Die folgende Seminararbeit beschäftigt sich mit fünf möglichen Deutungsansätzen, wobei zuvor der Blick auf den Stoff gerichtet, sowie seine Herkunft und die eigentliche Entstehung des Marmorbildes betrachtet werden soll. In einem Fazit werden die erarbeiteten Fakten abschließend noch einmal zusammengefasst. Diese Seminararbeit kann dem Anspruch, den das Werk an seinen Leser stellt, in keiner Weiser gerecht werden. Sie ist vielmehr der Versuch einen kleinen Teil der Vielschichtigkeit herauszugreifen und zu beleuchten. An einigen Stellen werden aufkommende Gedanken eingebracht, an anderen weggelassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biographische und historische Hintergründe
3. Fünf Deutungsansätze
3.1 Der religiös-christliche Deutungsansatz
3.2 Der entwicklungsgeschichtliche Ansatz
3.3 Der poetologische Ansatz
3.4 Der Märchenansatz
3.5 Der psychodynamische Ansatz
4. Zusammenfassung der Ansätze und Arbeitsergebnisse
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
„Das Marmorbild“ Joseph Freiherr von Eichendorffs gehört zwar nicht zu den Kanonwerken der deutschen Literatur, verdient jedoch auf Grund seiner Vielschichtigkeit mehr als nur eine flüchtige Lektüre.
Die folgende Seminararbeit beschäftigt sich mit fünf möglichen Deutungsansätzen, wobei zuvor der Blick auf den Stoff gerichtet, sowie seine Herkunft und die eigentliche Entstehung des Marmorbildes betrachtet werden soll. In einem Fazit werden die erarbeiteten Fakten abschließend noch einmal zusammengefasst. Diese Seminararbeit kann dem Anspruch, den das Werk an seinen Leser stellt, in keiner Weiser gerecht werden. Sie ist vielmehr der Versuch einen kleinen Teil der Vielschichtigkeit herauszugreifen und zu beleuchten. An einigen Stellen werden aufkommende Gedanken eingebracht, an anderen weggelassen.
2. Biographische und historische Hintergründe
Eichendorffs Marmorbild ist ein Werk, das viele Gegenüberstellungen enthält. Versucht man es einer literarischen Gattung zuzuordnen, fällt einem dies ebenso schwer, wie den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte eindeutig nachzuweisen, denn nicht einmal Eichendorff selbst wusste, was sein Marmorbild sein soll – Märchen oder Novelle:
„Verehrtester Herr Baron! Ihrer gütigen Erlaubnis zufolge, wage ich es, Ihnen wieder etwas von meiner Poesie zuzuschicken, eine Novelle oder ein Märchen, zu dem irgend eine Anekdote aus einem alten Buche, ich glaube es waren Happellii Curiositates, die entfernte Veranlassung, aber weiter auch nichts, gegeben hat.“[1]
Verfolgt man die historischen Ansätze dieser Novelle, findet man den (scheinbaren) Ursprung dieses Stoffes. Schon bei Ovid in der Antike taucht er in einer etwas abgewandelten Form auf. Der Bildhauer Pygmalion verliebt sich in eine geschnitzte Elfenbeinfigur (Narziss-Motiv) und erliegt ihrer Schönheit. Die Figur der Begierde ist hier jedoch noch unbelebt. Circa 1124/15 nach Christus taucht dann eine entwickelte Form des Stoffes in den Chroniken des Engländers Malmsbury auf. Hier wird ein junger Mann an seinem Hochzeitstag beim Ballspielen von seinem Ring behindert. Der Bräutigam nimmt ihn ab und steckt ihn einer Venusstatue auf den Finger, die den Ring schließlich nicht mehr preisgeben möchte. Erst als sich ein Priester einschaltet und sein Leben lässt, kann die Hochzeit stattfinden. Eine weitere Variante des Stoffes findet sich im 14. Jahrhundert im Tannhäuser-Lied. Ein