Es gab einmal eine Zeit, in der „die bürgerliche Gesellschaft Mäßigkeit und Gemächlichkeit in allen Lebensformen als die einzig wirksame Tugend des Menschen“ (Zweig 1994, S. 52) proklamierte; eine Zeit, in der junge Menschen „als ein bedenkliches Element (galten), das möglichst lange ausgeschaltet oder niedergehalten werden mußte.“ (Zweig 1994, S. 52). In dieser Zeit, ich denke dabei an das 19. Jahrhundert, wurden 18-Jährige wie Kinder behandelt, 30-Jährige Männer „als unflügges Wesen betrachtet, und selbst der Vierzigjährige noch nicht für eine verantwortliche Stellung als reif erachtet.“ (Zweig 1994, S. 53). Heute zählt man mit 40 schon fast zum alten Eisen und findet als Arbeitslose(r) nur sehr schwer zurück in den Arbeitsmarkt. Und so gut wie alle versuchen so lange wie möglich das jugendliche Aussehen zu bewahren. Somit ist es im 21. Jahrhundert kaum noch vorstellbar, dass damals „Jugend zur Hemmung in jeder Karriere wurde und nur Alter zum Vorzug.“ (Zweig 1994, S. 53). Wir erleben heute das komplementäre Extrem: Den Jugendwahn auf dem Arbeitsmarkt. In meiner Hausarbeit möchte ich mich mit diesem Phänomen auseinandersetzen und die Frage klären, ob man mit 50plus in Zeiten des demographischen Wandels wirklich schon bzw. immer noch als Leiche auf dem Arbeitsmarkt gilt. Hierzu werde ich als erstes einige Annahmen und Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes darlegen, darauf begründend die Konsequenzen des demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt diskutieren und zum Schluss Potential und Gesundheit der älteren ArbeitnehmerInnen aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Der demographische Wandel
1.1 Zahlen und Fakten
1.2 Politische Herausforderungen
2 Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt
2.1 Erwerbsarbeit und Alter
2.2 Arbeitslosigkeit und Alter
2.3 Rentenzugang und Alter
2.4 Beispiele aus der Praxis
3 Ältere ArbeitnehmerInnen
3.1 Bedeutung und Qualifikation
3.2 Gesundheit
Zusammenfassende Schlussbemerkungen
Bibliographie
Einleitung
Es gab einmal eine Zeit, in der „die bürgerliche Gesellschaft Mäßigkeit und Gemächlichkeit in allen Lebensformen als die einzig wirksame Tugend des Menschen“ (Zweig 1994, S. 52) proklamierte; eine Zeit, in der junge Menschen „als ein bedenkliches Element (galten), das möglichst lange ausgeschaltet oder niedergehalten werden mußte.“ (Zweig 1994, S. 52). In dieser Zeit, ich denke dabei an das 19. Jahrhundert, wurden 18-Jährige wie Kinder behandelt, 30-Jährige Männer „als unflügges Wesen betrachtet, und selbst der Vierzigjährige noch nicht für eine verantwortliche Stellung als reif erachtet.“ (Zweig 1994, S. 53). Heute zählt man mit 40 schon fast zum alten Eisen und findet als Arbeitslose(r) nur sehr schwer zurück in den Arbeitsmarkt. Und so gut wie alle versuchen so lange wie möglich das jugendliche Aussehen zu bewahren. Somit ist es im 21. Jahrhundert kaum noch vorstellbar, dass damals „Jugend zur Hemmung in jeder Karriere wurde und nur Alter zum Vorzug.“ (Zweig 1994, S. 53). Wir erleben heute das komplementäre Extrem: Den Jugendwahn auf dem Arbeitsmarkt. In meiner Hausarbeit möchte ich mich mit diesem Phänomen auseinandersetzen und die Frage klären, ob man mit 50plus in Zeiten des demographischen Wandels wirklich schon bzw. immer noch als Leiche auf dem Arbeitsmarkt gilt. Hierzu werde ich als erstes einige Annahmen und Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes darlegen, darauf begründend die Konsequenzen des demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt diskutieren und zum Schluss Potential und Gesundheit der älteren ArbeitnehmerInnen aufzeigen.
1 Der demographische Wandel
1.1 Zahlen und Fakten
Deutschland ist mit circa 82,5 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Land in der Europäischen Union. Dieser Zustand allerdings wird nicht von langer Dauer sein, denn in den nächsten Jahrzehnten wird sich die Bevölkerungszahl in der BRD reduzieren, was die folgende Grafik anschaulich verdeutlicht (vgl. Nörber 2007, S. 30).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: http://www.bpb.de/popup/popup_bild.html?guid=BKH7J9, 02.05.08
Im Jahr 2030 werden mehr als fünf Millionen Menschen weniger in Deutschland leben als 2005. Dieser Bevölkerungsrückgang macht sich besonders bei der Gruppe der unter 20-Jährigen bemerkbar. Durch die anhaltend schwachen Geburtenraten werden 2030 circa ein Viertel weniger Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik leben als heute. Auch die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20- bis 64-Jährige) wird um 15% bzw. 7,7 Millionen Menschen absinken. Im Gegensatz dazu nimmt die Gruppe der über 65-Jährigen im gleichen Zeitraum um 40% zu (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2007, S. 8).
