 11). Es wird jedoch nicht von Aggression gesprochen, wenn eine gewalttätige Handlung unbeabsichtigt ist oder Folge einer positiv motivierten Handlung ist. Folglich ist das Einrenken beim Arzt, das beim Patienten Schmerzen verursacht keine aggressive Verhaltensweise.
Aggressionen werden durch eine Vielzahl neurobiologischer, neurochemischer, neurophysiologischer Reaktionen gesteuert und beeinflusst (Bear et al., 2009; Lück 2005; Wahl 2009). Darüber hinaus spielen genetische Dispositionen und Umwelteinflüsse eine Rolle und beeinflussen aggressives Verhalten und aggressive Kognitionen (Bear et al., 2009; Kunczik & Zipfel 2006; Lück 2005; Nolting 1999; Selg et al., 1997; Wahl 2009). Umwelteinflüsse können dabei unter anderem Familienkontext und -struktur, Erziehungsverhalten der Eltern, soziales Umfeld und, für diese Arbeit bedeutsamster Bestandteil, der Konsum gewalthaltiger Medien sein.
2. Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel sollen zwei Theorien beleuchtet werden, die mögliche Zusammenhänge von Medienkonsum und Aggression zu klären versuchen und mögliche Ursachen für aggressives Verhalten nennen. Dabei handelt es sich um das Modelllernen von Bandura, ein sozial-kognitiver Ansatz aus der Lernpsychologie und das General Aggression Model (GAM) von Anderson et al. (2003). Es sei hinzugefügt, dass auch andere Theorien aus der Psychologie, sowie der Neurobiologie Erklärungsansätze für aggressives Verhalten liefern, diese jedoch in Anbetracht des eingeschränkten Rahmens der Arbeit nicht berücksichtigt werden.
2.1 Modelllernen nach Bandura
Bandura geht in seinem lerntheoretischen Modell davon aus, dass komplexe Verhaltensweisen teilweise nicht durch klassische oder operante Lernprozesse erworben werden, sondern durch die Beobachtung des Verhaltens anderer Personen und der nachfolgenden Konsequenzen (Bandura, 1979). Besonders die aggressiven Verhaltensweisen können so im Alltag durch Modelllernen erworben werden, „da dieses Verhalten häufig relativ kontingent und zuverlässig zur Belohnung (positive Verstärkung) oder zum Wegfall negativer Konsequenzen (negative Verstärkung) führt“ (Bodenmann et al., 2016; 243).
Des Weiteren unterscheidet Bandura (1979) zwischen verschiedenen Modelltypen: Reale Modelle, d.h. reale Personen, vor allem Eltern aber auch Bezugspersonen wie ErzieherInnen, LehrerInnen oder bekannte Persönlichkeiten, symbolische Modelle, wie Figuren und Charaktere aus Filmen, Serien oder Konsolen- und Computerspielen, Kompetenz- und Bewältigungsmodelle. Vor allem symbolische-, Kompetenz- und Bewältigungsmodelle spielen im Kontext dieser Arbeit eine wichtige Rolle, weshalb sie im Folgenden näher erläutert werden sollen:
1. symbolische Modelle
Das symbolische Modell ist für diese Arbeit sehr bedeutsam, da symbolische Figuren oder Charaktere aus Büchern, Spielen oder Filmen in diese Kategorie fallen. Beim Modellernen am symbolischen Modell nehmen Beobachtende „kodierte Verhaltensweisen im Sinne symbolischer Kontingenz wahr und übertragen sie in die Realität (Bodenmann et al., 2016: 237f). Zum Beispiel nahmen sich nach der Veröffentlichung Goethes Romans „Leiden des jungen Werthers“ (1774) viele junge Männer das Leben, da sie das Verhalten der fiktiven Figur in die Realität übertrugen und es imitierten.
