Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie am Beispiel der IG Metall. Angesichts behördlicher Einschränkungen in Form von Kontaktbeschränkungen, Versammlungsverboten sowie Abstandsregelungen wird die Arbeit von Gewerkschaften erschwert. Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Untersuchung der Veränderungen der Tarifvertragsarbeit während der Pandemie und den daraus resultierenden Folgen. Überdies sollen Begleiterscheinungen aufgedeckt werden.
Für ein ausgewogenes Gesamtbild werden zunächst das Tarifvertragsrecht, der Tarifvertrag sowie die Tarifparteien skizziert. Ferner wird auf die IG Metall und deren Entwicklung eingegangen. Im Anschluss erfolgt die allgemeine Darstellung der Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie. Den Abschluss bildet die Vorstellung der Forschungsansätze empirischer Sozialforschung. Im Rahmen von Experteninterviews werden Vertreter der IG Metall zu den Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie befragt. Zudem wird erhoben, welche Änderungen in der Zusammenarbeit auch nach Ende der Pandemie beibehalten und welche wieder abgeschafft werden. Die Auswertung der Experteninterviews erfolgt anhand der qualitativen Inhaltsanalyse.
Schlüsselwörter: Tarifvertrag, SARS-CoV-2-Virus, Gewerkschaft, Veränderungen während der Pandemie, Kommunikation.
Inhaltsverzeichnis
I. Abbildungsverzeichnis
II. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung der Arbeit
1.3. Aufbau der Arbeit
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Begriffe und Definitionen
2.1.1. Epidemie
2.1.2. Experte
2.1.3. Interview
2.1.4. Koalitionen
2.1.5. Kurzarbeit
2.1.6. Lockdown
2.1.7. Pandemie
2.1.8. SARS-CoV-2-Virus
2.1.9. Streik
2.1.10. Tarifautonomie
2.1.11. Tariffähigkeit
2.1.12. Tarifkommission
2.1.13. Tarifrunde
2.1.14. Tarifwilligkeit
2.1.15. Territorialprinzip
3. Das Tarifvertragsrecht
3.1. Einführung
3.1.1. Der Tarifvertrag
3.1.2. Funktionen des Tarifvertrages
3.1.3. Inhaltliche Bestimmungen
3.2. Die Tarifparteien
3.2.1. Der Deutsche Gewerkschaftsbund
3.2.2. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber
3.3. Die IG-Metall als Tarifpartei
3.4. Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie
3.4.1. Digitalisierung der Tarifverhandlungen
3.4.2. Digitalisierung der Arbeitskampfmaßnahmen
4. Methodik
4.1. Experteninterviews im Kontext der Empirischen Sozialforschung
4.2. Herausforderungen
4.3. Kritik der Methodik
4.4. Leitfadengestütztes Experteninterview
4.4.1. Auswahl des Experten
4.4.2. Aufbau und Inhalte des Leitfadens
4.4.3. Vorbereitung der Interviews
4.4.4. Durchführung der Interviews
4.4.5. Transkription der Interviews
4.5. Datenerhebung und Datenauswertung
4.6. Gütekriterien qualitativer Inhaltsanalyse
5. Ergebnisse der Experteninterviews und kritische Analyse 27
5.1. Auswertung der Einzelinterviews
5.1.1. Interview mit G1
5.1.2. Interview mit G2
5.1.3. Interview mit G3
5.2. Auswertung der Ergebnisse
5.3. Handlungsempfehlungen
6. Fazit und Ausblick
III. Literaturverzeichnis
IV. Anhang
Anhang A: Einladungstext
Anhang C: Leitfaden für die Gewerkschaften
Anhang D: Interviewberichte
Anhang E: Transkribierte Interviews
Interview mit G1:
Interview mit G2:
Interview mit G3
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie am Beispiel der IG Metall. Angesichts behördlicher Einschränkungen in Form von Kontaktbeschränkungen, Versammlungsverboten sowie Abstandsregelungen wird die Arbeit von Gewerkschaften erschwert. Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Untersuchung der Veränderungen der Tarifvertragsarbeit während der Pandemie und den daraus resultierenden Folgen. Überdies sollen Begleiterscheinungen aufgedeckt werden. Für ein ausgewogenes Gesamtbild werden zunächst das Tarifvertragsrecht, der Tarifvertrag sowie die Tarifparteien skizziert. Ferner wird auf die IG Metall und deren Entwicklung eingegangen. Im Anschluss erfolgt die allgemeine Darstellung der Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit aufgrund der SARS-CoV- 2-Pandemie. Den Abschluss bildet die Vorstellung der Forschungsansätze empirischer Sozialforschung. Im Rahmen von Experteninterviews werden Vertreter der IG Metall zu den Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie befragt. Zudem wird erhoben, welche Änderungen in der Zusammenarbeit auch nach Ende der Pandemie beibehalten und welche wieder abgeschafft werden. Die Auswertung der Experteninterviews erfolgt anhand der qualitativen Inhaltsanalyse.
Schlüsselwörter: Tarifvertrag, SARS-CoV-2-Virus, Gewerkschaft, Veränderungen während der Pandemie, Kommunikation.
Abstract
The present thesis deals with the changes in trade union work during the SARS-CoV-2-pandemic using the example of IG Metall. As a result of regulatory restrictions, contact restrictions, assembly bans and distance regulations the work of the union became more difficult.
The aim of this bachelor thesis is to investigate the changes in the trade union work during the pandemic and the resulting consequences. In addition to this possible side effects should be revealed. First the collective bargaining law, the collective bargaining agreement and the parties are considered for an overall picture. Furthermore, the IG Metall and its development are explicitly discussed. The following part introduces you to the research approaches of empirical social research. In the context of expert interviews, representatives of the IG Metall are interviewed about the changes in trade union work during the SARS-CoV-2-Pandemic. Furthermore, it will be identified which changes in collaboration will be maintained and which will be abolished after the pandemic. The evaluation is based on the qualitative content analysis.
Keywords: Collective Agreement, SARS-CoV-2-virus, Collective bargaining, Changes during the pandemic, Communication.
I. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Arbeitsrechtlicher Koalitionsbegriff
Abb. 2: Übersicht der IG Metall Bezirke
Abb. 3: Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltsanalyse
Abb. 4: Kategorienbildung
II. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Als im Dezember 2019 in der chinesischen Provinz Hubei nach einer Anhäufung von Atemwegserkrankungen ein neuartiges Corona Virus identifiziert wurde, war den meisten Menschen wahrscheinlich unbekannt, welche drastischen Auswirkungen diese Entdeckung auf das alltägliche Leben der Bevölkerung haben wird (Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, o.J.).
Aufgrund der rasanten Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus erklärte der Generaldirektor der WHO am 11. März 2020 den Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus offiziell als Pandemie mit internationaler Tragweite (Weltgesundheitsorganisation, o.J.). Daraufhin folgten in Deutschland zahlreiche staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Darunter Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln von 1,5 m zu anderen Menschen sowie die Pflicht eine FFP-2 bzw. medizinische Maske zu tragen etc. (Die Bundesregierung, 2021). Weiter waren angesichts behördlicher Anordnung zahlreiche Unternehmen gezwungen ihre unternehmerische Tätigkeit vorübergehen einzustellen oder die Arbeit, wenn möglich ins Homeoffice zu verlagern. Viele Unternehmen mussten daraufhin Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit anzeigen und beantragen. Laut einer Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit befanden sich im April 2020 knapp sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit. Bis Oktober 2020 sank diese Zahl, infolge der Wiedereröffnung zahlreicher Geschäfte, auf 2,05 Millionen Menschen in Kurzarbeit (Bundesagentur für Arbeit, 2021).
Um wirtschaftliche Effekte der Kurzarbeit zu beschränken, finden sich im Sozialgesetzbuch III § 95 ff. Regelungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld. Es kann dabei in einem Zeitraum von bis zu 18 Monaten gewährt werden. „Die Leistung beträgt je nach Familienstand 60 % bzw. 67 % der Nettoentgeltdifferenz von Vollbeschäftigten und Kurzarbeit“ (Bispinck, et al., 2010, S. 46).
