Die folgende Thesis widmet sich der Frage, inwiefern in Hinblick auf die Attraktivität, die der Rechtsextremismus auf Jugendliche ausübt, Tendenzen in den vergangen zwei Dekaden zu indizieren sind.
Die Gründe für einen Radikalisierungsprozess bei jungen Menschen sind vielfältig. So können nach bisherigen Untersuchungen beispielsweise die Familiensituationen und die sozialen Umstände entscheidend sein. Werden die Biografien von rechtsextremistischen Gewalttätern in den Blick genommen, zeigt sich, dass diese oftmals aus schwierigen Familienverhältnissen (nicht selten mit Gewalterfahrungen) stammen und eher aus „sozial-schwächeren“ Verhältnissen kommen. Im Gegensatz zu anderen Jugendlichen haben sie nur eine geringe emotionale Beachtung von ihren Eltern (insbesondere von den Vätern) erfahren. Zudem sind Akteure der rechtsextremen Szene oftmals nicht in vollständigen Familien groß geworden – sie lebten also mit nur einem Eltern- oder einem Stiefelternteil zusammen. Häufig sind die rechten Ansichtsweisen außerdem bereits in der Familie vorhanden und werden an die jüngeren Generationen weitergegeben.
So gibt es Fälle, bei denen Familienmitglieder (oftmals Großeltern) den jungen Menschen ein positives Bild der NS-Zeit übermitteln. Studien zeigen außerdem, dass Eltern und ihre Kinder ähnliche Ansichten gegenüber ausländischen Mitmenschen haben – was verdeutlicht, dass diese Einstellungen innerhalb der Familie weitergegeben werden. Des Weiteren spielen im Radikalisierungsprozess Jugendlicher auch der Umgang mit Auseinandersetzungen und Verschiedenheiten innerhalb der Familie eine große Rolle. Begünstig wird dieser, wenn junge Menschen eine deutliche Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgruppen vorgelebt bekommen oder bei Konflikten erleben, dass es völlig normal ist, wenn der Stärkere dem Schwächeren überlegen ist und dabei Gewalt eingesetzt wird. Der Beitritt zur rechtsextremen Szene zieht sich meistens über einen längeren Zeitraum und hat, wie zuvor beschrieben, oftmals den Ursprung in schwierigen Erfahrungen der Kindheit oder gewaltbefürwortenden Vorbildern. Dabei muss es sich nicht zwingend um einen politischen Kontext handeln.
Inhaltsverzeichnis
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Thesis
2 Definitionen und Begriffsabgrenzung
2.1 Rechtsextremismus
2.1.1 Definition
2.1.2 Gegenwärtiger Stand/Verbreitung in Deutschland
2.2 Erklärungsansätze für rechtsextreme Orientierungen
2.2.1 Psychologische Ansätze
2.2.2 Soziologische Ansätze
2.2.3 Vergleich beider Ansätze
2.3 Lebensphase Jugend
2.3.1 Definition und Charakterisierung
2.3.2 Abgrenzung der Lebensphase Jugend
2.3.2.1 Pädagogische/ psychologische Perspektive
2.3.2.2 Soziologische Perspektive
3 Jugendliche Rechtsextreme in Deutschland
3.1 Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Soziale Arbeit
3.1.1 Interkulturelles Lernen und interkulturelle Begegnungen
3.1.2 Politische Bildung
3.1.3 Vermittlung von Moral und Menschenrechte auf pädagogischer Ebene
3.1.4 Historisch- politische Bildung
3.2 Förderprogramme und Finanzierung
3.2.1 Aussteigerprogramme
3.3 Ursachen für die Hinwendung zum Rechtsextremismus
3.3.1 Perspektivlosigkeiten
3.3.2 Argumente ausländerfeindlicher Haltungen
3.3.3 Gewalt
3.3.4 Sozialisationsinstanz Familie und Gesellschaft
3.3.5 Protestverhalten und Rebellion
3.3.6 Gruppendynamik
4 Empirische Untersuchung
4.1 Literaturreview
4.2 Methodisches Vorgehen
4.2.1 Recherche und Auswahl der Quellen
4.2.2 Vorgehensweise bei der Systematisierung
4.3 Methodische Limitation
5 Auswertung und Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse
5.1 Handlungsstrategien
5.2 Konzepte
5.2.1 Organisatorische Rahmenbedingungen
5.2.2 Rolle der Sozialen Arbeit
5.3 Faktoren der Attraktivität des Rechtsextremismus gegenüber Jugendlichen in den vergangenen zwei Dekaden
5.3.1 Rechtsextremismus seit dem Jahr 2001
5.3.2 Entwicklungen und Tendenzen
5.3.3 Gegenwärtiger Stand
5.4 Forschungsstand
6 Diskussion der Ergebnisse
7 Fazit
8 LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Rechtsextremismus ist ein komplexes Phänomen. Es existieren die unterschiedlichsten Ursachen und Hintergründe die dazu führen können, dass sich Menschen dem Rechtsextremismus zuwenden. Es gibt kein Patentrezept oder eine eindimensionale Strategie gegen den Rechtsextremismus. Nur mehrdimensionale Methoden und Strategien können diesen erfolgreich bekämpfen.1 Grundsätzlich kann die pädagogische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus nur erfolgreich sein, wenn sie langfristig und kontinuierlich stattfindet. Nur dann kann ein stabiles Vertrauensverhältnis aufgebaut werden (Bsp. Sozialarbeiter / rechte Clique). Leider sind schulische wie außerschulische oder erzieherische Arbeiten zeitlich und finanziell begrenzt, so dass diese Situation nur selten der Fall ist.2 Die Ebenen von Schubarth, welche miteinander Rechtsextremismus bekämpfen können, werden im Folgenden zusammengefasst aufgeführt:
Ökonomische / Soziale Ebene: Um dem Rechtsextremismus begegnen zu können bedarf es dem Abbau sozialer Ungleichheiten. Insbesondere für Jugendliche müssen reale Chancen bestehen einen Ausbildungsplatz und einen Arbeitsplatz zu finden. Die Kluft zwischen arm und reich muss vermindert werden. Ebenso sollte Bildung für alle im gleichen Maß zugänglich sein. Hier kommen besondere Aufgaben auf Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial-, Familien- und Bildungspolitik zu.
