Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, den Ist-Zustand der heutigen Führungsebene in Unternehmen zu verstehen und die komplexen Verbindungen sowie Gründe erkennen zu können. Es ist wichtig, in der heutigen Debatte über die Frauenquote und die Unterrepräsentation von Frauen die Tiefe des Problems nachvollziehen zu können. Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über historische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe zu geben und gleichzeitig Maßnahmen vorzustellen, um diesem entgegenzuwirken.
Die immer wieder aufkeimende Debatte um eine Frauenquote in den letzten Jahren sind Anlass für diese Arbeit. Argumentationen gehen in jede Richtung und jede Meinung hat ihre Daseinsberechtigung. Daher drängt sich erst einmal die Frage auf, was überhaupt dafür verantwortlich ist, dass heute eine Frauenquote gebraucht wird. Mit zunehmender Recherche stellte sich heraus, dass das Thema Frauenquote nur die Spitze des Eisberges ist.
Die Ursachen für die heutige Unterrepräsentation liegen viel tiefer als es die öffentliche Debatte in den Medien zulässt. Denn genau das ist die Frauenquote. Eine Antwort auf die Unterrepräsentation von Frauen. Nur jede dritte Führungsposition in Deutschland ist von einer Frau besetzt. Der Erwerbstätigenanteil der Frauen liegt bei 46 Prozent. Wie kann es sein, dass auf eine Frau in der Führungsebene zwei Männer kommen, obwohl die Erwerbstätigkeit ausgeglichen ist?
Inhaltsverzeichnis
2 Abbildungsverzeichnis
3 Einleitung
4 Theoretischer Hintergrund
4.1 Arbeitsmarktsituation
4.2 Geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes
4.3 Unternehmerische Vor - und Nachteile
5 Gründe
5.1 Geschlechterstereotype/Gesellschaftliches Bewusstsein
5.2 Familienplanung versus Karriere
5.2.1 Kontinuität der Erwerbstätigkeit
5.2.2 Teilzeit
5.3 „Die gläserne Decke“
6 Maßnahmen
6.1 Betriebsinternes Personalmarketing
6.1.1 Mentoring
6.1.2 Netzwerken
6.1.3 betriebsinterne Initiativen
6.2 Gesetzliche Frauenquote
7 Empirische Studie
7.1 Teilnehmende
7.2 Aufbau des Interviews
7.3 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
7.4 Ergebnisse
8 Fazit
9 Literaturverzeichnis
10 Anhang
11 Eidesstattliche Erklärung
Vorwort
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen. Dieses Thema liegt mir persönlich sehr am Herzen, da auch ich als Frau kurz davor stehe in den Arbeitsmarkt einzutreten. In meiner beruflichen Zukunft sehe mich in einer Führungsposition, daher war es für mich wichtig, mich damit zu beschäftigen welche Hürden auf mich zukommen werden und inwieweit ich noch an mir arbeiten und meine eigenen Gedankengänge hinterfragen muss. Ich möchte mit dieser Arbeit auf neutralem Boden auf die Gründe der Unterrepräsentation aufmerksam machen.
Diese Arbeit befasst sich mit einem sehr geschlechtsorientierten Thema. Ich möchte betonen, dass sich das Geschlecht nicht in eine bestimmte biologische Kategorie einordnen lässt. In dieser Arbeit ist die Rede von den zwei sozialen Geschlechtern ‘Mann’ und ‘Frau’ bzw. weiblich und männlich. Differenzierungen über die von der gesellschaft konstruierten Geschlechter hinaus, wäre Genderpolitisch korrekt, allerdings für die hier behandelten Forschungsfragen nicht unterstützend. Eine klare Einteilung war nötig, um die Komplexität dieses Themas darstellen zu können. Wenn Frauen und Männer angesprochen werden, ist von der Gesamtheit aller Geschlechter die Rede.
Ich möchte meinen Betreuerinnen für ihren Rat, ihrer Unterstützung und ihrer Geduld danken. Nochmal einen herzlichen Dank, an alle Teilnehmenden der empirischen Studie.
2 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Frauenanteil und Gender-Pay Gap in der EU, in unterschiedlichen Branchen, in Prozent, 2015 (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 11)
Abbildung 2: Durchschnittseinkommen von Führungskräften in der Privatwirtschaft in Deutschland in Euro, 2015 (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 16)
Abbildung 3: Mögliche Folgen der COVID-19 Pandemie für Frauen in Führungspositionen (Vgl. Gulden, Thomsen, 2021
Abbildung 4: Gründe für Teilzeitbeschäftigung in der EU in Prozent, 2015, (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018
3 Einleitung
Die immer wieder aufkeimende Debatte um eine Frauenquote in den letzten Jahren sind Anlass für diese Arbeit. Argumentationen gehen in jede Richtung und jede Meinung hat ihre Daseinsberechtigung. Daher drängt sich erst einmal die Frage auf, was überhaupt dafür verantwortlich ist, dass heute eine Frauenquote gebraucht wird. Mit zunehmender Recherche stellte sich heraus, dass das Thema Frauenquote nur die Spitze des Eisberges ist. Die Ursachen für die heutige Unterrepräsentation liegen viel tiefer als es die öffentliche Debatte in den Medien zulässt. Denn genau das ist die Frauenquote. Eine Antwort auf die Unterrepräsentation von Frauen. Nur jede dritte Führungsposition in Deutschland ist von einer Frau besetzt. Der Erwerbstätigenanteil der Frauen liegt bei 46 Prozent (Vgl. Wippermann, 2010, S. 7).
Der Fokus dieser Arbeit sollte ursprünglich auf der Frauenquote und den Einfluss dieser auf die Wirtschaft liegen. Im frühen Stadium der Recherche wurde jedoch die tiefe Verwurzelung dieser Quote mit der Gesellschaft und der alteingesessenen Strukturen deutlich. Wie kann es sein, dass auf eine Frau in der Führungsebene zwei Männer kommen, obwohl die Erwerbstätigkeit ausgeglichen ist? Indra Nooyi, ehemalige CEO von Pepsi, sagte einmal “We can’t pray or wish for diversity. We need intervention, attention, mentoring and development of those minorities to ensure all are represented in our organisations.”. Es braucht die Aufmerksamkeit aller, um Minderheiten stärker mit einzubinden. Mit diesen Erkenntnissen und erste Rechercheergebnissen verschob sich der Kernpunkt dieser Arbeit.
Somit stellte sich folgende Forschungsfrage:
Welche Ursachen hat die heutige Unterrepräsentation von Frauen in der Führungsebene und welche Maßnahmen können dagegen eingesetzt werden?
Das Thema lässt sich im Bereich Human Resource Management einordnen. Ziel dieser Bachelorarbeit ist es den Ist-Zustand der heutigen Führungsebene in Unternehmen zu verstehen und die komplexen Verbindungen so wie Gründe erkennen zu können. Es ist wichtig in der heutigen Debatte über die Frauenquote und die Unterrepräsentation von Frauen, die Tiefe nachvollziehen zu können. Ziel ist es einen umfassenden Überblick über historische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe zu geben und gleichzeitig Maßnahmen vorzustellen, um diesem Entgegenzuwirken.
Die Arbeit umfasst theoretische Grundlagen, Gründe und Maßnahmen für die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen. Die Basis bilden theoretische Grundlagen, die sich mit der aktuellen Arbeitsmarktsituation, deren Struktur und Defizite beschäftigen. Der geschichtliche Hintergrund erklärt die Ursachen für die heutigen Gründe die im späteren Verlauf der Arbeit aufgeführt werden. Die Historie ist wichtig um die Herkunft und Entwicklung der Strukturen wie sie heute bekannt sind zu verstehen. Außerdem werden Vor- und Nachteile anhand von Beispielen erläutert, die eine solche Unterrepräsentation für Unternehmen und für die Wirtschaft haben kann.
Der zweite Teil befasst sich mit den Gründen, warum Frauen heute in der Führungsebene unterrepräsentiert sind. Die drei am weitesten verbreiteten Gründe werden hier diskutiert und kritisch hinterfragt. Der letzte literarische Teil erläutert Maßnahmen, um den Frauenanteil in der Führungsebene anzuheben. Hierbei wird der Fokus auf betriebsinterne Maßnahmen gelegt. Die umstrittene gesetzliche Frauenquote wird als letzten Punkt diskutiert, um die Arbeit mit dem in der Öffentlichkeit am meisten diskutierten Thema und die Inspiration für diese Arbeit, zu beenden.
