In dieser Arbeit soll einführend betrachtet werden, welche Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen die Anforderungen an ihren Arbeitsplatz bestimmen. Das Organizational Behavior Modell von Colquitt, Lepin und Wessen bildet die Grundlage für die Analyse der Fluktuationsursachen, die in einem ersten Schritt bezüglich der Motive für die Eigenkündigungen und den Einflussfaktoren unter Einbeziehung von Maslows Bedürfnishierarchie und Herzbergs Motivatoren-Hygiene-Theorie untersucht werden. Anschließend wird überprüft, ob das Mitarbeiter:innen-Mentoring-Programm, ein Vorschlag junger Mitarbeiter:innen aus dem jährlichen Strategieprozess, der Zukunftswerkstatt, sich förderlich auf die Mitarbeiter:innenbindung auswirkt, die integrative Organisationskultur unterstützt, ob und wie es die Fluktuation beeinflussen kann. Gegebenenfalls werden alternative oder ergänzende Maßnahmen erläutert, um die Mitarbeiter:innenbindung zur Sicherung des geplanten Wachstums zu verbessern.
Inhaltsverzeichnis
1. Mitarbeiteninnenbindung: Situation und Ziele derTresolite GmbH
2. Situationsanalyse derTresolite GmbH
2.1 Personalsituation
2.2 Ursachen und Einflussfaktoren aufdas Fluktuationsverhalten
2.2.1 Gehalt
2.2.2 Organisationskultur
2.2.3 Führungsstil des Managements
2.2.4 Selbstverwirklichung
3. Analyse des Mitarbeiteninnen-Mentoring-Programms
4. Maßnahmen zur Mitarbeiteninnenbindung
4.1 FinanzielleAnreize
4.2 Alternatives personenbezogenes Mentoring-Programm
4.3 Fort-und Weiterbildung
4.4 Mentoring und Änderung des Führungsstils
4.5 Bedürfnisorientierter Arbeitsort und Arbeitszeit
5. Vorbereitende Analysen
6. Fazit: Entscheidungsvorlage
I. Literaturverzeichnis
1. Mitarbeiter:innenbindung: Situation und Ziele derTresolite GmbH
Das mittelständige Unternehmen die Tresolite GmbH entwickelt Software für 3D-Drucker. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist das Unternehmen erfolgreich am Markt und das Wachstum liegt über dem Branchendurchschnitt. Umsatz und Gewinn ermöglichen trotz hoher Investitionen ein weiteres Wachstum und eine Expansion in die USA. Für das geplante Wachstum müssen bis zum nächsten Quartal 100 neu geschaffene Stellen besetzt werden. Die hohe über dem Branchendurchschnitt liegende Fluktuation erschwert die Sicherung des steigenden Personalbedarfes.1 Neben der Bezahlung ist die Einbindung der Mitarbeiterinnen in die Organisationskultur problematisch. Ein Mitarbei- teninnen-Mentoring-Programm soll die Personalbindung überdie Umsetzung derOrganisationskul- tur verbessern und die Fluktuation mindern. Die Personalchefin Franziska Wölfl muss kurzfristig dem CEO Samuel Priest2 ihren Standpunkt zum Mentoring-Programm erklären. In Verbindung damitwill sie die Fluktuationsursachen und die Einflussmöglichkeiten darauf thematisieren.
In dieser Arbeit soll einführend betrachtet werden, welche Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen die Anforderungen an ihren Arbeitsplatz bestimmen. Das Organizational Behavior Modell von Colquitt, Le- pin und Wessen bildet die Grundlage für die Analyse der Fluktuationsursachen, die in einem ersten Schritt bezüglich der Motive für die Eigenkündigungen und den Einflussfaktoren unter Einbeziehung von Maslows Bedürfnishierarchie und Herzbergs Motivatoren-Hygiene-Theorie untersucht werden. Anschließend wird überprüft, ob das Mitarbeiteninnen-Mentoring-Programm, ein Vorschlag junger Mitarbeiterinnen aus dem jährlichen Strategieprozess, der Zukunftswerkstatt, sich förderlich auf die Mitarbeiteninnenbindung auswirkt, die integrative Organisationskultur unterstützt, ob und wie es die Fluktuation beeinflussen kann. Gegebenenfalls werden alternative oder ergänzende Maßnahmen erläutert, um die Mitarbeiteninnenbindung zur Sicherung des geplanten Wachstums zu verbessern. Abschließend wird für Franziska eine Entscheidungsvorlage für das Gespräch mit Samuel erstellt.
