Die nationalsozialistische Herrschaft ist nicht nur ein dunkler Punkt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in der Arbeitshistorie der Profession der Sozialen Arbeit. In dieser Arbeit werden die Auswirkung der NS-Herrschaft auf die Soziale Arbeit in ausgewählten Handlungsfeldern beschrieben.
Die Jahre 1933-1945 zählen ohne Fragen aus heutiger Sicht zu den düstersten der noch recht jungen deutschen Geschichte und nehmen dementsprechend auch eine Sonderstellung ein. Allein das Wort Auschwitz genügt noch heute, um bei Millionen von Menschen Bedauern und Scham auszulösen, die das systematische Vernichten bestimmter Völkergruppen mit sich brachte. Mittlerweile ist die Phase des Nationalsozialismus und der aus deren Herrschaft resultierende Zweite Weltkrieg sowie die von den Nationalsozialisten angeordneten und begangenen Verbrechen an der Menschheit in jedem Geschichtslehrplan der Mittel- und Oberstufen inkludiert.
Für Personen, welche durch Bildungsinstitutionen, Fachliteratur und die Medien über die nationalsozialistischen Verbrechen und Handlungen aufgeklärt wurden, scheint bei oberflächlicher Betrachtung kein Platz für Berufe und Handlungen, welche der Sozialen Arbeit zugeordnet werden können. Dennoch ist unumstritten, dass auch Soziale Arbeit im Dritten Reich stattfand. Dies wirft die Frage auf, mit welchen Rahmenbedingungen die Beschäftigten der Sozialen Arbeit konfrontiert wurden und wie Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herrschaftsregime praktiziert wurde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historische Hintergründe
3. Einbettung der Sozialen Arbeit in das NS-Regime
3.1 Von der Wohlfahrt zu einer Volkspflege
3.2 Die Einbettung der Nationalsozialistischen Ideologie in die Soziale Arbeit
4. Umsetzung der Sozialen Arbeit in ausgewählten Handlungsfeldern
4.1 Umgang mit psychisch Erkrankten oder Menschen mit Behinderung
4.2 Die frühkindliche Bildung und Erziehung
4.3 Jugendpflege und -fürsorge im Dritten Reich
5. Verfolgung und Widerstand von Sozialarbeiter*innen im NS-Regime
5.1 Verfolgung von Sozialarbeiter*innen
5.2 Widerstand von Sozialarbeiter*innen
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herrschaftsregime
1. Einleitung
Die Jahre 1933-1945 zählen ohne Fragen aus heutiger Sicht zu den düstersten der noch recht jungen deutschen Geschichte und nehmen dementsprechend auch eine Sonderstellung ein (vgl. Kuhlmann 2012, S. 87). Allein das Wort Auschwitz genügt noch heute, um bei Millionen von Menschen Bedauern und Scham auszulösen, die das systematische Vernichten bestimmter Völkergruppen mit sich brachte. Mittlerweile ist die Phase des Nationalsozialismus und der aus deren Herrschaft resultierende Zweite Weltkrieg sowie die von den Nationalsozialisten angeordneten und begangenen Verbrechen an der Menschheit in jedem Geschichtslehrplan der Mittel- und Oberstufen inkludiert.
Für Personen, welche durch Bildungsinstitutionen, Fachliteratur und die Medien über die nationalsozialistischen Verbrechen und Handlungen aufgeklärt wurden, scheint bei oberflächlicher Betrachtung kein Platz für Berufe und Handlungen, welche der Sozialen Arbeit zugeordnet werden können. Dennoch ist unumstritten, dass auch Soziale Arbeit im Dritten Reich stattfand (vgl. Wendt 2020, S. 39f.). Dies wirft die Frage auf, mit welchen Rahmenbedingungen die Beschäftigten der Sozialen Arbeit konfrontiert wurden und wie Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herrschaftsregime praktiziert wurde.
Im Folgenden soll nun, basierend auf vorangegangener Literaturrecherche, dieser Frage nachgegangen werden. Dazu erfolgt zunächst eine Einbettung in den historischen Kontext, anschließend folgt eine Darstellung, wie die Nationalsozialisten die Wohlfahrt in eine Volkspflege umwandelten. Anschließend soll die praktische Arbeit und deren Rahmenbedingungen exemplarisch an den drei Handlungsfeldern der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, der frühkindlichen Bildung und dem Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit durchleuchtet werden. Zum Schluss soll aufgezeigt werden, wie auch Sozialarbeiter*innen von den Nationalsozialisten zur Flucht gezwungen wurden und wie aus dem Bereich der Sozialen Arbeit Widerstand geleistet wurde.