2. Kompetenzmodelle
Kompetenzmodelle zeigen ideale Verhaltensweisen zum Lösen eines Problems und dienen Beobachtenden als Vorbild, welche das Verhalten durch den Prozess des Modellernens erlernen und imitieren. Bspw. könnten Profisportler als Kompetenzmodelle dienen, wenn Lernende ihre perfekten Bewegungsabläufe im Fernsehen, in Videos oder live sehen und versuchen diese anschließend nachzuahmen.
3. Bewältigungsmodelle
Der letzte Modelltypus ist der des Bewältigungsmodells, bei dem der Fokus weniger auf der Perfektion des Verhaltens, wie beim Kompetenzmodell, sondern eher auf motivierendem und problemlöseorientiertem Verhalten des Modells liegt. Dabei dient das Modell insofern als Vorbild, als das es aktiv nach einem Lösungsweg sucht ohne im Voraus über die bestmögliche Verhaltensweise zu verfügen. Wenn ein/e MitschülerIn eine/n andere/n MitschülerIn beim Versuch beobachtet Aufmerksamkeit des Lehrenden zu erlangen und der/die beobachtete SchülerIn es mehrmals mit melden versucht aber die Aufmerksamkeit erst bekommt, nachdem er/sie hereinruft, so hat der/die Beobachtende den ganzen Prozess der Bewältigung wahrgenommen und es handelt sich um Modelllernen am Bewältigungsmodell.
Den Prozess des Modelllernens gliedert Bandura dabei in zwei Phasen: Die Aneignungsphase (Akquisition) und die Ausführungsphase (Performanz) welche wiederum in jeweils zwei darin verankerte Prozesse unterteilt sind.
Aneignungsphase:
1. Aufmerksamkeitsprozesse
Im ersten Prozess nimmt die beobachtende Person das Modellverhalten wahr. Die Aufmerksamkeit liegt dabei auf dem Modell und ist von verschiedenen Merkmalen abhängig (bspw. werden Verhaltensweisen eher von Modellen gelernt, die einem sympathisch sind) (Bandura, 1979). Nur wenn die lernende Person das Verhalten des Modells aufmerksam verfolgt, ist es ihr auch möglich, selbiges zu erlernen.
2. Gedächtnisprozesse
Um das beobachtete Verhalten replizieren zu können muss es zuerst im Gedächtnis gespeichert werden. Die wahrgenommene Handlung wird nach dem Beobachten symbolisch kodiert und anschließend in bestehende kognitive Strukturen eingeordnet. Wird die Verhaltensweise nicht in neuronale Strukturen eingeordnet und gespeichert, so ist sind folgende Reproduktionsprozesse und das Erlernen des Verhaltens schlussendlich nicht möglich.
Ausführungsphase:
3. Reproduktionsprozesse
Nachdem die beobachtete Verhaltensweise abgespeichert ist kann sich der Beobachtende zu einem unbestimmten Zeitpunkt wieder an jene Verhaltensweise erinnern und sie nachahmen. Oft reicht das Beobachten allerdings nicht aus um das Verhalten qualitativ gut auszuführen und es Bedarf weiterem Training der für das Verhalten relevanten grob- und feinmotorischen Fertigkeiten und für einen perfekten Ablauf der einzelnen Teilreaktionen.
4. Verstärkungsprozesse
Die neu angeeignete Verhaltensweise wird in der letzten Phase bei wiederholtem Ausführen verstärkt oder gehemmt. Dies kann entweder durch „externe oder stellvertretende Verstärker [oder Hemmer] , sowie Selbstverstärkungen“, und Selbstbestrafungen geschehen (Bodenmann et al., 2016). Verstärkungsprozesse haben dabei einen motivationalen Einfluss auf das sich wiederholende Verhalten, Bestrafungsprozesse sorgen hingegen für eine Hemmung des Verhaltens und wirken einer Festigung im Verhaltensrepertoire entgegen. Ob sich die neue Verhaltensweise manifestiert und der Prozess des Modelllernens abgeschlossen wird ist deshalb sehr stark von der Wirkung der Konsequenzen abhängig.