Ritter, der sich auf Pilgerfahrt befindet, kommt am Venusberg vorbei und kann der Versuchung eines Besuchs nicht widerstehen. Angekommen verfällt er der Venus ein Jahr lang und kann sich erst dann retten, als er seinen Verstand und sein Gewissen wiedererlangt. Er setzt seine Reise zum Papst fort. Dieser will ihm aber nur dann verzeihen, wenn ein Zweig in seiner Hand grünt. Der Ritter verzweifelt angesichts der unmöglichen Aufgabe und flüchtet sich zurück zur Venus, der er ohne Aussicht auf Rettung verfällt. Was er nicht weiß, kurz nach seiner Abreise grünt der Zweig wirklich in der Hand des Papstes. Der für Eichendorff vielleicht auch entscheidende Ansatz dieses Stoffes findet sich 1804 bei Brentano und Armin („Des Knaben Wunderhorn“). Rückblickend kann jedoch festgehalten werden, dass der Stoff der Statuenbelebung und der Verführung schon länger existierte und von Eichendorff neu bearbeitet wurde. Er übernimmt dabei gezielt sowohl die Kernmotive, als auch den Handlungsort von Happel, sowie den Ritter und das grobe Handlungsgerüst.[2]
Eichendorff selbst sieht die Zeit, in der er das Marmorbild schrieb, eher kritisch. Durch den Staatsdienst eingesperrt in eine enge Stube mit „Aktenstaub“, sieht er seine Novelle „als einen Spaziergang in amtfreien Stunden in Freie hinaus“[3]. Doch das Marmorbild sollte nicht nur als Flucht aus dem Beamtendasein gelesen werden, sondern auch als Flucht aus der zerrissenen Gegenwart in die Vergangenheit und ein Plädoyer für die Religion. Die Romantik soll dabei für Eichendorff eine Mittelstellung zwischen der Aufklärung und der aktuellen Kulturtendenz einnehmen und daher im Bezug auf die Sehnsucht doppeldeutig sein. Vergangenheit und Zukunft sollen in einer utopischen Dimension verwirklicht werden. Die Bildhaftigkeit der Novelle lässt daher vielfältige Deutungsansätze zu.
3. Fünf Deutungsansätze
Im folgenden Teil sollen die fünf Deutungsansätze nach Karl Hanß[4] dargestellt und kritisch bearbeitet werden. Ergänzt werden seine Ausführungen durch weiterführende Gedanken und zusätzliche Literatur.
3.1 Der religiös-christliche Deutungsansatz
Der christlich-religiöse Deutungsansatz findet seine Legitimation darin, dass diese Thematik „durchgehend das eigentlich dichterische Schaffen“[5] Eichendorffs bestimmt. Arnold Schilson benennt dafür eine Ursache: die romantische Dichtung ist für Eichendorff „geistliche Poesie“[6]. Ausgedrückt wird dies in der Tatsache, dass das Grundwesen der Religion mit dem der Poesie übereinstimmt. Die Poesie der Romantik diente Eichendorff somit dazu einen dichterisch gestalteten, religiösen Neuanfang zu beginnen. Bedeutung fand das Thema daher in allen Lebensbereichen. Zugleich diente die Beschäftigung mit diesem Thema der Untersuchung des menschlichen Gelingen oder nicht Gelingen seines Daseins und Tun. Die Poesie spiegelt damit die vielfältigen Schattierungen und Wandlungen der Religion wieder und besitzt gleichzeitig eine besondere Nähe zur Natur, die sich in den Werken Eichendorffs ausdrückt.[7]