Anzumerken ist noch, dass im Folgenden Ausdrücke und Phrasen verwendetet werden, welche herablassend und diffamierend sind. Diese spiegeln nicht die Meinung des Autors wieder, sondern sind dem historischen Kontext und der damaligen gängigen oder von den Nationalsozialisten forcierten Ausdrucksweise geschuldet.
2. Historische Hintergründe
Am 3. Oktober 1918 sandte die Regierung des Deutschen Kaiserreiches ein Waffenstillstandsgesuch an den amerikanischen Präsidenten und besiegelten damit das Ende des Deutschen Kaiserreichs (vgl. Wunderer 2012, S.15f). 25 Tage später verordnete der letzte Kaiser Deutschlands, Wilhelm II, eine Parlamentarisierung des Reichs und dementsprechend auch eine Teildemokratisierung an (vgl. ebd., S.16). Am 9. November 1918 wurde gegen den Willen des Kaisers dessen Abdankung bekannt geben und der Sozialdemokrat Friedrich Ebert verfassungswidrig zum neuen Reichskanzler ernannt; es folgten Ausrufe der Republik von Sozialisten und Sozialdemokraten (vgl. ebd., S.19). Am 19. Januar 1919 wurde schließlich eine Nationalversammlung gewählt, welcher dem neuen politischen System, einer Demokratie, Leben einhauchen sollte, in dem dort eine Verfassung ausgearbeitet werden sollte (vgl. ebd., S.29). Es entstand die Weimarer Republik.
Doch nicht alle Bürger*innen Deutschlands waren dem neuen System wohlgesonnen. Spätestens nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags formten sich besonders aus dem rechten Spektrum Gruppierungen, die neben lautstarken Opponieren auch zu gewaltsamen Systemstürzen bereit waren (vgl. Wunderer 2012, S.38). So versuchte Adolf Hitler bereits im November 1923 durch einen gewaltsamen Putsch an die Macht zu kommen und eine nationalistische Regierung zu etablieren. Dieser scheiterte jedoch und Hitler wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt (vgl. ebd., S:45f).
In der darauffolgenden halben Dekade kann von einer Stabilisierung der Republik gesprochen werden (vgl. Wunderer 2012, S.46). Diese endete jedoch rasch mit der ersten großen Weltwirtschaftskrise 1929 (vgl. ebd. S.66). Auf der politischen Gestaltungsebene führte dies zu einer erneuten Erstarkung von Stimmen gegen das demokratische System und zum Aufstieg von Hitlers Partei, der NSDAP (vgl. ebd., S.68). Die zweite Wirtschaftskrise im Jahr 1932 verstärkte diese Tendenzen, es kam zudem zu parteipolitischen Straßenschlachten (vgl. ebd., S. 78). Am 30 Januar 1933 wurde Hitler schließlich zum Reichskanzler ernannt (vgl. ebd., S.81).
Auf Ebene der sozialen Berufe begannen in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg die den Jugendbewegungen, wie beispielsweise dem Wandervogel, entstammenden Pädagogen sich zunehmend mit der Neugestaltung des Volksleben zu beschäftigen. Außerdem wurden die als gefährdet eingestuften Jugendgruppen wie die proletarische Jugendbewegung und die „bündische Jugend“ von Sozialpädagogen begleitet (vgl. Wendt 2020, S.33f). Das bisher etablierte System der Armenhilfe wurde durch die Wohlfahrt ersetzt, sodass der Beruf der Wohlfahrtspfleger*innen entstand (vgl. ebd. S. 35).
3. Einbettung der Sozialen Arbeit in das NS-Regime
Auch die staatlich propagierten Ideologien des Nationalsozialismus erhielten Einzug in die Soziale Arbeit beziehungsweise die Soziale Arbeit musste sich diesen beugen. Im Folgenden soll nun aufgezeigt werden, wie sich in Deutschland die (private) Wohlfahrt hin zu einer (nationalsozialistischen) Volkswohlfahrt wandelte und wie Soziale Arbeit in unterschiedlichen Handlungsfeldern zur Regierungszeit der NSDAP praktiziert wurde.
