Diese Arbeit befasst sich mit Depressionen bei Männern. Gefühle und Emotionen offen zeigen, weinen oder schüchtern sein. All das sieht das klassische gesellschaftliche Konzept von Männlichkeit nicht vor. Noch immer werden Jungs dazu aufgefordert, ein Mann zu sein, wenn sie weinen. Nicht nur auf Schulhöfen gibt es Beleidigungen, die Männlichkeit infrage stellen sollen und sagen: "Du kannst alles sein, außer weich, sanft und einfühlsam." Toxische Männlichkeit, ein Begriff, der immer mehr in den Fokus rückt und am Ende meist zu einer Depression führt. Die Vorstellung von Männlichkeit führt nicht nur dazu, dass Männer seltener ihre Probleme ansprechen, seltener eine Diagnose bekommen und nicht zuletzt seltener eine Therapie besuchen. Jährlich begehen weltweit ca. 800000 Menschen Suizid. Die Zahlen sind augenöffnend: Auf 10 Frauen kommen durchschnittlich etwa 18 Männer, in Deutschland sogar 27.
1. Inhaltsverzeichnis
1. Inhaltsverzeichnis
2. Abbildungsverzeichnis
3. Tabellenverzeichnis
4. Einleitung
5. Depression
5.1. Charakteristika und Symptome
5.2. Epidemiologie
5.3. Ätiologie und Prävalenz
5.4. Geschlechterunterschiede
5.5. Suizidalität
6. Praxistransfer
6.1. Makroanalyse
6.2. Mikroanalyse
6.3. Fallkonzeptualisierung und Therapieplanung
7. Diskussion
8. Prävention
9. Ausblick
10. Anhang: Statista
11. Literaturverzeichnis
2. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das depressive Syndrom (Casper, 2018, 56).
Abbildung 2: Verlauf Despression (Casper, 2018, 56).
Abbildung 3: Übersicht Symptome Depression (Beesdo-Baum, 2020, 1029).
Abbildung 4: Überblick Depressive Störungen (Beesdo-Baum, 2020, 1029).
Abbildung 5: Ätiologie der Depression (Fritzsche, 2020, 91).
Abbildung 6: Ätiologiemodell der Depression (Beesdo-Baum, 2020, 1043).
Abbildung 7: Horizontale Mikroverhaltensanalyse entsprechend dem SORC-Schema (Hautzinger et al, 2016, 5).
Abbildung 8: Phasen der Behandlung (Hoyer et al, 2020, 1053)
Abbildung 9: Depression Weltweit nach Geschlecht (OWID, Statista, 2019).
Abbildung 10: Arbeitsunfähigkeit nach Geschlecht (DAK - Gesundheitsreport 2020, Statista).
3. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Anfälligkeiten für Depressionen (nach Beesdo-Baum, 2020, 1042).
Tabelle 2: SORK-Modell (Hoyer, 2020, 545).
4. Einleitung
Gefühle und Emotionen offen zeigen, weinen oder schüchtern sein. All das sieht das klassische gesellschaftliche Konzept von Männlichkeit nicht vor. Noch immer werden Jungs dazu aufgefordert, ein Mann zu sein, wenn sie weinen. Nicht nur auf Schulhöfen gibt es Beleidigungen, die Männlichkeit in Frage stellen sollen und sagen: du kannst alles sein, außer weich, sanft und einfühlsam. Toxische Männlichkeit, ein Begriff, der immer mehr in den Fokus rückt und am Ende meist zu einer Depression führt. Die Vorstellung von Männlichkeit führt nicht nur dazu, dass Männer seltener ihre Probleme ansprechen, seltener eine Diagnose bekommen und nicht zuletzt seltener eine Therapie besuchen. Jährlich begehen weltweit ca. 800000 Menschen Suizid. Die Zahlen sind augenöffnend: Auf 10 Frauen kommen durchschnittlich etwa 18 Männer, in Deutschland sogar 27 (Banaszczuk, 2019).
Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig vermuten, dass traditionelle Geschlechterrollen dem zu Grunde liegen könnten. Schon früh lernen Männer, Probleme mit sich selbst auszumachen, nicht über Ängste, Sorgen oder Schwächen zu sprechen und sich deutlich weniger ärztlichen Rat einzuholen, so Isabella Heuser, Leiterin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin (Heuser in Banaszczuk, 2019). Die Weltgesundheitsorganisation sagt außerdem, jeder fünfte Jugendliche sei von einer seelischen Störung betroffen, häufig bereits vor dem 14. Lebensjahr. Ein wichtiger Faktor dabei: einer Selbsttötung geht immer eine Entwicklung voraus, so Heuser. Menschen mit einer Depression, bipolaren Störung oder Schizophrenie sind dabei besonders gefährdet. In einer Studie der spanischen Universität Rovira i Virgili kam heraus, dass Männer als Strategie bei einer Depression vor allem Alkohol tranken, feiern gingen und Freunde trafen, um sich abzulenken. Frauen hingegen sprachen ihre Probleme mit ihren Freundinnen an, analysierten die Themen oder holten sich anderweitig Hilfe. Frauen benannten als Grund auch die zurück Gewinnung der Selbstkontrolle.
Laut Heuser versuchen Männer außerdem ihre Probleme nach verbalen versuchen auch körperlich zu kanalisieren, beispielweiße durch Aggressionen oder Schlägereien. Daher seien Aggressionen insbesondere bei männlichen Jugendlichen im Alter von 14 bis 23 Jahren ein Warnsignal für Depressionen. Denn ja, noch immer lernen junge Männer nicht, sich anderen anzuvertrauen und ihre Probleme zu besprechen. Häufig geprägt durch Songs, Serien und Filme wird das Bild und Narrativ des verschlossenen Mannes und der sorgenden Frau vielmehr glorifiziert. So ist es kein Wunder, dass junge Männer ihre Verdrängungsmechanismen und Kontrollmechanismen bereits in jungen Jahren erproben und anwenden, so die Ergebnisse der spanischen Studie. Heuser sagt außerdem, dass diesen Mechanismen nur entgegengewirkt werden könne, wenn es mehr positive, männliche Vorbilder für junge Menschen geben würde und diese das Männlichkeitsbild vorleben, was gerade beim Sport eine Möglichkeit wäre. Hilfe zu suchen und anzunehmen sei nicht nur notwendig für die Weiterentwicklung, sondern auch für die Eigenverantwortung, wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden gehe (Heuser in Banaszczuk, 2019).
Eine Umfrage aus dem Jahr 2015, bei der 710 Menschen befragt wurden, zeigt beispielweiße, dass Männer deutlich seltener einen Arzt oder Ärztin aufsuchen, ob nun präventiv oder bei konkreten Problemen. Die Zahl der Frauen, die einmal im Jahr präventiv eine Praxis aufsuchen lag bei 39,5% wohingegen die Zahl der Männer bei 26,6% lag (Tomorrow Focus Media, 2015).
Dieser Einblick macht deutlich, wie hoch die Dunkelziffer in der Bevölkerung bei Depressionen, insbesondere bei Männern, wohl sein muss. Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass weltweit deutlich mehr Frauen mit Depressionen behandelt werden. Der Anteil der Frauen lag im Jahr 2017 bei 4,12% und bei Männer 2,73% der Weltbevölkerung (OWID, 2019). In Deutschland sehen die Zahlen ähnlich aus. Laut einer Studie der AOK, in Kooperation mit der „Deutschen Depressionshilfe“, seien in Deutschland 11,3% Frauen und 5,1% der Männer an Depressionen erkrankt (AOK, 2016). Aber was sagen diese Zahlen aus? Im Jahr 2016 haben sich laut WHO in Deutschland 13,6% der Männer und 4,8% der Frauen das Leben genommen (WHO, 2018). Eine Hauptursache für Suizide sind Depressionen. Im Jahr 2019 begangen insgesamt 9041 Menschen Selbstmord, davon waren 76% Männer (Statistisches Bundesamt, 2021).