Ebene der Polizei und Justiz: Polizei und Justiz können durch präventive und gemeindeorientierte Arbeit dem Rechtsextremismus entgegenwirken und durch schnelles Eingreifen schlimmeres verhindern. Außerdem kann sich gemeindeorientierte, ansatznahe Polizeiarbeit positiv auswirken.
Ebene der Kommune: Lokale Präventionsansätze und Präventivmaßnahmen im Sinne einer demokratischen Kultur können Demokratie- und Toleranzempfinden bei den Bürgern der Gemeinden verbessern.
Alltagsebene: Integrationsangebote und identitäts- stabilisierende Milieuangebote können durch den Ausbau von schulischer oder außerschulischer Jugendarbeit, sozialpädagogischen Beratungsmöglichkeiten sowie Hilfs- und Förderangeboten erfolgen. Schubarth fordert eine „Kultur der Anerkennung“ für Heranwachsende, in welcher diese wichtige Erfahrung wie Solidarität, Gemeinschaft oder Prosozialität in verschiedenen Sozialisationsinstanzen lernen.
Ebene der Pädagogik und der politischen Bildung: Die Förderung des Selbstwertgefühls, die Entwicklung einer moralischen Urteilskompetenz, politische Mündigkeit und die Befähigung zum kritischen Umgang mit veröffentlichter Meinung sind wenige Beispiele dafür, was Kinder und Jugendliche lernen müssen. Durch die Kooperation von politsicher Bildung und Jugendarbeit können die Jugendlichen diese Kompetenzen erwerben.3
1.2 Zielsetzung
Die Gründe für einen Radikalisierungsprozess bei jungen Menschen sind vielfältig. So können nach bisherigen Untersuchungen beispielsweise die Familiensituationen und die sozialen Umstände entscheidend sein. Werden die Biografien von rechtsextremistischen Gewalttätern in den Blick genommen, zeigt sich, dass diese oftmals aus schwierigen Familienverhältnissen (nicht selten mit Gewalterfahrungen) stammen und eher aus „sozial- schwächeren“ Verhältnissen kommen. Im Gegensatz zu anderen Jugendlichen haben sie nur eine geringe emotionale Beachtung von ihren Eltern (insbesondere von den Vätern) erfahren. Zudem sind Akteure der rechtsextremen Szene oftmals nicht in vollständigen Familien groß geworden – sie lebten also mit nur einem Eltern- oder einem Stiefelternteil zusammen. Häufig sind die rechten Ansichtsweisen außerdem bereits in der Familie vorhanden und werden an die jüngeren Generationen weitergegeben.4
So gibt es Fälle, bei denen Familienmitglieder (oftmals Großeltern) den jungen Menschen ein positives Bild der NS-Zeit übermitteln. Studien zeigen außerdem, dass Eltern und ihre Kinder ähnliche Ansichten gegenüber ausländischen Mitmenschen haben – was verdeutlicht, dass diese Einstellungen innerhalb der Familie weitergegeben werden. Des Weiteren spielen im Radikalisierungsprozess Jugendlicher auch der Umgang mit Auseinandersetzungen und Verschiedenheiten innerhalb der Familie eine große Rolle. Begünstig wird dieser, wenn junge Menschen eine deutliche Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgruppen vorgelebt bekommen oder bei Konflikten erleben, dass es völlig normal ist, wenn der Stärkere dem Schwächeren überlegen ist und dabei Gewalt eingesetzt wird.5 Der Beitritt zur rechtsextremen Szene zieht sich meistens über einen längeren Zeitraum und hat, wie zuvor beschrieben, oftmals den Ursprung in schwierigen Erfahrungen der Kindheit oder gewaltbefürwortenden Vorbildern. Dabei muss es sich nicht zwingend um einen politischen Kontext handeln.6
Die folgende Thesis widmet sich der Frage, inwiefern in Hinblick auf die Attraktivität, die der Rechtsextremismus auf Jugendliche ausübt, Tendenzen in den vergangen zwei Dekaden zu indizieren sind.
1.3 Aufbau der Thesis
Im Anschluss an die Einleitung folgt zunächst eine Erörterung jener Definitionen und Begriffsabgrenzungen, die für den weiteren Verlauf der Thesis relevant sind. Hierauf aufbauend erfolgt eine Darstellung von dem Spannungsverhältnis von Jugendlichen und Rechtsextremismus auf nationaler Ebene, woraufhin sich die der Thesis zugrundeliegende Empirie anschließt. Im Anschluss an der Ergebnisdarstellung und Auswertung folgt eine Diskussion jener Ergebnisse. Die Thesis schließt mit einem Fazit über relevante Fakten und Zusammenhänge, die während der Bearbeitung deutlich wurden.