3.1 Von der Wohlfahrt zu einer Volkspflege
Nach der selbstpropagierten Machtergreifung der Nationalsozialisten versuchten diese umgehend den Wohlfahrtstaat zu kontrollieren und ihren Ideologien anzupassen. Mit Hilfe des am 24. März 1933 verabschiedeten „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, auch als Ermächtigungsgesetz bekannt, wurde die Legislative auf die Exekutive überschrieben und die Gewaltenteilung faktisch außer Kraft gesetzt (vgl. Kinder/Hilgemann/Herget 2017, S. 473). Des Weiteren hatte das am 07. April 1933 erlassenen “Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zur Folge, dass das nationalsozialistische Regime all jene Beamten entließ, welche ihre Politik offen missbilligten oder deren Ideologie widersprachen, zum Beispiel „nichtarische“ Beamten, welche durch linientreue Anhänger des Nationalsozialismus ersetzt wurden (vgl. ebd.). Dadurch gelang eine Ausweitung der Macht auch auf kommunaler Ebene, der dahingehend Bedeutung zugeschrieben werden kann, als das die Städte und Gemeinden die Wohlfahrtspflege finanzierten und als freie Träger auftraten (vgl. Amthor 2016. S. 165.). Auch die freien Wohlfahrtsanbieter konnten sich nicht vor dem Zugriff der neuen faschistischen Regierung schützen. So wurden die den sozialdemokratischen und sozialistischen Strömungen nahe Arbeiterwohlfahrt (AWO) bereits 1933 und die jüdische Zentralwohlfahrtsstelle 1939 schlichtweg verboten (vgl. Kuhlmann 2012, S.93). Im Fall der Arbeiterwohlfahrt bedeutete dies, dass ab Mai 1933 alle Geschäftsstellen und Einrichtungen geschlossen und deren Grundbesitze, Konten und Inventare beschlagnahmt wurden (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2020).
Einzig das auf den Gesundheitsbereich beschränkte Deutsche Rote Kreuz sowie die kirchlichen Einrichtungen konnten zunächst ihren Einfluss erhalten (vgl. Kuhlmann 2012, S. 93). Vor allem Einrichtungen aus der protestantischen Glaubensrichtung legten dabei eine kooperative Haltung in Bezug auf nationalsozialistische Ideale an den Tag. Auch die katholische Caritas kooperierte spätestens nach dem 1933 geschlossenen Reichskonkordat, einem Vertrag über das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche, ebenfalls im breiten Maße, auch wenn sie sich stets gegen die von den Nationalsozialisten durchgeführten Zwangssterilisationen bei den als unwürdig betrachteten Mitbürger*innen, wie beispielsweise geistig oder mobil Eingeschränkte, positionierten. Beide Einrichtungen und die Nationalsozialisten einigte jedoch die Feindschaft gegenüber sozialistischen Strömungen, die Ablehnung einer parlamentarischen Demokratie sowie die Ansicht, das Erziehung zu Disziplin und Unterordnung führen sollte (vgl. Kuhlmann 2012, S. 93f.). Ablehnung beziehungsweise aktiver Widerstand wurde ebenfalls vereinzelt praktiziert, darauf soll später noch einmal separat eingegangen werden.
Trotz ständiger Polemisierung der Wohlfahrtspflege durch die NSDAP und ihrer Mitglieder wurde am 3. Mai 1933 der Berliner Verein „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV) als Parteiorganisation der NSDAP anerkannt (vgl. Kuhlmann 2012, S. 93). Diese wurde landesweit ausgebaut und war als Parteiorganisation eine staatliche Organisation, fungierte gleichzeitig jedoch als freier Träger, was der NSV gegenüber den noch verbliebenen freien Wohlfahrtsstellen einen erheblichen Vorteil erbrachte (vgl. ebd.). Ziel war es, die Diversität in der Wohlfahrtspflege zu unterbinden und mit der NSV eine Monopolstellung zu erreichen, so dass die Nationalsozialisten ebenfalls auf diesem Gebiet die Führung übernehmen und damit auch die Wohlfahrt ihren Ideologien unterordnen konnten (vgl. Wendt 2017, S. 174). Dies führte dazu, dass der Paritätische Wohlfahrtsverband im Sinne der „Gleichschaltung“ bereits im Oktober 1933 der NSV beitrat und die „Deutsche Liga der freien Wohlfahrtspflege“ nach Ausschluss der jüdischen Zentralwohlfahrtstelle