Der Menschheitstraum vom verlorenen Paradies dient dazu die ursprüngliche Gottesnähe und den Verlust urzeitlicher Stätten des Friedens zu unterstreichen. Ein weiterer Aspekt im Marmorbild ist die Dominanz des naturgebundenen Aspekts, durch die eine Vermittlung zwischen dem Ewigem und Irdischen vollzogen werden kann. Verdeutlicht werden diese Grundzüge vorrangig durch die Personenkonstellationen und die Gestaltung der Umgebung (Umwelt, Natur). So finden sich im Marmorbild Pärchen, die starke Kontraste herausbilden. Durch diese kontrastive Gegenüberstellung versucht Eichendorff religiöse Dichtung und heidnische Dichtung zu verdeutlichen. Das Marmorbild kann somit in zwei Aspekte unterteilt werden, den Gottesnahen und den Gottesfernen. Der gottesnahe Aspekt findet seinen Grundsatz im Christentum. Der Gottesferne drückt sich durch die Bezüge zur Antike und somit das Heidentum aus. Elemente des Christentums assoziiert Eichendorff durch den Bereich des Himmels, das Heidentum findet sich dagegen in den Erd- und Wassergeistern wieder. Personifiziert werden diese beiden Aspekte durch die Kontrastpärchen Fortunato und Maria, so wie Donati und die Venus. Erstere stehen für die Wiedergeburt, das Leben und göttliche Harmonie. Das heidnische Pärchen hingegen verkörpert die Verlockung und Sehnsucht bis hin zum Tod. Weiterhin drücken sich dadurch der Realitätsverlust und die starken Träumereien aus. Eine ambivalente Stellung nehmen dagegen Florio und Bianka ein. Beide stehen zwischen dem Christentum und Heidentum. Dargestellt wird dies dadurch, dass beide noch nicht stark im Glauben verankert und anfällig für die Einflüsse des Heidentums sind. Eichendorff gelingt es durch diese Ambivalenz den Kampf zwischen der wahren und gottesfernen Dichtung zu präzisieren. Der Protagonist verlässt sein behütetes Elternhaus und zieht mit guten Vorsätzen in die Welt. Er muss den Versuchungen des Irdischen dabei widerstehen. Hin und her gerissen zwischen den beiden Welten kämpft er, nicht immer aktiv, gegen die Verführung an. Eichendorff lässt seinen Protagonisten jedoch nicht „fallen“. Durch die Unterstützung von Fortunato und seiner christlichen Seele kann Florio dem Heidentum entkommen. Er gelangt dadurch an einen Punkt in seinem Leben, an dem er das Nicht-Christliche verbannt. Die Prüfung des Lebens bestanden, flieht er aus den bedrohlichen Sphären und schließt sich Fortunato an (Wiedergeburt):„[…] hatte ihn endlich zu dem Entschlusse bewogen, diese Gegend gänzlich zu verlassen.“[8] Bianka, die er an diesem Punkt verkleidet als Knabe in Begleitung ihres Onkels wieder sieht und in ihr die wahre Liebe, Gottesliebe, entdeckt („Da sagte Florio, zu Bianka gewendet: Ich bin wie neu geboren, es ist als würde noch alles gut werden, seit ich Euch wiedergefunden [sic].“[9] ), musste diese schwere Prüfung nicht bestehen. Bianka scheint von anfang an gefestigter in ihrem Glauben. Dies resultiert sicherlich daraus, dass sie den Teil der wahren Dichtung in sich trägt (Maria). Ein weiterer Faktor ist aber auch die Begleitperson Biankas, ihr Onkel. Er ist als Teil der Familie ständig in ihrer Nähe und gibt ihr damit die Liebe, der sich Florio freiwillig durch seine Reise entzogen hat. Diese Liebe stabilisiert Biankas Glauben, wodurch die Tendenz zur christlichen Seite nur logisch ist. Schilson fasst dies passend zusammen:
„Die Begegnung mit mythologischen Urgrund der Welt und den Marmorbildern einer vergangenen Götterwelt braucht der Mensch in Eichendorffs Dichtung dann nicht zu Scheuen, wenn er die christliche Religion, die Vermittlung des Irdischen mit dem Himmlischen nicht aus den Augen verliert.“[10]
Maria (Bianka) verkörpert damit das Mütterliche und die Ewigkeit und kann laut Hanß als die neue Eva gesehen werden, die den Weg ins neue Paradies weist[11].