2 Definitionen und Begriffsabgrenzung
2.1 Rechtsextremismus
2.1.1 Definition
Rechtsextremismus ist ein nicht festgelegter Begriff. Er wird kontrovers diskutiert sowie unterschiedlich definiert und verwendet. So werden beispielsweise Staatsformen, welche sich an faschistische- oder nationalistische- Vorbilder orientieren als Rechtsextrem eingestuft. Auch kleinere Gruppierungen werden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet, wenn sie fremdenfeindliche, antidemokratische oder terroristische Ziele verfolgen.7 Die Rechtsextremismusforschung unterscheidet Rechtsextremismus zwischen der Makro- und Mesoebene. Die Makroebene bezieht sich auf Herrschaftssysteme wie dem Nationalsozialismus und Diktaturen, während die Mesoebene sich mit diversen Organisationen und Institutionen beschäftigt. Besonders die politische Willensbildung wird von Organisationen und Institutionen, also der Mesoebene beeinflusst.8
Wie an anderer Stelle bereits erwähnt wird Rechtsextremismus oft mit anderen Schlagwörtern verbunden. Diese sind zwar mit dem Rechtsextremismus verwandt, jedoch haben sie unterschiedliche Bedeutungen. Feindseligkeit, Abwertung und Diskriminierungen gegenüber allem Fremden wird als Fremdenfeindlichkeit bezeichnet. Rassismus hingegen wird auf die biologisch begründete Abwertung anderer Menschen bezogen, während sich der Antisemitismus gezielt auf Menschen jüdischer Herkunft bezieht.9
Im politischen Sinn bezieht sich der Rechtsextremismus auf politische Ziele und Inhalte. Zur Charakterisierung einer rechtsextremen Persönlichkeit erläutert Winkler fünf Merkmale, welche eine SINUS- Studie 1981 aufgezeigt hat:
1. Eine aggressive Grundeinstellung gegenüber Minderheiten, die überzogene Darstellung von Männlichkeit sowie das Verlangen nach einem starken Führer (reaktionäres Menschenbild).
2. Rechtsextremisten fühlen sich ständig bedroht, wie beispielsweise von Ausländern oder der Überschuldung von Deutschland und Europa.
3. Künstler, Intellektuelle und Parteien, welche in der Tradition der Aufklärung stehen, werden mit starken Vorbehalten begegnet.
4. Eine Staats- und Volksgemeinschaft ohne Pluralismus und Parteienkonkurrenz wird angestrebt. Volk, Vaterland und Familie dominiert die Werte- Hierarchie.
5. Der „Siegfried Komplex“: Der Rechtsextreme ist stolz darauf Deutsch zu sein und glaubt, dass das deutsche Volk von linken Journalisten in die Irre geführt wird.10
Stöss definiert den Rechtsextremismus als alle Erscheinungsformen des öffentlichen Lebens, welche sich gegen fundamentale Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates richten.11
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Rechtsextremismus in Deutschland kein ideologisches, einheitliches Gefüge darstellt. Rechtsextreme glauben an die naturgegebene ethnische Ungleichwertigkeit der Menschen. Diese nationalistischen, antisemitistischen und rassistischen Ideologieelemente ergeben ein Werteverständnis des Menschen, welches im totalen Gegensatz zum deutschen Grundgesetz stehen.12
2.1.2 Gegenwärtiger Stand/Verbreitung in Deutschland
Eine weitere Sinus- Studie zeigt auf, dass im Zeitraum von 1994 bis 2001 der Nationalismus auf einem Niveau von 48 Prozent der deutschen Bevölkerung zu finden ist und die Angst vor Überfremdung sich in diesem Zeitraum zwischen 40 und 45 Prozent bewegt.13 Zentrum des Nationalismus ist nicht das gewaltbereite Milieu der Unterschicht, sondern die Mitte der Gesellschaft.14 Nach einer weiteren repräsentativen Untersuchung der ALLBUS Studie aus dem Jahr 1996, sind über die Hälfte der Deutschen der Meinung, dass nur diejenigen eingebürgert werden sollten, welche auch deutscher Abstammung sind. 60 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass nur die eingebürgert werden sollten, welche sich den deutschen Lebensgewohnheiten anpassen und weitere 10 Prozent setzten die Angehörigkeit einer christlichen Kirche zur Einbürgerung voraus.15 Eine Untersuchung des Emnid- Institutes fand heraus, dass 57 Prozent der Befragten straffällige Ausländer abschieben würden, selbst wenn ihnen in ihrer Heimat Folter oder der Tod drohen würde.16 Dieser kleinere Einblick in verschiedene Studien zeigt, inwieweit rechtes oder sogar rechtsextremes Gedankengut in der Bevölkerung vorhanden ist. Der Slogan der Rechtsextremen „Deutschland den Deutschen“ ist demzufolge in den Köpfen vieler Menschen vorhanden.
2.2 Erklärungsansätze für rechtsextreme Orientierungen
2.2.1 Psychologische Ansätze
Einen Klassiker der Rechtsextremismusforschung bilden die Theorien um den ‚autoritären Charakter‘. Bezugspunkt dieser Erklärungen findet sich auf der Mikroebene, das heißt, dass „psychologische, [und] persönlichkeitsbezogene Merkmale“17 betont werden. Bei dem Konzept des ‚autoritären Charakters‘ wird die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen als Ursache für rechtsextremistische Orientierung gesehen.18
Als einer der Vorreiter dieses Konzepts gilt der Frankfurter Soziologe Theodor W. Adorno. Das Konzept baut auf „Ergebnissen der Vorurteilsforschung, der Freudschen Psychoanalyse und Sozialpsychologie“19 auf.