Um die Bedingungen der Kurzarbeit (Einführung, Höhe von Zuschüssen, etc.) zu verbessern, enthalten Tarifverträge verschiedener Geschäftszweige besondere Bestimmungen, um bessere Konditionen zu erreichen (Bispinck, 2009, S.1ff.). In diesem Zusammenhang werden die Bedeutung von Tarifverträgen sowie die Arbeit der Gewerkschaften umso deutlicher. In Deutschland sind zahlreiche Arbeitnehmer tarifgebunden, d.h. sie gehören einer Gewerkschaft an, die einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die Relevanz des Tarifvertragsrechts spiegelt sich gleichermaßen in der Zahl (7.500) jährlich neu abgeschlossener Tarifverträge wider (Bundeszentrale für politische Bildung, o.J.). Infolgedessen kommt dem Tarifvertrag eine besondere ökonomische Bedeutung zu.
Zur Verbesserung bzw. Regulierung der Arbeitsbedingungen unter denen Arbeitnehmer ihre Arbeit verrichten, üben Koalitionen eine Reihe von Tätigkeiten aus. Hierzu zählen unter anderem die Organisationen von Arbeitskampfmaßnahmen, die Festlegung sowie Bestimmung von tariflichen Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie Forderungen, die interne Abstimmung, die Beratung tarifgebundener Arbeitnehmer in arbeitsrechtlichen Fragestellungen sowie die Durchführung von Tarifverhandlungen.
Anlässlich der vorher aufgezeigten Beschränkungen treten bei der Arbeit der Tarifparteien verschiedene pandemiebedingte Belastungen auf, die deren Aufgabenbereiche tangieren. Im Zuge dessen sind die Betroffenen angehalten, digitale Instrumente zur Kommunikation zu verwenden und Maßnahmenkataloge zu entwickeln, um die Komplexitäts- sowie Qualifikationsanforderungen zu bewältigen. Fraglich ist nun, inwieweit die SARS-CoV-2-Pandemie die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften einschränkt und welche Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der Kommunikation sowie zur allgemeinen Arbeit der Tarifparteien zur Verfügung stehen bzw. erschaffen werden. Die Pandemie, mit ihren verbundenen Einschränkungen, beeinflusst daher die Arbeit der Tarifparteien maßgeblich.
1.2. Zielsetzung der Arbeit
Um auf die geschilderte Problemstellung im Unterkapitel 1.1. einzugehen, ergeben sich in dieser Bachelorarbeit folgende Forschungsfragen:
- Welche Veränderungen ergeben sich bei der IG Metall in den einzelnen Aufgabenbereichen während der SARS-CoV-2-Pandemie?
- Inwieweit ergeben sich im Bereich der Kommunikation Änderungen zwischen der IG Metall und deren Sozialpartner bzw. den Gewerkschaftsmitgliedern aufgrund der Pandemie?
- Welche Änderungen werden auch nach Ende der Pandemie beibehalten und welche wieder abgeschafft?
Mit diesen Fragestellungen sollen im Rahmen dieser Abschlussarbeit die Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit sowie mögliche Begleiterscheinungen und Folgen aufgedeckt werden.
1.3. Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Bachelorarbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Im Anschluss an die Einleitung, in der die Problemstellung erläutert wird, widmet sich das zweite Kapitel der terminologischen Klärung von verwendeten Fachbegriffen. Darauf aufbauend folgen eine kurze Erläuterung des Tarifvertragsrechts, des Tarifvertrages sowie dessen inhaltlicher Bestimmungen. Ferner werden die Tarifvertragsparteien sowie explizit die IG Metall vorgestellt und daraufhin die Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie erläutert. All dies soll zur Verdeutlichung der Fragestellungen dienen.
Anschließend erfolgt in Kapitel drei eine Betrachtung der empirischen Sozialforschung sowie eine kurze Skizzierung der grundlegenden Forschungsansätze. Darauf aufbauend wird die qualitative Forschung, welche in dieser Arbeit anhand von leitfadengestützten Experteninterviews erfolgt, dargestellt. Hierzu werden der Ablauf, die Inhalte des Leitfadens sowie die Auswahl der Experten beschrieben. Mithin erfolgt die Darstellung möglicher Durchführungsprobleme, die sich im Zuge der Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie Interviews ergeben können. Um die Erkenntnisse darzulegen, werden die Interviews transkribiert und im nächsten Kapitel aufbereitet und ausgewertet.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Auswertung der Experteninterviews mittels der qualitativen Inhaltsanalyse. Folgend werden die Ergebnisse interpretiert und präsentiert.
Anhand der Ergebnisse der Interviews sowie der theoretischen Grundlagen wird auf mögliche Handlungsempfehlungen für die IG Metall sowie andere DGB Gewerkschaften eingeganen.
Den Abschluss der Arbeit bildet in Kapitel sechs, auf Grundlage der Erkenntnisse, das Fazit und ein Ausblick für die Zukunft der Gewerkschaftsarbeit.
Die theoretischen Grundlagen des Tarifrechts sowie der empirischen Sozialforschung wurden auf Basis einer Literaturrecherche gewonnen. Hierzu wurden einerseits einschlägige Publikationen zur Themenstellung in Papierform erworben, andererseits wurden online Literaturrechercheplattformen wie die „Library and Information Services“ der IU Fernhochschule, die Medien der VÖBB Berlin, sowie die Suchfunktion „Google Scholar“ verwendet.
Aus Gründen der Lesbarkeit und zur Vermeidung unnötiger Satzverlängerungen wurde das generische Maskulin verwendet. Diese Arbeit spricht ausdrücklich alle Geschlechtsidentitäten an, weshalb das verwendete Vokabular geschlechtsneutral zu verstehen ist.
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Begriffe und Definitionen
2.1.1. Epidemie
„Von einer Epidemie spricht man, wenn in einer Region Krankheitsfälle in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe deutlich gehäuft auftreten. Meist handelt es sich um Infektionskrankheiten“ (Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V., 2020).
2.1.2. Experte
Ein Experte wird nach Lengsfeld (o. J.) als „eine natürliche Person bezeichnet, die über fundiertes Wissen auf einem bestimmten Fachgebiet verfügt und gegebenenfalls die erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten für die kompetente Anwendung des theoretischen Wissens besitzt“.
2.1.3. Interview
„Das Interview (= mündliche Befragung) stellt eine spezielle Art der Befragung dar, bei der die Auskunftspersonen durch einen Interviewer in Gesprächsform befragt wird“ (Wirtschaftslexikon, 2020).
2.1.4. Koalitionen
Brox, Henssler und Rüthers (2016, S.226) verstehen unter einer Koalition die Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, die dem Zweck der Sicherung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient.
2.1.5. Kurzarbeit
„Kurzarbeit beutetet, dass die betriebliche Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum reduziert und das Entgelt der betroffenen Beschäftigten entsprechend abgesenkt wird“ (Hans Böckler Stiftung, 2020, S. 6).
2.1.6. Lockdown
„Ein Lockdown (engl. “lockdown”: Ausgangssperre) ist im ursprünglichen Sinne des Wortes eine Ausgangssperre oder auch eine Absperrung bzw. Versiegelung von Gebäuden und Bereichen“ (Bendel, o.J.).
„Man beschränkt also gewisse Freiheiten, untersagt bestimmte Handlungen und trifft spezielle Maßnahmen, die extrem sein oder wirken können“ (Bendel, o.J.).
2.1.7. Pandemie
„Eine Pandemie bezeichnet eine weltweite Epidemie“ (Robert Koch-Institut, 2009).
2.1.8. SARS-CoV-2-Virus
„SARS-CoV-2 [...] ist ein neues Coronavirus [...] das Anfang 2020 als Auslöser der COVID-19 Erkrankung identifiziert wurde“ (Robert-Koch-Institut, 2020).
2.1.9. Streik
Nach Pulte (1998, S.225) handelt es sich bei einem Streik, um die zielgerichtete Niederlegung der Arbeit von einer breiten Masse der Belegschaft, um entsprechenden Druck auf die Arbeitgeberseite auszurichten. Ziel ist die Erreichung der angestrebten Forderungen.
2.1.10. Tarifautonomie
„Die Tarifautonomie (TA) umfasst das Recht der eigenständigen Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge. Es ist ein spezielles Recht der Verbände des Arbeitsmarktes (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände) und beruht auf Art.9 (3) GG“ (Bundeszentrale für politische Bildung, o. J.).