Die Arbeit wird mit der Auswertung der empirischen Studie abgeschlossen. Für die diese wurden qualitative Interviews gewählt. Die Interviews sollen einen Einblick aus der Praxis liefern und belegen oder widerlegen, ob die Theorie mit der Praxis übereinstimmt. Einen Einblick in die subjektive Auffassung von erwerbstätigen Frauen sollte dadurch gewährt werden. Die Ergebnisse wurden mit Hilfe der zusammenfassenden Analysetechnik nach Mayring ausgewertet.
4 Theoretischer Hintergrund
Das erste Kapitel befasst sich mit den theoretischen Grundlagen der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen. Der erste Unterpunkt beschreibt die aktuelle Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die Unterschiede zu den Männern. Des Weiteren wird die Geschichte der geschlechtsspezifischen Segregation beziehungsweise die Teilung des Arbeitsmarktes, wie er heute existiert und wahrgenommen wird, erläutert. Darauf basierend, schließt dieses Kapitel mit den Nachteilen der weiblichen Unterrepräsentanz und den Vorteilen, die eine Integration dieser mit sich bringen würde oder teilweise schon hat, ab. Daten aus Deutschland werden mit anderen europäischen Ländern verglichen.
4.1 Arbeitsmarktsituation
Zurzeit ist nur jede dritte Führungskraft in Deutschland eine Frau. In der mittleren Managementebene sind Frauen mit 15 Prozent vertreten, während es in der Vorstandsebene sogar nur drei Prozent sind (Vgl. Wippermann, 2010, S. 7). Der Anteil an Frauen in Führungspositionen 2016 in Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigte ist am höchsten. 25,3 Prozent waren in solchen Kleinstunternehmen1 zu finden, gefolgt von kleinen Unternehmen2 mit einem Anteil von 17,5 Prozent. In Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 51 und 5000 Personen, ist die Prozentzahl größtenteils gleichbleibend. Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigte haben in Führungspositionen einen Frauenanteil von knapp 17 Prozent (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 16).
2016 betrug die Entgeltlücke in ganz Deutschland 21 Prozent. Einen Blick auf die Daten der einzelnen Bundesländer, lässt zumindest ein Muster erkennen. Die ostdeutschen Bundesländer weisen die niedrigsten Unterschieden bei den Gehältern auf. Sachsen-Anhalt hat lediglich einen Gehaltsunterschied von 2 Prozent, gefolgt von den restlichen neuen Bundesländern mit ähnlich niedriger Prozentzahl. Im Vergleich dazu verzeichnet Bayern eine Lohnlücke von 24 Prozent und Baden-Württemberg sogar 27 Prozent. Im Europäischen Vergleich ordnet sich Deutschland ähnlich weit oben an. Nur Estland und die Tschechische Republik weisen eine höhere Lücke als Deutschland auf (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 5-6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Frauenanteil und Gender-Pay Gap in der EU, in unterschiedlichen Branchen, in Prozent, 2015
Die Statistik der Antidiskriminierungsstelle zeigt außerdem, dass die geschlechtsspezifische Lohnlücke in den vergangen Jahren minimal zurückgegangen ist. Gründe für solche Lohnunterschiede können an der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes und dessen Entwicklung liegen. Auf dieses Thema wird im nächsten Kapitel detaillierter eingegangen. Einen Einfluss der Segregation auf die Verdienstunterschiede ist oberflächlich nicht zu erkennen. Ein hoher Frauenanteil in Berufen ist nicht unbedingt mit großen Lohnunterschieden verbunden. In frauendominierte Berufen wie dem Dienstleistungssektor oder Sozialwesen ist die Lohnlücke jedoch vergleichsweise groß.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Durchschnittseinkommen von Führungskräften in der Privatwirtschaft in Deutschland in Euro, 2015
Mit Blick auf das Einkommen von Führungskräften fällt auf, dass die Unterschiede des Durchschnittseinkommen von Führungskräfte in ‘Frauenberufen’ verglichen mit den ‚Männerberufen‘, hoch ist. Durchschnittlich verdienen Frauen circa 1.500 Euro weniger in Berufen, die ursprünglich für ihr Geschlecht ausgelegt waren. In den typischen ‚Männerberufen‘ sind die Frauen durchschnittlich sogar im Vorteil, was das Gehalt angeht. In sogenannten ‘Mischberufe’ liegt laut der Antidiskriminierungsstelle eine ähnlich hohe Diskrepanz vor wie bei den ‚Frauenberufen‘ (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 11, 15-16).
Die Beschäftigungsquote spielt bei der Analyse des Arbeitsmarktes eine große Rolle. Die der Frauen hat in den vergangen Jahren zugenommen. In einem Zeitraum von zehn Jahren, zwischen 2008 und 2018, haben sich die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen um 18 Prozent erhöht. 2018 waren 32,9 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Die Entwicklung über die Jahre zeigt ein weitaus größeres Plus für die weiblichen Beschäftigten auf, als die der Männer. Dieses Wachstum ist allerdings fast nur auf Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen. Während die Vollzeitbeschäftigungen der Frauen konstant blieb, hat deren Teilzeitbeschäftigung um 7,2 Millionen zugenommen. Mit Blick auf die Berufswahl der Geschlechter auf Abbildung 1 zu erkennen, streben Frauen und Männer bei ihrer Berufswahl immer noch größtenteils bestimmte Branchen an. Das Gesundheit – und Sozialwesen, sowie die Erziehung und der Unterricht, kristallisieren sich als klassische ‚Frauenberufe‘ heraus, so wie das Baugewerbe, Energie und Verkehr als ‚Männerberufe‘ (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 11-12).
Ein Wandel dieser geschlechtsspezifischen Schwerpunkte deuten sich bis jetzt nicht an. 2018 spiegelten die sozialversicherungspflichtigen Auszubildenden den aktuellen Umstand wider. Die Mehrheit der männlichen Auszubildenden fanden eine Anstellung im Bereich Maschinenbau und Fahrzeugtechnik. Die Mehrheit der weiblichen in medizinischen Gesundheitsberufen und Bürotätigkeiten (Vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2019, S.12-13).
Gesetzlich wurde in den vergangenen Jahren einiges in die Wege geleitet. Das Führungspositionengesetz, welches auf Quoten für mehr Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft abzielt, wurde 2015 eingeführt. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist der Frauenanteil seit der Einführung gestiegen. Diese Fortschritte seien jedoch zu langsam, da der Frauenanteil in Vorständen mit 7,7 Prozent immer noch zu niedrig ist. 78,2 Prozent der 2101 Unternehmen, die dieses Gesetz betrifft, gaben an, keine Zielgröße für die Erhöhung des Frauenanteils zu haben, oder sie gaben die Größe null an (Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2021).
Eine erweiterte Fassung des Gesetzes soll dies Unterbinden und Frauen den Platz im Topmanagement sichern. So sollen börsennotierte und paritätische Unternehmen mindestens eine Frau in den Vorstand aufnehmen, aber nur wenn dieser aus mehr als drei Personen besteht. Diese Erneuerung wurde bereits im Januar 2021 von der Regierung beschlossen. Nach dem Gesetz, müssen Unternehmen in Zukunft begründen, warum sie sich die Zielgröße null setzen. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen oder keine Zielgröße melden, dann sollen diese sanktioniert werden. Für Unternehmen in denen der Bund eine Mehrheitsbeteiligung hat soll eine 30 Prozent Frauenquote gelten (Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2021).
Diese gesetzlichen Vorgaben wirken, laut des Bundesministeriums, besser als auf freiwilliger Basis. Innerhalb von sechs Jahren konnte der Frauenanteil in den bisher betreffenden Unternehmen um circa 10 Prozent gesteigert werden (Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2021). Anderen Quellen können diese Entwicklung bestätigen, wenn auch mit anderen Zahlen. Das Handelsblatt beobachtete einen Anstieg des Frauenanteils in den 30 größten börsennotierten Unternehmen seit Mitte 2020. Zum Beginn des Jahres 2021 konnten die Vorstände der 30 Dax-Unternehmen einen Höchststand von 15,3 Prozent vorweisen. Diese Beobachtung ist besonders interessant, da im Frühjahr 2020 die Vorstandsvorsitzende in den Dax-30-Unternehmen, Jennifer Morgan von SAP zurück trat. Somit wurde keines der größten börsennotierten Unternehmen von einer Frau angeführt (Vgl. Anger, Kewes, 2021).