Der ‚autoritäre Charakter‘ meint „autoritäre, vorurteilsbehaftete Charakterstrukturen“20 . Daraus ergeben sich Persönlichkeitsmerkmale, wie beispielsweise der „Konventionalismus, autoritäre Unterwürfigkeit, aggressive Autoritätssucht, Aberglaube und Stereotypie“21 . Es findet somit eine außerordentliche Orientierung an Normen und Autoritäten statt, welche sich zum einen durch eine Suche nach Führungspersonen, denen man sich unterwerfen kann, äußert und zum anderen in der Forderung der Unterwerfung anderer Menschen.22 Im theoretischen Diskurs wird dieses Verhalten oftmals mit dem Synonym des ‚Radfahrens‘ umschrieben. Der Radfahrer, „der nach oben buckelt (autoritäre Unterordnung), nach unten tritt (autoritäre Aggressivität) und dabei in Schienen, beziehungsweise mit Stützrädern fährt (Konventionalismus)“23 .
Als Grund für diesen Persönlichkeitstyp sieht Adorno einen autoritären Erziehungsstil in der Kindheit. Besonders die Rolle des Vaters sei dabei hervorzuheben. Eine autoritäre Erziehung, besonders durch den Vater als ‚Oberhaupt‘ der Familie, zeichnet sich durch Strenge, Bestrafung und emotionale Distanz aus. Diese Form der Erziehung sollte, so Adorno und seine Nachfolger, zur Folge haben, dass das Kind lernt sich in der Unterwerfung wohl zu fühlen, aber zugleich imstande ist die Macht, besonders die von Anderen, zu lieben. Solch innere Überzeugung wiederum führe zu den oben beschriebenen Persönlichkeitsmerkmalen, welche im Rechtsextremismus voll ausgelebt werden können.24
Aufgrund zahlreicher Kritik an diesem Modell (auf die an späterer Stelle eingegangen wird) entwickelte der deutsche Geisteswissenschaftler Detlef Oesterreich mit unter das Erklärungsmodell des modifizierten Autoritarismuskonzept.25 Dieser soll auf Grund seiner Aktualität im Forschungsstand hier kurz in seinen Grundzügen dargestellt werden.
Detlef Oesterreich baut aus dem Konzept Ulrich Becks einer „Risikogesellschaft“ auf. Gemeint ist, dass die modernen demokratischen Gesellschaften zum einen mehr Freiheit bieten, zum anderen aber auch einen Druck von Entscheidungen begünstigen. Sie verhalten sich gewissermaßen ambivalent. Somit können Gefühle wie Überforderung schnell die Folge sein.26
An dieser Behauptung setzt Detlef Oesterreich an und ist der Überzeugung, dass jeder Mensch sich an Machthabern orientiert, wenn ein großer situativer Druck vorliegt, der Angst und Verunsicherung hervorruft. Dies bezeichnet er als „Basisreaktion menschlichen Verhaltens“27 . Die Suche nach Sicherheit bei Machthabern bezeichnet er als ‚autoritäre Reaktion‘. Diese beschreibt er als anthropologische Konstante und versucht damit das Konzept eines autoritären Charakters neu zu begründen.28
Der Grund für eine autoritäre Persönlichkeit und eine eventuelle Orientierung zum Rechtsextremismus besteht demnach darin, dass Menschen im Laufe ihres Lebens nicht ausreichend gelernt haben Konflikte zu lösen, weshalb sie in Konfliktsituationen mit einer ‚autoritären Reaktion‘ reagieren.29
2.2.2 Soziologische Ansätze
Eine Möglichkeit der Herangehensweise für die Rechtsextremismusforschung bilden Erklärungsansätze, welche auf gesamtgesellschaftliche Einflüsse abzielen.30 Der Bezugspunkt dieser Erklärungsansätze findet sich demnach auf der Makroebene. Einen der bedeutendsten Ansätze bildet „die These von Desintegrations- bzw. Modernisierungsverlierern“31 des deutschen Pädagogen Wilhelm Heitmeyer.
Zur Skizzierung seines Ansatzes für die Entstehung rechtsextremer Orientierung bei Jugendlichen, ist es zunächst notwendig sich mit Heitmeyers begrifflichen Dimension von Rechtsextremismus auseinanderzusetzen.
Heitmeyer fordert den Begriff des ‚soziologischen Rechtsextremismus‘ ein, „der die ökonomischen und sozialen Entstehungsmomente mit umfassen will“32 . Zur weiteren Definition des Begriffes beschreibt Heitmeyer zwei Grundelemente, die für rechtsextremistische Orientierungsmuster und Handlungsweisen verantwortlich sind, wenn diese zusammen auftreten.33
Das erste Element zeigt sich in der ‚Ideologie der Ungleichheit‘, welches sich auf zwei Dimensionen widerspiegelt. Die erste Dimension zeigt sich in gruppenbezogenen Abwertungen. Diese konkretisiert sich inhaltlich, beispielsweise im Nationalismus, rassistischen Überzeugungen und Anderen.34 Die zweite Dimension zeigt sich in lebensweltbezogenen Ausgrenzungsforderungen. Dies zeigt sich besonders in der Ungleichbehandlung von Anderen auf sozialer, ökonomischer, kultureller, rechtlicher und politischer Ebene.35
Das zweite Element des soziologischen Rechtextremismus zeigt sich für Heitmeyer in der Gewaltakzeptanz von Jugendlichen. Diese äußert sich für ihn in vier zentralen Varianten. Zunächst in der Überzeugung, dass Gewalt unabänderlich existiert. In der zweiten Variante geht er davon aus, dass fremdausgeübte Gewalt gebilligt wird. Die vorletzte Stufe meint die eigene Gewaltbereitschaft, also sich vorstellen zu können, selbst Gewalt anzuwenden. Zuletzt sieht Heitmeyer die tatsächliche Gewalttätigkeit. Diese vier Varianten sind als jeweilige Steigerung anzusehen.36 Diese Stufen legitimieren Gewalt nach und nach als Lösung für Konflikte, was unterschiedliche Folgen mit sich zieht; beispielsweise werden Diskussionen und ähnliches abgelehnt, es kommt zu einer Betonung des alltäglichen Kampfes ums Überleben und ähnliches.