2.1.11. Tariffähigkeit
Gem. §2 Abs.1 TVG ist tariffähig, wer Tarifvertragspartei sein kann. Tariffähigkeit beschreibt die Befähigung Abreden, über Arbeitsbedingung mit dem sozialen Gegenspieler (Arbeitgeberverband oder Gewerkschaft) zu treffen (dbb, Beamtenbund und Tarifunion, 2020).
2.1.12. Tarifkommission
Die Tarifkommission stellt ein „gewerkschaftliches Gremium, das über Tarifforderungen und - abschlüsse entscheidet; in der Regel besetzt mit betrieblichen Interessenvertreter/innen aus dem Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages“ dar (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, 2013).
2.1.13. Tarifrunde
Gemäß Verdi werden Tarifrunden als „Gesamter Prozess vom Aufstellen der Forderungen über die Verhandlungen, ggf. Schlichtungen und (Warn-) Streiks bis zu den Tarifabschlüssen“ bezeichnet (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, 2013).
2.1.14. Tarifwilligkeit
Die Tarifwilligkeit bezeichnet die Fähigkeit der Koalition, nach ihrer Satzung, Tarifverträge abzuschließen (Hromadka & Maschmann, 2016, S. 22).
2.1.15. Territorialprinzip
Das Territorialprinzip bezeichnet die Anwendbarkeit eines Gesetzes auf alle Personen des jeweiligen Hoheitsgebietes (Jura Forum, o. J.).
3. Das Tarifvertragsrecht
Das Tarifvertragsrecht sowie der Tarifvertrag tragen als wesentlicher Bestandteil des kollektiven Arbeitsrechts zur Reglementierung und Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Arbeitnehmern bei. Die rechtliche Grundlage des Tarifvertragsrechts bildet das Tarifvertragsrecht (TVG), in welchem alle Rechte und Pflichten der Parteien, die an einem Tarifvertrag mitwirken, enthalten sind. Mit der Entstehung des TVG und dessen in Kraft treten im Jahr 1949 wurde somit eine essenzielle Grundlage für die Mitwirkung von Arbeitnehmern geschaffen (Wien, 2009, S. 152).
3.1. Einführung
Im Wesentlichen erteilt das kollektive Arbeitsrecht Abhilfe in Fragestellungen, die nicht ausschließlich anhand von Arbeitsverträgen oder Gesetzen beantwortet werden können. Unterschieden werden hierbei das Betriebsverfassungsrecht, dass sich auf die Mitwirkung der Beschäftigten an Entscheidungen innerhalb einzelner Betriebe bezieht sowie das Tarif- und Arbeitskampfrecht. Letztere bilden den rechtlichen Rahmen für die Beziehung zwischen den Arbeitnehmervereinigungen auf der einen und den Arbeitgeber/ -Vereinigungen auf der anderen Seite (Hamann et. Al., 2016, S. 4). Die Grundlage hierfür stellt das im Grundgesetz verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit dar. Im Rahmen von Tarifverträgen kommt der Koalitionsfreiheit eine entscheidende Rolle zu, da die Parteien hierdurch befähigt werden abseits vom Staat eigene Regelungen zu treffen (Pulte, 1998, S.204).
„Koalitionsfreiheit ist die grundgesetzliche Basis für die Tarifautonomie, nach der die Tarifvertragsparteien autonom Regelungen treffen können (Artikel 9, Absatz 3 Grundgesetz)“ (Schwarzbach, 2006, S. 140).
Die rechtliche Grundlage des Tarifvertrages bildet somit Art. 9 Abs. 3 GG, welcher die verfassungsmäßige Koalitionsfreiheit gewährleistet. Sie beinhaltet die individuelle sowie die kollektive Koalitionsfreiheit. Unter individueller Koalitionsfreiheit wird das Recht verstanden, einer Koalition beizutreten oder eine solche zu bilden. Die negative Koalitionsfreiheit sichert das Recht sich einer Koalition fernzuhalten, ohne dabei mit etwaigen Nachteilen konfrontiert zu sein (Pulte, 1998, S. 204). Überdies umfasst die Koalitionsfreiheit die Bestands- sowie die Betätigungsgarantie, welche ebenso von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt werden. Die Bestandsgarantie sichert das Recht auf freie Koalitionsbildung, sodass der Staat das Bestehen einer Vereinigung nicht von Bedingungen abhängig machen kann, die von einer Koalition nicht beeinflusst werden können. Die Betätigungsgarantie gewährleistet die Enthaltung des Staates bei der Festlegung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen und schützt mithin die Tarifautonomie (Fischer, 2007, S. 20).
3.1.1. Der Tarifvertrag
Der Tarifvertrag, als Ergebnis von Tarifverhandlungen, in welchem die Arbeits- und Wirtschafsbedingungen betroffener Arbeitnehmer geregelt werden, wird folgend erläutert.
Eine genaue Begriffsdefinition von Tarifverträgen ist im Tarifvertragsgesetz zwar nicht enthalten, lässt sich aber aus den §§ 1 - 4 TVG ableiten (Kamanabrou, 2017, S. 542).
Bei dem Abschluss von Tarifverträgen sind die allgemeinen Vorschriften des BGB über das Zustandekommen von Verträgen gemäß den §§ 145 ff. BGB anzuwenden.
Tarifverträge werden schriftlich zwischen tariffähigen Parteien geschlossen. Zur Wirksamkeit bedarf er gemäß § 1 Abs. 2 TVG der Schriftform, d. h. beide Parteien müssen auf der Vertragsurkunde eigenhändig unterschreiben (Pulte, 1998, S. 205). Verfehlungen gegen das Formerfordernis führen unmittelbar zur Nichtigkeit des Tarifvertrages gemäß § 125 BGB. Diese überblicksartige Darstellung des Tarifvertrages wird im weiteren Verlauf der Arbeit durch die Vorstellung der Parteien sowie des Inhalts von Tarifverträgen weiter konkretisiert.
3.1.2. Funktionen des Tarifvertrages
In Anlehnung an die Autoren Hromadka und Maschmann (2017, S. 52) kommen dem Tarifvertrag vier nennenswerte Funktionen zu:
- Schutzfunktion: Arbeitnehmer sollen vor der einseitigen Reglementierung von Arbeitsbedingungen seitens des überlegenen Arbeitgebers bewahrt werden.
- Verteilungsfunktion: Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Sozialprodukt.
- Ordnungsfunktion: Die Festlegung von Arbeitsbedingungen für eine breite Masse von Arbeitnehmern.
- Friedensfunktion: Die Friedenspflicht zwischen den Parteien, während der Geltungsdauer eines Tarifvertrages.
3.1.3. Inhaltliche Bestimmungen
Bezugnehmend auf den Inhalt von Tarifverträgen finden sich Regelungen auf zwei Ebenen; dem schuldrechtlichen Teil, der die Rechte und Pflichten der Parteien zum Gegenstand hat, sowie dem normativen Teil. Letzterer setzt Rechtsnormen fest, welche sich unmittelbar und zwingend auf die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse auswirken (Michalski, 2008, S. 200).
Schuldrechtlicher Teil
Im schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages werden die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 1 TVG geregelt. Diese gelten nur zwischen den Parteien selbst und entfalten keine unmittelbare Drittwirkung auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse der Verbandsmitglieder (Hromadka & Maschmann, 2017, S. 42). Inhaltlich können sämtliche Regelungen getroffen werden, die nach dem bürgerlichen Recht zulässig sind.
Dem schuldrechtlichen Teil immanent sind die Friedens- sowie Durchführungspflicht, die nach Henssler (2018, S. 2938) unentbehrliche Bestandteile sind. Zunächst wird die Friedenspflicht beschrieben. Diese besteht grundlegend aus zwei Komponenten, der relativen sowie der absoluten Friedenspflicht. Die relative Friedenspflicht beinhaltet das Gebot, während der Geltungsdauer eines Tarifvertrages sämtliche Arbeitskampfmaßnahmen zu unterlassen, die sich gegen Regelungen des bestehenden Tarifvertrages richten (Brauneisen, 2019, S. 1). Die absolute Friedenspflicht hingegen, welche einer ausdrücklichen Vereinbarung beider Parteien bedarf, schließt Arbeitskampfmaßnahmen auch für nicht geregelte Punkte während der Geltungsdauer eines Tarifvertrages aus. (Pulte, 1998, S. 207).