Wie viel der aggressiven Verhaltensweisen am Modell gelernt werden oder auf andere Lernarten zurückzuführen sind, lässt sich jedoch kaum messen. „Es sei noch einmal betont, dass sich natürlich im Alltag die verschiedenen Lernarten durchdringen“ (Selg et al., 1997, 35). Darüber hinaus beeinflussen weitere Faktoren wie Umwelteinflüsse, neurobiologische und -chemische Prozesse, sowie genetische Dispositionen, ob aggressives Verhalten gelernt und folglich gezeigt wird.
2.2 General Aggression Model (GAM)
Das GAM (Abb. 1) ist ein Erklärungsansatz von Anderson et al. (Anderson et al., 2003; Anderson, Gentile, & Buckley 2007; Anderson & Bushman 2018), der verschiedene Aggressionstheorien integriert und aggressives Verhalten als Ergebnis eines Lern-, Aktivierungs- und Anwendungsprozess aggressionsbezogener, gespeicherter Wissensstrukturen versteht (Craig A Anderson et al., 2003). Dabei bezog Anderson et al. (2003) unter anderem die Schlüsselideen der sozialen Lerntheorie, der Skript-Theorie, des Priming-Konzepts und des Excitation- Transfer-Modells mit ein (Kunczik & Zipfel 2006).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: General Aggression Model: Episodic Processes
Als zentralen Aspekt seiner Theorie versteht Anderson et al. (2003) Wissensstrukturen: Wissensstrukturen entwickeln sich aus Erfahrungen. Sie haben sowohl einen Einfluss auf die Wahrnehmung als auch eine Steuerungskomponente für die Interpretationen und Verhaltensreaktionen auf die soziale Umwelt. Sie können auf Dauer automatisiert werden und affektive Zustände, Verhaltensprogramme und Überzeugungen beinhalten. Wie diese Wissensstrukturen aggressives Verhalten auslösen können, soll im Folgenden geklärt werden.
Anderson et al. (2003) verstehen das GAM nicht als kurzfristiges Modell, sondern nehmen an, dass sich die Prozesse und deren Effekte im Laufe der Zeit akkumulieren und sich soziale Wissensstrukturen entwickeln, mit denen Individuen strukturell Reize wahrnehmen, interpretieren, beurteilen und letztendlich beantworten. Ist ein Individuum immer wieder aggressiven Stimuli ausgesetzt, bspw. gewalthaltigen Medien, so können die daraufhin ausgelösten Prozesse und deren Effekte zu einer Wissensstruktur führen, die eine aggressive Persönlichkeit hervorbringen. Diesen Vorgang veranschaulichen Anderson et al. (2003) am Beispiel gewalthaltiger Computerspiele in Abbildung 2:
General Aggression Model, as in Figure 2
Abbildung 2: General Aggression Model: Personality Processes
3.1 Aktueller Forschungsstand
3.1 Fernsehen und Aggression
In einer Langzeitstudie untersuchte Belson (1978) die Beziehung zwischen dem langfristigen Konsum von Fernsehgewalt und Verhalten/Einstellungen von 12- bis 17-jährigen männlichen Jugendlichen. Nach Kunczik & Zipfel (1997, 197) kam Belson zu dem Ergebnis, dass der langfristige Konsum folgender Formen von Fernsehgewalt eine Zunahme der interpersonalen Gewalt begünstigen:
1. Sendungen, in denen enge persönliche Beziehungen ein Hauptthema bilden und in denen verbale und physische Gewalt gezeigt wird:
2. Sendungen, in denen Gewalt um ihrer selbst willen gezeigt wird;
3. Sendungen, in denen fiktive Gewalt in realistischer Weise gezeigt wird;
4. Sendungen, in denen Gewalt im Dienste einer „guten Sache“ gezeigt wird;
5. Violenten Western.
Bei violenten Cartoons, Slapstickfilmen, Science-Fiction-Filmen und Sportsendungen konnte dahingegen keine Beziehung zu der Begünstigung einer Zunahme der interpersonalen Gewalt festgestellt werden. Jedoch „weist auch die Studie von Belson einige Schwachstellen auf“ (Kunczik & Zipfel, 2006, 197). Eine weitere Meta-Analyse führte Matthew Hogben (1998) durch. Er kam zu dem Schluss, dass der Konsum von Fernsehgewalt mit einem kleinen Anstieg der Aggressivität von Konsumierenden einhergeht. Ferner stellte er fest, dass als gerechtfertigt dargestellte Gewalt einen größeren Effekt auf aggressives Verhalten hat, als nicht gerechtfertigte Gewalt, deren Konsequenzen in realistischer Weise zu sehen waren.
Nach der Sichtung diverser Meta-Analysen zu der Wirkung von Fernsehgewalt kommt Comstock ( 2004, 198) zu folgendem Ergebnis: „These analyses irrefutably confirm that there is a positive correlation between exposure to violent television and movie portrayals and engagement in aggressive or antisocial behaviour.“ Ob ein Zusammenhang auch bei jungen Erwachsenen in Deutschland besteht, ging aus den Studien nicht hervor.
3.2 Computerspiele und Aggression
Zum Thema Aggression und Computerspiele haben Anderson & Bushman (2001) eine Metaanalyse veröffentlicht. In ihr wurden insgesamt 35 Untersuchungen mit 4262 Teilnehmenden analysiert und nach fünf verschiedenen abhängigen Variablen getrennt, von denen zwei für diese Arbeit von besonderer Bedeutung sind:
1. Aggressives Verhalten
Für den Einfluss von gewalthaltigen Computerspielen auf aggressives Verhalten wurden über 33 unabhängige Tests mit insgesamt 3033 Teilnehmenden verglichen. Es konnte eine positive, signifikante Korrelation von r = .19 festgestellt werden.
2. Prosoziales Verhalten
Für prosoziales Verhalten konnte über 8 unabhängige Tests und einer Probandenzahl von 676 eine negative, signifikante Korrelation von r = .16 festgestellt werden.
Des Weiteren konnten für die abhängigen Variablen aggressive Kognition (r = .27), aggressiver Affekt (r = .18) und physiologische Erregung (r = .22) ebenfalls positive, signifikante Korrelationen festgestellt werden.
3.3 Medien allgemein und Aggression
In einer Studie der Universität Potsdam untersuchten Krahé & Möller (2010) den längsschnittlichen Effekt von Mediengewalt auf Aggression und Empathie von Jugendlichen in Deutschland. Sie befragten dafür zweimal im Abstand von 12 Monaten (T1 ist der Zeitpunkt der ersten Erhebung, T2 der Zeitpunkt der 2. Erhebung 12 Monate später) insgesamt 1237 SchülerInnen der siebten und achten Klasse zum Thema Mediennutzung, Aggression und Empathie und kamen dabei zu folgenden Ergebnissen:
Von den Jugendlichen gaben 54 % an täglich Fernsehen oder DVDs zu konsumieren. Einen signifikanten Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Befragten konnte nicht nachgewiesen werden, wohingegen mehr Jungen als Mädchen angaben, mehr als eine Stunde am Tag zu Fernsehen oder DVDs anzuschauen. Insgesamt gaben 72,6 % an eine Stunde oder länger am Tag zu Fernsehen oder DVDs anzuschauen. Bei der Nutzung von Videospielen zeichneten sich hier substantielle Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen ab: Während 16,5 % der Mädchen angaben, nie Videospiele zu spielen, machten diese Angabe nur 2,8 % der Jungen. 68,4% der männlichen und 32% der weiblichen Befragten gaben an am Tag mindestens eine Stunde mit dem Spielen von Videospielen zu verbringen. Krahé & Möller (2010) konnten eine moderate, positive und signifikante Korrelation zwischen der Nutzung gewalthaltiger Medien zu T1 und physischer Aggression zu T2 mit r = .45 feststellen. Umgekehrt konnte zwischen physischer Aggression zum Zeitpunkt T1 und der Nutzung gewalthaltiger Medien zum Zeitpunkt T2 eine moderate, positive und signifikante Korrelation von r = .40 festgestellt werden. Des Weiteren konnte zwischen der Nutzung gewalthaltiger Medien und Empathie eine negative signifikante Korrelation von r = -.29, sowie umgekehrt von r = -.35 festgestellt werden.