Aus den zwei dargestellten Grundelementen für Rechtsextremismus nach Heitmeyer ergeben sich für ihn zwei Zugangsweisen, inwiefern beide in Verbindung zueinanderstehen. Der erste Zugang führt über das Element der Gewaltakzeptanz. Dabei bildet das Element der Ideologie der Ungleichheit die Legitimationsfunktion für die Gewalt. Den zweiten Zugangsweg zum Rechtsextremismus sieht Heitmeyer über die Ideologie der Ungleichheit. Dabei wird die Gewaltakzeptanz zur Durchsetzung benötigt.37
Dennoch betont Heitmeyer, dass „die Entstehung und Verlaufsformen rechtsextremistischer Orientierung und Handlungsweisen eng mit den widersprüchlichen, ambivalenten Modernisierungsprozessen verbunden“38 sind.
Dies ist auch der Anknüpfpunkt für Heitmeyers Theorie der Desintegration. Heitmeyer sieht die Hauptursache für rechtsextreme Orientierung in der Modernisierung. Er bezieht sich auf das Konzept einer ‚Risikogesellschaft‘ von Ulrich Beck.39 Ulrich Beck versteht unter ‚Risikogesellschaft‘ eine gesellschaftliche Situation, welche gekennzeichnet ist, durch Individualisierungsprozesse, Enttraditionalisierung und die Pluralisierung von Lebensstilen.40 Diese Kennzeichen bringen zum einen mehr Freiheiten und Entscheidungsmöglichkeiten mit sich, zum anderen aber auch einen Entscheidungsdruck. Die Individualisierungsschübe sind für Heitmeyer der Grund für soziale, berufliche und politische Desintegrationsprozesse, die Jugendlichen das Gefühl geben können, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Diese Desintegrationsprozesse rufen, laut Heitmeyer, Handlungsunsicherheit, Ohnmachtserfahrungen und Vereinzelungserfahrungen hervor.41
Der Begriff der Handlungsunsicherheit führt Heitmeyer auf die „Auflösung der beruflichen Normalbiographie, auf Statusverunsicherungen und auf die Entstrukturierung der Lebensphase Jugend“42 zurück. Dies hat zur Folge, dass Jugendliche sich flexibel Verhalten müssen. Auch Orientierung und Handlungsweisen dürfen sich bei Jugendlichen nicht festsetzen, da so die Flexibilität verloren gehen würde. Das führt dazu, dass Jugendliche nach Gewissheit suchen, um Handlungsunsicherheit zu überwinden. Zu der gesuchten Gewissheit gehört auch der Bezug auf Normanweisungen, die Identifikation mit Stärke und die Einordnung in natürliche Hierarchien. In solch einer Umgebung ist es den Jugendlichen möglich Stärke und Selbstbewusstsein zu entwickeln.43 Hier sieht Heitmeyer den Ansatzpunkt für die Ideologie der Ungleichheit und schreibt: „Der Ansatzpunkt liegt darin, nicht bearbeitete ökonomisch-sozial verursachte Entfremdungsangst in Überfremdungsangst umzuwandeln“44 .
Ohnmachtserfahrungen sind zurückzuführen auf Konkurrenzbedingungen, welche sich als übermächtig erweisen. Sie erzeugen gewissermaßen das Gefühl nichts tun zu können. In solchen Situationen wird Gewalt oft als „subjektives sinnhaftes Mittel“45 zur Lösung gesehen. Die Handlung der Gewalt benötigt eine Legitimierung, weshalb, so Heitmeyer, Gruppen, Konzepte oder ähnliches gesucht werden, wo dies der Fall ist. Somit entsteht eine Einstellung nach der Maxime „Der Stärkere soll sich durchsetzen“46 .
Der Begriff der Vereinzelungserfahrungen ist zurückführbar auf die Auflösung sozialer Milieus. Damit geht die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen verloren, welche für Heitmeyer Jugendlichen in Krisenzeiten Stabilität verleihen könnten. Durch die Auflösung der sozialen Milieus gewinnen Kategorien, die naturgegeben sind, wie zum Beispiel Hautfarbe, an Bedeutung. Jugendliche suchen demnach nach umstandsloser und leistungsunabhängiger Zugehörigkeit.47
Somit führen für Heitmeyer Desintegrationsprozesse, welche durch die Modernisierung hervorgerufen werden, bei Jugendlichen zu rechtsextremen Orientierungen.
2.2.3 Vergleich beider Ansätze
Die beiden dargestellten Erklärungsansätze für rechtsextremistische Orientierung bei Jugendlichen weisen mittlerweile einen beinahe historischen Ursprung auf. Zur Überprüfung der Aktualität dieser, sollen in den nachfolgenden beiden Ansätzen kritisch gegenübergestellt werden.
In dem Konzept von Wilhelm Heitmeyer findet sich der erste Kritikpunkt darin, dass Heitmeyer Rechtsextremismus lediglich als ein Jugendproblem beschreibt. Verwirrend wirkt die Tatsache, dass Heitmeyer in seinen Studien auch junge Erwachsene im Alter von über 20 Jahren als Jugendliche bezeichnet.48
Oftmals wurde Heitmeyer vorgeworfen, dass er den Rechtsextremismus als eine normale Reaktion auf die Modernisierungsprozesse beschreibt. Birgit Rommelspacher spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚Täterentlastung‘.49 Gemeint ist, dass der Rechtsextremismus dadurch seine Bedrohlichkeit verliert und es entsteht der Anschein als sei eine rechtsextremistische Orientierung etwas legitimes.