Aufgrund der Durchführungspflicht werden die Parteien angehalten, die Bestimmungen des Tarifvertrages zu befolgen und für deren Ausführung einzustehen. Zudem liegt es in der Verantwortung der Koalitionen die Mitglieder über die zugrundeliegenden Inhalte zu informieren. Darüber hinaus ist in der Durchführungspflicht die Einwirkungspflicht mit inbegriffen (Wien, 2009, S. 154). Nach Dütz (2007, S. 259 zitiert nach Wien, 2009, S. 154) liegt es in der Pflicht der Tarifparteien, ihre Mitglieder zu tariftreuen Verhalten anzuhalten, jedwede Verfehlung gegen den Tarifvertrag abzuwenden und gegebenenfalls Vertragsstrafen zu verhängen.
Normativer Teil
Ein weiterer inhaltlicher Bestandteil des Tarifvertrages stellt der normative Teil dar. Hier finden sich Bestimmungen, welche die Arbeitsverhältnisse aller tarifgebundenen Arbeitnehmer betreffen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die Besonderheit, dass die Tarifparteien hier eigene Rechtsnormen schaffen können, die sich unmittelbar und zwingend auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse auswirken (Brox et al., 2016, S.673). Die unmittelbare und zwingende Wirkung tariflicher Normen ergibt sich aus § 4 Abs. 1 S. 1 TVG. In diesem Sinne drückt die unmittelbare Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie Wirkung der Normen aus, dass diese das jeweilige Arbeitsverhältnis automatisch erfassen, ohne dass es der Kenntnis der Parteien bedarf. Mit der zwingenden Wirkung wird ausgedrückt, dass die Tarifnormen durch andere Abreden im Arbeitsvertrag nicht außer Kraft gesetzt werden können (Brox et al., 2016, S. 679).
Die aufgestellten Regelungen beantworten Fragen wie etwa:
- generelle Inhalte der Arbeitsverhältnisse, wie die Festlegung der Urlaubs- und Arbeitszeiten,
- Beendigungen von Arbeitsverhältnissen,
- Regelungen über das Zustandekommen von Verträgen, wie das Schriftformerfordernis oder die Befristung von Arbeitsverträgen etc. (Schwarzbach, 2006, S. 140).
Die folgende Abbildung dient zur Verdeutlichung der wesentlichen Unterschiede:
Tab. 1: Inhaltliche Bestandteile des Tarifvertrages
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Schwarzbach, 2006, S. 140
3.2. Die Tarifparteien
„Gewerkschaften sind die Interessenverbände der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgeberverbänden und dem Staat“ (Hassel, 2007. S. 173).
In Deutschland existieren eine Reihe von Dachverbänden, unter denen wiederrum Einzelgewerkschaften vereint werden. Hierzu zählen unter anderem der Christliche Gewerkschaftsbund, der deutsche Beamtenbund, der Führungskräfteverbund sowie sonstige Arbeitnehmerkoalitionen. Der größte Dachverband ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Den Gegenpart zu den Gewerkschaften bilden die Arbeitgeberverbände (Hromadka & Maschmann, 2017, S. 36).
Als Synonym für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wird häufig der Begriff Koalitionen verwendet. Für das Arbeitsrecht ist dieser Begriff von entscheidender Bedeutung. Die Relevanz ergibt sich vor allem aus den Aufgaben, welche die Koalitionen wahrnehmen: nämlich die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Dafür handeln Gewerkschaften mit Arbeitgeberverbänden Tarifverträge aus und gestalten so die Bedingungen eines Großteils ihrer Mitglieder mit.
Die Begriffsbestimmung der Koalitionen ist vor allem im Hinblick auf die Festlegung des Schutzbereiches des Art. 9 Abs. 3 GG relevant. Auf diesen Schutz können sich Vereinigungen nur berufen, wenn sie bestimmte Merkmale aufweisen und in diesem Sinne Koalitionsaufgaben wahrnehmen. Überdies stellt nicht jede Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG eine Gewerkschaft bzw. einen Arbeitgeberverband gem. § 2 Abs. 1 TVG dar. Hierfür müssen die Vereinigungen weitere Voraussetzungen erfüllen, um als „arbeitsrechtliche Koalitionen“ zu gelten (Marschollek, 2008, S. 2).
Die folgende Abbildung illustriert die wesentlichen Voraussetzungen, die eine Koalition vorweisen muss, um als solche zu gelten:
Abb. 1: Arbeitsrechtlicher Koalitionsbegriff
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Hromadka und Maschmann, 2016, S. 21ff.
3.2.1. Der Deutsche Gewerkschaftsbund
Folgend wird der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), zu welchem gegenwärtig acht Gewerkschaften zählen, betrachtet. Dies resultiert aus der späteren Auswahl der Interviewpartner, deren Gewerkschaft mit anderen Vereinigungen im DGB zusammengeschlossen ist. Zu diesen acht Koalitionen zählen die "IG Metall“, die “IG Bau-Agrar-Umwelt“, die “IG Bergbau, Chemie, Energie“, die “EVG-Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft“, die “Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“, die “Gewerkschaft “Nahrung-Genuss-Gaststätten“ sowie die “Gewerkschaft der Polizei“ und “ver.di Vereinte Dienstleistungsgesellschaft“ (Deutscher Gewerkschaftsbund, o. J.). Mit seinen Einzelgewerkschaften versteht sich der DBG als Einheitsgewerkschaft, d. h. Arbeitnehmer werden Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie ungeachtet politischer oder weltanschaulicher Überzeugungen vereint (Hromadka & Maschmann, 2017, S. 36). Die Einzelgewerkschaften, werden wiederum, mehrheitlich nach dem Industrieverbandsprinzip, d. h. für einen Geschäftszweig existiert eine Gewerkschaft, organisiert (Richardi & Bayreuther, 2012, S. 7).
Die Mitgliedschaft in Gewerkschaften beruht, wie auch bei den Arbeitgeberverbänden, auf freiwilliger Basis und kann jederzeit gekündigt werden. Durch einen Antrag an den zuständigen Verband und dessen Annahme, wird die Mitgliedschaft erworben. Im Rahmen ihrer Aufgaben werden die Interessen ihrer Mitglieder, d. h. der Angestellten, Arbeiter und Beamten vertreten. Hierzu arbeitet die Tarifkommission, in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsmitgliedern, Forderungen aus, kündigt laufende Tarifverträge und übt Druck auf die Arbeitgeberseite aus. Im Zentrum stehen die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel die Aushandlung von Löhnen und Gehältern sowie Arbeits- bzw. Urlaubszeiten (Gewerbeanmeldung, 2021). Festgehalten und vereinbart werden diese Abreden schließlich in einem Tarifvertrag, welcher die ausgehandelten Bedingungen der beiden Parteien beinhaltet. Im Falle gescheiterter Verhandlungen oder um Interessen durchzusetzen können die Gewerkschaften ihre Mitglieder zum Streik aufrufen. Um während eines Streiks die eintretenden Lohn- und Gehaltseinbußen streikender Arbeitnehmer aufzufangen, bezahlen Gewerkschaften Streikgeld (Gewerbeanmeldung, 2021).
3.2.2. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber
Die Arbeitgeberverbände bilden das Gegenstück zu den Gewerkschaften und sind damit deren wichtigster Adressat, um die Inhalte von Arbeitsverhältnissen zu prägen (Schroeder & Weßels, 2003, S. 244). Sie werden, wie auch die Gewerkschaften, in einer Dachorganisation der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) gebündelt und gelten als Idealvereine gemäß § 21 BGB. Die BDA besteht laut Steckenborn (2000, S. 8) aus 46 Fachverbänden und organisiert sich einerseits nach dem Fach- und andererseits nach dem Regional- bzw. Territorialprinzip. Sie vertritt die Interessen ihrer Mitglieder (Arbeitgeber) gegenüber dem Staat und den Gewerkschaften, schließt jedoch selbst keine Tarifverträge ab. Dies obliegt den Mitgliedsverbänden. Die BDA übernimmt hingegen die Koordination der Tarifpolitik und hat das Recht allgemeine Vereinbarungen mit dem DGB zu treffen (Schnabel, 2005, S. 186). Die Interessenvertretung erstreckt sich auf überregionale Belange bzw. ist branchenübergreifend (§ 2 BDA-Satzung) tätig (Hromadka & Maschmann, 2017, S. 38 f.). Arbeitgeberverbände vertreten somit Unternehmen aus unterschiedlichen Geschäftszweigen.