2. Situationsanalyse derTresolite GmbH
2.1 Personalsituation
In einer Studie des Gallup-Instituts wiesen nur 17% der Mitarbeiterinnen eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen auf. Im Umkehrschluss haben 83% der deutschen Arbeitnehmeminnen kein oder nur ein geringes Affective Commitment, haben teilweise schon innerlich gekündigt und sind bereit den Arbeitgeber zu wechseln (Gallup 2021, S. 6f. S. 9), was sich im Counterproductive Behavior, dem mangelnden Interesse an der Arbeit, sinkender Produktivität und Innovationsbereitschaft auswirkt. Gemäß Franziskas Aussage wurden im laufenden wie im letzten Quartal jeweils fast 10 % der Belegschaft neu eingestellt. Den fast 80 Einstellungen des laufenden Quartals stehen 47 Kündigungen des vorherigen Quartals gegenüber. Die Fluktuationsrate beträgt nach der Schlüter- Formel im Quartal 5,34%, auf Jahresbasis hochgerechnet rd. 21%.3 Trotz der hohen Fluktuation konnte bisher der Personalbestand vergrößert werden. Im laufenden Quartal sollen insgesamt 100 neu geschaffene Stellen besetzt werden. Wird ein konstanter Abgang wie im vorhergehenden Quartal angenommen, müssen zu den angekündigten fast 80 Einstellungen noch weitere 67 neue Mitarbeiterinnen eingestellt werden. Da die Besetzung einer Stelle durch den digitalisierungsbedingten Fachkräftemangel in der IT-Branche durchschnittlich 171 Tage dauert (Statistik Mint-Berufe 2019, S. 18Abb. 13), will Daniel Freitag, der Leiter des Recruiting, aufgrund des kurzen verfügbaren Zeitraums mit seinem Recruiting-Stand auf Jobbörsen, die vorrangig von Studienabsolventinnen und jungen Facharbeiterinnen zum Einstieg in das Berufsleben genutzt werden, diese anwerben (Kenk 2017, Abb. Altersverteilung). Das stärkste Argument im Recruiting ist Samuels Philosophie der Aufmerksamkeit, der Fürsorge, des direkten Kontakts zum Management und Samuels Charisma, das den guten Ruf des Unternehmens begründet.
Für junge Mitarbeiterinnen spielt die intrinsische Bindung an das Unternehmen noch eine untergeordnete Rolle. Fürviele gilt „Wenn es uns nicht passt, ziehen wirweiter“ (Scholz, 2014, S. 113). Sie haben eine hohe Kündigungsrate, die sich auf zwei Zeiträume ihrer Betriebszugehörigkeit konzentriert.4 Nach der Euphorie über die Einstellung kann es in einer 6 bis 18 Monaten dauernden Phase zum Honeymoon-Hangover-Effect kommen, der Ernüchterung über die Arbeitsinhalte und Organisationskultur (Mai 2021). Der sinkende Individualmechanismus Job Satisfaction wirkt negativ auf das Organizational Commitment. Diese Nachentscheidungsdissonanz (Roth 2019) betrifft besonders junge Mitarbeiterinnen am Anfang ihrer Betriebszugehörigkeit.5 Der zweite Zeitraum umfasst das 2. bis 5. Jahr der Betriebszugehörigkeit, wenn neben den sozialen die physischen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen bezüglich Bezahlung und sonstiger monetären Leistungen nicht erfüllt werden. Das Continuance Commitment sinkt. Die Unzufriedenheit äußert sich im Psychological Withdrawal Behavior, in Desinteresse, Disziplinlosigkeit, fehlender Motivation und mündet in innerer Kündigung. Insbesondere, wenn finanziell attraktive Angebote von der Konkurrenz vorliegen, kann es zur Eigenkündigung führen, dem Extremfall des Physical Withdrawal Behavior.
