Death Wish erschien im November 1974 mit über 50 Kopien in den deutschen Kinos(1) und sorgte für Stürme der Entrüstung in der Presse, die dem Film Gewaltverherrlichung, mangelnde Moral und Förderung faschistischem Gedankenguts vorwarfen. Die in ihm vertretene Ideologie “trifft auf ein Vakuum, das entstanden ist, nach dem liberale Illusionen über Staat, Gesellschaft und Recht (nach Watergate etc. pp.) verdunstet sind.”(2)
In der Tat ist Winners Film erschreckend eindimensional und voller Klischees. Dem Publikum wird mit voller Absicht jeder Anstoß zum kritischen Überdenken des Gezeigten vorenthalten. Aber die Moral des Filmes soll nicht das Thema dieser Arbeit sein, auch wenn man diesen Aspekt nicht ganz ausklammern kann. Statt dessen soll es um die Gewaltdarstellung gehen, denn immerhin ist der Film noch immer auf dem Index, was bedeutet, daß er nicht beworben werden darf und Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich ist.
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1 Frankfurter Rundschau 1.11.1974
2 Eb.
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
II. INHALTSANGABE
III. DIE VORGESCHICHTE
IV. DER WEG ZUM RÄCHER
V. DER RÄCHER
VI. ZUSAMMENFASSUNG
LITERATURVERZEICHNIS
I. Einleitung
Death Wish erschien im November 1974 mit über 50 Kopien in den deutschen Kinos1 und sorgte für Stürme der Entrüstung in der Presse, die dem Film Gewaltverherrlichung, mangelnde Moral und Förderung faschistischem Gedankenguts vorwarfen. Die in ihm vertretene Ideologie “trifft auf ein Vakuum, das entstanden ist, nach dem liberale Illusionen über Staat, Gesellschaft und Recht (nach Watergate etc. pp.) verdunstet sind.”2
In der Tat ist Winners Film erschreckend eindimensional und voller Klischees. Dem Publikum wird mit voller Absicht jeder Anstoß zum kritischen Überdenken des Gezeigten vorenthalten. Aber die Moral des Filmes soll nicht das Thema dieser Arbeit sein, auch wenn man diesen Aspekt nicht ganz ausklammern kann. Statt dessen soll es um die Gewaltdarstellung gehen, denn immerhin ist der Film noch immer auf dem Index, was bedeutet, daß er nicht beworben werden darf und Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich ist.
II. Inhaltsangabe
Den angesehenen New Yorker Architekten Paul Kersey (Charles Bronson) - ehemaliger Kriegsdienstverweigerer (Sanitätsstaffel im Koreakrieg) und Waffengegner - trifft eine für ihn unverständliche Brutalität : Seine Frau und seine Tochter werden in seiner Wohnung von drei “muggers” (Rockern - oder “Ratten” in der deutschen Synchronisationsfassung) überfallen; seine Frau wird ermordet, seine Tochter vergewaltigt mit der Folge, daß sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden muß.
Da sich die Polizei - auch angesichts der Vielzahl von Verbrechen dieser Art - für relativ machtlos erklärt, greift Kersey zu dem Mittel der Selbstjustiz. Ein ihm von einem Geschäftspartner in Tuscon geschenkter Revolver bringt ihn auf den Gedanken, jene zu vernichten, die ihm Gewalt antun wollen, und damit auch stellvertretend die Mörder seiner Frau zu treffen. Dabei sucht er gezielt Gegenden in der Stadt auf, in denen das Verbrechen blüht.
Sein Verhalten wirkt ansteckend auf die Bevölkerung, denn er schafft es, die Zahl der Raubüberfälle zu senken, und tötet zahlreiche “Ratten”.
Die Polizei identifiziert ihn schließlich als den sogenannten “Vigilante” (Rächer), unternimmt aber - im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft - nichts gegen ihn, außer daß sie ihm unmißverständlich nahelegt, sich von seiner Firma in eine andere Stadt (Chicago) versetzen zu lassen.
III. Die Vorgeschichte
Am Anfang des Filmes, während der Vorspann läuft, stellt Regisseur Michael Winner die schöne heile Welt des Ehepaars Kersey dar, die einen Urlaub auf Hawaii genießen. Im Gegensatz dazu steht die überfüllte, hektische Stadt New York mit ihrem grauen Beton und dem Verkehrsinfakt am Feierabend, untermalt von sprunghaften Jazz-Klängen von Herbie Hancock. Die Stadt ist in das orange Licht eines Sonnenuntergangs getaucht, während die Kerseys auf der Rückreise sind.