schlichtweg zur „Reichsarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege“ umbenannt und umstrukturiert wurde. Zudem wurde sie Erich Hilgenfeldt, der gleichzeitig auch das Amt des Reichswalters der NSV innehatte, unterstellt, so dass von einer nationalsozialistischen Kontrolle der Wohlfahrt gesprochen werden kann (vgl. ebd.). Auf formeller Ebene war die NSV dem „Amt für Volkswohlfahrt“, welches ab 1934 den Namen „Hauptamt für Volkswohlfahrt“ trug, unterstellt und wurde durch aktive Anwerbung von Mitglieder nach der „Deutschen Arbeiterfront“ zur zweitgrößten Organisation im nationalsozialistischen Herrschaftsregime (vgl. ebd. S. 175). So zählte die NSV als größter Wohlfahrtskomplex des Dritten Reichs im Jahr 1943 insgesamt mehr als 16 Millionen Mitglieder. Außerdem waren für die NSV bis 122.280 Personen hauptamtliche und mehr als eine Millionen Menschen ehrenamtlich tätig (vgl. Amthor 2016, S.165), Hauptsächlich konzentrierte sich die NSV auf familienunterstützende und präventive Hilfen. Als ihr Klientel wurden allerdings nur „Erbgesunde“, also laut nationalsozialistischer Ideologie lediglich alle deutschen, reinrassigen, nicht jüdischen und arischen Mitbürger*innen ohne Einschränkungen in physischer oder psychischer Versehrtheit, betrachtet (vgl. Kuhlmann 2012, S.94). So begann die NSV zum Winteranfang 1933 damit das „Winterhilfswerk“ zu organisieren. Ziel war es Spenden zu generieren, welche später vor allem an Arbeitslose weitergeleitet wurden (vgl. Wendt 2017, S. 175). Zwar war das Winterhilfswerk faktisch eine vom Staat organisierte Spendenkampagne, da die Durchführung Hilgenfeldt oblag und die Finanzaufsicht dem Reichsschatzmeister der NSDAP unterstellt war, dennoch wurde es als Einrichtung des deutschen Volkes propagiert (vgl. Götz 2001, S.390f.). Rückblickend lässt sich das Winterhilfswerk als großen propagandistischen Erfolg für die Nationalsozialisten werten. So wurde einerseits auf sozialpolitischer Ebene eine Entlastung des Staatshaushaltes herbeigeführt, da Sozialausgaben auf die Spender abgewälzt wurden, andererseits gelang den Nationalsozialisten auch hier erneut ein ideologischer Zugriff auf weite gesellschaftliche Bereiche unter dem Deckmantel von vermeintlichen sozialmoralischen Verpflichtungen und stärkte dabei gleichzeitig das Ansehen und die Monopolstellung der NSV (vgl. ebd., S.391). Ebenfalls zu einer Bekräftigung der Monopolstellung führte das Verbot für eigene Sammlungen von kirchlichen Organisationen (vgl. Kuhlmann 2012, S.94).
Zusätzlich wurde 1934 das „Hilfswerk Mutter und Kind“ von der NSV organisiert, welche ganz im Sinne der NS-Ideologie kinderreiche (arischen) Familie neben Wohnungshilfen auch Kinderbetreuung und medizinische Versorgung anbot (vgl. Wendt 2017, S.175). Zudem organisierte die NSV das Tuberkulosehilfswerk, welches an Tuberkulose erkrankten deutschen Mitbürger*innen Hilfen anbot, ein Ernährungshilfswerk, dessen Ziel es war Lebensmittelabfälle aus Haushalten und Wirtschaft einzusammeln und der Schweinemast zur Verfügung zu stellen, so dass diese wieder in den Ernährungskreislauf zurückgeführt werden konnten und genug Fleisch auf dem Markt war, um eine für (künftige) Soldaten angemessene Ernährung herbeizuführen. Des Weiteren wurde ein Künstlerhilfswerk für Künstler*innen, die sich staatstreuer Kunst widmeten, organisiert (vgl. Amthor 2016, S. 166).
3.2 Die Einbettung der Nationalsozialistischen Ideologie in die Soziale Arbeit
Wie bereits angedeutet hielten die rassistischen und nationalsozialistischen Ideologien spätestens nach der Etablierung der Herrschaft der NSDAP auch Einzug in die Soziale Arbeit. Dies kann vor allem auf zwei Gründe zurückgeführt werden: Einmal, dass sich führende Vertreter von Lehre und Forschung zu sozialrassistischen Theorien bekannten und diese anwendeten und zweitens, dass Bildungsministerium selbst aktiv in die Lehrpläne der Universitäten und Wohlfahrtstellen eingriff.