4.2 Geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes
Der Grundstein für die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes wurde in den industrialisierten Arbeitsmärkte gelegt. Unter dem Begriff geschlechtsspezifische Segregation wird die horizontale und vertikale Teilung des Arbeitsmarktes verstanden (Vgl. Folini, 2007, S. 15). Die horizontale Segregation beschäftigt sich, mit einer Mehrheit eines Geschlechtes, welches in bestimmten Berufen angetroffen wird. Frauen sind traditionell auf einer niedrigeren Hierarchie als Männer vertreten, was sich mit der vertikalen Segregation beschreiben lässt. Ein wichtiger Faktor bei der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern (Vgl. Busch, 2013, S. 27). Berufe sind geschlechtsspezifisch segregiert, wenn der Anteil der Minderheitengruppe unter 30 Prozent liegt (Vgl. Folini, 2007, S. 27).
Historisch hat die geschlechtsspezifische Teilung des Arbeitsmarktes seinen Anfang in der frühen Industrialisierung. Die Erwerbstätigkeit wurde damals zunehmend außer Haus verlagert und die Nachfrage nach Arbeitskräften stieg. Diese Umstände, steigende Wohlstand und der Ausbau des sozialen Wohlfahrtsystems führten zu einer gesellschaftlichen Etablierung der Arbeitsmarkt-Individualisierung. Strukturen, die auf traditionelle Werte, Normen und der Familie aufbauen, wurden zunehmend verdrängt. Neue innovative Arbeitsstrukturen traten an deren Stelle (Vgl. Busch, 2013, S. 28). Die gesellschaftliche Arbeitsteilung wurde als Solidarität empfunden und stärkte den Zusammenhalt. Laut Durkheim, wurde die gesellschaftliche Arbeitsteilung als Solidarität empfunden und stärkte somit den Zusammenhalt (Vgl. Durkheim, 1992, S. 82).
Der Soziologe Ulrich Beck, entwickelte 1986 die so genannte Individualisierungsthese, die den Aufbruch in die Moderne und der damit strukturellen sozialen Anpassung umschreibt. Demnach hatte die zuvor beschriebene neue Orientierung, eine Ausprägung zweier voneinander getrennter Lebensbereiche, das Berufs – und Privatleben zur Folge. Frauen übernahmen den privaten Bereich, während Männer sich der Erwerbstätigkeit widmeten. Solche Strukturen und Aufteilungen, gab es zuvor nur in bürgerlichen Familien, da für das Leben der Arbeiterklasse nicht nur ein Gehalt ausreichte (Vgl. Busch, 2013, S. 28). Diese Strukturen wurden in den nächsten Jahrzehnten immer weiter gefestigt. Somit wurden den Frauen die Reproduktionsarbeit3 und dem Mann die Erwerbsarbeit zu geteilt. Ein Zustand der heute noch anhält. Der heutige Arbeitsmarkt basiert auf der Annahme, dass eine frei verfügbare Arbeitskraft zur Verfügung steht und eine weitere Person, die diese entlastet und Arbeit abnimmt. In der heutigen Zeit versuchen die Tradition und die Moderne nebeneinander zu leben, was zu den entsprechenden geschlechtsbasierenden Ungleichheiten führt. Typisch weiblich aufgefasste Fähigkeiten wurden qualitativ runter gestuft und galten auf dem Arbeitsmarkt nur als zweitrangig (Vgl. Gottschall, 1995, S. 1-2).
In Folge dieser Entwicklung, wurden Berufe geschaffen die direkt auf Frauen zugeschnitten sein sollten. Die Voraussetzung dafür war, dass die Frau trotzdem noch als unterstützende Person für den arbeitenden Mann funktionieren kann. Auch wenn Beck’s Theorie vielfach kritisiert worden ist, kann diese trotzdem als Teil einer umfassenderen Modernisierungstheorie interpretiert werden. Ein wichtiger Kritikpunkt war, dass seine Theorie Frauen aus wohlhabenden Schichten als Basis bestimmt. Schon vor Beginn der Industrialisierung waren Frauen aus weniger wohlhabenden Schichte berufstätig, wenn auch nicht im selben Ausmaß wie Männer (Vgl. Busch, 2013, S. 29).
Auch wenn die Segregation ab den 1960er Jahren gesunken ist, konnte sie trotz gesellschaftlicher Wandel nicht komplett abgebaut werden. Für die mathematische Bestimmung des Segregationsausmaßes nutzen Forschende den so genannten „Dissimilaritätsindex“. Dieser beschreibt den Anteil der Männer beziehungsweise Frauen die die Arbeitsstelle wechseln müssten, um alle Geschlechter auf die Berufsfelder gleichermaßen zu verteilen (Vgl. Folini, 2007, S. 15). Für die Berechnung werden die Absolutbeträge der Differenz zwischen dem Männer – und Frauenanteil in unterschiedlichen Berufen summiert. Die Summe daraus wird halbiert und mit 100 multipliziert, um den Index als Prozentzahl angeben zu können (Vgl. Blossfeld, Bos, Hannover, Lenzen, Müller-Böling, Prenzel, Wößmann, 2009, S 27).
Je näher der Wert an null ist, desto ausgeglichener ist die Geschlechterverteilung. Bei einem Index von 100 Prozent arbeitet ausschließlich ein Geschlecht in der Branche bzw. Beruf. In Deutschland hätten 2004 48,67 Prozent der beschäftigten Personen ihre Arbeitsstelle wechseln müssen, um eine proportionale Verteilung zu gewährleisten (Vgl. Blossfeld, Bos, Hannover, Lenzen, Müller-Böling, Prenzel, Wößmann, 2009, S 27).
In einem nächsten Schritt wird der Dissimilaritätsindex mit der Erwerbsbeteiligung in Verbindung gebracht. Es stellt sich heraus, dass mit einer zunehmenden Erwerbsbeteiligung die Segregation nicht geschmälert wird. Diese Beobachtung ist mit einem Zuwachs von erwerbstätigen Frauen in frauendominierte Berufen zu erklären (Vgl. Blossfeld, Bos, Hannover, Lenzen, Müller-Böling, Prenzel, Wößmann, 2009, S 27). Diese Zahlen stammen von einem Jahresgutachten aus dem Jahr 2009, in dem die Zahlen von 2004 untersucht wurden. Bis 2019 verzeichnete Deutschland ein plus von circa sechs Millionen Beschäftigten. Dieser Zuwachs der Erwerbsbeteiligung hat einen Einfluss auf den Dissimilaritätsindex von heute. Die Beobachtung, dass Frauen in frauendominierte Berufen eintreten, lässt sich auch heute noch bestätigen. Daher lässt sich vermuten, dass der Index von 2002 bis heute nur leichte Schwankungen aufweist (Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2020, Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 11-12).
Die Trennung der Geschlechter in bestimmte Tätigkeitsbereiche ist zurück zu schließen auf eine Differenzierung der Werte bezüglich des Lohnniveaus und Machtstellung (Vgl. Folini, 2007, S. 15-16). So genannte Frauenberufe, oder frauendominierte Berufe, sind in der Regel schlechter bezahlt und bieten weniger Aufstiegschancen als jene, in denen Männer dominieren (Vgl. Busch, 2013, S. 27). 2020 verdienten Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer (Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021). Wobei der Unterschied zwischen beiden Löhnen stark von der Branche abhängt. Am größten ist die so genannte Gender Pay Gap4 in den Bereichen Kunst, Unterhaltung und Erholung mit einem Unterschied von 31 Prozent, gefolgt von wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen mit 27 Prozent. Berufe in denen traditionell Männer stärker vertreten sind, wie zum Beispiel Verarbeitendes Gewerbe oder Kfz Mechatronik, weisen einen relativ hohen Verdienstunterschied mit 21 Prozent auf (Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021). Am geringsten ist der Unterschied bei Erwerbstätigkeiten im Bereich Abfallentsorgung (2 %) und Verkehr (5 %).
Diese Zahlen basieren auf einer unbereinigten Gender Pay Gap. Das bedeutet, dass die Ursachen und Umstände nicht berücksichtigt werden. Bei der bereinigten Gender Pay Gap wird der Anteil des Verdienstunterschiedes heraus gerechnet, welcher auf strukturelle Unterschiede zurückzuführen. Hierbei werden Faktoren wie Beschäftigungsumfang, Bildungsstand, Berufserfahrung oder der geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen eingebunden (Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021). Jedoch stellt sich auch bei der bereinigten Gender Pay Gap 2018 einen Wert von sechs Prozent heraus (Vgl. Tagesschau, 2021). Je höher die Führungsposition, desto größer die Spaltung der Löhne (Vgl. Busch, Holst, 2010, S. 93).