Nach langer Fahrt zu Hause angekommen, serviert Kerseys Ehefrau Joanna (Hope Lange) nach klassischen Rollenverständnis dem wartenden Gatten das Essen. Vor dem Schlafengehen bekommt der mitgebrachte hawaiianische Blumenkranz einen Ehrenplatz über dem Spiegel im gemeinsamen Schlafzimmer.
Am nächsten Morgen beginnt für Paul Kersey der Alltag wieder. In seiner Firma informiert ihn sein Kollege Sam Kreutzer (William Redfield) über die Vorkommnisse in der Stadt während Kerseys Urlaub: 15 Morde habe es der vorletzten Woche gegeben, 21 in der vergangenen. Kersey kommentiert das nur mit einem lakonischen : ” Hoch interessant.”
Das Gespräch geht weiter, als sich Sam über die Gewalt auf den Straßen beklagt und Kersey seine liberale Einstellung zum Ausdruck bringt:
S: Ich sag dir, anständige Menschen sollten hier nur arbeiten, aber wohnen sollten sie woanders.
K: Mit anständigen Leuten meinst du wohl nur diejenigen, die sich das auch leisten können, woanders zu wohnen.
S: Junge, Junge, du hast heute wieder deine soziale Tour, was ?
K: Wenn ich an die vielen Arbeitslosen denke...
S: Deine Arbeitslosen werden uns noch völlig den Ofen auspusten, das sag´ ich dir! In Arbeitslager sollte man diese
Strolche stecken, mein Ehrenwort.1
Der Charakter Paul Kersey wird weiter ausgefeilt : Er ist nicht nur liebender Ehemann in idealem - sprich glücklichem - Familienverhältnis mit der klassischen Rollenverteilung, die auch in den Doris-Day-Filmen der 60-er Jahre so deutlich dargestellt wird, sondern auch frei von Vorurteilen gegen die Armen und Arbeitslosen. Sam steht Vertreter des undifferenziert urteilenden, latent faschistoiden Spießbürgers dem liberalen, freier und fairer denkenden Kersey gegenüber. Er macht sich nicht die Mühe, die Gesellschaft zu hinterfragen, in der diese ”Arbeitslosen” (im späteren Verlauf des Filmes bezeichnenderweise als ”Ratten” tituliert) leben müssen, und fordert drakonische Strafen. Paul Kersey, der spätere ”Rächer”, ist an sich ein friedliebender Mensch, ein Sympathieträger, mit dem sich das Publikum leicht identifizieren kann. Er ist verheiratet, hat einen gut bezahlten Beruf als Architekt; muß also eine Universität besucht haben und kümmert sich ansonsten wenig um die Kriminalität auf den Straßen, was etwas später in einer Unterhaltung mit seinem Chef Ian deutlich wird:
I: Ah, was ich fragen wollte: Wie fühlen Sie sich denn
wieder zurück auf dem Kriegsschauplatz?
K: Ich fühlte mich eigentlich ziemlich gut, bis ich Sam traf,
und er mich fertig machte, mit seinen Mordstories.
Ian bezeichnet die Stadt als Kriegsschauplatz und stellt sich damit, wenn auch weniger heftig, auf die Seite von Sam, gegen die ”Ratten”, die Ausgestoßenen der Gesellschaft, mit denen rigoros verfahren werden muß.
Wenn ein Krieg tobt, setzt das voraus, daß es mindestens zwei verfeindete Parteien gibt. In Death Wish sind es zunächst drei : Die ”Ratten”, die Bürger und die Polizei. Zu Beginn des Filmes sind die beiden letzteren hoffnungslos den Gewalttaten der ersteren ausgeliefert. Erst als der Rächer, der Vigilante, sozusagen als vierte Partei auftaucht, scheint sich das Blatt zu wenden. Der Selbstjustiz übende Unbekannte mobilisiert die Massen zur Gegenwehr und hat die Presse sofort auf seiner Seite. Er wird zum Erlöser stilisiert, zu einer Mischung aus Bat Man und Lone Ranger.