Deutlich wird der Einfluss sozialrassistischen Gedankenguts in den sozialpädagogischen Diskurs am Beispiel der Verwahrlosung. Allerdings ist hierbei festzustellen, dass die Ursachen von Verwahrlosung im theoretischen Diskurs schon vor 1933 eine Verschiebung erfuhr. So wurden die zuvor als Ursache geltenden geistigen Fähigkeiten bald als weniger wichtig anerkannt als die aus der Interpretation Darwins entstammende Idee, es seien biologische Faktoren, sprich Erbanalgen, dafür verantwortlich (vgl. Kuhlmann 2012, S. 92). Herman Nohl, der als einer der Begründer der Sozialpädagogik gilt und dessen Theorien und Werke heute noch gelehrt werden, deutete diese Implementierung in seine Theorien an. So prangerte er in seiner Vorlesung im Wintersemester 1933/1934 an, dass bei Erziehungsfragen und sonstigen Tätigkeiten der Sozialen Arbeit die erblichen Faktoren vernachlässigt werden. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Nohl begann, die zuvor propagierte und dozierte „Pädagogik vom Kinde aus“ zu einer „Pädagogik vom Staate aus“ uminterpretierte (vgl. ebd.).
Neben Nohl befürworteten auch weitere Schüler*innen des Frankfurter Professors für Fürsorgewesen und Sozialpädagogik Christian Jasper Klumker die propagierte Volkspflege und implementierten sie in ihre Arbeit. Hans Scherpner und Heinrich Webler beispielsweise befürworteten öffentlich die Jugendhilfe der NSV und wurden sogar als deren Vertreter gelistet, wiederum andere beschäftigten sich mit dem sozialverträglichen Ausbau des Siedlungslandes im Osten (vgl. Kuhlmann 2012, S. 92).
Des Weiteren begannen die Nationalsozialisten damit, aktiv in die Ausbildung sozialer Berufe einzugreifen. Deutlich wird dies am Beispiel der sozialen Frauenschulen, die zuvor die Fürsorgerinnen und fortan die späteren Volkspflegerinnen ausbildeten. Auf Erlass des Bildungsministeriums hin wurden sie zu Beginn des Jahres 1934 in „Nationalsozialistische Frauenschule für Volkspflege“ umgetauft (vgl. Wendt 2017, S. 176). Dadurch entstand eine Volkspflege, welche sich auf der nationalsozialistischen Weltanschauung und Lebenseinstellung stützte. Der Lehrplan war in sechs Teile gegeliedert, wobei die letzten fünf dem Oberbegriff der Nationalsozialistischen Volkspflege zugeordnet werden können (vgl. ebd. S.177). Der erste Teil der Lernziele kann als nationalsozialistische Gemeinschaftskunde beschrieben werden und beinhaltet neben Rassenkunde beispielsweise einen Lernblock über den Führer Adolf Hitler und die Geschichte seiner Partei (vgl. ebd.).
Der zweite Teil und damit der erste über die Volkspflege befasste sich mit dem Thema der Gesundheitspflege (vgl. Wendt 2017, S.177). Auch hierbei war die Lehre dem nationalsozialistischen Idealen untergeordnet, denn die Erbgesundheitslehre wurde als elementarer Bereich aufgefasst. Der nächste Themenblock war die Haushaltspflege, hier wurde den zukünftigen Volkspflegerinnen unter anderem die Nationalsozialistische Haushaltsführung nähergebracht (vgl. ebd.). Als viertes Themenfeld stand die Familienpflege auf dem vorgegebenen Lehrplan. Dort wurde neben Erziehungsfragen auch das Jugendwohlfahrtsgesetz behandelt (vgl. ebd.). Als vorletztes Thema wurde schließlich die Volksgemeinschaftspflege unterrichtet. Dabei wurde beispielsweise Inhalte über volkstümliche Gemeinschaftsfeiern doziert (vgl. ebd.). Abgeschlossen wurde das Curriculum der Volkspflegerinnen mit einem Lehrblock zum Thema Einrichtungen der deutschen Wohlfahrtspflege (vgl. ebd.).
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- Citation du texte
- Staatlich anerkannter Sozialarbeiter/Sozialpädagoge (B.A.) Tim Winkelmann (Auteur), 2020, Soziale Arbeit im nationalsozialistischen Herrschaftsregime, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1139588
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