Einflussfaktoren auf die Bevölkerungsentwicklung sind die Lebenserwartung, die Geburten-, sowie die Zu- bzw. Abwanderungsrate. Seit 130 Jahren können wir in Deutschland einen kontinuierlichen Rückgang der Sterblichkeit und einen Anstieg der Lebenserwartung verzeichnen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006, S. 12). Den Kontrast dazu bildet die Geburtenentwicklung. Lag die Geburtenziffer in der Nachkriegszeit noch bei 2,5 Kindern pro Frau, so sind es 2004 nur noch 1,37 Kinder je Frau (vgl. Statistisches Bundesamt 2006, S. 3). Man geht sogar davon aus, dass das Geburtendefizit 2050 viermal so hoch sein wird wie im Jahr 2005 (vgl. Statistisches Bundesamt 2006, S. 32).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: www.arbeitundalter.at, 27.02.2008
Die jungen Menschen werden zukünftig zu einer gesellschaftlichen Minderheit gehören. Ein kurzer Vergleich macht dies deutlich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Vergleich Bevölkerungszahl gestern und zukünftig
Wie man in Tabelle 1 sieht, hat sich das Verhältnis jung zu alt fast umgekehrt (vgl. Nörber 2007, S. 31).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: www.arbeitundalter.at, 27.02.2008
Im Vergleich zu Japan und den USA wird die Europäische Union ab 2015 das höchste Durchschnittsalter der Bevölkerung aufweisen (vgl. www.arbeitundalter.at, 27.02.2008).
1.2 Politische Herausforderungen
Diese Entwicklung verändert nicht nur die Beziehungen zwischen den Generationen, sondern erfordert auch ein Umdenken von Wirtschaft und Industrie. Der Jugendwahn auf dem Arbeitsmarkt wird dank solcher Fakten nicht mehr lange bestehen können. Seit längerer Zeit wird, bezogen auf die Auseinandersetzung mit dem demographischen Wandel, „immer wieder auf Veränderungsprozesse hingewiesen, die in ihren Auswirkungen zu grundlegenden Verschiebungen in nationalen Gesellschaftsordnungen […] führen werden.“ (Nörber 2007, S. 32). Zu beachten ist nun, „dass den sich hieraus ergebenden Herausforderungen nicht mit einem begrenzten Denken und Handeln in Legislaturperioden begegnet werden kann.“ (Nörber 2007, S. 32). Diese Erkenntnis dringt jedoch nur langsam und ansatzweise in das politische System ein, „das durch einen tagespolitisch geprägten Verdrängungsmechanismus bestimmt zu sein scheint.“ (Nörber 2007, S. 32). Beispielsweise ist schon seit Jahrzehnten bekannt, dass die Zahl der zu versorgenden RuheständlerInnen bis 2050 um 10 Millionen anwachsen wird, während sich die Gruppe der Erwerbsfähigen um 16 Millionen verkleinert, und trotzdem werden keine grundlegenden gesellschaftlich notwendigen Entscheidungen getroffen. Lediglich ein verstärktes ‚Veränderungsverhalten’ ist zu beobachten. Der Deutsche Bundestag rief in den 1990er Jahren eine Enquete-Kommission zur Untersuchung des demographischen Wandels ins Leben und erweckte bei der Bevölkerung den Eindruck, als ob diese Aufgabe hohe Priorität hätte. Leider trog dieser Eindruck. Die Kommissionsarbeit verlief im Sande. Es wurde weder ein Abschlussbericht verfasst, noch wurden politische Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen abgeleitet. Und diese Verzögerung der Aufklärung hat langfristige Folgen, denn das Umkehren eines demographischen Prozesses (z.B. niedrige Geburtenrate) dauert dreimal so lang wie seine Entwicklung in die falsche Richtung. Langsam werden zaghaft Erkenntnisprozesse auf politischer Ebene in Gang gesetzt, denn der Umgang mit dem demographischen Wandel verlangt eine zukunftsorientierte Sichtweise, die über eine Legislaturperiode hinausreicht (vgl. Nörber 2007, S. 32). „Die konsequente Auseinandersetzung im Denken und Handeln bezogen auf den demographischen Wandel besitzt […] eine Dimension, die weit über das im Hier-und-Jetzt verfangene Ressortprinzip politischer Praxis hinausreicht und Politikerinnen und Politikern angesichts der Notwendigkeit weitreichender grundsätzlicher Entscheidungen Schweißperlen der eigenen politischen Existenzangst auf die Stirn treibt“ (Nörber 2007, S. 33). Diese Situation wird von den WählerInnen wahrgenommen und schlägt sich in einem mangelnden Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Politik nieder (vgl. Nörber 2007, S. 33).