Die Problematik rund um die Diagnostik und Behandlung von Depressionen bei Männern ist dabei kein neues Phänomen, vielmehr könnten neue männliche Rollenbilder dazu beitragen, dass die Erkrankung entstigmatisiert wird und, nicht nur Männer, eine Therapie und Hilfe aufsuchen und Hilfsangebote annehmen.
Die vorliegende Arbeit wird den Fokus somit auf die Diagnostik von Depressionen, Ursachen und Folgen legen. Diskutiert werden sollen vor allem Stresswahrnehmung und -verarbeitung die hilfesuchenden, typischen Geschlechterrollen, Rollenerwartungen und Stereotypen sowie Unterschiede in der Diagnostik von Depressionen. Das Ziel der Arbeit besteht in der Entwicklung einer Verhaltensanalyse mit Diagnose durch eine Fall Konzeptualisierung mit passendem Therapieplan.
5. Depression
Mit einer Inzidenz von 8-20% zählt die Depression zu einer der häufigsten psychischen Erkrankungen, da das Spektrum der Erkrankung macht den Hauptteil der affektiven Störungen aus, wobei Ursachen und Entstehung multifaktoriell bedingt sind (Laux, 2008, 399).
Die Depression zählt laut internationalem Klassifikationssystem ICD 10 zu den Affektiven Störungen F3, welche außerdem bipolare und verwandte Störungen beinhalten und als psychopathologische Störung von bestimmter Dauer bezeichnet wird. Zu den häufigsten affektiven Störungen zählen die manische Episode (ICD-10; F30), die bipolare affektive Störung (ICD-10, F31), die depressive Episode (ICD-10, F32), die rezidivierende (ICD 10, F33) und die anhaltende (depressive Störung (ICD-10, F34), sowie die Dysthymie (ICD-10, F42.1) (Beesdo-Baum, 2020, 43).
5.1. Charakteristika und Symptome
Typische Charakteristika für eine depressive Episode sind depressive Verstimmungen, Verlust von Interesse und Freude sowie Veränderungen der Psychomotorik, wie beispielweiße in einem reduzierten Energieniveau, Antriebshemmung oder ängstliche Agitiertheit. Gefühle von Wertlosigkeit, Schuld oder Konzentrationsstörungen werden begleitet von verschiedenen körperlichen Beeinträchtigungen. Diese können sich in Schlafstörungen zeigen, Appetitlosigkeit oder eine generelle Müdigkeit. Auch suizidale Gedanken zählen zu typischen Symptomen. Bei einer chronisch depressiven Verstimmung wird von einer Dysthymia gesprochen. Das Krankheitsbild gehört dabei zu den anhaltenden affektiven Störungen. Der Beginn ist häufig im frühen Erwachsenenalter (Laux, 2008, 55).
Laut dem deutschen Ärzteblatt haben Männer andere Symptome bei einer Depression, als Frauen. So seien Männer, wie eingangs bereits beschreiben, häufiger in Wut und Aggression zu finden. Außerdem ignorieren Männer häufiger ihre psychischen, aber auch somatischen, Beschwerden oder kompensierten sie mit Alkohol, Zigaretten, illegalen Drogen und zunehmend auch mit Glückspiel. Rollenspezifische Faktoren spielen auch hier wieder mit rein. Denn nach wie vor gilt: Das Risiko für einen Suizid ist für Menschen mit depressiven Störungen besonders hoch (deutsches Ärzteblatt, 2015).