Die Erwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland ist in den letzten 20 Jahren stetig gestiegen. Während 1999 noch 43,6 Prozent der Frauen erwerbstätig waren, wuchs der Wert bis 2019 auf 46,6 Prozent heran (Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021). Einen Blick auf die Nachkriegszeit in Deutschland, lässt eine umfassendere Entwicklung erkennen. Hierfür ist ein Blick in die Geschichte nötig. Das ökonomische Wachstum nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte die Nachfrage nach Arbeitskräften. Der Integration der Frauen in die Arbeitswelt, später vor allem im Dienstleistungsbereich, wurde hiermit scheinbar der Weg geebnet. Jedoch wurde dem Fachkräftemangel zuerst mit Arbeitskräften aus dem Ausland entgegengewirkt. Erst später konnten Frauen sich durchsetzen, obwohl diese Integration nach wie vor qualitativ als auch quantitativ begrenzt war. Sie wurden als sekundäre Arbeitskraft angesehen und ihre Fähigkeiten wurde als zweitrangig eingestuft (Vgl. Busch, 2013, S. 30).
Neben dem Dienstleistungsbereich, wurden auch Arbeitsplätze die typisch ‚weibliche‘ Aufgaben umfassten, wie die Pflege, Erziehung und Fürsorge, für Frauen geschaffen. Die Anzahl der Selbstständigen reduzierte sich und Unternehmen wuchsen in ihrer Größe. Immer mehr Aufgaben wurden in kleinere aufgeteilt, damit auch ungelernte Arbeitskräfte diese erledigen konnte und somit auch Büroarbeiten, die heute immer noch ‚verweiblicht‘ und abgewertet werden. Die Teilzeitarbeit gewann gleichzeitig an Bedeutung. Diese reichte jedoch zur Existenzsicherung und somit zur Unabhängigkeit nicht aus (Vgl. Folini, 2007, S. 36-37). Die Sozialpolitik gestaltete sich weniger dienstleistungsorientiert, was weniger Arbeitsplätze für Frauenberufe im Dienstleistungssektor bedeutete. Zusätzlich hatten weibliche Berufe eine geringere Professionalisierung im Vergleich zu dem männlichen Äquivalent. Eine mehrjährige Ausbildung eines typischen ‘Frauenberufes’ wurde trotz Vollzeit und durchgehende Erwerbstätigkeit so wenig entlohnt, dass sie sich damit nicht einmal die Existenz sicher konnten (Vgl. Busch, 2013, S. 30). Viel geändert hat sich an diesen Umständen bis heute wenig. Im Jahre 2021 arbeiten Frauen nach wie vor häufig in schlechter vergüteten Berufen, mit wenig Aufstiegsmöglichkeiten und des Öfteren in Teilzeit und Minijob Stellen (Vgl. Tagesschau, 2021).
Empirische Befunde zeigen, dass einige Frauen ihre beruflichen Möglichkeiten ausweiten konnten, die Mehrheit jedoch im Dienstleistungssektor bleibt (Statistisches Bundesamt, 2021). Berufliche Unterschiede unter den Frauen ist somit größer geworden. Die Entwicklung zeigt einerseits, eine weniger geschlechtsorientierte Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, andererseits kann eine zunehmende Vergrößerung des Dienstleistungssektors (Abb. 5) verzeichnet werden, was die Segregation wiederum verstärkt (Vgl. Folini, 2007, S. 37-38).
Trotz alledem ist nicht jede Benachteiligung von Frauen als Diskriminierung zu betrachten. Lohnunterschiede bei einer gleichen ökonomischen Leistung kann als direkte Diskriminierung bezeichnet werden, während die indirekte Diskriminierung auf Ausstattungsunterschiede zwischen Mann und Frau abzielt. Diese umfasst unterschiedliche Lebensumstände die zu einer verringerten Produktivität führen können (Vgl. Folini, 2007, S. 34-35).5 Beispielsweise kann eine tarifliche Regelung, bestimmte Vergünstigungen für Teilzeitkräfte ausschließen, die zugleich mehrheitlich Frauen sind (Vgl. Der Paritätische Gesamtverband, N/A).
Trotzdem Skandinavien bei der Gleichstellung der Geschlechter als fortschrittlicher gilt, kann Italien eine geringere Entgeltlücke von 5,5 Prozent (2015) zwischen Frauen und Männern in der Privatwirtschaft vorweisen. Schweden zum Beispiel liegt bei fast dem dreifachen Wert (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018; Strittmatter, 2019). Laut Hofstede6 gilt Schweden als feminin während in Italien die Maskulinität bei 70 liegt. In femininen Ländern ist eine Work-Life-Balance und die Inklusion aller sehr wichtig. In maskulinen Ländern, wie Italien und Deutschland, liegt der Fokus auf Wettbewerb und Erfolg (Vgl. Hofstede, 1980). Trotz dieser kulturellen Gegebenheiten, hat Italien einen am stärksten integrierten Arbeitsmärkte Europas (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 14). Nicht außer Acht zu lassen ist auch, die erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften in der Europäischen Union in den letzten Jahren (Europäische Zentralbank, 2018, S. 4).
Zusammenfassend, ist die geschlechtsspezifische Segregation in Deutschland ein Zustand der konstant anhält. Die Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen ist auf die zunehmende Anzahl an Teilzeitbeschäftigten zurückzuführen. In den letzten zehn Jahren ist diese um 1,9 Millionen gestiegen7, während die Zahl für weibliche Vollzeitbeschäftigte stabil geblieben ist. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten bei den Männern hat sich zwar auch erhöht, jedoch war das Wachstum nicht so stark wie bei den Vollzeitbeschäftigten und den Teilzeitbeschäftigen der Frauen (Vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2019, S. 7, 10).
In den letzten zwei Jahrzehnten erlebte Deutschland eine Bildungsexpansion, wovon vor allem Mädchen und Frauen profitieren. Rund 57 Prozent von ihnen haben eine Allgemeine Hochschulreife oder eine Fachhochschulreife, was sie für ein Studium qualifiziert. Die Männer liegen rund 7 Prozent dahinter. Außerdem verlassen Frauen und Mädchen weniger häufig die Schule, weshalb eine Bildungsbenachteiligung vor allem für junge Männer in den letzten Jahren zu einem Problem geworden ist (Vgl. Menke, Klammer, 2020). Basierend auf diesen Erkenntnissen ist zu beobachten, dass weder der bessere Bildungsstand, die erhöhte Beschäftigungsquote, noch der soziale Wandel es geschafft haben, die Geschlechter gleichwertig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
4.3 Unternehmerische Vor - und Nachteile
In modernen Gesellschaften sollte die Leistungsorientierung in keinem Zusammenhang mit angeborenen und individuellen Merkmale wie Ethnie, soziale Herkunft oder Geschlecht stehen. Diskriminierungen dieser Art ziehen Wettbewerbsnachteile mit sich und schaden letztendlich der Wirtschaft (Vgl. Folini, 2007, S. 16, 35). Trotz dieser Nachteile gibt es in Europa noch ungenutztes Potenzial. Frauen trugen in den letzten Jahren durch ihre vermehrte Erwerbstätigkeit, verstärkt dem wirtschaftlichen Wachstum bei (Europäische Kommission, 2010, S. 18). Zusätzlich investiert der Staat in die Ausbildung von Frauen. Daher ist es wirtschaftlich unrentabel, das vorhandene Potenzial nicht auch zu nutzen. Im weiteren Sinne braucht das Sozialsystem diese Arbeitskräfte, jedoch gleichzeitig auch Nachwuchs, der dem Arbeitsmarkt später zur Verfügung stehen soll. Trotzdem wiegt der Schaden höher, das Potenzial nicht zu nutzen und zu fördern, in Anbetracht des demografischen Wandels (Vgl. Henn, 2008, S. 34).