Ein weiterer Kritikpunkt findet sich in der Definition des Rechtsextremismuses von Heitmeyer. Der Zusammenfluss der ‚Ideologie der Ungleichheit‘ und einer Gewaltaffinität reicht nicht aus „für eine wissenschaftlich präzise Definition der ganzen politischen Richtung, die in verschiedenen Gruppierungen, Organisationen und Parteien formiert“.50 Beide Elemente sind unabhängig voneinander wirksam. Darüber hinaus sei die Kombination der beiden Elemente zu komplex, so dass eigene Erklärungsansätze für die Gewaltaffinität gefordert worden sind.51
Auch das Desintegrationstheorem von Heitmeyer blieb nicht lang ohne Kritik. Zunächst tauchte die Frage auf, weshalb Desintegrationserfahrungen ausschließlich zu einer rechtsextremistischen Orientierung führen würden, da anzunehmen ist, dass jeder Jugendliche solche Erfahrungen anders verarbeitet.52 Ein anderer Punkt findet sich in zahlreichen Studien, die aufzeigen, dass nicht die ‚Modernisierungsverlierer‘ zu rechtsextremistischen Orientierungen neigen, sondern die ‚integrierten Jugendlichen‘. So zeigte beispielsweise die Analyse zahlreicher Gerichts- und Ermittlungsakten, dass lediglich ein kleiner Teil fremdenfeindlicher jugendlicher Gewalttäter zuvor Desintegrationserfahrungen erlebt haben.53
Somit galt das Desintegrationstheorem bald als widerlegt, woraufhin Heitmeyer mit der Instrumentalisierungsthese reagierte. Heitmeyer versteht diese als „ein affines Muster der industriegesellschaftlichen Verwertungslogik. Sie verbindet sich mit dem in der Ambivalenz von Individualisierungsprozessen immer auch eingelagerten Zwang zur Selbstdurchsetzung. Diese zeigt sich in Vereinzelungsprozessen und fördert ihrerseits die Lockerung von sozialen Beziehungen“54 . Die beschriebene Selbstdurchsetzung wird dabei durch die Abwertung von Anderen leichter. Legitimiert werden kann dies dann durch die ‚Ideologie der Ungleichheit‘ und durch die Gewaltaffinität.55
Trotz aller Kritik bildet der Erklärungsansatz von Heitmeyer für rechtsextremistische Orientierung bei Jugendlichen die Grundlage für zahlreiche Konzepte der Jugendarbeit. Gewissermaßen begründet der Ansatz die „Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung institutioneller pädagogischer Strukturen“56 . Dies bietet auch der Politik Vorteile. Durch die Finanzierung der Jugendarbeit seitens der Politik, kann diese sich als Kämpfer gegen den Rechtsextremismus auszeichnen, ohne dabei eigene Konzepte entwickeln zu müssen.57 Dies ist vermutlich einer der Gründe, weswegen Heitmeyers Ansatz bis heute Bestand hat. Anders verhält es sich mit den Theorien um den autoritären Charakter, welche bis heute umstritten sind.
Die Theorie von Theodor W. Adorno verlor schnell seine Attraktivität, da kritisiert wurde, dass Rechtsextremismus nicht ausschließlich auf der individuellen-psychologischen Ebene erklärbar sei. Dabei würde die Situationsspezifik verloren gehen.58 Das Konzept von Detlef Oesterreich hingegen findet bis heute, trotz Kritik, Attraktivität im wissenschaftlichen Diskurs.
Kritisiert an diesem Modell wurde mehrfach, dass Oesterreich davon ausgeht, dass Angst und Verunsicherung, wenn keine ausreichenden Bewältigungsstrategien entwickelt wurden, immer in der Zuwendung zur rechten Szene enden.59 Ähnlich wie bei Heitmeyers Ansatz fehlt hier eine deutliche Erklärung.
Ebenfalls fehlt Oesterreich eine ausreichende Erklärung dafür, dass sich die entstehende Aggression, durch die autoritäre Reaktion, gerade gegen Ausländer richtet.60 Oftmals wurde Oesterreich sein Vorgehen in Studien, die er als Grundlage für sein Erklärungsmodell benutzt, zum Vorwurf gemacht. In diesen Studien soll Oesterreich Antwortvorgaben genutzt haben, welche nicht deutlich auf eine rechtsextremistische Orientierung hinweisen.61
Ebenfalls unbehandelt bleibt bei Oesterreich die Frage, wann genau die autoritäre Reaktion ausgelöst wird. Gerade dieser Kritikpunkt scheint den Entscheidungspunkt zu bilden, weshalb der Ansatz im wissenschaftlichen Diskurs noch immer eine große Rolle spielt.
Im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs gibt es den ersten Versuch die beiden hier dargestellten Erklärungsansätze zu vereinen, „da insbesondere Desintegrationswahrnehmungen und -gefühle nicht als unabhängig von der psychischen Struktur einer Person betrachtet werden können“62 .