Die Depression umschließt viele Symptome, die jedoch individuell auftreten können. Typische Symptome sind dabei Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Freud- und Interessenverlust und Aktivitätsminderung. Häufig steht am Ende eines Kontinuums der Affektivität eine Manie. Diese geht einher mit euphorischer Stimmung oder Reizbarkeit, sowie einem starken und plötzlich erhöhtem Aktivitätsanstieg. Störungen mit einem Wechsel der Stimmungen wird als bipolare Störung bezeichnet. In der Allgemeinbevölkerung kommt die Depression verhältnismäßig häufig vor. Neben den beschriebenen Symptomen können außerdem die in der Tabelle aufgezeigten Symptome auftreten. Diese werden je nach Dauer, Schwere und Zeit in verschiedene Ausprägung und Störungswerte unterschieden. Treten bei einer Person zwei Symptome über einen Zeitraum von zwei Wochen oder länger auf, liegt eine depressive nach ICD 10 F32 vor. Diese werden nach ICD-10 als leicht (F32.0), mittelgradig (F32.1) und schwer (F32.2) klassifiziert. Kommen weitere Gesühle wie Schuld hinzu, kann die depressive Episode als schwer mit psychotischen Symptomen (Wahn) bezeichnet werden (Caspar, 2018, 56ff).
Tab. 5.1 Das depressive Syndrom
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das depressive Syndrom (Casper, 2018, 56).
Die nachfolgende Grafik zeigt eindrücklich den Verlauf einiger depressiver Störungen sowie die Übergänge von depressiven Episoden zu chronischen Erkrankungen. Einzelne Episoden treten dabei bei ca. 25% aller Betroffenen auf. Bei ca. 45% der Klient:innen kommt es zu einem rezidivierenden Verlauf und bei ca. 30% endet der Verlauf chronisch. Eine depressive Episode wir dann als chronisch angesehen, wenn sie länger als zwei Jahre andauert. Spezifische Symptome können dabei dem somatischen Spektrum zugeordnet werden, wobei in acht Punkten unterteilt wird. Zu diesen acht Symptomen gehören zum Beispiel mangelnde emotionale Reaktionsfähigkeit, früherwachen, ein Morgentief und deutlicher Libidoverlust (Casper, 2018, 56).
Abbildung 2: Verlauf Despression (Casper, 2018, 56).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Depression hat viele Gesichter. Neben eindeutigen Symptomen gibt es weitere, nicht gleich dem Spektrum zuzuordnende Symptome, die in den weiteren Verlauf vorgestellt werden sollen. So können zunächst vier Hauptkategorien genannt werden: 1. Emotionale Symptome, 2. Kognitive Symptome, 3. Physiologische-vegetative Symptome, 4. Behaviorale/motorische Symptome. Nachfolgende Tabelle dient dem Überblick (Beesdo-Baum, 2020, 1029):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Übersicht Symptome Depression (Beesdo-Baum, 2020, 1029).
Nachfolgende Grafik verdeutlicht nochmal den Unterschied zwischen einer Episodischen sowie chronischen Depression und der Klassifikation nach ICD-10 (nach Beesdo-Baum, 2020, 1030):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Überblick Depressive Störungen (Beesdo-Baum, 2020, 1029).
5.2. Epidemiologie
Die Depression gehört zu den häufigsten psychischen Störungen. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 264.000 Patient:innen mit einer diagnostizierten Depression im Krankenhaus behandelt. Davon waren 61% Frauen. Eine depressive Episode wurde bei ca. 106.000 Menschen diagnostiziert (Statistisches Bundesamt, 2021).
Es gilt also als bekannt, dass Frauen häufiger eine Behandlung aufgrund einer Depression haben, ebenso wie bekannt ist, dass Männer häufiger einen Suizid begehen. Die Ursachen dafür sind weitgehend ungeklärt. Eine mögliche Erklärung könnte die Privilegierte Rolle von Beruf, eine kleinere Belastung durch Care-Arbeit sowie die Privilegien weniger Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Aber auch hier wiedersprechen die hohen Zahlen der Suizide diesen Theorien, die trotz dessen an vielen Stellen nicht von der Hand zu weißen sein dürfen (Möller-Leimkühler, 2007). Die WHO Studie „Global burden of disease“ zeigt außerdem auf, dass die Depression vor allem eine westliche Krankheit sei, die vor allem in Europa und Nordamerika einen Spitzenplatz einnehme (Laux, 2008, 54).