Diversität ist intern und extern eine Bereicherung. Im Bezug auf das Personalmarketing werden Unternehmen die sich diverser aufstellen als die Konkurrenz, mit den besten Arbeitskräften der Minderheiten belohnt, sei es im Bezug auf des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft. Ein bunt gemischtes Team in Marketingabteilung ist von hoher Bedeutung, denn das heißt besser und authentischer auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kundschaft mit unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit eingehen zu können. Eine heterogene Belegschaft bietet zudem die Flexibilität zur Veränderungen, die Monokulturen nicht erfüllen können (Vgl. Henn, 2008, S. 66-67).
Eine verstärkte Präsenz der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und Führungsetagen, hat Veränderungen der traditionellen Frauenrollen zur Folge und verringert somit die Schneise der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes (Vgl. Folini, 2007, S. 35-36). Zurzeit sind es Männer die wichtige Entscheidungen in Führungspositionen treffen. Frauen werden kaum gehört oder miteinbezogen. Durch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis könnten andere Ideen und Meinungen eingebracht werden, um den Arbeitsmarkt integrierter zu gestalten (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S. 18). Eine diverse Belegschaft und Führungsebene spielt auch bei der externen Personalbeschaffung eine wichtige Rolle. Eine authentische Arbeitgebermarke basiert auf den Unternehmenswerten, der Unternehmenskultur und den Zielen des Unternehmens. Eine diverse und integrierte Positionierung erhöht die Bekanntheit und hilft zum Status eines attraktiven Arbeitgebers (Vgl. Vedder, Krause, 2016, S. 11-12).
Ein gutes Beispiel, welche Nachteile eine Unterrepräsentation mit sich bringt, ist der Finanzsektor. Dieser ist geprägt von langen Arbeitszeiten, die meist durch Gruppenzwang ausgelöst werden. Geschäftsführerinnen ohne Kinder und Familien in denen sich Partner:innen um die Familie kümmern, sind häufig in dem Sektor vertreten. Diese Umstände lassen ansatzweise erkennen, welche Opfer gebracht werden müssen, um als Frau in eine Führungsposition in dieser Branche zu gelangen. Viele Frauen könnten schlussendlich entscheiden, dass die Nachteile gegen die Vorteile nicht aufgewogen werden können und sich daher gegen eine Karriere als Führungsperson in diesem Sektor entscheiden. Am Ende führt diese Entscheidung dazu, dass sich in der Führungsebene bei den Geschlechtern nichts ändern wird (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S.20).
Interessant zu beobachten ist, dass während der Finanzkrise 2007 die Unternehmen mit dem höchsten Frauenanteil in der Führungsebene, am wenigsten von der Krise betroffen war. Einen Zusammenhang zwischen Geschlechterverhältnissen und wirtschaftlichem Erfolg ist jedoch schwer herzustellen. Viele äußerliche Faktoren müssten mit einbezogen werden, um ein repräsentatives Ergebnis zu liefern. Trotzdem konnten mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil in Führungspositionen und dem Erfolg des Unternehmens herstellen. Eine Studie aus Finnland befragte fast 13.000 Kapitalgesellschaften, mit mehr als zehn Mitarbeitern. Sie fanden heraus, dass Unternehmen mit Frauen in der Geschäftsleitung rund 10 Prozent ertragreicher sind, als vergleichbare Unternehmen mit Männern an der Spitze (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S.19, 21-22).
Bei der Studie „Women in Business und Management: The business case for change“ wurden 12.000 Unternehmen in 70 Ländern befragt, die die Beobachtung, des gesteigerten Unternehmenserfolg bestätigen. 54 Prozent der befragten Unternehmen verzeichneten eine Steigerung der Kreativität, Innovationen und unternehmerische Offenheit. Außerdem konnten 57 Prozent die Attraktivität für potenzielle Arbeitskräfte und die damit langfristige Bindung zu diesen steigern (Vgl. Wattenberg, 2020, S.27). Diese Beobachtung während der Finanzkrise, brachte den allgemeinen Konsens hervor, es müsse sich etwas an der von Männern dominierten Kultur ändern. In Großbritannien, wurde eine Untersuchung in die Wege geleitet, die sich mit der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen, ungleicher Entlohnung, flexible Arbeitspraktiken und der sexistischen Kultur beschäftigt. Nach dem Kollaps übergab man Frauen in Island die Vorstandssitze den von der Regierung geretteten Banken, der New Glitnit Bank und New Landsbanki (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S. 22).
Die fehlende Integration von Frauen könnte, wie im Falle des Information – und Kommunikationstechnologien Sektors, zu einem kritischen Arbeitskräftemangel führen. Das kontinuierliche Festhalten an einer Männerdomäne stürzte die Branche bereits in eine Krise (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S. 21). Ende letzten Jahres waren noch 86.000 Stellen in der IT Branche unbesetzt, während die Nachfrage immer weiter stieg. Die Covid-19 Pandemie hat den Onlinehandel und Plattformen für Home-Office einen erheblichen Schub gegeben (Vgl. Gillmann, Specht, 2020). Eine neue Auslegung der Branche, um auch weibliche Nachwuchskräfte anzuwerben ist hier gefragt und die männliche orientierte Unternehmenskultur zu überdenken (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S.22).
In unterbesetzte Branchen, wie zum Beispiel der IT Branche, kann es sich niemand leisten, Potenzial ungenutzt zu lassen. Informationsangebote und Förderungen für Workshops und Karrierethemen für die IT Branche, wie zum Beispiel der ‚Girl’s Day‘ haben den richtigen Ansatz, es reicht jedoch nicht aus. Allein in den IT Studiengängen sind gerade einmal 23 Prozent Frauen. Eine gezielte Eingliederung von technikaffinen Frauen ist essentiell, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden (Vgl. Schramm, 2015).
Der Mangel an Frauen in Führungspositionen bedeutet auch das Fehlen von Vorbildern für die nächste Generation Führungskräfte. Ohne mehr Frauen als Vorbilder werden nicht mehr Mädchen und junge Frauen eine Führungsposition anstreben (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S. 37). Eine ausgeprägte Verteilung der Geschlechter bringt viele Vorteile mit sich. Diversität erweitert den Horizont, den Homogenität blockiert. Studien belegen, dass gemischte Führungsebenen effizienter und kreativer arbeiten. Das heißt jedoch nicht, dass Frauen die besseren Chefs sind. Sie haben aber eine andere Art zu führen, was die Türen für Veränderung und Weiterentwicklung öffnet (Vgl. Klimek, 2013, S. 73). Frauen wählen für sich häufiger den transformationalen Führungsstil. Eine Führungskraft, die sich für diesen Stil entscheidet, tritt häufig als Mentor auf und möchte eine Bindung zu den Teammitgliedern aufbauen und ihr Vertrauen gewinnen. Dieser Stil setzt sich Ziele, befürwortet Neuerungen und weiß die dadurch eröffneten Handlungsspielräume zu schätzen (Vgl. S. Henn, 2008, 64-65).
Zwischen Männern und Frauen gibt es grundlegende charakterliche Unterschiede8. Diese Erweiterung und der positive Einfluss der damit einhergeht wurde auch schon wissenschaftlich untersucht. Ernst & Young untersuchten Unternehmen mit weiblicher Führung von 2005 bis 2010. Sie berücksichtigten die Kennziffern Umsatz, Gewinn und Börsenwert und es stellte sich heraus, dass diese sich besser entwickelten als mit einer rein männlichen Führung (Vgl. Klimek, 2013, S. 73). Im Hinblick auf das Talent Management ist es unabkömmlich eine Steigerung des Frauenanteils anzustreben. Die Steigerung wird gebraucht um den Bestand an Talenten zu erhalten und den Talentpool zu erweitern (Vgl. Sinelli, Ritz, 2018, S. 23).
Bezüglich des Gehirns konnten Forschende einzelne Gehirne weder als typisch weiblich noch typisch männlich kategorisieren. Viel mehr scheinen die Geschlechter ineinander zu überlaufen. Die Mehrheit der untersuchten Gehirne wiesen eine Mischung aus weiblichen und männlichen Merkmalen auf. Das Geschlecht hat einen Effekt auf die Struktur und Funktionsweise des Gehirns, trotzdem ist jedes Gehirn einzigartig. Ob diese Strukturen mit dem Verhalten zusammenhängen ist noch nicht hinreichend geklärt.