3.2 Der entwicklungsgeschichtliche Ansatz
Der entwicklungstheoretische Deutungsansatz Eichendorffs Marmorbild kann in enger Verbindung zum religiösen Deutungsansatz gelesen werden. Florio kann dabei als naiver und unschuldiger Jüngling gesehen werden, der keinerlei Lebenserfahrung besitzt. Durch diese Charaktermerkmale geprägt muss er der Liebe, der er begegnet sobald er das behütete Elternhaus verlassen hat, verfallen. Dieser Vorgang ist gleichzusetzen mit der Verblendung, die dadurch eintritt, dass er sich zu Beginn seiner Erfahrungsreise völlig frei fühlt. Der junge Florio wird dadurch in eine Grenzsituation gedrängt, in der er existentielle Erfahrungen sammeln kann. Diese Grenzsituation wird durch die anfängliche Freiheit bedingt, indem dadurch die Liebessehnsucht in Florio auftaucht. Vielleicht ist dies auch durch das Fehlen der elterlichen Liebe bedingt. Durch seine Verblendung nimmer er die Gefährdung seiner Entwicklung anfänglich nicht wahr. Erst durch den Glauben an Gott und die seelische Verbundenheit zum Glauben kann er sich befreien und als gewachsener Mann aus der Erfahrung herausgehen.[12]
Laut Hanß kann dieser Ansatz auch auf die Menschheitsgeschichte übertragen werden:
„Sie ist erwachsen geworden, indem sie die heidnische Antike durch das Christentum im Mittelalter überwunden hat. Nur hin und wieder kann das Triebhafte das Heidentums in christlicher Zeit zum Ausbruch kommen.“[13]
Die Frage die sich bei diesem Deutungsansatz jedoch stellt ist: Was ist dann mit Florios Zukunft? Kann der Deutungsansatz, wenn es eine Fortsetzung des Marmorbildes gebe, dort auch Aufnahme finden? Diese Fragen sind nicht eindeutig zu beantworten, denn logisch gesehen, könnte die nächste Stufe der menschlichen Entwicklung der Atheist sein, oder eine andere Glaubensrichtung. In diesem Fall kann der Deutungsansatz aufgenommen werden. Da Eichendorff jedoch den religiösen Aspekt in seinen Werken immer wieder aufnahm, wäre selbst bei einem zweiten Marmorbild eine weitere Entwicklung zustande gekommen. Der Protagonist hätte sich sicherlich wieder eine Prüfung des Glaubens unterziehen müssen (vielleicht als Philister).
3.3 Der poetologische Ansatz
Beim poetologischen Deutungsansatz wird laut Hanß Eichendorffs kritische Auseinandersetzung mit der frühen Romantik und der Gefahr der absolut gesetzten Phantasie verdeutlicht. Der unerfahrene Poet erliegt dabei dem Überschwang seiner Gefühle und der unbegrenzten Phantasie (vgl. mythologischer Urgrund). Dadurch gelangt er in einen Zustand der Maßlosigkeit, der schließlich die Verblendung des Poeten mit sich bringt. Das Gefühl und die Phantasie sind dabei dämonische und schöpferische Kräfte, die, laut Eichendorff, in einem Gleichgewicht gehalten werden müssen. Geschieht dies nicht, könne der Poet in seinen Gefühlen ersticken und dadurch seine Phantasie verlieren.[14] Damit dies nicht geschieht benötigt der Dichter die Religion. Sie ist das Hilfsmittel den Dreiklang von Gefühl, Phantasie und Verstand zu verwirklichen:
„Wo aber der Dreiklang gestört und eine dieser Kräfte alleinherrschend wird, entsteht die Dissonanz, die Krankheit, die Karikatur. So entsteht die sentimentale, die phantastische und Verstandpoesie, die eben bloß Symptome der Krankheit sind.“[15]
[...]
[1] Eichendorff, J.: Ahnung und Gegenwart. S.738.
[2] Vgl. Hanß, K.: Joseph von Eichendorff. Das Marmorbild/Aus dem Leben eines Taugenichts. S.11ff.
[3] Eichendorff, J.: Ahnung und Gegenwart. S.738.
[4] Hanß, K.: Joseph von Eichendorff. Das Marmorbild/Aus dem Leben eines Taugenichts.
[5] Schilson, A.: Romantische Religiosität? S. 121.
[6] Schilson, A.: Romantische Religiosität? S.121.
[7] Vgl.:Ebd. S.121ff.
[8] Eichendorff, J.: Ahnung und Gegenwart. S.422.
[9] Ebd. S.428.
[10] Schilson, A.: Romanstische Religiosität? S. 136.
[11] Vgl., Hanß, K.: Eichendorff „Das Marmorbild“. S.57.
[12] Vgl.: Hanß, K.: Eichendorff „Das Marmorbild“. S.58.
[13] Ebd. S.59.
[14] Vgl.: Ebd. S.59.
[15] Ebd. S.59.
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