Über die Probleme, die in einer Gesellschaft vorhanden sein müssen, in der es zu solchen brutalen Auswüchsen kommen kann, wird im ganzen Film nichts ausgesagt, kein kritisches Wort ist zu hören, außer den schon zitierten Sätzen ganz am Anfang.
In der nächsten Szene bereitet Winner den Hauptwendepunkt der Story vor.
Im Dagostino-Supermarkt sieht man drei Jugendliche randalieren und schließlich Bier holen, während andere Bürger, ohne allzu große Notiz von davon zu nehmen, friedlich einkaufen. Diese drei, schmutzig und rüpelhaft, mit langen Haaren, bzw. einer Glatze, (einer von ihnen wird von Jeff Goldblum gespielt) sind das Feindbild einer konservativen, durch den Vietnam-Krieg, die Hippie-Zeit und die Nixon-Ära geprägten amerikanischen Öffentlichkeit. Winner vermittelt den Eindruck, daß sie aus purem Hedonismus handeln, ohne jeden Grund, einfach, weil sie Spaß daran haben. Die ”Muggers” in Death Wish sind arbeitslose Chaoten. Chaoten, die irgendwie in diese Lage gekommen sind und offenbar auch nicht aus ihr heraus wollen.
Immer auf der Suche nach Opfern sehen sie sofort die beiden Frauen an der Kasse nebenan: Paul Kerseys Frau (Hope Lange) und seine verheiratete Tochter Carol (Kathleen Tolan). Sie finden die Adresse ihrer auserkorenen Opfer durch den Lieferschein in der Einkaufstüte heraus und folgen ihnen. Symbolschwer läßt Winner drei Nonnen über die Straße gehen, während sich der kahlköpfige ”Mugger” mit einer an den klassischen Nosferatu erinnernden Körperhaltung hinter einer Mülltonne duckt.
Die Nonnen gehen friedlich auf die andere Straßenseite, die drei Jugendlichen hinab in den Keller, der in diesem Zusammenhang wie die Hölle anmutet, um sich durch den Notausgang in das Mehrfamilienhaus der Kerseys zu schleichen. Auf dem Weg durchs Treppenhaus beschmiert einer von ihnen völlig unmotiviert die Wände mit rotem Graffiti und macht sich damit dem Publikum noch unsympathischer, als er ohnehin schon ist.
Währenddessen schneidet Winner in die Wohnung, wo die beiden Frauen Urlaubssouvenirs auspacken. Oben angekommen klingelt der Rocker, der die Wände besprüht hat, an der Tür, während sich die anderen an die Wand drücken, um nicht in den Sichtbereich des Türspions zu geraten. Carol geht aus dem Schlafzimmer durch die Wohnstube, um die Tür zu öffnen , vorbei an einem Tisch, auf dem gerahmte Fotos der Familie stehen : Hochzeitsbilder und ganz am Rande erst Portraitfotos von Mrs. Kersey und Paul in Eintracht nebeneinander, aber jeder im eigenen Rahmen.
Diese kurze Sequenz stellt, wie auch schon die über die Straße gehenden Nonnen, einen Gegensatz zur brutalen Wirklichkeit dar, in der Winner seinen Film spielen läßt. Die geordnete Hausgemeinschaft der Kerseys steht kurz vor der Vernichtung durch die bösen “Ratten”.
Auf Anfrage Carols´ stellt sich der “Mugger” als Bote des Supermarktes vor und schlägt, als sie öffnet, die Tür auf, woraufhin alle drei in die Wohnung stürmen. Carol schreit überrascht auf, wird zur Seite gedrängt und vom letzten Eindringling, dem mit der Glatze, dem kräftigsten, hochgehoben und über den Flur ins angrenzende Wohnzimmer getragen. Ein schneller Schnitt ins Schlafzimmer zeigt die erschreckt aufblickende Joanna, die sich beeilt, ihrer Tochter zu Hilfe zu kommen. In einem Umschnitt gehen Carol, die immer noch schreit, und der Eindringling in einer Naheinstellung zu Boden. Die Kamera fährt zurück und zeigt das Wohnzimmer in einer leichten Untersicht, die Tür, aus der Mrs. Kersey kommt, im Zentrum des Bildes.
Als sie erscheint, wird sie sofort von dem langen, schlacksigen “Mugger” (Jeff Goldblum) von hinten um den Hals gepackt und so festgesetzt.