Ferner ist der Beitritt in Arbeitgeberverbände freiwillig (Steckenborn, 2000, S.8).
3.3. Die IG-Metall als Tarifpartei
Das Kapitel 3.3 widmet sich der historischen Entstehungsgeschichte der IG-Metall sowie der überblicksartigen Darstellung ihres demokratischen Aufbaus.
Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie Bundesweit gliedert sich die Vereinigung in sieben Bezirke mit insgesamt 155 regionalen IG MetallGeschäftsstellen. Unterstützt werden die regionalen Stellen von der Zentrale in Frankfurt am Main. Die Koalition vereint aktuell knapp 2,3 Millionen Mitglieder und stellt damit die größte Einzelgewerkschaft Deutschlands dar. Organisiert werden Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Branchen, darunter „Eisen und Stahl, Handwerk, Holz und Kunststoff, Metall und Elektro sowie Textile Dienste“ (IG Metall, o. J.).
Die IG Metall organisiert sich auf drei unterschiedlichen Ebenen: der örtlichen Ebene; der Bezirksebene sowie der Bundesebene. Innerhalb dieser Ebenen sind verschiedene Stellen verankert die zum einen mit der Willensbildung, der Umsetzung sowie der Kontrolle betraut sind. Als basisdemokratische Vereinigung geht die Willensbildung von den Gewerkschaftsmitgliedern aus. Diese wählen alle vier Jahre auf der lokalen Ebene die Delegiertenversammlung sowie das Parlament der IG Metall vor Ort. Die gewählten Personen vertreten die Interessen der Mitglieder im Parlament und treffen Entscheidungen bezüglich möglicher Streikaktivitäten der Mitglieder im Betrieb. Organisiert werden die Aktionen anschließend von dem Ortsvorstand. Die Mitglieder aus der Delegiertenversammlung wählen wiederrum den Ortsvorstand, die Tarifkommission sowie die Delegierten für den Gewerkschaftstag (IG-Metall, o. J.). Zu den Hauptaufgaben der Gewerkschaft zählt die Aushandlung von Tarifverträgen, die Beratung der Mitglieder sowie die Organisation und Durchführung von Tarifauseinandersetzungen.
Abb. 2: Übersicht der IG Metall Bezirke
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: IG-Metall, o. J.
Entstehung der IG Metall
Für ein möglichst umfassendes Gesamtbild wird folgend auf die Entstehung und Entwicklung der IG Metall als eine der ersten Gewerkschaften in Deutschland eingegangen. Seit der Gründung der IG Metall am 01.September 1949 setzt sich die Gewerkschaft sowohl national als auch international für die Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen tarifgebundener Arbeitnehmer ein. Die historische Entwicklung der IG Metall geht jedoch bis ins Jahr 1891 zurück, indem mit dem Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) eine der bedeutendsten Vorläuferorganisationen der heutigen IG Metall gegründet wurde. Die Organisation entwickelte sich damals rasch zur größten deutschen Einzelgewerkschaft im Kaiserreich. Mit dem Eintritt der Weltwirtschaftskrise Ende der 20 Jahre dezimierte sich der Erfolg der Anfangsjahre der Gewerkschaften wieder. Mithin verhinderte die Aufteilung der Vereinigungen in unterschiedliche politische Fraktionen ein einheitliches Auftreten während der nationalsozialistischen Zeit. Erst nach Ende des zweiten Weltkrieges bildeten sich die Vereinigungen neu, womit der Grundstein für das Prinzip der Einheitsgewerkschaften gelegt wurde. Damit war es Arbeitnehmern möglich, sich unabhängig von religiöser oder weltpolitischer Anschauung gemeinsam zu organisieren (IG-Metall, o. J.).
Entwicklung der IG Metall
Zu den bisher größten Erfolgen der IG Metall zählen unter anderem die Einführung der Fünftagewoche 1956, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1956 sowie die 35-Stunden-Woche im Jahr 1984. Erreicht wurden diese Erfolge unter anderem durch den Einsatz der größten Streikaktionen der deutschen Geschichte (IG Metall, o.J.).
Darüber hinaus setzt sich die IG Metall seit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 für eine OstWestangleichung ein. In der Tarifrunde im Jahr 2020 strebt die IG Metall nunmehr eine Angleichung zwischen den Tarifgebieten an. Zur Verdeutlichung der größten Unterschiede in den Tarifgebieten zählt unter anderem die ungleiche Wochenarbeitszeit. Im westdeutschen Tarifgebiet gilt die 35- StundenWoche, während Arbeitnehmer in den ostdeutschen Gebieten rund 3 Stunden pro Woche mehr arbeiten müssen. Zu den betroffenen Bereichen zählen unter anderem Berlin, Brandenburg sowie Sachsen (IG-Metall, 2020). Ferner liegt der Fokus sowohl auf dem Ausbau der Tarifbindung als auch auf der Sicherstellung fairer Arbeitsbedingungen. Im Zuge der Pandemie und den damit einhergehenden Veränderungen in Bezug auf die Abhaltung von Präsenzterminen gewinnen die Organisation und Digitalisierung der virtuellen Arbeitswelt ebenso an Bedeutung.
3.4. Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie
Die folgenden Erläuterungen veranschaulichen die Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie. Hierfür werden zwei wesentliche Teilbereiche der Gewerkschaftsarbeit und deren Veränderungen betrachtet. Mitunter erfolgt zunächst eine Darstellung der ursprünglichen Abläufe, welche im weiteren Verlauf durch die Veränderungen während der Pandemie konkretisiert werden. Um den theoretischen Rahmen einerseits adäquat vorstellen zu können, aber andererseits die Ausführungen verständlich im vorgegebenen Rahmen der Bachelorarbeit überschaubar zu gestalten, beschränken sich die Ausführung auf die Teilbereiche: Digitalisierung der Tarifverhandlungen sowie die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen unter Pandemiebedingungen. Mit dem Eintritt der Beschränkungen im Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie Frühjahr 2020 wurden die Tarifparteien vor besondere Herausforderungen gestellt. Im Zeichen der Corona-Pandemie stehen vordergründig allem die Beschäftigungssicherung sowie die Aufstockung von Kurzarbeitergeld..
3.4.1. Digitalisierung der Tarifverhandlungen
Im Fokus dieses Unterkapitels steht die allgemeine Darstellung von Tarifverhandlungen. Besonderes Augenmerk liegt auf den Abläufen sowie dem Abschluss der Tarifverträge, um anschließend einen Vergleich zu dem aktuellen Vorgehen während der Pandemie zu erhalten.
Tarifverhandlungen werden angesetzt, um Tarifverträge abzuschließen. In den Verhandlungen stehen sich die Parteien, einerseits die Gewerkschaften als Vertretung der Arbeitnehmer, andererseits die Arbeitgeberverbände als Vertreter der Arbeitgeber, gegenüber. Ziel ist die Verbesserung bzw. Schaffung und Erhaltung besserer Arbeitsbedingungen. Den gesamten Prozess bezeichnet man als Tarifrunde (IG Metall, o.J.). Geführt werden die Verhandlungen von der Tarifkommission, in der Vertreter der Gewerkschaften sowie der Arbeitgeberverbände sitzen. Die Besprechungen können innerhalb weniger Sitzungen zu einem Ergebnis führen oder über mehrere Monate hinweg andauern. Die Verhandlungen erfolgen in der Regel in Präsenzsitzungen, in denen es zu größeren Menschenansammlungen kommen kann. In Folge der SARS-CoV-2-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen zum Schutze der Bevölkerung sowie zur Verhinderung der Verbreitung des Virus wurden zahlreiche Maßnahmen erlassen, die die Durchführung bzw. Zusammenkunft zu Tarifverhandlungen maßgeblich erschweren. Abstandsregelungen, Versammlungsverbote und die Angst vor einer Ansteckung führen dazu, dass die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften in Bezug auf die Abhaltung von Präsenzterminen deutlich dezimiert wird (Hoßbach, 2020). Im Zuge dessen sind die Parteien gezwungen geeignete Instrumente bzw. Maßnahmen zu entwickeln, um weiterhin aktionsfähig zu bleiben. Mittels digitaler Instrumente, wie Videokonferenzen, Hybridveranstaltungen oder Telefonkonferenzen wird versucht den Verlust physischer Treffen auszugleichen und die Gespräche aufrechtzuerhalten. Eine besondere Situation stellt sich bei Tarifbewegungen dar, da diese an feste Abläufe und Prozesse gekoppelt sind. Demzufolge ist eine Umstellung von Sitzungen mit persönlicher Anwesenheit auf virtuelle Sitzungen an hohe Anforderungen gekoppelt, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Überdies treten bei der Durchführung von Tarifverhandlungen mittels Videokonferenzen etc. verschiedenen digitalisierungsbedingte Schwierigkeiten auf: Unteranderem die Einhaltung des Datenschutzes sowie die Bereitstellung adäquater Arbeitsmittel (Webcam, Laptops) stellen weitere Herausforderungen in diesem Bereich dar (Hans-Böck-Stiftung, 2021).