2.2 Ursachen und Einflussfaktoren aufdas Fluktuationsverhalten
2.2.1 Gehalt
Die Bezahlung wirkt extrinsisch auf die Motivation, sie wird von Maslow den physiologischen Defizitbedürfnissen (Wagner/Hollebecke 2010, S.85f.) und von Herzberg den Hygienefaktoren zugeordnet (Wagner/Hollebecke 2010, S.131). Werden sie nicht erfüllt, sinkt der Individualmechanismus Motivation. Werden sie erfüllt, bewirken sie keine Zufriedenheit, aber deren Nichterfüllung führt zu Unzufriedenheit und somit zu sinkender Job Satisfaction (Steinmann 2013, S. 510). Erst das Zusammenwirken von Hygienefaktoren und Motivatoren, wie Anerkennung, sinnvolle Arbeit, Selbstverwirklichung, führt zur Zufriedenheit. Die Bezahlung hat als Pay Satisfaction nur Einfluss auf die Motivation und das Continunance Commitment, bis das Wohlfühlgehalt erreicht wird.6 Ab dieser Schwelle bewirkt eine Erhöhung keine weitere Zufriedenheit und Motivation. Gemäß Franziskas Aussage ist die Bezahlung ein häufiger Austrittsgrund, die Konkurrenz würde bis zu 30% mehr Gehalt bieten. Stephan, Ende 20, Fachkraft, verlässt das Unternehmen. Er sieht seine Leistung in der Bezahlung nicht anerkannt, seine wahrgenommene Verteilungsgerechtigkeit, ein Element des Individualmechanismus Trust, Justice & Ethics, ist negativ.7 Da sein Chef Max Freitag seine fachliche Leistung nicht erwähnt, entsprechen seine Fähigkeiten den Anforderungen, die Individualcharakteristik Ability ist erfüllt. Stephans Grundbedürfnis nach gerechter Entlohnung, das vom Arbeitsinhalt und der eigenen Einschätzung der Leistung bestimmt wird, wird nicht befriedigt. Seine Unzufriedenheit wirkt negativ auf die Job Satisfaction und diese vermindert das Continuance Commitment.
2.2.2 Organisationskultur
Als grundlegende soziale Norm wurde von Samuel eine integrative Organisationskultur als Fürsorge für die Beschäftigten im Arbeitsprozess, aber auch bei persönlichen Angelegenheiten vorgegeben. Das Unternehmen soll eine Gemeinschaft, eine große Familie sein, deshalb sollen die Mitarbeiterinnen ungehinderten Zugang zum gesamten Management haben, den Samuel selbst vorlebt. Als Bestandteil derOrganisationskultursoll das Duzen alsAnredeform integrieren, einen vertrauensvollen Umgang miteinander und dadurch den Group Mechanism „Teams, Processes & Communications“ fördern (Müller 2021). Wenn die persönlichen sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen mit der Organisationskultur übereinstimmen, die Arbeit befriedigt, wächst der Leistungswille und das Person Organization Fit wirkt auf die Job Satisfaction positiv, welche indirekt die Job Performance beeinflusst (Arthur et al. 2006, S. 787f.; Hellrung 2012, S. 36). Stephan fühlt sich in die Organisationskultur nicht integriert, was auch sein Chef Max bestätigt. Er habe zwar das höchste Management, CEO Samuel, direkt ansprechen können, den engeren familienähnlichen Kontakt aber, den Samuel als Organisationskultur propagiert, halte dieser nur zu einem ausgewählten Kreis, zu seinen „Lieblingen“. Das wirkt negativ auf den Individualmechanismus Trust, Justice & Ethics, Stephans Gefühl für Fairness in der Behandlung, für zwischenmenschliche Gerechtigkeit. Stephans Ego- und Wertschätzungsbedürfnis wird nicht befriedigt (Wagner/Hollenbeck 2010, S. 87). Eine emotionale Bindung an das Unternehmen, das Affective Commitment, ist nicht mehr vorhanden. Diese negative Korrelation der unerfüllten physischen und sozialen Bedürfnisse vermindert das Organizational Commitment und führt zum Physical Withdrawal. Für Stephan ist der Wunsch nach mehr Gehalt dominierend. Die raue Arbeitskultur bei seinem neuen Arbeitgeber hindert ihn nicht am Betriebswechsel.