Hormone: Beide Geschlechter produzieren männertypische und frauentypische Hormone, auch Testosteron und Östrogen genannt. Die Konzentration ist jedoch unterschiedlich. Männer produzieren zehnmal so viel Testosteron als Frauen. Der Hormonspiegel hat einen Einfluss auf das Verhalten und auf Persönlichkeitsmerkmale. Dieser entscheidet darüber wie der Mensch Gefühle empfindet, wie impulsiv er ist oder wie fürsorglich. In einem Experiment von Forschenden der Universität Montreal wurde deutlich, dass Frauen negative Emotionen stärker empfanden. Je niedriger der Testosteronspiegel, desto sensibler die Reaktion. Der Hormonspiegel wirkt sich möglicherweise auch auf die kognitive Leistung aus. Frauen können während ihrer Menstruation, mit einem niedrigen Östrogenspiegel, ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen haben. Forschungen zeigen, dass es sonst die Männer sind die räumlich besser Denken können. Bei einem Experiment sollten männliche und weibliche Teilnehmende Aufgaben zum räumlichen Denken lösen. Eine der beiden Männergruppen merkte schon zu Beginn an, dass Männer durchschnittlich besser darin sind. In dieser Gruppe lag der Testosteronspiegel um 60% höher als bei der Kontrollgruppe. Dieses Wissen allein, hat das Selbstbewusstsein der Gruppe gestärkt und ihre Körper schütteten mehr Testosteron aus.
Verhalten: Forschende haben Persönlichkeitsmerkmale gefunden, die bei Frauen im Schnitt besser ausgeprägt sind. Darunter zählen Altruismus, Rücksichtnahme, Empathie, emotionale Labilität und Verletzlichkeit. Dieser Effekt fiel jedoch unterschiedlich aus. Wurden die Versuchspersonen direkt gefragt, war der Effekt vergleichsweise groß. Scheinbar wurde ihre Selbstreflexion durch Stereotype und sozialen Erwartungen gesteuert. Geringer war der Effekt bei einer indirekten Befragung (Vgl. Kindel, 2019, S. 82-86).
Mit der Eingliederung von Frauen in solche Schlüsselpositionen werden gewisse Extras in Firmen umstrukturiert und erweitert. Statt nur eines Dienstwagens, müssen sich Unternehmen überlegen, wie sie eine Kinderbetreuung eingliedern können. Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmen die Anforderungen und Wünsche ihrer Talente kennen (Vgl. Sinelli, Ritz, 2018, S. 23).
Nicht nur der Einfluss auf einzelne Unternehmen oder Branchen sollte berücksichtigt werden, sondern auch deren auf den gesamten Arbeitsmarkt. Eine unterschiedliche Verteilung der Geschlechter bedeuten auch Veränderungen der Arbeitslosenzahlen im Konjunktur – und Jahresverlauf. ‚Frauenberufe‘ sind weniger konjunkturabhängig abhängig als die der Männer. Diese sind überproportional in Berufen wie das verarbeitende Gewerbe vertreten. Dieses hat seine Hochphase im Sommer, während es im Winter im Tief ankommt. Als Folge dieser männerdominierten Saisonarbeit, entsteht eine stark ausgeprägte Schwankung der Arbeitslosenquote der Männer (Vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2019).
5 Gründe
Im folgenden Kapitel werden die Ursachen für die Unterrepräsentation von Frauen in Führungsposition aufgezeigt. Dabei werden auf Hindernisse, wie Geschlechterstereotype und die Erwartungen an diesen, eingegangen. Der Wunsch nach Nachwuchs wird oft als Hemmung der Karriere wahrgenommen. Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie wird mit Blick auf Teilzeitbeschäftigung und die Kontinuität der Erwerbstätigkeit untersucht. Im letzten Abschnitt wird das Phänomen der ‘gläsernen Decke’ erläutert und Verhaltensmuster von männlichen Führungskräften die dahinter stecken.
5.1 Geschlechterstereotype/Gesellschaftliches Bewusstsein
Das Frauenbild ändert sich zunehmend mit den Jahren, jedoch ist immer noch das Bild einer Hausfrau und Mutter fest verankert. Eine Frau die ihren Fokus auf die Karriere legt, eine Karrierefrau, wird als Ausnahme betrachtet. Für die Menschen ist es bequemer sich an den bekannten Stereotypen9 zu orientieren und Frauen die nicht in das Muster passen, werden ausgeklammert. Diese Denkweise, erlaubt es jedoch nicht Stereotypen zu überwinden (Vgl. Henn, 2008, S. 42).
Die Stereotypen die die Gesellschaft von Frauen hat, passt nicht mit deren einer Führungspersönlichkeit zusammen. Gleiche Verhaltens – und Wahrnehmungsmuster werden bei Männer und Frauen unterschiedlich bewertet. Männer legen ein direktes und dominantes Kommunikationsverhalten, zum Beispiel in Form eines Widerspruchs, an den Tag und werden positiv bewertet. Frauen verhalten sich ähnlich und sie werden als aggressiv und anmaßend wahrgenommen. Eine Beurteilung für eine Führungsposition wird in Abhängigkeit von den Geschlechtern und der Wahrnehmung des Verhalten dieser bestimmt (Vgl. Henn, 2008, S. 41-43).
Fried, Wetzel und Baitsch haben 2000 eine Übersicht von männlichen und weiblichen Stereotypen im Beurteilungsprozess erstellt. In der Kategorie Fähigkeiten, werden männliche Stereotype wie Dominanz und Führung genannt, während eine ausgeprägte Sozialkompetenz der Frauen dem gegenüber steht. Frauen vermeiden Konflikte, Männer suchen diese. Männer gehen in die Offensive mit ihrer Selbstdarstellung, Frauen halten sich bedeckter. Frauen halten die Kommunikation aufrecht, während Männer sie initiieren. All diese Stereotypen sind als Anhaltspunkt für die Benachteiligung von Frauen in Unternehmen zu betrachten (Vgl. Henn, 2008, S. 44-45).
Frauen wird unterstellt zumindest einmal aus dem Unternehmen auszuscheiden, um der Familienplanung nachzugehen. Dadurch sind sie weniger mobil und weisen vermehrt familiär bedingte Fehlzeiten auf. Dieses Klischee muss in vielen Fällen gar nicht bedient werden. Um diese zu bestätigen verlangt es nach kosten - und zeitintensiven Überprüfungen, wie Testverfahren oder Überwachungen, die gesetzlich schwer zu vereinbaren sind. Daher ist es einfacher diese Eigenschaften der Gruppe ‚Frau‘ zuzuordnen. Dieses Vorgehen erhöht die Wahrscheinlichkeit eines fehlerhaften Urteils und endet damit, dass geeignete Bewerbende abgelehnt und ungeeignete eingestellt werden (Vgl. Henn, 2008, S. 31-32).
Für eine Studie der Europäischen Kommission wurden 500 Frauen in Führungspositionen aus Unternehmen und Sozietäten aus 20 europäischen Ländern befragt.10 Bei der Befragung, welche Hindernisse es für Frauen in Führungspositionen gibt, nannten zwei Drittel Klischees und Vorurteile. Fast genauso häufig wurden fehlende Vorbilder, Mangel an Erfahrung und der Möglichkeit des Mentoring, sowie familiäre Verpflichtungen genannt. Die Klischees lassen sich grob in zwei Kategorien teilen. Eine Gruppe der Klischees bezieht sich auf die traditionelle Geschlechterverteilung. Der Mann wird als Ernährer der Familie angesehen und die Frau bleibt zuhause und kümmert sich um die Familie und den Haushalt (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S. 35-36). Obwohl 2019 46 Prozent der Erwerbstätigen Frauen ausmachten11 und sie somit auch zum Unterhalt der Familie beitragen, begegnen sie trotzdem noch Zweifel an ihren Fähigkeiten und die Vereinbarung von Job und Familie.
Die zweite Kategorie der Klischees bilden die geschlechtsbezogenen, persönlichen Eigenschaften. Es gibt eine gewisse Erwartungshaltung in der Gesellschaft die bestimmt, welche Eigenschaften mitgebracht werden müssen, um erfolgreich im Job zu sein. Vorurteile im Bezug auf Fähigkeiten von Männer und Frauen, neigen dazu Frauen in bestimmte Branchen oder Berufskategorien zuzuteilen und sie von Führungspositionen auszugrenzen. Eine Studie von Eurochambres untersuchte diese Beobachtung in sechs EU Ländern und zwei Drittel der Befragten gaben an, schon einmal Äußerungen die darauf abzielen gehört zu haben. Aussagen wie ‚Frauen seien nicht so zuverlässig wie Männer‘ und ‚Frauen könnten keine Entscheidungen treffen‘ wurden am häufigsten genannt.