3.4.2. Digitalisierung der Arbeitskampfmaßnahmen
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie betreffen gleichwohl auch die Organisation sowie Abhaltung von Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Tarifauseinandersetzungen im Jahr 2020 wurden geprägt von den Auswirkungen und Einschränkungen der SARS-CoV-2-Pandemie. Dies spiegelt sich auch in der knapp 12 Wochen anhaltenden Streikpause, die vergangenes Jahr von den Gewerkschaften eingelegt wurde, wider. Aufgrund der vielseitigen behördlichen Einschränkungen, zur Vorbeugung und Senkung der Ansteckung, sind vor allem im Frühjahr 2020 zahlreiche Tarifverhandlungen vorübergehend ins Stocken geraten oder verschoben worden. Dieser Umstand bedingt ebenso die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen. Im Regelfall werden Arbeitskampfmaßnahmen aufgenommen, um die angestrebten Forderungen der Tarifkommission zu bekräftigen und Druck auf die Gegenseite auszurichten. Sie stellen damit ein Zeichen für misslungene oder stockende Verhandlungen dar (Springer Fachmedien, 2018, S. 251). Der Ausfall einiger Tarifverhandlungen hatte demzufolge in gleicher Weise Auswirkungen auf die Abhaltung von Tarifauseinandersetzungen. In Folge der Pandemie ist es zu einer Prioritätenverschiebung der Inhalte von Tarifforderungen gekommen. Vor allem im Jahr 2020 standen die Arbeitsplatzsicherung sowie die Zahlung von Kurzarbeitergeld im Vordergrund. Die Konflikte der Parteien in Bezug auf deren Interessen sowie eine gerechte Verteilung sind somit nicht durch die Pandemie in den Hintergrund geraten. Infolgedessen kam es im Frühjahr 2020 zu einer Zunahme von Streitaktivitäten seitens der Gewerkschaften (Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliches Institut, 2020, S. 3). Aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie sind die Koalitionen angehalten ihre bisherigen Prozesse an die Pandemie anzupassen und geeignete Alternativen zu entwickeln. Dabei treten unterschiedliche Herausforderungen von der Organisation, über die Urabstimmung, bis zur Durchführung der Arbeitskampfmaßnahme auf. Die Komplexität besteht darin, die Gewerkschaftsmitglieder auf anderen Plattformen zu erreichen und Streikaktionen, in Übereinstimmung mit den Hygieneanforderungen, zu organisieren. Durch kreative Maßnahmen kann die IG Metall diese Herausforderung mittels Autokino-Streiks, Homeoffice-Streiks sowie Frühschlussaktionen bewältigen. Die IG Metall hat dafür eigene Handlungsempfehlungen und Verhaltensregeln, die bei der Durchführung von Streikaktionen zu beachten sind, aufgestellt. Ausgewählte Alternativen werden nun vorgestel lt, um das Verständnis für die angepassten Streikformate zu verbessern.
Autokino-Streik
Unter Autokino-Streiks, die unteranderem im Bezirk Nordrheinwestfalen und Berlin etc. durchgeführt werden wird folgendes verstanden: Die Gewerkschaftsmitglieder reisen mit ihrem PKW zu einem vorher festgelegten Veranstaltungsort, z.B. einem Messegelände an und verweilen während der Dauer der Veranstaltung in diesem. Über die UKW-Frequenz des PKW-Radios können die Mitglieder anschließend dem Programm und den Beiträgen folgen. Parallel wird die Kundgebung über Leinwände übertragen und während den Pausen mit Live-Musik begleitet (IG Metall, 2021).
Home-Office-Streik
Ein weiteres Format einen Streik unter Pandemiebedingungen durchzuführen, stellt der Streik im Home-Office dar. Die IG Metall ruft dabei Ihre Mitglieder auf, ihre Computer etc. für eine Stunde Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie abzuschalten und eine Abwesenheitsnotiz mit folgender Botschaft zu hinterlassen: „Bin im Warnstreik“. Hierdurch soll die Reichweite, die bei einem Streik im Home-Office durch fehlende öffentliche und sichtbare Maßnahmen begrenzt ist, erweitert werden (IG Metall, 2021).
Frühschlussaktionen
Ein weiteres kreatives Mittel zur Umsetzung hygienekonformer Tarifauseinandersetzungen sind Frühschlussaktionen. Bei dieser Form der Druckausübung werden Beschäftigte aufgerufen ihre Arbeit vorzeitig niederzulegen. Bei dem Verlassen der Bürogebäude werden die Arbeitnehmer häufig mit Lautsprecheraussagen begleitet und über den aktuellen Stand der Verhandlungen informiert (IG Metall, 2021).
Mit Hilfe dieser kreativen Maßnahmen ist es der Gewerkschaft gelungen weiterhin die Kampfparität der Partei zu gewährleisten und vor allem die Bereitschaft zu Tarifauseinandersetzungen zu demonstrieren.
4. Methodik
Im Anschluss an die theoretischen Ausführungen und der Auseinandersetzung mit dem Themenbereich des Tarifvertragsrechts, werden im empirischen Teil anhand von Experteninterviews die Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie dargestellt. Zur Vervollständigung erfolgt vorab eine Einführung in die empirische Sozialforschung.
4.1. Experteninterviews im Kontext der Empirischen Sozialforschung
Atteslander (2013, S. 3) beschreibt die Sozialforschung als die gezielte Zusammenstellung und Interpretation gesellschaftlicher Vorgänge. Kennzeichnend für empirische Forschung ist die Gewinnung neuer Einblicke, deren Auswertung und Aufbereitung. Entgegen dem zufälligen Entdecken folgt die Forschung bestimmten Prinzipien (Bundesverband für Bildung Wissenschaft und Forschung e. V., o. J.). Diese Prinzipien sind in verschiedenen Methoden verankert, um die Phänomene, an denen Forschende interessiert sind, aufzudecken. Ohne diese Methoden kann nach Kelle (2009, S.19) nicht empirisch geforscht werden. An dieser Stelle ist anzuführen, dass sich abhängig von der Problemstellung, zwei unterschiedliche Forschungsrichtungen unterscheiden. Einerseits die qualitativen und andererseits die quantitativen Methoden, wobei auch eine Kombination beider Vorgehensweisen durchaus sinnvoll sein kann (Kluge, 2001, S. 45). Welche der beiden Methoden zur Anwendung kommt, richtet sich entscheidend nach dem angestrebten Erkenntnisinteresse.
Laut Wolf und Priebe (2000, o. S.) wird mit der Differenzierung der Methoden die Problematik angeschnitten, auf welche Weise Forschung methodisch ablaufen soll. Weitere Ausführungen zur Methodenkombination sowie zum Streit um die Forschungsansätze sind weder für die Beantwortung der Forschungsfrage noch für die folgende Darstellung der verwendeten Methodologie relevant. Im Vordergrund steht die Darstellung theoretischer Grundlagen beider Forschungsansätze, die als Grundlagen für das adäquate Verständnis weiterer Ausführungen in dieser Arbeit dienen.