2.2.3 Führungsstil des Managements
In Deloittes Studie zu „Fluktuation und deren Auswirkungen“ war der Führungsstil noch vor dem Gehalt der häufigste Grund für einen Wechsel des Arbeitsplatzes (Deloitte 2019, S. 8). Dieser ist Teil des Group Mechanismus „Leadership: Styles & Behaviors“ und gehört zu Herzbergs zweiter Faktorenklasse, den psychologisch wirkenden Motivatoren, wie Anerkennung und Einbindung durch die Vorgesetzten. Samuel hat einen angelsächsisch geprägten Führungsstil (Hofstede/Hof- stede/Minkow 2017, S. 241). Er befasst sich nur mit strategischen Themen. Samuels Führungsstil äußert sich in der Forderung „komm nicht mit einem Problem zu mir, sondern mit einer Lösung“. Dies gilt besonders für die Managerinnen, die für das Alltagsgeschäft in den verschiedenen Hierarchieebenen zuständig sind. An Franziska delegiert er Macht, er räumt ihr ein über ihr Aufgabengebiet hinausgehendes Mitspracherecht ein. Mit den Mitarbeiterinnen pflegt Samuel einen familiären Umgang. Er interessiert sich für ihre Probleme und Vorschläge, da diese für die Entwicklung des Unternehmens nützlich sein können. Mit der jährlichen Zukunftswerkstatt und den monatlichen Strategiemeetings erfüllt Samuel ihr Bedürfnis nach Einbeziehung und Mitbestimmung, was positiv auf den Gruppenmechanismus Teams: Processes & Communications wirkt. In den Meetings sollen erfahrene Managerinnen mit jungen und neuen Mitarbeiterinnen, wie Julia, gemeinsam Probleme klären, mit „pfiffigen“ Ideen die Unternehmensziele fördern. Dies trägt zur empfundenen Verfahrens- und Informationsgerechtigkeit bei. Gleichzeitig geben diese den jungen Mitarbeiterinnen Gelegenheit, sich mit der Tragweite unternehmerischer Themen zu befassen und Unternehmer innengeist zu entwickeln. Das Engagement für das Unternehmen wird gefördert, die Motivation steigt und wirkt positiv auf das Affective Commitment. Um die jungen Menschen auch künftig zu eigenen Ideen zu ermutigen, lobt und verteidigt Samuel ihre Vorschläge, wie das von Julia vorgetragene Mitarbeiterinnen- Mentoring-Programm, gegen die erfahrenen Managerinnen. Bedenken oder die Klärung von Detailfragen der Managerinnen möchte er nicht im Meeting, sondern im persönlichen Gespräch, wie z.B. mit Franziska, hören und überdenken. Samuels Individual Characteristic Personality weist alle Züge eines Transformationsführers auf, er sorgt sich um die Mitarbeiterinnen, er gibt ihnen Raum zu innovativen Vorschlägen, motiviert durch sein Vorbild, was sein Charisma begründet (Bass/Riggio 2006, S.5; Wagner/Hollenbeck 2010, S. 192, 199, 217 f.). Tranformational Leader haben positiven Einfluss auf das Organizational Commitment. Das Charisma als Referenzmacht wirkt zusätzlich zu seiner Zwangs-, Belohnungs- und Positionsmacht als CEO (Daft 2009, S. 498).
Der Führungsstil des nachgeordneten Managements ist nicht bekannt. Franziskas und Florians Bedenken und Befürchtungen zeigen einen hohen Grad Unsicherheitsvermeidung (Hofstede 2021). Samuel führt autoritär, Franziska und Florian reagieren sofort auf Blickkontakt. Wie das in der Zukunftswerkstatt vorgeschlagene Mitarbeiteninnen-Mentoring-Programm impliziert, wird die vorgegebene Organisationskultur von den Managern unzureichend umgesetzt. Mitarbeiteninnenmotivation ist auch auf Führungskräfte gerichtet und muss von diesen verstanden und gelebt werden. Samuel kann sich nicht 800 Beschäftigten gleichermaßen intensiv zuwenden, wie Stephan feststellt. Den jungen und neuen Mitarbeiterinnen fehlen in der Anfangsphase im Unternehmen Ansprechpartnerinnen, mit denen sie ihre Problem, Sorgen oderVorschläge vertrauensvoll besprechen können. Sind die Mitarbeiterinnen mit den Führungskräften unzufrieden, sinkt das Affective Commitment zum Unternehmen. Für Daniel, den Recruiting-Leiter, ist die familiäre Organisationskultur, das Gefühl, „nicht nur ein Rädchen im Getriebe zu sein“, das „offene Ohr“ der Manager, das wichtigste Argument für Bewerberinnen. Wird dieses Recruiting-Versprechen nicht eingehalten, wirkt das negativ auf den Individualmechanismus Trust, Justice & Ethics (Halbusi et al.2018, S. 95f.).