Ansatzpunkt ist dabei die Auflösung der autoritären Reaktion von Oesterreich durch desintegrationstheoretische Überlegungen von Heitmeyer zu erklären.63
Zwar beweisen erste Querschnitt-Analysen Zusammenhänge der beiden Erklärungsansätze, dennoch liegen keine ausreichenden Befunde in Form von Längsschnitt-Analysen vor.64
Somit zeigt sich, dass bis heute kein völlig zufriedenstellender Erklärungsansatz vorliegt, dennoch scheint ein großes Potential in der Rechtsextremismusforschung vorzuliegen. Das Problem liegt hier wahrscheinlich „an personellen und finanziellen Bedingungen.“
2.3 Lebensphase Jugend
2.3.1 Definition und Charakterisierung
Bei empirischen Jugendstudien ist eine Verlagerung der Pubertät und eine Verlängerung der Ausbildungszeiten zu berücksichtigen, da sich die gesamte Lebensphase der Jugend in den vergangenen Jahrzehnten ausgedehnt hat. Die sozialstrukturellen, geschlechtsbezogenen und herkunftsbezogenen Differenzierungen sowie die Altersunterschiede innerhalb der Jugendphase sind weitere wichtige Ansätze, die genauer betrachtet werden müssen. Hier unterscheiden wir nach dem Einteilungsschema, welches im Form des deutschen Kinder- und Jugendhilfegesetzes (§ 7 KJHG/SGB VIII) vorzufinden ist. In dieser Aufstellung gibt es die Einteilung in eine pubertäre Phase (ca. 12 bis 17 Jahre). Hierbei wird von Jugendlichen im engeren Sinn gesprochen. Weiteres gibt es die Eingrenzung in Jugendliche als Heranwachsende in einer „nachpubertären“ Phase (ca. 18 bis 21 Jahren). Das Erreichen der vollen Rechtsmündigkeit bis zum Abschluss der Erstausbildung (21 Jahre bis ca. Ende des zweiten Lebensjahrzehnts) wird mit dem Begriff des Erwachsenen beschrieben.
2.3.2 Abgrenzung der Lebensphase Jugend
2.3.2.1 Pädagogische/ psychologische Perspektive
Die Erziehungswissenschaftler und die Sozialpädagogen hatten im 18. Jahrhundert den „jungen Herrn“ als „hoffnungsvollen Jüngling“, der aus dem Adel kam, beschrieben, indem nicht vom begrifflichen, sondern auch vom kulturellen Wandel ausgegangen wurde. Der Begriff „Jugendlicher“ war mit einer negativen Assoziation und Metapher verbunden, was mit neuen Rechtsvorgaben und internationalen Diskussionen wieder aufgehoben wurde. Auch die anderen Bezeichnungen wie Jüngling verloren an Aussagekraft und Bedeutung. Der allgemeine Begriff „Jugendlicher“ setzte sich schließlich auch in den Bereichen der Pädagogik, Psychologie und Medizin durch.
Im Schulwesen gibt es die Möglichkeit, gezielt zwischen Jugendlichen und Kindern zu unterscheiden. Hierfür führten die Lehrer eine Hilfskonstruktion ein, die vorwiegend in der Schulpraxis zu finden ist. Danach gibt es die Bezeichnung Schüler, die sich auf die Institution Schule konzentriert und welche zwei Übergangsphasen hat: der Eintritt in die Schule als Beginn der Jugendphase und das Verlassen der Schule als ein Ende der Jugendphase. Hier wurde das Feld durch pädagogische Institutionen definiert, wie es Sabine Andresen näher beschreibt.65
Das Hauptaugenmerk wird auf die altersgruppentypischen Voraussetzungen und Folgen, vom Erlernen, der Erziehung, der Bildung und den Auswirkungen der Sozialisation in den Schulen, den Einrichtungen (Jugendzentren und Jugendverbände) gelenkt. Der Erziehungswissenschaftler Peter Dudek stellt in seiner Studie über die „Jugend als Objekt der Wissenschaften“ die These auf, dass das Nachdenken über die Jugend und die Selbstthematisierung des Jugendalters in bestimmten Gesellschaftsformen keine neuen Erscheinungen seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts seien, aber dass die gesellschaftliche Bedeutung des Jugendphänomens seit dieser Zeit zugenommen habe.66
Die Differenzierung, Pluralisierung, Globalisierung und Medialisierung in ihren schicht-, milieu- und altersspezifischen sowie subkulturellen Zugehörigkeiten und Grenzziehungen machen beinahe unmöglich, diesen irrational verschlissenen Begriff klar einzugrenzen. Das „Subjekt“ in den jugendlichen Lebenslagen, jugendkulturellen Milieuzusammensetzungen und Lebensstilen kann als ein „ständig wandelndes Phänomen“ im Individualisierungs- und Selbstfindungsprozess mit vielen Mischformen und Übergängen, die nicht eindeutig voneinander getrennt werden können, definiert werden. Der Soziologe Roland Hitzler schlägt vor, bei der Problematik Jugend auch von einem sozialen Phänomen auszugehen, das durch eigenständige Inhalte und Lebensvollzugsformen Konturen gewinnt und welches weitgehend losgelöst von scharfen Altersgrenzen ist.67
2.3.2.2 Soziologische Perspektive
Ein sozialwissenschaftlicher Jugendbegriff berücksichtigt, dass es sich um keine homogene Sozialgruppe mit gemeinsamen und einheitlichen Lebensverhältnissen und ohne gleiches Verhaltensmuster handelt. Der Soziologe E. K. Scheuch fordert eine soziale Differenzierung von Jugend, denn nach seinen Worten existiert die „Jugend“ als solche nicht. Er möchte die soziale „Differenziertheit von Jugend“ theoretisch, empirisch und systematisch berücksichtigen. In diesem Sinne werden die grundlegenden gesellschaftlichen Strukturen, d. h. die Strukturen der sozialen Ungleichheit, wie z. B. die unterschiedlichen sozialen Klassen, Schichten und die Milieus, mit dem existierenden hierarchisch gegliederten Bildungssystem sowie der gesellschaftlichen Geschlechterordnung in Verbindung gebracht. Diese beeinflussen jeden einzelnen Jugendlichen in seinen Lebensphasen differenziert und subjektiv.