3.4 JIM Studie
Im Hinblick auf den weiteren Verlauf dieser Arbeit soll in diesem Abschnitt die theoretische Grundlage für den Untersuchungsteil geschaffen werden. Dafür wird die Studienlage zur Mediennutzung der Jahrgänge 1995-2002 dargelegt. Die Studie vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest ist ein jährliches Untersuchungsverfahren, das seit 1998 das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren in Deutschland analysiert. Da die Jahrgänge 1995-2002 im Jahr 2014 12 bis 19 Jahre alt waren und somit in der Grundgesamtheit der Stichprobe der JIM-Studie (Feierabend, Plankenhorn, & Rathgeb, 2014) repräsentiert wurden, sollen im Folgenden besonders diese von zentraler Bedeutung sein. Es ist jedoch anzumerken, dass sich der Umgang der Kohorte von 2014 bis heute verändert haben könnte und folglich kein Anspruch auf eine bestehende Gültigkeit der Erkenntnisse erhoben werden darf.
In der JIM-Studie (Feierabend et al. 2014) wurden im Zeitraum vom 13. Mai bis 27. Juli 2014 aus der Grundgesamtheit von ca. 6,5 Millionen Jugendlichen 1.200 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren telefonisch befragt. Die Stichprobe umfasste dabei 49 % Mädchen und 51 % Jungen von denen 24 % zwischen 12 und 13 Jahren, 26 % zwischen 14 und 15 Jahren, 25 % zwischen 16 und 17 Jahren und 25 % zwischen 18 und 19 Jahren alt und 87 % Schüler, 8 % Auszubildende und 3 % Studierende waren. Von SchülerInnen besuchten 40% Haupt- oder Realschulen und 58% Gymnasien. Im Folgenden sollen nun die relevanten Ergebnisse der Studie widergegeben werden. Es ist anzumerken, dass die Studie nicht in ihrer Gesamtheit abgebildet werden kann.
3.4.1 Bücher und Lesen
Von den 1.200 Jugendlichen gaben 39 % an, täglich oder mehrmals pro Woche in ihrer Freizeit zu lesen. „Der Anteil der Jugendlichen, die regelmäßig außerhalb eines schulischen Kontexts, also freiwillig, Bücher lesen, [ist] trotz gesteigerter Internetnutzung seit vielen Jahren konstant geblieben“ (Feierabend et al., 2014, 18). Auffallend sind die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen: Während 51 % der weiblichen Befragten angaben täglich oder mehrmals pro Woche zu lesen, lag der Anteil der Jungen nur bei 28 %. Der Durchschnitt der täglichen Lesedauer nach eigener Einschätzung lag bei 61 Minuten pro Tag, wobei es bei Mädchen, mit 75 Minuten im Schnitt, 27 Minuten mehr waren als bei Jungen, mit 48 Minuten durchschnittlicher Lesezeit pro Tag.
[...]
- Arbeit zitieren
- Jonas Leibinger (Autor:in), 2021, Medien und Gewalt. Zum Zusammenhang vom Konsum gewalthaltiger Medien und aggressivem Verhalten von jungen Erwachsenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1150729
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