M: Mach hier nicht auf Panik, Mutter, halt nur die Schnauze und schön ruhig !
J: Was wollen Sie von uns ?
M: Frag doch keine Scheiße, Mutter, Du weißt, was wir wollen !
J: Sie werden uns nichts tun, Carol
M: Nicht, wenn ihr Bares habt.
Insbesondere diese Überfallszene fand besondere Aufmerksamkeit bei der FSK, die den Gebrauch der Worte “Votze” zweimal kurz hintereinander im übersandten Dialogbuch bemängelte und eine andere Formulierung forderte.1
Dennoch sind die sprachlichen Mittel auch in der Synchronisationsfassung deutlich zu erkennen: Die “Ratten” sprechen in roher Fäkalsprache und im ordinärsten Gossenslang, während sich die relativ gefaßte Mrs. Kersey bemüht, die Eindringlinge nicht noch weiter zu reizen, und höflich mit zwar angespannter, aber doch ruhiger Stimme zu ihnen spricht.
Während sich der Kahlköpfige, Carol festhaltend, und der lange, schlacksige, Mrs. Kersey umklammernd, gegenüberstehen, bewegt sich der inzwischen ebenfalls aufgetauchte dritte mit den krausen, von einem Stirnhand gehaltenen Haaren im Gegenuhrzeigersinn von hinten aufgenommen durch die Szene. Er sprüht zunächst einen roten Strich an die Wand im rechten Bildrand, dann über Joannas Rock in Höhe des Schritts, bevor er das gleiche bei Carol tut. Dann wendet er sich ab, um an die Wand im Hintergrund des Bildes ein Hakenkreuz zu zeichnen.
Der Schlacksige hat sich inzwischen entfernt, um die Handtasche in der Küche zu holen, die sich dort befände.
J: Sei ganz ruhig, und tu´,was sie sagen. Wo ist Dein Geld ?
Fragt Joanna ihre Schwiegertochter, die - völlig verängstigt - nicht in der Lage ist zu antworten. Sie zeigt nur wimmernd auf das Sofa, daß bisher nicht im Bild, in einer Ecke steht. Der Kahle stößt sie daraufhin rüde zur Seite, um sich der Beute anzunehmen.
Unglücklicherweise finden beide in den Handtaschen nur etwas Kleingeld, woraufhin sie in Wut geraten. Der Kahle läßt Carol wissen, daß sie nun “erstmal gevögelt” werde, während der Schlacksige unter wüsten Beschimpfungen Mrs. Kersey mit Tritten und Hieben mit einem Totschläger in der Hand nahe an die Bewußtlosigkeit bringt.
Der dritte “Mugger” steht derweil am Fenster schließt das Rollo und besprüht die Vorhänge mit seinem Farbspray. Dabei ist er noch der passivste der drei, denn er beschränkt sich auf zynische Kommentare.
Der Kahle reißt inzwischen der schreienden Carol das Oberteil vom Leib. Die Schreie reizen den Schlacksigen, der sich nun ebenfalls zu Carol begibt und kurz zuschaut. Dann macht er den Vorschlag, nun endlich abzuhauen, was den Sprayer zum Eingreifen bewegt. Er tritt an die Szene heran und besprüht mit seiner Dose das nackte Gesäß Carols. Der Schlacksige (Goldblum) ändert nun seine Meinung und zwingt sie zum Oralverkehr.
Der ganze Vorgang wird aus der Perspektive der sich langsam aufrappelnden Mrs. Kersey gezeigt, wobei die Kamera wackelt und so versucht, Joannas verschwommene Wahrnehmung wiederzugeben. In schnellen Wechseln der Perspektive wird von der Mißhandlung zu der langsam wegkriechenden Joanna gewechselt.
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1 Frankfurter Rundschau 1.11.1974
2 Eb.
1 Als Grundlage für diese Untersuchung dient die deutsche Videofassung. Alle Zitate sind ihr entnommen.
1 Schreiben der FSK an Tobis Filmkunst GmbH., & Co., Verleih KG, Berlin zur Prüfsitzung vom 16.8.1974 Prüfnr. 46758
- Arbeit zitieren
- Cord Gudegast (Autor:in), 1995, Die Gewaltdarstellung in "Death Wish", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146