Die Veränderung der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie Zunächst wird die qualitative Forschung betrachtet, die nach Baur (2014, S. 47) eine vollständig objektive Betrachtung des Forschungsgegenstandes durch den Forschenden ausschließt und eine anhaltende Veränderung des Forschungsobjektes anerkennt. Im Rahmen dieses Forschungsansatzes wird auf die Erkenntnis subjektiver Eindrücke abgezielt, indem Motivationen, Einstellungen und Gesinnungen von Befragten analysiert werden. Dadurch wird eine weitaus offenere Herangehensweise zum Forschungsgegenstand garantiert (Röbken, 2020, S. 13). Durch die theorieentwickelnde Eigenschaft der Methode wird es ermöglicht, „den theoretischen Bezugsrahmen während des Forschungsablaufs stets zu novellieren oder sogar erst zu entwickeln“ (Lamnek, 1993, S. 225 zitiert nach Wolf & Priebe, 2000, o. S.). Wolf und Priebe stellen an dieser Stelle fest, dass durch das „induktive“ Vorgehen Theorien geschaffen werden und verweisen in diesem Zusammenhang weiter auf Lamnek (1993, S.225 zitiert nach Wolf & Priebe, 2000, o. S.), welcher bei der qualitativen Forschung die Erstellung von Hypothesen als Priorität ansieht. Diese Hypothesen werden aus der zu erforschenden gesellschaftlichen Situation erlangt. Induktiv bedeutet in diesem Kontext, dass die Hypothesen selbstständig aufgestellt und daraus Theorien abgleitet werden. Qualitative Erhebungsmethoden können unter anderem
- Interviews,
- Diskussionen in Gruppen,
- Qualitative Inhaltsanalysen
sein (Kelle, 2009, S. 32ff.).
In Anlehnung an Schwaiger und Zimmermann (2011, S. 421) basiert die quantitative Forschung „auf der zahlenmäßigen Erhebung und Beschreibung von Sachverhalten“. In dieser Hinsicht grenzt sie sich von der qualitativen Methode ab. Im Vordergrund steht die Erhebung von Informationen in Zahlenformat. Als Grundlage ihrer Arbeit verwendet die quantitative Forschung „strukturierte[r] Methoden der Datenerhebung (z.B. standardisierte Fragebogenerhebungen, psychologische Testverfahren, physiologische Messungen)“ (Döring & Bortz, 2016, S. 15). Aufgrund der exakten Festlegung von Fragen, Reihenfolgen, Antwortmöglichkeiten etc. kann die Dauer der Befragung z. B. in Form einer Umfrage, erheblich verkürzt werden. Die Standardisierung führt gleichwohl zu einer verbesserten Vergleichbarkeit der Daten sowie einer höheren Zuverlässigkeit.
Wie im Unterkapitel 4.1. erwähnt, bedient sich die Arbeit der leitfadengestützten Experteninterviews aus dem Bereich der qualitativen Forschungsansätze. Dies hat den Hintergrund, dass Experteninterviews tiefere Einblicke in die Materie ermöglichen und so der Zugang zu subjektiven Sichtweisen erleichtert wird. Das ist vor allem im Hinblick auf die Forschungsfrage relevant. Die Problematik, welche Veränderungen sich bezüglich der in dieser Abschlussarbeit auftretenden Forschungsfragen ergeben, bedarf zur Beantwortung spezielles Wissen von Gewerkschaftsvertretern. Eine Umfrage unter betroffenen Verhandlungsführern würde den Forschungsfragen nicht ausreichend entsprechen.
4.2. Herausforderungen
Die vorliegende Bachelorarbeit verfolgt das Ziel, am Beispiel der IG Metall, die Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit, die sich im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie ergeben, aufzudecken. Im empirischen Teil werden die Arbeitsweisen der Gewerkschaftsvertreter vor und während der Pandemie erhoben. In Kapitel 3.4. wird bezogen auf zwei wesentliche Bestandteile der Gewerkschaftsarbeit dargestellt, mit welchen Schwierigkeiten die Tarifpartei konfrontiert werden. Dabei werden explizit die Digitalisierung der Tarifverhandlungen sowie die Veränderung der Arbeitskampfmaßnahmen betrachtet. Durch die Nutzung digitaler Tools, darunter Videokonferenzen sowie online-Streiks könnte bei den Betroffenen ein Wunsch nach einem Wandel in Bezug auf die künftige Abhaltung von Besprechungen sowie Verhandlungen oder Streiks entstanden sein.
4.3. Kritik der Methodik
Im Hinblick auf andere Forschungsmethoden bleiben trotz der beschriebenen Vorteile von Experteninterviews Nachteile bestehen. Angesichts erheblicher Fehlerpotentiale bei der Durchführung wird im folgenden Abschnitt auf mögliche Probleme eingegangen. Zunächst sei zu erwähnen, dass sich die Kritik an Experteninterviews zumeist auf die wissenschaftstheoretischen Defizite des abgeleiteten Prozesses der Kompetenzgewinnung bezieht. Dies resultiert aus der nicht ausschließlich objektiven Untersuchung, sondern folgt aus der subjektiven Betrachtung einzelner Probanden. Aufgrund dieses Mangels sind die Ergebnisse von Experteninterviews achtsam zu interpretieren (Röbken & Wetzel, 2020, S. 14).
Komplikationen bei der Durchführung der Experteninterviews können sich aus verschieden Gründen ergeben. Zum einen setzt die Durchführung eines Interviews ein spezifisches Fachwissen von dem Interviewer voraus, zum anderen werden Unmengen an Informationen geteilt, auf die jeweils sachlich und kompetent von dem Interviewer zu reagieren sind (Mieg, 2001, S. 7f.). Verständnisprobleme führen in diesem Zusammenhang zu weiteren Schwierigkeiten. Um im Vorfeld auf diese Probleme reagieren zu können, bedarf es der Gewinnung von Fachkenntnissen, da Rückfragen sonst kaum bzw. nicht spezifisch genug gestellt werden können. Mieg führt fort, dass der Interviewer die Steuerung des Interviews anhand eines Leitfadens übernehmen und verfolgen sollte. Unterbleibt dies besteht die Gefahr, dass zu weit von dem eigentlichen Themengebiet abgewichen wird und letztlich die Forschungsfragen nicht adäquat beantwortet werden können. Abschließend sollten Nachfragen so lange gestellt werden, bis jedwede Unklarheiten beseitigt sind. Insbesondere dann, wenn der Experte umfangreiche Informationen voraussetzt. Weiterer Kritikpunkt an der Forschungsmethode ist unteranderem die Auswahl der Experten (Mieg, 2001, S. 7 f.; Hug & Poscheschnik, 2014, S.105). Zusammengenommen kann davon ausgegangen werden, dass die Durchführung qualitativer Experteninterviews eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt.
4.4. Leitfadengestütztes Experteninterview
Für die Durchführung leitfadengestützter Experteninterviews ist eine Vergegenwärtigung der theoretischen Grundlagen dieser Disziplin unumgänglich. In der empirischen Sozialforschung stellt nach Aufenanger (2011, S. 100) das Leitfadeninterview eines der am meisten genutzten Erhebungsinstrumente dar. In diesem Zusammenhang gilt es noch zu erwähnen, dass das Leitfaden- und Experteninterview zwei unterschiedliche Instrumente darstellen. Der Hauptunterschied liegt in der Auswahl der Befragten (Baur, 2014, S. 559).
Anhand von Leitfadeninterviews oder Schilderungen können in der Sozialforschung Daten erhoben werden. Charakteristisch für diese Interviewform ist, dass ein Leitfaden als Grundlage dient. Enthalten ist eine Frageliste, die während des Interviews durchaus erweitert oder gekürzt werden kann. In der Beantwortung der Fragen sind die Probanden frei. Weiterhin dient der Leitfaden als Orientierung und stellt eine gewisse Sicherheit, zur Minderung möglicher Fehlerquellen, dar. Auf diese wird in Unterkapitel 4.3., näher eingegangen. Mithin wird dadurch eine Vergleichbarkeit der gesammelten Daten ermöglicht, da sich die Experten zu den gleichen Themen äußern (Mayer, 2013, S.35).