Samuel hat die Organisationskultur der Fürsorge noch nicht in Prozessen und Managementstrukturen umgesetzt. Franziska bezweifelt, ob dies in Folge des Unternehmenswachstums prinzipiell möglich ist. Nach ihrer Ansicht würden Umfragen auf die sinkende Wertigkeit des familiären Umgangs im Unternehmen weisen, aber gerade dieser vertrauensvolle Umgang wird von den jungen und neuen Mitarbeiterinnen vermisst. Auch Stephan äußert seine Kritik an der Organisationskultur erst im Austrittsgespräch, nicht in Gesprächen mit seinem Chef Max, der ihn für einen Sonderfall hält, denn das Team würde die Organisationskultur mögen. Das kann ein Anzeichen für ein affektives Overcommitment, einer Idealisierung des Unternehmens, durch Max sein (Kiaiber 2016, S. 42). Es gibt keine vertrauensvolle Feedbackkultur, Stephan fühlt sich nicht ernstgenommen (Sass 2019, S. 58). Das wirkt negativ auf den Gruppenmechanismus Teams: Processes & Communications“. Dieser beeinflusst die Individualmechanismen Job Satisfaction und Trust, Justics & Ethics negativ. Samuel sind die Probleme der Fluktuation, der Durchsetzung seiner Organisationskultur und die Gefahren für die emotionale Bindung an das Unternehmen, das Affective Commitment, bewusst, wie seine Unterstützung für das von Julia vorgestellte „Mitarbeiterinnen-Mentoring-Programm“ zeigt.
2.2.4 Selbstverwirklichung
Der Wertewandel von materiellen zu postmateriellen Werten ist bei jungen Mitarbeiterinnen besonders ausgeprägt (Rodeck 2015, S. 3). Er lässt den Einfluss des Continuance Commitment, besonders der Bezahlung, auf die Bindung an das Unternehmen zweitrangig werden. Selbstverwirklichung, Mitbestimmung, IT-Benefits wie „Moderne Technologie und Themen“, „Team und Kultur“ und „Spannende Aufgaben, Gestaltungsfreiheit“ treten in den Vordergrund (Wiegener o. J.). Als Individual Characteristic Personality wirkt die Erfüllung dieser Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiterinnen über die Individualmechanismen Motivation und Job Satisfaction positiv auf das Affective Commitment (Chamorro-Premuzic 2013, S. 3; Fernow/Hauser/Huber 2017, S. 67f.). Dem Streben nach Selbstverwirklichung als höchster Stufe in Maslows Bedürfnishierarchie, einem der Motivatoren in Herzbergs Theorie, trägt das Unternehmen mit der Teilhabe an Entscheidungsprozessen Rechnung (Wagner/Hollenbeck 2010, S. 85f., S.131, Abb. 72). Junge und neu eingestellte Mitarbeiterinnen werden als Ausdruck der integrativen Organisationskultur in strategische Meetings einbezogen. Dies wirkt für diese Mitarbeiterinnen positiv auf die wahrgenommene Verfahrens- und Informationsgerechtigkeit. Auf Fachkräfte wie Stephan, die nicht einbezogen werden, wirkt dies ausgrenzend, demotivierend.