Eigenschaften wie Führungskompetenz und Macht werden meistens mit männlichen Stereotypen in Verbindung gebracht. Die Krise im Finanzsektor wie in Kapitel 4.3 beschrieben, hat genau dieses Konstrukt ins wanken gebracht und könnte ein Auslöser für eine Veränderung werden (Vgl. Europäische Kommission, 2010, S. 35-36).
Geschlechterstereotype sind ein gesellschaftliches Thema und sie können auch nur dort beginnen zu enden. Stereotype sollten nicht mehr als Basis für das vermeintliche Können oder Nichtkönnen von Frauen genutzt werden. Dieser Wandel muss vom bisher dominierenden Geschlecht befürwortet und unterstützt werden. Andererseits müssen auch geeignete Frauen, die die große Karriere wollen mit all den Konsequenzen tragen. Der Generationswechsel wird unterstützend für diesen Wandel sein, da sie bei Themen wie Gleichberechtigung weiterentwickelt sind als die jetzige dominierende im Arbeitsmarkt (Vgl. Klimek, 2013, S. 75).
Außerdem ist es auch sinnvoll sich die andere Seite anzuschauen. Allein die Frauenförderung zu stärken kann schnell zu einem Ungleichgewicht führen, denn auch Männer tragen zu dem Gleichgewicht des Arbeitsmarktes bei. Eine Grundlage zu schaffen, die auch ihre Gleichstellung begünstigt, ist demnach im Sinne der Frauenförderung. Neben einer nötigen Veränderung des Mentalitätsmusters in einigen Chefetagen, wie zuvor in Kapitel 4.3 erklärt, ist auch die gesellschaftliche Stellung ein wichtiges Thema. Männern sollte es genauso ermöglicht werden ihren familiären und beruflichen Verpflichten gleichermaßen nach zu kommen, wie man es im Sinne der Frauenförderung fordert. Für Teilzeitbeschäftigungen und Erziehungsurlaub sollten Männer nicht mehr belächelt werden. Der Stereotyp des Ernährers in der Familie und dem damit verbundenen Druck wird somit entgegengewirkt (Vgl. Henn, 2008, S. 35-38).
Eine weitere wichtige Maßnahme zur Männer – und damit auch Frauenförderung ist das Abschiednehmen der Präsenzkultur. Viele deutsche Unternehmen hängen an der physischen Anwesenheit der Arbeitskräfte und verbinden diese mit Engagement und Einsatz. Die Präsenz vermittelt ein Gefühl von Kontrolle und Macht, was im Home Office in der Form nicht möglich ist (Vgl. Henn, 2008, S. 35-38). Die COVID-19 Pandemie hat einen wesentlichen Einfluss auf den zuletzt genannten Punkt. Die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung, wie Social Distancing, Lockdown und dem damit verbundenen Homeoffice, griff massiv in die bekannten Arbeitsmuster ein und zwang Unternehmen sich um zu stellen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wurde stärker denn je angetrieben.
Durch Lockdowns12 wurde zeitlich und lokal flexibles Arbeit zur neuen Normalität, was zu einen Wandel der Rollenmodellen innerhalb der Familie führte. Arbeitskräfte, egal ob Mann oder Frau, ist es nun möglich sich die Familien – und Arbeitszeit selbst einzuteilen. Ein Argument, was vorher gegen Frauen in einer Führungsposition sprach, nämlich die ständige Anwesenheit im Unternehmen, hat nun an Bedeutung verloren. Noch nie haben sich so viele Väter um die Familie gekümmert, wie im Jahr der Pandemie. Vor der Pandemie waren Mütter für Kinder und Haushalt durchschnittlich vermehrt zuständig mit 6,6 Stunden pro Tag. Während der Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen, wie die Schließung der Kindertagesstätten, hat sich ihr Anteil auf 7,9 Stunden erhöht. Väter waren vor Ausbruch der Pandemie mit 3,3 täglichen Stunden am Familienleben beteiligt und sind es nun mit 5,6 Stunden (Bujard, Laß, Diabaté, Sulak, Schneider, 2020, S. 38-39). Ob und inwieweit dieser Umschwung der sozialen Normen von nachhaltiger Bedeutung sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen. Trotzdem die Frauen stärker in die Sorgearbeit eingebunden sind und dies somit einen kurzen negativen Effekt auf ihre Karriere hat, könnte dies die Möglichkeit eröffnen, die Männer in Zukunft verstärkt mit einzubinden.
Langfristig gesehen, führt dies zu Vorteilen für beide Seiten. Die verstärkten Sorgfaltspflichten der Männer ist jedoch auch der Tatsache geschuldet, dass mehr Frauen in systemrelevanten Bereichen, wie Einzelhandel, Krankenpflege etc. arbeiten und sie daher gezwungen sind diese Aufgaben zu übernehmen.
Arbeitgebende berichten von einer gleichbleibenden Leistung und Produktivität im Homeoffice. Dies wird nach der Pandemie zu einem verstärkten Arbeiten im Homeoffice und Zurückgreifen auf digitalen Arbeitsmöglichkeiten führen. Für Führungskräfte sind die Aspekte mobiles Arbeiten und flexible Zeiteinteilung ausschlaggebend. Beide Aspekte tragen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei und ebnen somit den Weg für mehr Frauen in die Führungsebene (Vgl. Gulden, Thomsen, 2021, S. 307-309).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Mögliche Folgen der COVID-19 Pandemie für Frauen in Führungspositionen
5.2 Familienplanung versus Karriere
Für Männer in Führungspositionen scheint die Entscheidung zwischen einer Karriere und der Familienplanung nicht im Raum zu stehen. 75 Prozent der Männer sind verheiratet und haben Kinder, was den Zustand zu einer gewissen Norm macht. Diese Selbstverständlichkeit gilt jedoch nicht für weibliche Führungskräfte. Hier haben „nur“ die Hälfte Kinder und sind verheiratet. Frauen scheinen immer noch ihre Familienplanung zum Wohle ihrer Karriere aufzugeben, um in eine Führungsposition zu gelangen, diese zu halten oder sich weiter hochzuarbeiten. Trotzdem kann in diesen Umständen nicht pauschal der Grund für die „gläserne Decke“ gefunden werden. Schließlich schaffen es 56 Prozent der befragten weiblichen Führungskräfte ihrer Mutterrolle nachzukommen und eine Führungsposition zu halten (Vgl. Wippermann, 2010, S. 29).
Der Anteil der erwerbstätigen Frauen mit Kindern hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Während vor 35 Jahren noch 62 Prozent der erwerbstätigen Frauen keine Kinder hatten, ist die Zahl bis 2008 auf 36 Prozent gesunken. Von den 53 Prozent der Frauen in 2008 die ein oder mehrere Kinder haben, gaben nur 30 Prozent an ihre Berufstätigkeit zugunsten der Familie unterbrochen zu haben. Auf die Frage, ob sie eine solche Unterbrechung in ihrer beruflichen Laufbahn überhaupt wollen, zeigt sich ein klarer Trend, denn circa die Hälfte der befragten Männer und Frauen, wollen keine. Lediglich 16 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen, können sich eine derartige Unterbrechung vorstellen (Vgl. Bischoff, 2010, S.44-45).
In der Führungsebene ist zu beobachten, dass der Anteil der kinderlosen sinkt, je höher die Führungsposition ist. Im Topmanagement haben knapp 60 Prozent der Frauen Kinder, während es in der 3. Führungsebene nur 43 Prozent sind. Der Mythos sich als Frau für Kinder oder die Karriere entscheiden zu müssen, kann somit nicht ohne weiteres belegt werden. Spätestens bei dem Bruttojahresgehalt werden die Unterschiede deutlich. Nur 5 Prozent der Frauen mit Unterbrechung können ein Jahresgehalt von mehr als 100.000 Euro vorweisen. Frauen die ohne Unterbrechung ihre Karriere gestaltet haben, sind mit 24 Prozent in der Kategorie vertreten. Bei den Männer ist der Unterschied sogar noch größer. 43 Prozent der Männer ohne eine Berufsunterbrechung schaffen es in die >100.000 Euro Kategorie, während es nur zwölf Prozent der Männer mit einer Unterbrechung schaffen. Außerdem ist zu erkennen, dass der Anteil Führungskräfte ohne Kinder in Großunternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigte am höchsten ist. 61 Prozent der Frauen haben in dieser Unternehmenskategorie keine Kinder. Paradox hierbei ist, dass es vor allem Großunternehmen sind, die Wiedereinstieg Zusagen nach einer Familienpause anbieten. Für die Frauen scheint dieser Anreiz nicht groß genug zu sein, um die Karriere dafür zu unterbrechen (Vgl. Bischoff, 2010, S.45-48).