Nach Kaiser (2014, S. 28f.) können als Alternative zu dem leitfadengestützten Interview entweder das „explorative Forschungsinterview“ oder das „Plausibilisierungsgespräch“ zur Erhebung verbaler Daten eingesetzt werden. In dieser Arbeit wird jedoch, aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit keine Gegenüberstellung dieser Instrumente vorgenommen. Es wird lediglich erfasst, dass auch andere Interviewtypen verwendet werden können.
4.4.1. Auswahl des Experten
Experten gelten als fachkundige Personen, die auf einem Themengebiet über fundiertes Wissen verfügen (Gläser & Laudel, 2004, S. 10). Vor der Auswahl der Befragten ist eine entsprechende Vergegenwärtigung der zugrundeliegenden Thematik, des Forschungsstandes sowie des angestrebten Erkenntnisinteresses nötig. Gläser und Laudel (2010, S. 117) schreiben der Auswahl der Befragten eine erhebliche Rolle für den Informationsgehalt und dessen Qualität zu. Diese beeinflussen in erheblichen Maß die Erkenntnisse sowie den weiteren Verlauf der Forschung. Die Auswahl der Experten, die im Rahmen dieser Arbeit interviewt werden, richtet sich maßgeblich daran, inwieweit die Personen an der tariflichen Arbeit von Gewerkschaften beteiligt sind und vor allem, ob diese während der Pandemie Tarifverhandlungen geführt sowie Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt haben. Aufgrund dessen werden Kriterien festgelegt, welche die Experten erfüllen sollen:
- Beteiligung an Tarifverhandlungen vor der Pandemie
- Beteiligung an Tarifverhandlungen während der Pandemie
- Abhaltung und Organisation von Arbeitskampfmaßnahmen während der Pandemie
- Weitreichende Kenntnisse im Tarifvertragsrecht
- Verhandlungsführer/ Teilnehmer an Tarifrunden
Diese Eigenschaften werden bei der Suche der Experten herangezogen. Vor allem die ersten drei Punkte spielen eine besondere Bedeutung, da die Forschungsfragen nur angemessen beantwortet werden können, wenn ein Vergleich zwischen den Abläufen vor und während der Pandemie möglich ist. Um die Ergebnisse der Interviews im vorgegebenen Rahmen der Bachelorarbeit präsentieren zu können und überschaubar zu gestalten, werden von den fünf geführten Interviews lediglich drei ausgewertet. Das Alter der Befragten oder die Dauer der Koalitionszugehörigkeit spielen keine Rolle bei der Auswahl. Um das Spektrum nicht auf einen Bezirk der Gewerkschaft zu beschränken, sollen die Interviewten aus unterschiedlichen Bezirken der IG Metall stammen. Damit wird der Blickwinkel bezüglich möglicher Veränderungen branchenübergreifend erweitert. Des weiteren wird bei der Auswahl der Bezirke und damit verbunden bei der Auswahl der Experten auf das Engagement der Bezirke bzw. deren Reaktionen auf die Pandemie geachtet. In diesem Zusammenhang spielen die unterschiedlichen Herangehensweisen eine Bedeutung. Angesichts der Weitergabe vertraulicher Informationen wird vorab mit jedem der Experten eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben. Nach dem § 40 Abs. 2 S. 1 BDSG sind „die personenbezogenen Daten [sind] zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungszweck möglich ist“. Das Erkenntnissinteresse dieser Arbeit liegt nicht darin, zu erforschen wie eine bestimmte Person die Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit empfindet, sondern welche grundlegenden Veränderungen sowie Begleiterscheinungen sich überhaupt ergeben. Angesichts der Vertraulichkeitsvereinbarung werden die Befragten nicht namentlich genannt.
4.4.2. Aufbau und Inhalte des Leitfadens
Um die Gesprächspartner angemessen zu befragen, wird vorab ein Leitfaden für die Interviews erstellt. Dieser besteht aus 19 Fragen und ist im Anhang C beigefügt. Darin sind wesentliche Aspekte, die für die Beantwortung der Forschungsfragen bedeutsam sind, enthalten. Die Fragen orientieren sich an einer konkreten Reihenfolge, von der Durchführung der Tarifverhandlungen zu den Auswirkungen auf die Tarifabschlüsse und dem Arbeitskampf bis zu den Instrumenten der Kommunikation. Abschließend wird behandelt, welche Änderungen zukünftig beibehalten und welche wieder abgeschafft werden. Die Reihenfolge dient dazu möglichst strukturiert die verschiedenen Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der SARS-CoV-2-Pandemie zu verfolgen.
Folgende Themengebiete sind in dem Leitfaden enthalten:
- Ablauf der Tarifverhandlungen (vor und während der Pandemie)
- Bedeutung der Gewerkschaften
- Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen
- Veränderungen in der Kommunikation zwischen den Verhandlungsführern
- Auswirkungen und Folgen der Beeinträchtigungen (Kontaktbeschränkungen etc.)
- Zukünftige Abläufe der Gewerkschaftsarbeit
Um den Gesprächsfluss nicht zu stören, werden Fragen aus dem Leitfaden zum Teil verschoben bzw. weggelassen, wenn diese bereits vorher in Verbindung mit anderen Fragen beantwortet werden.
4.4.3. Vorbereitung der Interviews
Nach Erstellung des Leitfadens wurde dieser mit dem Betreuer der Bachelorarbeit besprochen und anschließend weiter überarbeitet. Während der Vorbereitungen des Leitfadens wurden parallel potenzielle Interviewpartner kontaktiert. Die erste Kontaktaufnahme erfolgte zum Teil per E-Mail und zum Teil per Telefon. In weiteren Rücksprachen wurde den Experten die Forschungsfrage und das Ziel der Bachelorarbeit vorgestellt. Abschließend wurden Termine für Telefon-/ und Videokonferenzen vereinbart und durchgeführt.
4.4.4. Durchführung der Interviews
Die Durchführung der Interviews wurde per Videokonferenz über das Tool „WebEx“ vorgenommen und mit Zustimmung der Experten aufgezeichnet. „WebEx“ ist ein digitales Tool das kostenlose Videokonferenzen bis zu 50 Minuten ermöglicht. Im Verlauf der Durchführung zeichnete sich ab, dass die veranschlagte Dauer von 30 - 40 Minuten bei jedem Interview überschritten wird. Aufgrund zeitlicher Einschränkung bei dem Interviewten wurde ein Interview per Telefon geführt und über eine App („Call Recorder“) aufgezeichnet. Je nach Verfügbarkeit der Experten fanden die Interviews an vier verschiedenen Kalendertagen, im Zeitraum zwischen dem 29.07.2021 und dem 05.08.2021, statt. Vorab erhielten die Interviewpartner, auf Wunsch Informationen zu den angestrebten Fragen und dem Zweck des Interviews. Zu Beginn jeder Videokonferenz erfolgte eine kurze Einführung, die das Ziel der Bachelorarbeit sowie das Ziel des Interviews beinhaltete. Mithin wurden die Befragten auf die Verwendung eines Leitfadens sowie die ungefähre Dauer des Interviews hingewiesen. Letzter Bestandteil war die im Anhang B dargestellte Vertraulichkeitsvereinbarung sowie die Verpflichtung zur Geheimhaltung personenbezogener Daten, bevor die Interviews anschließend durchgeführt wurden.
4.4.5. Transkription der Interviews
Um Erkenntnisse aus den Interviews zu gewinnen, müssen diese aufbereitet, dokumentiert und ausgewertet werden. Dies erfolgt anhand eines Transskripts. Transkription beschreibt den Prozess, bei dem Audiodateien in schriftliche Fassungen umgewandelt werden (Höld, 2009, S. 657). Transkription leitet sich von dem lateinischen Wort „transcribere“ ab und bedeutet so viel wie „umschreiben“ (Dittmar, 2004, S.50). Nach Redder (2001, S. 283) wird durch die Transkription die Vergänglichkeit der verbalen Kommunikation überwunden und so für zukünftige Untersuchungen verfügbar. Im Rahmen der Transkription lassen sich verschiedene Systeme verwenden, wie das Gesprochene schriftlich abgefasst werden kann. Nach Gläser und Laudel (2010, S. 193) bieten sich zwei Optionen an: Einerseits kann eine vollständige Abschrift des Gesprochenen erfolgen.
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- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Veränderungen der Gewerkschaftsarbeit während der Corona-Pandemie am Beispiel der IG Metall, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1140782
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