Zur Häufigkeit von psychischen Erkrankungen ergab sich für die Depression eine Prävalenz von 10,4%, wobei 54% der Depressionen nach ICD-10 von den Ärzt:innen erkannt wurden. An klinischen bedeutsamen depressiven Störungen wie Dysthymie litten 6,5% (Laux, 2008, 55). Ein weiteres Thema ist dabei die Altersdepression. Die Prävalenz einer Berliner Studie lag bei knapp 5% der über 70-Jährigen, welche Symptome einer Major Depression aufwiesen (Linden et al in Laux, 2008, 55).
Weitere wichtige Faktoren sind bei körperlichen Erkrankungen in Bezug auf eine Depression zu nennen, wobei die Prävalenz wie folgt angegeben wird (Robertson u. Katona in Laux, 2008, 401):
- Diabetes mellitus 10%,
- Myokardinfarkt20%,
- Morbus Parkinson 40-50%,
- Epilepsie 20-30%,
- Dialysepatienten 10-20%,
- Schlaganfallpatienten 25-35%,
- Karzinompatienten 25-40%.
Die Zahl der Depressionen ist in den letzten Jahren leicht angestiegen, wobei erhebliche Probleme in der methodischen Erhebung zu finden sind. Die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten ist daher stark eingeschränkt (Laux, 2008, 55).
5.3. Ätiologie und Prävalenz
In Deutschland liegt die Lebenszeitprävalenz einer Depression laut Casper et al bei 20%. Wie schon erwähnt sind Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer (Beesdo-Naum, 2011 in Casper, 2018, 59). Das Risiko, an einer weiteren depressiven Episode zu erkranken, wenn bereits eine Episode vorlag, liegt dabei bei 50%. Die Sozioökonomische Risikofaktoren sind dabei das weibliche Geschlecht, Adoleszenz, niedriges Einkommen, Arbeitslosigkeit, niedriger Bildungsstand, Trennung/ Scheidung sowie das Fehlen von Bezugspersonen (Casper, 2018, 59).
Laut Beesdo-Baum et al und Kessler et al (Kessler et al, 2005, in Beesdo- Baum et al, 2020, 1035) liegt das Lebenszeitrisiko einer Depressiven Erkrankung sogar bei bis zu 30%. Epidemiologische Studien weisen außerdem auf einen stetigen Anstieg des Erkrankungsrisikos in den vergangenen Jahrzehnten hin. Verantwortlich dafür sei insbesondere, dass jüngere Geburtskohorten ein substanziell höheres Risiko aufweisen, eine Depression zu entwickeln (Beesdo-Baum, 2020, 1035).
Nachfolgende Grafik zeigt neben den Genetischen Dispositionen auch aktuelle psychosoziale Belastungen, traumatische Erfahrungen, Persönlichkeitsfaktoren und depressive Symptomatik als Risikofaktoren auf und macht somit die hohe Vulnerabilität deutlich (Fritzsche, 2020, 91):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Ätiologie der Depression (Fritzsche, 2020, 91).
Kinder mit Eltern, die an einer depressiven Störung erkrankten, haben außerdem ein 2- 4-faches Risiko selbst eine Depression zu Entwickeln. Dies wurde in diversen klinischen sowie epidemiologischen Studien bereits mehrfach belegt, wobei der Übertragungsweg noch nicht ausreichend geklärt wurde. Forscher:innen sind sich aber sicher: genetisch verankerte Risikokomponenten spielen neben familiären Umweltkomponenten eine Rolle. Bereits 1995 wurde in einer Zwillingsstudien eine moderate Heritabilität von 30-40% für eine bipolar verlaufende Depression belegt (Kendler et al, 1995 in Beesdo-Baum, 2020, 1041).