3. Analyse des Mitarbeiter:innen-Mentoring-Programms
In der Zukunftswerkstatt wurde vorgeschlagen, eine neue Managementfunktion zu schaffen. Eine Gruppe von Managerinnen hätte It. Stephan als einzige Aufgabe, sich Beschwerden oder Klagen der Mitarbeiterinnen anzuhören und für diese Lösungen zu finden. Julia, eine junge Mitarbeiterin, stellt deren Aufgaben an einem Beispiel vor. Die Managerinnen sollen helfen, Beruf und Privatleben in Übereinstimmung zu bringen. Nach Julias Recherchen sei das Programm eine Neuheit, mit der das Unternehmen neue Maßstäbe setzen könne. Für Daniel wäre die intensive Fürsorge ein verstärkendes Argument für das Recruiting. Prinzipiell soll das Programm Faktoren eliminieren, welche die Job Satisfaction mindern. Die intensive Betreuung soll das Vertrauen in das Unternehmen festigen und die Fluktuation verringern. Franziska befürchtet wie auch Stephan, dass Fachkräfte und Schlüsselkräfte, die schon einige Jahre im Unternehmen arbeiten, das Programm ablehnen könnten, da es sich zu sehr in ihr Leben einmischt. Stephan fühlt seine Autonomie eingeschränkt. Das wirkt negativ auf die Job Satisfaction. Die Effektivität der Arbeit der Mentorinnen zur Minderung der Fluktuation sei nicht abschätzbar, da It. Franziska deren Arbeit nur auf einen Teil der Faktoren des Fluktuationsverhaltens gerichtet sei. Die Details des Programms bezüglich der Kosten, wie Florian zu bedenken gibt, sind noch nicht ausgearbeitet. Für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse müssen die Kosten des Mentorings im Verhältnis zu den quantifizierbaren Kosten und den Opportunitätskosten der Fluktuation betrachtet werden.8 Die Finanzierung wäre jedoch möglich, betont Samuel. Die Verträglichkeit mit der Expansion in die USA wurde It. Samuel noch nicht betrachtet, jedoch ist anzunehmen, dass aufgrund der hohen Ausprägung des Individualismus in den USA und dem drohenden Autonomieverlust das Mentoring-Programm abgelehnt würde (Hofstede 2021). Das Programm befriedigt nureinen Teil derBedürfnisse derjungen und neuen Mitarbeiterinnen nach Betreuung. Mit diesem Programm werden wesentliche Ziele und Effekte eines Mentoring, die Unterstützung in der Einarbeitungsphase, die Förderung der Entwicklung und der Persönlichkeit außer Acht gelassen (Rade- macher/Weber 2017, S. 31,33). Fachkräfte und Schlüsselkräfte mit längerer Betriebszugehörigkeit würden es ablehnen, da es ihre Autonomie beeinträchtigt. Das Mentoring-Programm hat in dieser Ausprägung nur geringen Einfluss aufdie Fluktuation.
[...]
1 Die Softwarebranche hat mit 13,3 % die höchste Fluktuationsrate aller Wirtschaftsbranchen (Stowe 2021).
2 Da nicht für alle Personen der Nachname angegeben ist, wird ab der zweiten Nennung nur der Vorname benutzt.
3 Summe Abgänge (47): Gesamtbelegschaft (800) + Zugänge (80) = 0, 0534, d.h. 5,34% (Kaps 2016, S. 3).
4 Im Bundesdurchschnitt waren von allen sozialversicherungspflichtig angestellten Beschäftigen 9% bis 2 Jahre, 12 % 2 bis 5 Jahre, 48% über 15 Jahre beschäftigt (Hüser/Rinn/Singer 2018, S.17 Abb. 13).
5 Bis 40 % aller neuen Mitarbeiterinnen würden innerhalb von einem Jahr kündigen (Kiaiber 2016, S. 23).
6 Es liegt bei höherer Bildung bei 80.000 $ jährlich (Jebb et al. 2018, S.34, 35).
7 Das Monatsgehalt von Softwareentwicklern mit bis zu 3 Jahren Berufserfahrung beträgt durchschnittlich 3800-4000€, nach 3-6 Jahren 4000-4185€, nach 9 und mehrJahren 5144-5400€(Heil 2021).
8 Quantifizierbare Kosten: durchschnittlich 14.900 €/Person (Deloitte 2019, S. 4). Opportunitätskosten, wie Verlust an Fachwissen, Innovationskraft seien nicht abschätzbar (Kiaiber 2016, S. 24 f.). Andere beziffern die Gesamtkosten auf rd. 43.000€(Wolf,o.J.).
- Quote paper
- Michael Lorenz (Author), 2021, Organizational Behavior. Fluktuationsursachen, Mitarbeiter:innen-Mentoring-Programm, Mitarbeiter:innenbindung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1150424
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