2 Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt
Man geht sogar davon aus, dass die Alterung der Arbeitskräfte eher einsetzen wird als die Alterung der Gesamtbevölkerung. Schon ab 2015 rechnen Experten mit einem geringeren und älteren Arbeitsangebot. Dass diese Entwicklung jedoch zu einer Senkung der Arbeitslosenquote führen könnte, ist für Deutschland recht unwahrscheinlich, denn die hiesige Arbeitslosigkeit hat nicht nur konjunkturelle sondern auch friktionelle und strukturelle Ursachen (vgl. Engelhardt/Prskawetz 2005, S. 341).
Große Unsicherheit besteht über den Umfang und die Struktur der künftigen Erwerbsbevölkerung, da sie von folgenden Determinanten beeinflusst wird:
- Erwerbsquoten
- Jahres- und Lebensarbeitszeit
- Rekrutierung stiller Reserven, wie zum Beispiel Frauen oder ältere Arbeitnehmer
Und diese Faktoren werden wiederum durch demographische Veränderungen geprägt. Ab 2020 wird ein absoluter Rückgang der Erwerbsbevölkerung zu beobachten sein und zwar unabhängig von zukünftigen Erwerbsquoten. Eine Steigerung der Arbeitsproduktivität oder wachsender technologischer Fortschritt ist nötig, um unseren Wohlstand in Deutschland zu erhalten (vgl. Engelhardt/ Prskawetz 2005, S. 341). Die Kernfrage ist daher: Wie gelingt es uns länger aktiv am Erwerbsleben teilzunehmen, sowie die eigenen Potentiale einzubringen, und dennoch keinen gesundheitlichen Schaden davon zu tragen? Mit Schonarbeitsplätzen erreicht man nur einen kleinen Teil der Belegschaft. Die Antwort liegt in der Prävention. Es müssen langfristig Strategien entwickelt werden, um die Arbeitsfähigkeit der MitarbeiterInnen zu erhalten. Damit sollte am Anfang des Berufslebens begonnen werden und nicht erst mit 50 Jahren wenn man schon Verschleißerscheinungen hat. Gefragt sind hierbei Fortbildungen bis ins hohe Alter, demographiebewusstes Personalmanagement, sowie Konzepte für Lernphasen und Lernstationen. Bei den Unternehmen liegt in diesem Bereich ein großer Bedarf vor, denn 2030 wird jeder dritte Arbeitnehmer über 50 Jahre alt sein (vgl. nano v. 02.04.2008).
2.1 Erwerbsarbeit und Alter
Die Zahl der 30- bis 49-Jährigen wird bis 2020 infolge der Geburtenentwicklung in den 1970er und 1980er Jahren deutlich absinken, um dann relativ konstant zu bleiben. Berechnungen des Berliner SÖSTRA-Instituts zufolge wird das Durchschnittsalter des Erwerbspersonen-Potentials, also der Menschen zwischen 15 und 64 Jahren, bis 2030/2040 um 2,2 Jahre ansteigen. In diesem Zeitraum wird sich das durchschnittliche Alter der Gesamtbevölkerung um sieben Jahre erhöhen. Doch was bedeuten diese demographischen Veränderungen für den Arbeitsmarkt? Zur Beantwortung der Frage ist zum einen die Gruppe der 15- bis 29-Jährigen wichtig und zum Anderen die Zahl der über 50-Jährigen von Bedeutung. Bei der ersten Gruppe, also den Nachrückern ins Erwerbsleben, sieht man durch deren Rückgang das Innovationspotential in der BRD gefährdet. Noch vor ein paar Jahren befürchtete man sogar, dass die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung so weit zurückgehen würde, sodass ein Mangel an Arbeitskräften die Folge sein könnte. Heute ist man sich größtenteils einig darüber, dass dieses Szenario nicht einsetzen wird, es aber laut Kistler/Hilpert zu Mismatches, d.h. zu einem Auseinanderfallen von spezifischen Angebot und Nachfrage kommen wird (vgl. Kistler/Hilpert 2001, S. 7). Des Weiteren befürchten Experten, dass die steigende Zahl an über 50-Jährigen, denen ja im Allgemeinen eine verminderte Leistungsfähigkeit nachgesagt wird, „die Humankapitalbasis im globalisierten Standortwettbewerb gefährden könne.“ (Kistler/Hilpert 2001, S. 7).
[...]
- Citation du texte
- Sarah Henkel (Auteur), 2008, Jugendwahn auf dem Arbeitsmarkt - Endstation für die Generation 50plus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114411
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.