5.2.1 Kontinuität der Erwerbstätigkeit
Die Berufsunterbrechung ist ein Argument was von einem Teil der männlichen Topmanager vertreten wird, um die Gründe der Unterrepräsentation von weiblichen Führungskräften zu erklären. Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend belegt, dass diese Annahme allein auf Vorurteile beruht. 44 Prozent der weiblichen Führungskräfte haben ihre Tätigkeit mindestens einmal unterbrochen. Dies wird von 56 Prozent ohne Unterbrechung ausgeglichen. Die Kontinuität der Erwerbstätigkeit ist nicht einmal bei den männlichen Führungspositionen gegeben. Ein Viertel aller Männer haben schon einmal ihre Tätigkeit unterbrochen. Berücksichtigt man bei diesen beiden Prozentwerten die Ungleichheit der Geschlechter in der Führungsebene, dann lässt sich in absoluten Zahlen erkennen, dass sogar vermehrt Männer ihren Beruf unterbrochen haben. Zu beachten ist jedoch, dass Männer normalerweise nur einmal eine Unterbrechung eingehen, während zwei Unterbrechungen bei den weiblichen Führungskräften durchaus normal sind (Abb. 6).
38 Prozent der Frauen unterbrechen ihre Tätigkeit für sieben bis zwölf Monate und gehören somit zu der größten Kategorie der 60 Prozent der Frauen die maximal zwölf Monate pausieren an. Bei den Männern ist eine Unterbrechung von bis zu drei Monaten am häufigsten vertreten (Abb. 7) (Vgl. Wippermann, 2010, S. 30-32). Mit dem Erlangen einer Führungsposition hat die Kontinuität der Erwerbstätigkeit somit nichts zu tun.
Anders sieht es jedoch bei Karrieresprüngen aus. Menschen die mehrere Karrieresprünge hinter sich haben sind vor allem Männer. Während 31 Prozent von ihnen mehrere Stufen übersprungen haben, sind es gerade einmal 16 Prozent der Frauen, die das auch vorweisen können. Karrieresprünge sind Teil von leitenden Positionen, da etwa die Hälfte der Frauen und Männer diese Positionen erreichten, nachdem sie eine oder mehrere Stufen übersprungen haben. Für männliche Führungskräfte ist es normal relativ schnell aufzusteigen und einzelne Stufen in kurzen Abständen zu passieren. Sie positionieren sich im Unternehmen strategisch und suchen solche Gelegenheiten aktiv. Ein Zusammenhang von Kontinuität und Karrieresprünge kann trotzdem nicht festgestellt werden. 41 Prozent der Frauen ohne Berufsunterbrechen konnten mindestens einen Karrieresprung vorweisen und 52 Prozent der Frauen mit einer Unterbrechung (Vgl. Wippermann, 2010, S. 32- 36).
Die Mehrheit der Frauen (58%) und Männer (56%) in Führungspositionen erkennen aufgrund ihrer Erfahrung auch die Wichtigkeit von Karrieresprüngen und plädieren dafür, dass es Nachwuchskräften das Überspringen ermöglichten werden sollte. Vor allem ältere Frauen (ab 50 Jahre) sehen darin ein wichtiges Instrument zur Nachwuchsförderung. Noch deutlicher ist die Zustimmung, ob qualifizierte Nachwuchskräfte Karrierestufen schneller als gewohnt durchlaufen sollen. Dieser Aussage schließen sich 70 Prozent der weiblichen Führungskräfte an (Abb. 8) (Vgl. Wippermann, 2010, S. 32- 36).
5.2.2 Teilzeit
Eine weitere vermeintliche Bremse für die Karriere ist die Teilzeitarbeit. Für den Begriff Teilzeitbeschäftigung gibt es weder im deutschen noch internationalen Raum eine einheitliche Definition (Vgl. Karlshaus, Kaehler, 2017, S. 4) Der Duden definiert die Teilzeitbeschäftigung folgendermaßen: “Beschäftigung, die keinen vollen Arbeitstag bzw. nicht alle Tage der Woche umfasst” (Vgl. Dudenredaktion, o.D.). Der Begriff Teilzeitarbeit ist willkürlich festgelegt. Teilweise wird eine Teilzeitbeschäftigung an der betrieblichen normalen Arbeitszeit festgemacht, in einigen Fällen auch an eine bestimmte Stundenzahl oder einer Selbsteinschätzung der Angestellten (Vgl. Karlshaus, Kaehler, 2017, S.4-5). In dieser Arbeit wird von einer geringeren Stundenzahl als Vollzeitbeschäftigte ausgegangen.
Im europaweiten Vergleich ordnet sich das Durchschnittsgehalt von Vollzeitbeschäftigten klar über dem der Teilzeitbeschäftigten. Durchschnittlich liegt der Unterschied in der Europäischen Union bei 1,66 Euro pro Stunde. Diese Diskrepanzen hängen häufig mit verschiedenen Einflussfaktoren wie die Berufserfahrung, Ausbildung und der Branche zusammen. Europaweit sind Frauen bei weitem öfters in Teilzeit angestellt als Männer. In Deutschland haben 46,9 Prozent der Frauen eine Teilzeitbeschäftigung, während es bei den Männer gerade einmal 9 Prozent sind. Mit diesen Zahlen findet sich Deutschland im oberen Bereich der Teilzeitquoten von Männer und Frauen in der Europäischen Union 2016 ein.
Die Spitzenposition sichern sich die Niederlande, wo 74,8 Prozent der Frauen und 22,1 Prozent der Männer in einer Teilzeitstelle angestellt sind (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 17-18). Von allen teilzeitbeschäftigten Frauen in der Europäischen Union begründet jede zweite diese mit familiären Verpflichtungen. Bei den männlichen Teilzeitkräften ist es jeder neunte. Europäische Frauen wählen demnach eine Teilzeitbeschäftigung, um die Familie betreuen zu können und bei Männer stellt sich heraus, dass unter anderem der Arbeitsmarkt für ihre Teilzeitbeschäftigung verantwortlich ist (Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2018, S. 19-20).
[...]
1 Einordnung nach Empfehlung der Europäischen Kommission (2003/361/EG)
2 Einordnung nach Empfehlung der Europäischen Kommission (2003/361/EG)
3 In der Soziologie versteht man unter Reproduktion das Aufrechterhalten eines Zustandes. Quelle fehlt
4 „Bezeichnet die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes (ohne Sonderzahlungen) der Frauen und Männer im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer.” (Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021)
5 Gesetzlich wurde die Gleichstellung der Geschlechter am 1. Juli 1958 mit dem “Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts” durchgesetzt (Art. 127 BGBI, IS. 866, 883) und ist heute im Grundgesetz verankert (Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: Artikel 3 Absatz 2 Satz 1, Absatz 2 Satz 1)
6 Geert Hofstede war ein niederländischer Kulturwissenschaftler, der im Bereich Organisationskultur forschte. Außerdem beschäftigte er sich mit der interkulturellen Zusammenarbeit auf das Verhalten von Organisationen und Führung. Berühmt wurde er durch seine sechs Kulturdimensionen (Vgl. Gert Hofstede, 2021).
7 Stand 2018
8 In den letzten Jahren haben Forschende Erkenntnisse zu drei wesentliche Aspekten für maskuline und feminine Wesensprägungen erhalten. Das Gehirn, Hormone und Verhalten wurden untersucht.
9 Stereotypen sind allgemeine Annahmen über Eigenschaften einer bestimmten Personengruppe. Diese Annahmen werden auf die einzelnen Individuen dieser Gruppe übertragen (Vgl. Henn, 2008).
10 Women in Leadership: A European Business Imperative, Catalyst and The Conference Board Europe, 2002, https://www.catalyst.org/research/women-in-leadership-a-european-business-imperative/
11 Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021
12 Stilllegung des öffentlichen Lebens (Vgl. Gensing, 2020)
- Quote paper
- Katja Klein (Author), 2021, Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen und die Idee der Frauenquote. Gründe und Veränderungsansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1141968
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