Studien zum Zusammenhang von Entstehung und Genmerkmalen sind dabei auf folgende Ergebnisse gestoßen: In einer großen Stichprobe wurden 102 unabhängige Genvarianten, 269 Gene und 15 Gensets mit einer Depression assoziiert. Viele davon stehen mit synaptischen Strukturen und Neurotransmission in Verbindung (Howard et al, 2019 in Beesdo-Baum, 2020, 1041). Durch diese Studien wird verdeutlicht, wie komplex polygenetische Risikofaktoren für Major Depressionen sind und welch große Herausforderung dabei für die Forschung vorhanden sind, um die Ursachen für Depressionen zu entschlüsseln. Die Ergebnisse zeigen auch, dass jede Person Risikoträger:in für eine Depression ist, jedoch Menschen mit höherer genetischer Belastung anfälliger dafür sind, eine Depression zu entwickeln.
Hierbei sind vor allem die passive Gen-Umwelt-Interaktionen sowie die aktiven Gen-Umwelt-Interaktionen von bedeutet, die in nachfolgender Tabelle aufgezeigt werden (Beesdo-Baum, 2020, 1041):
Tabelle 1: Anfälligkeiten für Depressionen (nach Beesdo-Baum, 2020, 1042).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aufgrund der großen Heterogenität hat die Forschung bisher zwar viele potenzielle Biomarker für eine depressive Störung identifiziert, jedoch konnten noch keine spezifischen Rollen oder Nützlichkeiten für die Diagnose, Prognose und auch die Behandlung entziffert werden. Neben der großen Heterogenität sind weitere Faktoren wie Komorbidität zum Beispiel einer Angststörung, mit dafür verantwortlich, weshalb es wenige Ergebnisse dazu gibt. Die fehlende Berücksichtigung in der entsprechenden Studie und Analysen tragen oftmals dazu bei. Ein Lösungsvorschlag hierfür sei zum Beispiel die kategorialen Diagnosen stärker auf Dimensionen der Psychopathologie zu legen, um eine Interaktion zwischen diesen verschiedenen Symptomdimensionen besser zu verstehen (Kircanski et al, 2017 in Beesdo.Baum, 2020, 1042).
Neben den familiären Dimensionen weisen mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen frühen Traumata und anderen adversen Entwicklungsbedingungen und späteren Erscheinungen von depressiven Störungen auf (Braithwaite et al, 2017 in Beesdo-Baum, 202, 1042).
Nachfolgende Grafik verdeutlicht dabei neben der Vulnerabilität von Intraindividuellen Faktoren und der sozialen Vorgeschichte nochmals Auslöser, Vorherige Situationen, Veränderungen auch akute und Langzeitfolgen (Beesdo-Baum, 2020, 1042):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Ätiologiemodell der Depression (Beesdo-Baum, 2020, 1043).
5.4. Geschlechterunterschiede
Wie bereits eingängig beschrieben sind die Probleme bei der Diagnose einer Depression vor allem auch in Rollenbildern zu finden, weswegen Frauen doppelt so häufig eine Diagnose bekommen. Die Frage lautet also auch, ob Frauen häufiger an Depressionen erkranken oder häufiger eine Diagnose bekommen (Müller, 2016). Dr. Juliane Gruber und Prof. Dr. Michael Gruber vom Klinikum Frankfurt Höchst sagen, dass beides der Fall sei. Eine Erklärung für die häufigere Diagnose dafür sei die Veränderung der Hormone während, vor und nach einer Schwangerschaft, wobei Sexualhormone weder pro- noch antidepressiv wirken würden. Laut Gruber und Gruber sei es also vielmehr interessant, wie sensibel das Gehirn auf den Hormonspiegel reagiere. Eine Depression könnte bei Männern daher auch in Zusammenhang mit einem niedrigen Testosteronspiegel stehen - vor allem Männer mit wenig Bewegung, erektiler Dysfunktion, Schlafstörungen oder Antriebslosigkeit können ein Risiko für eine Erkrankung an einer Depression haben. Ärzt:innen sollten daher immer auch den Hormonspiegel begutachten und gegebenenfalls Testosteron substituieren (Müller, 2016).
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