Albert Scherr fasst diesen Begriff folgend zusammen:
„Jugend ist eine gesellschaftlich institutionalisierte und intern differenzierte Lebensphase, deren Abgrenzung und Ausdehnung sowie deren Verlauf und Ausprägung wesentlich durch soziale (sozialstrukturelle, ökonomische, politische, kulturelle, rechtliche, institutionelle) Bedingungen und Einflüsse bestimmt ist. Jugend ist keine homogene Lebenslage oder Sozialgruppe, sondern umfasst unterschiedliche, historisch veränderliche, sozial ungleiche und geschlechtsbezogen differenzierte Jugenden. [...] Jugend ist auch ein kulturelles Konzept: Für jeweilige Jugenden sind Erwartungen (Normalitätsmodelle, Normen, Werte, ideale) bedeutsam, denen gesellschaftliche bzw. milieuspezifische Annahmen darüber zu Grunde liegen, was Jugendliche kennzeichnet, was ihnen angemessen ist und welche Chancen und Risiken das Jugendalter kennzeichnen.“ [68]
3 Jugendliche Rechtsextreme in Deutschland
3.1 Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Soziale Arbeit
3.1.1 Interkulturelles Lernen und interkulturelle Begegnungen
Interkulturelles Lernen kann in allen Altersstufen dazu beitragen, dass Feindseligkeiten oder Ängste zwischen Personengruppen verschiedener Herkunft abgebaut werden oder gar nicht erst entstehen. Interkulturelles Lernen zielt darauf ab, dass sich verschiedene ethnisch- kulturelle Menschengruppen begegnen und kennen lernen. Ziel ist es für alle Gruppen, interkulturelle Kompetenzen zu erwerben. Beispielhaft sind hier internationale Jugendaustausche zu nennen, mit denen die Pädagogik versucht, das gegenseitige Kennenlernen unterschiedlicher Kulturen zu ermöglichen.69
[...]
1 vgl. Schubarth; Stoess 2001, S.254.
2 vgl. ebd., S.255.
3 vgl. ebd., S.256.
4 vgl. Knipping-Sorokin; Stumpf; Koch 2016, S.17.
5 vgl. Rieker 2009, S.9.
6 vgl. Knipping-Sorokin; Stumpf; Koch 2016, S.17.
7 vgl. Rieker 2009, S.11.
8 vgl. Winkler In: Schubarth; Stoess 2001, S.40.
9 vgl. Rieker 2009, S.12.
10 vgl. Winkler In: Schubarth; Stoess 2001, S.45.
11 vgl. Stoess 1989, S.19.
12 vgl. Bundesministerium des Innern 2013, S.52.
13 vgl. Rommelspacher 2006, S.99.
14 vgl. ebd.
15 vgl. ebd.
16 vgl. ebd.
17 vgl. Bundesministerium des Innern 2003, S.37.
18 vgl. Bundesministerium des Innern 2003, S.38.
19 Fischer 2006, S.74.
20 Stoess 2004, S.73.
21 Birzer 1996, S.191-203.
22 vgl. Fischer 2006, S.74.
23 Funke 1999 zit. n. Fischer 2006, S.74.
24 vgl. Fischer 2006, S.74.
25 vgl. Fischer 2006, S.76.
26 vgl. Fischer 2006, S.78.
27 Oesterreich 1998 zit. n. Fischer, 2006, S.76.
28 vgl. Fischer 2006, S.77.
29 vgl. Fischer 2006, S.77.
30 Bundesministerium des Innern 2003, S.9.
31 Bundesministerium des Innern 2003, S.9.
32 Heitmeyer 1992, S.13.
33 vgl. Heitmeyer 1992, S.14.
34 vgl. Heitmeyer 1992, S.13.
35 vgl. Heitmeyer 1992, S.13.
36 vgl. Heitmeyer 1992, S.14.
37 vgl. Heitmeyer 1992, S.14.
38 Heitmeyer 1992, S.16.
39 vgl. Butterwegge 2000, S.24.
40 vgl. Butterwegge 2000, S.24.
41 vgl. Butterwegge 2000, S.25.
42 Heitmeyer 1992, S.213.
43 vgl. Heitmeyer 1992, S.213.
44 Heitmeyer 1992, S.213.
45 Heitmeyer 1992, S.214.
46 vgl. Heitmeyer 1992, S.214.
47 vgl. Heitmeyer 1992, S.214.
48 vgl. Fischer 2006, S.33.
49 vgl. Butterwegge 2000, S.26.
50 Butterwegge 2000, S.25.
51 vgl. Fischer 2006, S.33.
52 vgl. Birzer 1996, S.79.
53 vgl. Birzer 1996, S.79.
54 Heitmeyer 1992 zit. n. Fischer 2006, S.31.
55 vgl. Fischer 2006, S.31.
56 Fischer 2006, S.43.
57 vgl. Fischer 2006, S.43.
58 vgl. Fischer 2006, S.82.
59 vgl. Fischer 2006, S.82.
60 vgl. Fischer 2006, S.83.
61 vgl. Fischer 2006, S.85.
62 Rippl u.a. 2012, S.295.
63 vgl. Rippl u.a 2012, S.296.
64 vgl. Rippl u.a 2012, S.306.
65 vgl. Gerwens 2005, S.58ff.
66 vgl. Dudek 1990, S.22f.
67 vgl. Hitzler 2000, S.1f.
68 Hitzler 2000 S.1
69 vgl. Rieker 2009, S.71.
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- Anonym,, 2021, Attraktivität von Rechtsextremismus für junge Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1144609
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